Protocol of the Session on November 19, 2008

Danke sehr. - Wir haben ja heute früh eine entsprechende Debatte geführt. Es ist völlig klar: Wir stehen in einem Bildungswettbewerb, nicht nur in Deutschland - PISA-E -, sondern europaweit und weltweit. Wir haben auch eine andere Situation als in den 70er und 80er Jahren. Heute ist es eindeutig so - der Trend wird sich verstärken -, dass die jungen Leute genau überlegen, an welchen Hochschulen sie gute Abschlüsse erwerben können, wo sie sozusagen für das Leben lernen können, was ihnen eine Chance für die Zukunft bringt. Das heißt, ein solches Gesetz kann kein ideologisches Schachspiel sein, sondern es muss einen Standortvorteil für Brandenburg bringen, und es muss jungen Leuten Chancen geben.

Was sind die Grundzüge des Gesetzes, die hier schon diskutiert wurden? - Meine Linie ist von Anfang an - das wird in diesem Gesetz ganz deutlich besiegelt -:

(Zuruf der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Steuerung - ich bin ein bisschen extremer, Frau Lehmann - der Hochschulen modern. Das heißt, in den Hochschulen sollen die Entscheidungen fallen; vor Ort weiß man, was am besten ist. Das kann aber nicht so funktionieren, dass man einfach sagt, ihr habt alle Freiheitsgrade, sondern es muss ganz klar sein, was die Zielstellungen der Hochschulen sind. Das haben wir mit dem Mittelverteilungsmodell geregelt. Es ist also ganz klar, was wir von den Hochschulen bezüglich der Steuergelder von 250 Millionen Euro, die wir hineingeben, erwarten. Wir wollen Studenten gut ausgebildet haben, wir wollen Forschungsleistungen, wir wollen Transfer. Wie die Hochschulen das einrichten, mit welchen Methoden, das geben wir frei. Mit diesem Gesetz schaffen wir Freiheitsgrade, die es in keinem anderen Bundesland für die Hochschulen gibt. Das heißt, wir fahren den Einfluss des Landes zurück und geben Vertrauen.

Die Linke hat kein ausgeprägtes Vertrauen in die Hochschulen. Das ist ganz deutlich. Aber Freiheit braucht Vertrauen, und Wissenschaft kann ohne Freiheit bekanntlich nicht funktionieren.

Ich möchte jetzt gern einiges zu den Schwerpunkten der Debatte, zu den Punkten, die kritisch gesehen werden, sagen. Ich weiß natürlich, dass das nur diejenigen erreicht, die für Argumente offen sind. Bei Demagogen hat das keinen Sinn. Ich sage es trotzdem.

Was ich hier zu den Punkten „Selbstverwaltung der Hochschulen“, „Demokratieabbau“ gehört habe, ist einfach Unsinn. Daraus spricht entweder Unkenntnis oder bewusste Irreführung. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland eine Verfassung, und in dieser Verfassung ist festgelegt, was Mitspracherechte der einzelnen Gruppen in der Hochschule bedeuten. Natürlich verstoßen wir nicht gegen die Verfassung. Aber wir legen nicht im Detail fest, wie groß der Senat sein soll, ob sie ein Kuratorium haben sollen oder anderes. Dass es an der Fachhochschule Eberswalde anders sein kann als an der Universität Potsdam, ist doch völlig klar.

Es gibt keine Verstärkung der Rechte der Präsidenten; sie sind ja überhaupt nicht in den Gremien vertreten, die darüber entscheiden, wie die neue Grundordnung aussieht.

Ich darf also wirklich deutlich sagen: Wer in dem Zusammenhang Vokabeln wie „Demokratieabbau“ überhaupt benutzt, hat keine Ahnung, oder er macht es bewusst.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Nehmen wir einmal das Wort „Selbstverwaltung“: Es geht um die Selbstverwaltung der Hochschule. Da stellt sich die Linke hin und will diese Selbstverwaltung natürlich von oben, in exakt verordneten Bahnen haben. Dann ist es aber keine Selbstverwaltung. Das kann man auch machen, machen wir aber nicht.

Was gehört denn zu den Freiheitsgraden? - Zu den Freiheitsgraden gehört zum Beispiel, dass die Personalkategorien ganz offen sein sollen, das heißt, auch in die Entscheidungsgewalt der Hochschule gegeben werden, und dass wir die Lehrprofessur in Brandenburg als eine Möglichkeit - Frau Münch hat es deutlich gesagt - einführen.

Noch einmal zu den Argumenten gegen die Lehrprofessur:

Dass die von den Standesvertretern, von den Professoren, an vielen Stellen vorgebracht werden, das ist völlig klar. Das haben wir im Wissenschaftsrat lange diskutiert. Der Wissenschaftsrat ist hierfür das höchste Empfehlungsgremium in der Bundesrepublik. Er hat sich einstimmig für die Einführung der Lehrprofessuren ausgesprochen. Wir verordnen sie aber nicht, sondern dann, wenn es die Hochschulen wollen, können sie es tun. Nur das steht im Gesetz.

Wenn Sie dann einmal an etwas anderes denken, die Juniorprofessur, bei der ja alle solche ideologischen Scheuklappen hatten, dass das alles ganz schlimm und furchtbar sei: Nein, man muss auch mal etwas Neues wagen. Das hat funktioniert.

Angesichts der Dinge, die ja immer wieder erzählt werden geringer Wert der Lehre in Deutschland -, sage ich: Das ist so. Die ist einfach der Versuch, ein Stück dagegen zu handeln, und es ist nur eine Möglichkeit. Wenn die Uni Potsdam an irgendeiner Fakultät sagt, dass wolle man nicht, dann machen die es halt nicht; es muss am Ende nur gut sein für die Studenten.

Zur Kategorie Forschungsprofessur kann ich sagen: Das macht niemand in Deutschland; wir machen das. Das hat etwas mit Brandenburg zu tun, mit unserer Stärke in dem Bereich. Unsere Fachhochschulen sind bundesweit mit die besten, was Forschungsleistungen anbetrifft. Das wollen wir verstärken.

(Beifall bei CDU und SPD)

Deswegen gibt es an diesen Hochschulen zukünftig Professoren, die nur das halbe Lehrdeputat haben. Das ist auch eine Chance für junge Leute, sich zu qualifizieren. Das hat auch etwas mit Durchlässigkeit zu tun.

Natürlich ist es schwierig, Herr Jürgens, etwas zu bewerten, was kein anderer macht und wozu man nicht irgendwas lesen kann. Aber hier ist es wirklich sehr gut. Das kann ich Ihnen sagen. Das können Sie sich in drei Jahren angucken.

Was ich zum Thema Körperschaftsvermögen gehört habe, ist Unfug. Sie kennen doch unser System. Ich verteile an die Hochschule Gelder doch nicht danach, wie viel die auf der hohen Kante hat. Die Hochschulen erhalten ihre Summen nach Leistung. Wenn sie zusätzlich Geld aus irgendeiner Quelle heranziehen, wird das nirgendwo mit angerechnet. Welche Schimäre bauen Sie denn hier auf? - Das ist einfach unsinnig. Körperschaftsvermögen ist das, was wir jetzt bei der Viadrina haben. Es wird als großer Erfolg gefeiert, dass sie halt Vermögen annehmen können. Das können auch ganz kleine Vermögen sein. Damit können sie ein Stipendium vergeben oder irgendwas sonst tun, und zwar völlig unabhängig von dem Haushalt, den wir ihnen geben. Was daran kritisch sein soll, weiß ich wirklich nicht.

Die hohe Qualität der Lehre ist wirklich wichtig und schwierig zu erreichen. Ist Deutschland nicht das Land, wo die Qualität der Lehre seit Jahren im Fokus steht? Es gibt viele Versuche, sie zu verbessern; auch wir haben es mit Lehrberichten und anderem versucht. Das hat nicht - aus meiner Sicht jedenfalls nicht genügend - funktioniert.

Deswegen wollen wir Neues versuchen. Ich nenne hier Forderungen nach Qualitätssicherungssystemen, die wir genehmi

gen, die in einer bestimmten Zeit vorzulegen sind, die unterschiedlich sein können. Auch jetzt schon ist die Art der Evaluation an der Fachhochschule in Wildau eine ganz andere als an der Fachhochschule in Brandenburg an der Havel. Das darf auch, bitte schön, so bleiben. Bei diesen Qualitätsmanagementsystemen - das steht explizit im Gesetz; bitte lesen; Lesen ist zwar bei vielen die geringste Kompetenz, aber trotzdem lesen sind die Studierenden ganz entscheidend in die Ausarbeitung einbezogen. Wir haben die strukturierte Studieneingangsphase, wir haben das Mentorensystem - auch ganz ungewöhnlich -, und zwar nicht nur über Geld, sondern auch über eine veränderte Haltung der Professoren und der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Jeder Student, der in Brandenburg immatrikuliert wird, hat einen Mentor, eine konkret zuzuordnende Person, die ihm gerade in der schwierigen Phase des Beginns des Studiums hilft.

Zu der Betreuungsrelation ist Folgendes zu sagen: Es gibt keinen Automatismus „kleine Betreuungsrelation gleich hohe Qualität“. Beispiel: Vor Jahren hatten wir ganz wenige Studenten in den technischen Disziplinen - also eine Superbetreuungsrelation -, trotzdem ist die Qualität nicht unbedingt gestiegen. Es gibt also keinen Automatismus, aber es gibt natürlich eine Korrelation und einen Zusammenhang zwischen den Geldern, die man einsetzt, und dem, was man dort erreichen kann.

Mit den Geldern, die wir zusätzlich vom Bund über den Hochschulpakt bekommen, damit die Studienplätze erhalten werden und wir mehr Studienanfänger bekommen als 2005, haben wir Folgendes gemacht - auch das, Herr Jürgens, müssten Sie wissen; ich weiß nicht, ob es noch ein anderes der neuen Bundesländer gemacht hat -: Wir haben die Summe, die wir vom Bund bekommen haben und die wir zu 100 % an die Hochschulen verteilen, mit Landesmitteln - 3 Millionen Euro! - aufgestockt, einfach um auf die Situation, wie wir sie jetzt in Potsdam an der Universität haben, reagieren zu können. Da ist das nicht eine Frage des Geldes, sondern da geht es darum, das schnell hinzukriegen.

Es gibt keine staatliche Steuerung von Hochschulen mehr in der Art und Weise, dass wir alles vorschreiben. Wir können Numerus-clausus-Fächer einführen; das haben wir auch getan. Wenn wir ein Fach haben - Ernährungswissenschaften oder etwas anderes -, bei dem klar ist, dass es viel mehr Bewerber gibt, als dort studieren können, dann erlassen wir einen Numerus clausus. Das heißt, wir sagen, es können 120 oder 130 zugelassen werden, und dann überbuchen wir ein bisschen. Wenn es aber um ein Fach wie Volkswirtschaftslehre geht, bei dem es in den letzten fünf Jahren an der Uni Potsdam nie mehr als 80 % der Studenten geschafft hat zu immatrikulieren, bei dem es in diesem Jahr jedoch 200 % sind, dann ist das schwer zu kalkulieren. Das hat sicherlich Konsequenzen für das nächste Jahr, aber dieses Jahr müssen wir dafür sorgen, dass die, die neu gekommen sind, auch gut versorgt werden. Da unternimmt die Universität - so denke ich - mit ihrer Kanzlerin alles, was möglich ist. Das Geld dafür ist da.

Der vorletzte Punkt: Leistung. - Wir alle haben uns gerade heute bei PISA auf die Schulter geklopft, und alle - jetzt meine ich die Große Koalition - waren sich darüber im Klaren, dass Leistungsanforderungen in der Schule, die in den letzten Jahren gesetzt wurden, ganz wichtig dafür sind, dass wir jetzt auch Leistung „abrechnen“ können. Wollen wir im Bereich der Hochschulen jetzt plötzlich nicht mehr nach Leistung fragen?

Darf es bei Bachelor und Master keine Leistungsanforderungen geben? Ist es ein Menschenrecht, den Master zu machen? Das ist nicht einzusehen, und das ist auch keine Idee von Brandenburg, sondern diese Vereinbarung haben alle Länder in der Kultusministerkonferenz unterschrieben. Wir haben auf Initiative der Koalitionsfraktionen wortgenau den Text in das Gesetz aufgenommen, der in der KMK verabredet worden ist.

Es heißt auch nicht - wie irrig in der Zeitung stand - „Durchschnittsnote“, sondern die Anforderungen in den einzelnen Fächern werden von der Hochschule definiert. In Brandenburg gibt es kein einfaches quantitatives Merkmal wie in NordrheinWestfalen, dass man sagt: Von einem Bachelor-Jahrgang dürfen halt nur 50 % oder mehr den Master machen! - Das haben wir alles nicht. Aber dass man eine Leistungsanforderung ermöglicht, ist kein Angriff auf die Menschenrechte.

Exmatrikulationen sind möglich - jedoch nicht, weil sich jemand in einer schwierigen familiären Situation befindet; all diese Fälle sind durch die Studienordnung abgedeckt, dann wird verlängert, das klappt alles. Aber wenn jemand über einen langen Zeitraum die Mindestleistung, die Prüfungen nicht schafft, gibt es auch ein Ende, an dem exmatrikuliert werden kann.

(Vereinzelt Beifall bei CDU und SPD)

Ich verstehe die Studierenden - einen kleinen Teil der Studierenden; es gibt bei uns über 40 000, und 1 200 davon sind der Meinung, das solle nicht so sein -, ich verstehe also die 1 200 Studierenden, die der Meinung sind, es müsse gemütlicher - wie Wellness - an der Hochschule sein.

(Vereinzelt Heiterkeit sowie Zurufe von der CDU: Ku- schelig!)

Das ist ihr gutes Recht, das können sie verlangen. Aber dass eine Fraktion, die irgendetwas mit der Landesintention zu tun hat, die nach Möglichkeit an die Regierung will, hier Leistungen streichen will, ist nicht logisch erklärbar. Das ist einfach Unsinn.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Noch eine Bemerkung zur Durchlässigkeit - dann bin ich sofort am Ende, Frau Präsidentin -: Wir alle haben offenbar eingesehen, dass es sehr gut ist, dass man bei uns auch mit Berufsabschluss und -praxis studieren kann, ohne den Hochschulzugang nachholen zu müssen.

Abschlusssatz: Ich glaube, dass wir mit diesem Hochschulgesetz - wir haben jahrelang gewartet und nicht pausenlos Novellen verabschiedet - einen größeren Wurf getan haben. Das haben wir uns gut überlegt. Wir haben lange diskutiert, damit mit diesem neuen Hochschulgesetz optimale Möglichkeiten für die Hochschulen, so, wie die Landschaft in Brandenburg ist, bestehen, um auf die Herausforderungen der Zukunft eine Antwort zu haben.

Jetzt komme ich zu dem „Wüsten“-Vergleich: Brandenburg wird vielleicht eine Wüste, wenn man so vorgeht, wie Sie es wollen, Herr Jürgens. Ich will, dass junge Leute in Brandenburg studieren, dass wir hier Innovationen haben. Ich will, dass junge Leute herkommen. Dafür muss ich etwas bieten. Wir sind nicht das reichste Land. Also müssen es wenigstens kluge

Strukturen sein, die Anreize setzen. Wer dafür die Vokabel „Wüste“ benutzt, zeigt nur Schwäche.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Jetzt gebe ich bekannt: Frau Dr. Münch hat von ihrer eigenen Redezeit noch zwei Minuten wenn sie davon Gebrauch machen möchte. Da Frau Ministerin zwei Minuten länger geredet hat als vereinbart, haben auch die anderen Fraktionen jetzt noch die Möglichkeit zu reden. Herr Jürgens, ich frage Sie. - Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zeit reicht nicht aus, um die Debatte hier noch einmal in Gänze zu führen. Wir haben die Debatte im Ausschuss leider nicht im öffentlichen Teil geführt. Insofern kann die breite Öffentlichkeit nicht wirklich an den Argumenten teilhaben.

Ich will nur noch zwei Punkte anführen. Zum einen: Sie werfen uns ja gelegentlich vor, wir seien im System nicht angekommen. Jetzt sind wir angekommen, wir nehmen unsere Rolle wahr, wir sind Oppositionspartei in diesem Landtag, wir spielen unsere Rolle gut, kritisieren und benennen genau die Probleme, die mit diesem Gesetz entstehen - und jetzt kritisieren Sie uns wiederum, dass wir unsere Oppositionsrolle zu ernst nehmen.

Es ist doch wohl völlig klar, dass wir uns als Opposition nicht hier hinstellen und den Gesetzentwurf der Regierungskoalition loben, sondern dass wir genau auf die Punkte aufmerksam machen, die an diesem Gesetz kritisch sind.

(Frau Schier [CDU]: Zeigen Sie doch mal ein bisschen Größe!)

Der zweite Punkt: Frau Ministerin, Sie haben gesagt, Lesen ist eine Kernkompetenz. - Das ist richtig. Alle Abgeordneten meiner Fraktion verfügen über diese Kernkompetenz.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Aber Zuhören ist auch eine Kernkompetenz, und leider gibt es in der Koalition anscheinend nicht den Willen, sich wirklich auseinanderzusetzen und zuzuhören, oder es gibt nicht den Willen, die Argumente, die wir hier genannt haben, zu verstehen. Das ist sehr schade.

Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen. - Danke schön.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)