Wir diskutieren heute in 2. Lesung die Novelle des Hochschulgesetzes. Endlich, könnte man sagen. Schließlich musste die Behandlung im Plenum zweimal verschoben werden, weil sich die Koalition nicht einig war. Man könnte aber auch sagen: Zum Glück findet die Verabschiedung des Gesetzes erst heute statt; denn dieses Gesetz enthält massive Verschlechterungen für die Hochschullandschaft, und die Linke wird das Gesetz in seiner jetzigen Fassung ablehnen. Um es ganz klar zu sagen: Mit diesem Gesetz schicken Sie die Hochschullandschaft in die wissenschaftspolitische Wüste.
Sie bieten in Ihrem Gesetz Eckpunkte für eine Lösungsstrategie an, welche die derzeitigen und künftigen Probleme der Hochschulen unseres Landes beseitigen sollen. Diese Eckpunkte finden unsere volle Zustimmung. Nur kommen Sie leider bei der konkreten Umsetzung der Eckpunkte vom Weg ab. Allerdings - das sage ich gleich am Anfang - gibt es in jeder Wüste die eine oder andere Oase. Auch in der Novelle finden sich Punkte, die richtig sind und unsere Zustimmung finden. Es wird mit dem Gesetz Verbesserungen bezüglich der Frauenund Familienförderung geben. Zum Beispiel das Heraufsetzen des Höchstalters bei der Beamtenberufung oder die bessere Vereinbarkeit von Familie und Studium sind lobenswerte Schritte. Brandenburgs Hochschulen waren in diesem Bereich bereits sehr gut und werden diese Spitzenposition ausbauen.
Ein zweiter Punkt, der meiner Fraktion auch sehr am Herzen lag, den wir im Ausschuss beantragt haben und den die Koalition mit einem eigenen Antrag aufgegriffen hat: Es wird künftig eine umfangreiche Regelung zum Teilzeitstudium geben. Das ist ein moderner und richtiger Ansatz, denn er ermöglicht es Menschen, viel individueller an ihre Lebensumstände angepasst zu studieren.
Es gibt eine dritte Oase in dem Gesetz. Im Rahmen der Bekämpfung des Fachkräftemangels werden nicht nur Schülerinnen und Schüler stärker umworben, sondern es wird auch der Zugang zum Studium für beruflich Qualifizierte noch weiter erleichtert. Auch hier kann man sagen: Sie greifen Ideen der Linken auf; denn Vorschläge zur Erhöhung der Studierquote gibt es von uns schon lange.
Ich will Ihnen noch zwei Themen nennen, die zu dem Eingangsbild passen. Die Landesregierung brüstet sich zum einen mit
Beides sind klassische Fälle einer Fata Morgana. Um die Finanzautonomie zu erweitern, gestatten Sie jetzt allen Hochschulen, Körperschaftsvermögen zu bilden. Wenn man sich den entsprechenden Paragrafen im Gesetz ganz genau anschaut, fragt man sich aber schon, was das mit Autonomie zu tun hat. Angeblich wollen Sie die Hochschulen aus der Detailsteuerung entlassen. Dieses Ziel können wir hier nicht erkennen. Viel verheerender sind aber die möglichen Folgen eines solchen Körperschaftsvermögens. Es fehlt die Zusage des Landes, dass das Vermögen der Hochschulen bei der Zuweisung der Landesmittel unberücksichtigt bleibt. Die Linke sieht hier begründet die Gefahr, dass sich das Land bei einer erfolgreichen Geldereinwerbung der Hochschulen aus der Verantwortung zurückzieht. Genau das lassen wir nicht zu. Bildungsfinanzierung ist eine staatliche Aufgabe und darf nicht durch private Gelder ersetzt werden.
Die zweite Fata Morgana, die Sie verkünden, ist die Qualitätssicherung. Der Gesetzestext selbst liest sich da erst einmal sehr schön. Alle Hochschulen müssen künftig ein Qualitätssicherungssystem aufbauen bzw. erarbeiten. Doch es geht nicht um positiv nach vorn gerichtete Innovationen, sondern um Bewahrung. Innovativ wäre es, eine Beteiligung der Studierenden und der Lehrenden bereits in der Erarbeitung der Qualitätskriterien und der Qualitätsziele festzulegen. Innovativ wäre es, eine deutlich stärkere Berücksichtigung der Lehrkompetenz bei der Berufung einzuführen. Wirklich innovativ wäre eine Beteiligung von Studierenden nicht nur bei der Evaluation der Lehre, sondern auch bei der Auswertung.
Alle diese Maßnahmen würden aus unserer Sicht die Qualität der Lehre steigern. Aber der jetzige Passus in seiner mickrigen Form ist nicht der Hauptgrund, warum die Verbesserung der Lehrqualität mit diesem Gesetz nur scheinbar erreicht wird. Qualität der Lehre misst sich primär an der Betreuung der Studierenden. Genau hier tun Sie nichts. Der Run auf unsere Hochschulen ist sehr erfreulich, hat aber eine noch stärkere Überlast zur Folge, als das ohnehin schon der Fall war.
Ich habe es heute Vormittag schon einmal angedeutet: Die zusätzlichen Mittel aus dem Hochschulpakt 2020, die für eine Verbesserung der Betreuungsrelation gedacht sind, waren für eine konstante Zahl von Studienanfängern geplant. Wir erleben aber Zunahmen von über 10 %. Für diese zusätzlichen Studierenden werden die Hochschulen auch zusätzlich Personal brauchen. Ich möchte noch einmal betonen: Wenn langfristig die Lehrqualität unserer Hochschulen gesteigert werden soll, werden Sie um mehr Personal nicht herumkommen. Da wird Ihnen auch ein Mentoringprogramm nicht helfen.
Ganz massiv ist unsere Ablehnung bei den nächsten Punkten. Sie geben die Organisationsstruktur der Hochschulen frei und feiern das als Autonomiegewinn. Erstens ist das bestenfalls ein Autonomiegewinn der Präsidenten, und zweitens ist diese Organisationsfreigabe ein massiver Demokratieabbau. Für die Linke ist die Hochschule ein Gremium, in dem Entscheidungen demokratisch, transparent und kollegial mit allen Mitglieder
gruppen der Hochschule getroffen werden. Mit diesem Gesetz wird dieser Grundsatz beendet. Zentrale Entscheidungen für die Hochschulen müssen nicht mehr zwangsläufig durch Gremien gefällt werden, in denen alle Gruppen vertreten sind. Sie gehen damit in die falsche Richtung.
Eine ähnlich falsche Zielsetzung verfolgen Sie mit der Lehrprofessur. Dieses Instrument ist höchst umstritten. Der Lehrprofessor wird ebenso wie der Juniorprofessor für Lehre nach der jetzigen Form eine Karriereeinbahnstraße sein. Außerdem fördern Sie damit die Entstehung einer Zweiklassengesellschaft unter den Lehrenden, und Sie gefährden damit die Einheit von Lehre und Forschung.
Auf unsere ganz deutliche Ablehnung stößt die Regelung zum Masterstudienzugang. Die Linke fordert den freien Zugang zum Masterstudium.
Wir vermissen klare Regelungen gegen prekäre Beschäftigung in der Wissenschaft, und wir teilen die massive Kritik der Studierendenvertretungen hinsichtlich der Zwangsexmatrikulation. Selbst wenn es in einigen Studiengängen zu Möglichkeiten der Fristverlängerung kommt, ist die Regelung in ihrer Gesamtheit ungerecht und ausgrenzend.
Ein Punkt ist mir im Rahmen der Beratung noch wichtig zu erwähnen. Die politische Zielrichtung der Ministerin ist mir klar: Sie hat ein Hochschulgesetz in ihrem Sinne gestrickt. Das ist streitbar, das ist aus Sicht der Linken in vielen Punkten falsch, und vieles ist aus unserer Sicht nicht berücksichtigt. Damit kann man aber in der Debatte umgehen. Wirklich enttäuscht hat mich und viele andere, die sich für Verbesserungen in diesem Gesetz stark gemacht haben, das Agieren der Sozialdemokraten. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, haben im Juli zu diesem Gesetz eine eigene Anhörung gemacht. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sind aus dieser Anhörung mit vielen Änderungswünschen und eigenen Änderungszielen herausgekommen. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sind in den Beratungen vor Ihrem Koalitionspartner und der Ministerin eingeknickt.
Die Sozialdemokraten waren gegen die Regelung der Lehrprofessur. Sie waren gegen den massiven Demokratieabbau. Sie wollten sich gegen Zwangsexmatrikulation und für eine Veränderung der Rückmeldegebühr stark machen. Von all dem haben Sie nichts erreicht. Die Landesregierung schafft mit dem Gesetz eine Wüste. Aber Sie von der SPD haben den Hochschulen und den Studierenden auch noch die Wasservorräte weggenommen.
Die Linke beurteilt das Gesetz nach eigenen Prämissen: Steigerung der Lehrqualität, Ausweitung eines sozial gerechten Stu
diums, Erhöhung der Autonomie bei gleichzeitiger Demokratisierung und Entwicklung der Hochschulen als Ort der gesellschaftlichen Debatte. Dieses Gesetz erfüllt weder unsere Prämissen noch wird es den selbst im Gesetz genannten Lösungsansätzen gerecht.
Darum bitten wir um Zustimmung zu unseren Änderungsanträgen, um doch noch Verbesserungen zu erreichen. Anderenfalls werden wir dieses Sahara-Gesetz leider ablehnen müssen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Jürgens, nachdem Sie in den letzten Landtagssitzungen eigentlich immer in der Märchenterminologie geblieben sind, haben Sie sich wohl heute auf die Landschaften verlegt.
Diese Strategie ist aber durchschaubar. Ich gehe davon aus, dass wir in keiner Weise über ein Gesetz für die Sahara abstimmen; davon kann überhaupt nicht die Rede sein. Wir wollen heute ein ausgesprochen modernes, in sehr vielen Punkten sehr maßgerechtes und adäquates Hochschulgesetz verabschieden, das in vielen Punkten tatsächlich richtungweisend auch für Hochschulgesetze ist, die in anderen Bundesländern zurzeit noch nicht verabschiedet sind. Wir werden einen Meilenstein für Familienfreundlichkeit und für Frauen- und Familienförderung setzen, den es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Wir sichern die Qualität der Lehre. Wir wollen bei der Evaluation und auch beim Qualitätsmanagement ausdrücklich die Beteiligung der Studierenden. Die Studierenden sind Teil der Hochschule und sind als solche auch Pflichtteil der Selbstverwaltung.
Insofern sind die Studierenden selbstverständlich überall beteiligt, und ich verstehe überhaupt nicht, wo Sie die Vermutung herleiten, hier finde ein Demokratieabbau oder ein Ausschluss von Studierenden statt. Da wird Angstmacherei und Hetze betrieben. Das entspricht nicht der Realität.
Als weiterer wichtiger Punkt, den Sie ja zum Glück wenigstens als Oase gekennzeichnet haben, ist zu nennen, dass wir den Zugang zum Hochschulstudium deutlich erleichtern. Der Bildungsgipfel in Dresden, worüber wir heute Morgen schon gesprochen haben, hat als ein wichtiges Anliegen formuliert, die Anzahl der Hochschulabsolventen zu erhöhen. Insoweit haben wir in Brandenburg noch einiges nachzuholen, aber wir sind sehr intensiv dran.
Die Ministerin hat diese Woche zusammen mit dem Ministerpräsidenten erste Vorschläge dazu unterbreitet, mit denen die Studierneigung der Schüler erhöht werden kann. Dazu gehören die Schüler-Alumni, das Oberstufenzentren-Programm, eine Fülle von Vernetzungen zwischen Schulen und Hochschulen. In diesem Kontext ist auch das Hochschulgesetz zu sehen.
Des Weiteren wird durch die Durchlässigkeit der Bildungsgänge nicht nur der klassische Zugang über das Abitur, die Hochschulreife, ermöglicht; vielmehr können auch Meister studieren, und junge Menschen, die einen Sekundar-I-Abschluss, eine Berufsausbildung und zwei Jahre Berufserfahrung haben, können ohne Abitur an die Hochschule gehen. Das ist ein Novum und genau die Richtung, in die wir gehen wollen, um die Hochschulen zu öffnen.
Selbstverständlich, Herr Jürgens, haben wir intensiv diskutiert. Wir haben uns auch sehr viel Zeit gelassen. Diese Zeit hat der Qualität des Hochschulgesetzes sehr gut getan. Wir haben hier einen ganzen Packen an Änderungsanträgen größtenteils einvernehmlich miteinander besprochen.
- Nein, das ist nicht redaktionell. Sie haben ja selbst im Ausschuss zugestanden, dass wir diesen Diskussionsprozess hatten - im Gegensatz zu Ihnen. Viele Ihrer Änderungsanträge sind tatsächlich da stehen geblieben, wo sie vor Monaten waren. Sie haben das mit den Zuständigen nicht weiter besprochen.
Ein Beispiel dafür ist Ihr Beitrag von vorhin zu den Körperschaften. Das Thema Körperschaftsvermögen bzw. Umgang mit der Zustiftung zum Körperschaftsvermögen ist von niemandem tatsächlich als Problem gesehen worden. Nur Sie haben jeden Anzuhörenden wieder danach gefragt: Könnte das ein Problem sein? - Das wurde verneint, und trotzdem bringen Sie es heute wieder. Bestimmte Dinge werden nicht dadurch richtiger, dass man sie pausenlos wiederholt.
Wir haben die Freiheit der Organisationsstruktur eingeführt. Es liegt absolut im Interesse der Hochschulen, dass sie künftig nicht mehr durch vorgegebene, starre Strukturen gegängelt werden, sondern sie selbst entscheiden können: Wie wollen wir uns organisieren? Was ist wichtig? Was ist nicht wichtig?
In diesem Zusammenhang ist es auch ein Widerspruch, dass Sie einerseits immer Freiheit für die Hochschulen fordern und andererseits bis ins Detail kleinste Dinge regeln wollen. Das verträgt sich nicht miteinander. Ich denke, die Freiheit und die Wissenschaft gehören untrennbar zusammen. Selbstverständlich muss dabei die Demokratie gewahrt bleiben. Wir haben keinen Zweifel daran, dass das tatsächlich so sein wird.
Sie haben unsere Änderungsanträge gelesen. Daher wissen Sie auch, dass wir selbstverständlich davon ausgehen, dass in den Gremien, die in der Grundordnung festgelegt sind, die Studierenden genauso vertreten sind wie die anderen Hochschulgruppen. Auch ich hätte mir gewünscht, dass das explizit im Gesetz steht. Die Ministerin hatte da ihre Bedenken; das kann sie vielleicht nachher selbst noch einmal erläutern. Aber inhaltlich ist das definitiv gesichert.
Die Ministerin hat darüber hinaus dem Ausschuss angeboten wir haben dieses Angebot angenommen -, dass ihm jede Grundordnung, die verabschiedet wird, zur Kenntnis gegeben wird. Die Sorge, dass die Demokratie da abhanden kommen könnte, ist also aus der Luft gegriffen. Das ist einfach nicht wahr.
Lassen Sie mich noch einen Satz zum Teilzeitstudium sagen. Auch da ist durch Änderungsanträge erreicht worden, dass die Zielrichtung für die Hochschulen vorgegeben wird. Wir möch
ten nämlich, dass Studiengänge, die sich dafür eignen - nicht alle sind geeignet -, verstärkt in Teilzeitform angeboten werden, damit die unterschiedlichen Lebensbelange der Studierenden berücksichtigt werden. Sei es, dass man ein Kind bekommt, eine Familie gründet, Pflegepflichten, andere persönliche Gründe, auch Berufstätigkeit - all das kann berücksichtigt werden. Insofern ist das eine Verbesserung für die Studierenden.
Ähnliches betrifft den Übergang Bachelor/Master. Da wird jetzt großartig die Angst geschürt - ich habe auch unten den „Galgen“ gesehen -, dass man die Bachelor-Studenten hängen lässt. Das ist aber in keiner Weise der Fall. Es ist erklärtes Ziel, dass wir das Studium straffen, dass die Studienzeit gekürzt wird und man in überschaubarer Zeit auch zu einem berufsbefähigendem Abschluss kommen kann. Genau das ist der Bachelor-Abschluss, den wir auch so wollen. Dieser Bachelor-Abschluss ist der Regelabschluss der Hochschule, und das wird sich auch durchsetzen. Da ist sehr vieles im Fluss, auch in der Diskussion mit der Wirtschaft. Das ist dadurch erreicht.
Der Master ist nicht der Regelabschluss für alle Studierenden, und es macht absolut keinen Sinn, den Bologna-Prozess fortzusetzen und zu sagen: Bachelor entspricht dem Vordiplom und der Master entspricht dem Diplom. - Das ist nicht so. Master ist sinnvoll in bestimmten konsekutiven Bereichen. Dort wird das auch weiterhin möglich sein. Den Master gibt es zusätzlich berufsbegleitend als weiterbildenden Master. Nur der kann mit Gebühren belegt werden. Insofern ist es auch völlig unrichtig, wenn Sie immer wieder behaupten, wir würden Studiengebühren einführen wollen. Tatsache ist vielmehr, dass das grundständige Studium gebührenfrei bleibt. Das steht auch ganz klar und unmissverständlich im Gesetz. Es betrifft auch das konsekutive Master-Studium. Wo ist also das Problem? Ich frage mich, ob jemand, der mit einem Bachelor-Abschluss aus der Hochschule ausgeschieden ist, im Beruf ist, Geld verdient und dann einen Master-Studiengang draufsatteln möchte, wirklich in jedem Fall gebührenfrei studieren muss. Das macht für mich, ehrlich gesagt, nicht sehr viel Sinn.