Protocol of the Session on October 15, 2008

So heißt es in dem OECD-Bericht „Die Politik der frühkindlichen Betreuung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland“ vom November 2004.

Experten drückten das bei einem Besuch in Deutschland noch drastischer aus:

„Gemessen an europäischen Standards findet die Ausbildung der deutschen Beschäftigten in der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung auf niedrigem Niveau statt. Deutschland und Österreich sind die einzigen Länder Westeuropas, in denen keine nennenswerte Präsenz von Beschäftigten in der Kindertagesbetreuung mit einer grundlegenden Hochschulausbildung zu verzeichnen ist.“

Beschäftigte, die eine höhere Ausbildung genossen hätten, böten „den Kindern stimulierendere, warme und unterstützende Interaktionen, nicht zuletzt im sprachlichen Bereich.“

Diese Erkenntnisse und Empfehlungen sind nicht neu. Schon seit langem fordern Experten eine Hochschulausbildung für Erzieherinnen und Erzieher. Sicher wird die Landesregierung darauf verweisen, unter Berücksichtigung derartiger Empfehlungen bereits gehandelt zu haben, sodass unser Antrag - wie unsere Anträge immer - überflüssig sei.

Ich sage auch: Sicher hat sich einiges getan. Es wurde ein Ausbildungsgang an der Fachhochschule Potsdam begonnen, in dem 30 Studierende zu künftigen Kita-Leiterinnen und -Leitern ausgebildet werden. Ähnliches ist an der Fachhochschule Lausitz vorgesehen.

In dem Gesetzentwurf über die staatliche Anerkennung und Weiterbildung in sozialen Berufen im Land Brandenburg wurde im Sinne einer Legitimierung des bereits laufenden Studienganges ein Bachelor-Studiengang „Bildung und Erziehung in der Kindheit“ neu aufgenommen. Sie sind also tatsächlich

nicht ganz tatenlos geblieben, meine Damen und Herren der Landesregierung und der Koalition. Doch es reicht eben nicht aus.

Mittlerweile bieten in Deutschland bereits 15 Universitäten und Fachhochschulen eine Erzieherinnen- und Erzieherausbildung auf Hochschulniveau an. Brandenburg liegt inzwischen mit einem Anteil von 1,8 % der Beschäftigten mit Hochschulabschluss weit unter dem Bundesdurchschnitt, der bei 3,4 % liegt.

In Brandenburg wurden Grundsätze elementarer Bildung entwickelt. Sie wissen, wie schwer es aufgrund der engen Personalsituation war, die Kitas zu deren Umsetzung zu verpflichten. Wir haben nicht nur zu wenig Erzieherinnen und Erzieher, die sich um zu viele Kinder kümmern - darüber haben wir in den letzten Monaten häufig gesprochen -, und diese sind auch nicht entsprechend ausgebildet.

Die Erzieherinnen und Erzieher sollen die sprachliche Entwicklung der Kinder ebenso fördern wie deren musisch-kreative Fähigkeiten. Sie sollen Kinder darin unterstützen, selbst Antworten auf viele Fragen der Natur und Technik zu finden. Sie sollen Übergangsprozesse zur Grundschule mit pädagogischer Kompetenz gestalten. Ich erinnere hier an den Orientierungsrahmen Grundschule/Kita, der jetzt verabschiedet bzw. fertiggestellt wurde und auch ein gutes Werk ist. Zudem sollen die Erzieherinnen und Erzieher Eltern professionell beraten.

Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, da all dies Kita-Erzieherinnen und -Erzieher und Grundschullehrerinnen- und -lehrer leisten müssen: Warum müssen Grundschullehrerinnen und -lehrer für Kinder im Alter ab fünf Jahren dazu eine Hochschulausbildung haben, Kita-Erzieherinnen und -Erzieher dagegen nicht? - Das ist eine Frage, die Sie für sich beantworten müssen.

Es fehlt bisher an der wissenschaftlichen Reflexion. Es fehlt an der Fähigkeit der Analyse und Diagnose des pädagogischen Alltags.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ohne eine wissenschaftliche Ausbildung wird es nicht gelingen, die Ergebnisse universitärer Forschung im Bereich der frühkindlichen Pädagogik für die Praxis zu nutzen. Ausbildung, Praxis, Fortbildung und Forschung können so nicht zusammenkommen.

Drei weitere, gar nicht so sehr in der Profession liegende Gründe sprechen für eine stufenweise - dies fordern wir mit unserem Antrag: stufenweise - Umstellung auf die Hochschulausbildung von Erzieherinnen und Erziehern.

Der erste Grund liegt im stärker und schneller zusammenwachsenden Europa. Ein gemeinsamer Arbeitsmarkt ist politisch vereinbart. In Deutschland ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher haben schlichtweg auf dem europäischen Arbeitsmarkt keine Chancen. In allen anderen europäischen Ländern - außer in Österreich - sind Erzieherinnen und Erzieher auf Hochschulniveau ausgebildet.

Ein zweiter Grund ist der, dass es wegen des in absehbarer Zeit größer werdenden Bedarfs an hochqualifizierten Fachkräften

eine scharfe Konkurrenz mit anderen Dienstleistungsbranchen geben wird. Eine deutliche Aufwertung des Erzieherberufs ist demnach auch aus diesem Aspekt heraus dringend erforderlich.

Der dritte Grund liegt darin, dass es auch nur dann eine Chance geben wird, mehr Männer für diesen Beruf zu qualifizieren.

Die dreijährige Fachschulausbildung reicht nicht mehr aus, zumal sie ohnehin eine Breitbandausbildung für die Kinder- und Jugendhilfe war. In den Kitas bedarf es speziell ausgebildeter Frühpädagogen. Darüber hinaus werden dringend berufsbegleitende Bachelor-Ausbildungen für Erzieherinnen und Erzieher, die bereits in der Praxis tätig sind, benötigt.

Die Fachschulen werden - auch nach unseren Vorstellungen also weiter Bestand haben. Deren Ausbildung sollte allerdings zügig an die neuen Rahmenbedingungen angepasst werden. Das heißt, die Curricula, die an den Hochschulen entstehen, müssen mit dem Lehrplan der Fachschulen abgestimmt werden. Ziel muss es sein, dass eine kompetente Erzieherin mit einem Fachschulabschluss auch die Chance hat, sich über ein Bachelor- und Masterstudium zu qualifizieren bzw. weiterzuqualifizieren.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass das nicht von heute auf morgen realisiert werden kann. Doch wir müssen diesen Prozess endlich ohne weiteren Zeitverzug in Angriff nehmen. Als ersten Schritt bedarf es einer Konzeption, die wir mit unserem Antrag einfordern. Um nicht mehr und nicht weniger geht es in diesem ersten Schritt.

Eine letzte Bemerkung, weil wir hier in den Medien auch ein wenig missverständlich zitiert wurden: Wir haben keine Kritik an dem, was Kita-Erzieherinnen …

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

- Ja, auch im „Neuen Deutschland“.

Es geht nicht nur um Krippen-Erzieherinnen und -Erzieher, sondern es geht um Kita-Erzieherinnen und -Erzieher, und in den Kitas werden Kinder im Alter von null bis sechs Jahren betreut.

Es geht uns auch nicht darum, die von Erzieherinnen und Erziehern geleistete Arbeit in irgendeiner Weise zu disqualifizieren. Es geht uns um eine Anerkennung dessen, was frühkindliche Bildung eigentlich bedeutet. Die Kita-Erzieherinnen und die wenigen Kita-Erzieher in diesem Land leisten diesbezüglich - unter sehr schwierigen Rahmenbedingungen - bereits Unglaubliches. Auch darüber haben wir in diesem Hause schon gesprochen, und davon habe ich nichts zurückzunehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält die Abgeordnete Siebke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich teile die Ansicht von Frau Große, dass elementa

re Bildung an Bedeutung gewinnt. Darüber haben wir in diesem Hause schon sehr oft gesprochen und auch darüber, dass das Auswirkungen auf die Anforderungen an die Fachkräfte hat, die mit diesen Kindern arbeiten. Hier besteht absoluter Konsens.

Ich teile aber auch die Auffassung der Jugendminister, die sie im Mai dieses Jahres formuliert haben, dass nämlich erstens der Schwerpunkt auf der Qualifizierung der Fachschulausbildung liegen soll, die in den Vordergrund gestellt werden soll. Hier besteht Handlungsbedarf. Sie sprachen von der großen Breite von null bis 27. Dabei kommt die elementare Bildung in den ersten drei Jahren einfach zu kurz. Es müsste darüber nachgedacht werden, dass die Schwerpunktsetzung mehr unseren Interessen entspricht.

Zweitens sollten die Möglichkeiten der Ausbildung an Fachhochschulen erweitert werden. Wir haben im Land Brandenburg 30 Plätze an Fachhochschulen, an denen insbesondere Leitungspersonal ein Studium absolvieren kann. Ich würde mir wünschen, dass das mehr wären und dass das mehr berufsbegleitend gemacht würde. Natürlich muss auch die Fort- und Weiterbildung fortgeführt werden, die in Brandenburg - so sehe ich das bereits seit Jahren mit hoher Qualität etabliert ist. Eine Mischung zwischen Fachschulabsolventen und Fachhochschulabsolventen an den Kitas wäre eine erfolgversprechende Lösung.

Kurz- und mittelfristig müssen wir uns auf die Verbesserung der Standards konzentrieren. Das haben auch Sie schon immer gefordert. Der Personalschlüssel muss so verbessert werden, dass weniger Kinder von mehr Personal betreut werden, wodurch eine Qualitätsverbesserung herbeigeführt wird. Unsere Priorität bleibt an dieser Stelle. Diese Priorität entspricht der Kampagne der Sozialverbände - sie waren ja auch bei Ihnen -, die auch hier die Prioritätensetzung sehen, nämlich dafür zu sorgen, dass künftig genügend Fachkräfte in diesem Bereich zur Verfügung stehen und sich die Rahmenbedingungen für die elementare Bildung verbessern. Das werden wir kurzfristig und mittelfristig bei unserer Prioritätensetzung favorisieren.

Wir alle wissen, dass das mit dem Einsatz erheblicher Finanzmittel verbunden sein wird. Dem wollen wir uns aber stellen und nicht in erster Linie der Erweiterung dessen, was Sie hier vorgeschlagen haben. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Frau Abgeordnete Fechner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits im vergangenen Jahr hat die Sächsische Staatsregierung erstmalig in der Bundesrepublik Deutschland ein Konzept zur Hochschulausbildung für Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen vorgelegt. Nun haben sich die linken Brandenburger Genossen gedacht: Das, was die Sachsen können, könnten wir doch auch. - Ich gebe ehrlich zu: Ja, das Land Brandenburg könnte vom Land Sachsen etliches lernen, gerade was den Bereich Bildung anbelangt.

Allerdings muss ich sagen: Nicht alles ist nachahmenswert. Die DVU hat arge Bedenken angesichts der heute herrschen

den Sucht, für möglichst jeden Beruf ein Hochschulstudium zu verlangen. Wir machen uns darüber Sorgen, dass dadurch die normale praxisnahe Berufsausbildung mehr und mehr entwertet wird. Hat man in Deutschland nur noch Aussichten auf ein hohes gesellschaftliches Ansehen, wenn man studiert hat? Ist man, wie uns die linken Genossen mit dem vorliegenden Antrag weismachen wollen, nur nach einem Hochschulstudium qualifiziert, Kinder zu erziehen? Werden zukünftige Eltern in Zukunft ein Hochschulstudium absolvieren müssen, um überhaupt Kinder zeugen zu dürfen?

(Oh, oh! bei der SPD)

Meine Damen und Herren, diejenigen, die sich in den Kindergärten um die Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder kümmern, müssen eine gute und praxisnahe Ausbildung erhalten, und sie sollten sich ständig weiterbilden. Sie müssen auch auf die Unterstützung von studierten Sonderpädagogen zurückgreifen können. Das steht außer Zweifel. Aber eine normale Erzieherin braucht nach Ansicht der DVU-Fraktion keine Hochschulausbildung. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält Herr Senftleben. Er spricht für die CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht immer ist es so - Frau Große, Sie wissen es -, dass bei nationalen oder internationalen Studien Brandenburg im Bildungsbereich ein gutes Testurteil erhält. Deswegen ist es ein sehr angenehmes Gefühl, wenn uns die aktuelle BertelsmannStudie aus dem Jahr 2008 zum Bereich der frühkindlichen Bildung etwas aufs Brot legt, was uns stolz machen kann. Dort steht nämlich, dass in Brandenburg der Wert und das Ansehen von frühkindlicher Bildung und die Arbeit in den Kindereinrichtungen sehr hoch sind und die Arbeit in diesen Einrichtungen einen sehr hohen Stellenwert hat.

Das dürfen wir einmal deutlich sagen: Wir liegen bundesweit im Spitzenfeld, was die Nettoausgaben für Kinder unter zehn Jahren in diesem Bereich anbetrifft, und wir sind führend unter den neuen Bundesländern. Das ist ein Verdienst derjenigen, die für Bildungspolitik einstehen, aber auch ein Verdienst derjenigen, die in der Finanzpolitik das entsprechende Geld zur Verfügung stellen.

Wir haben außerdem - auch das ist belegt und festgestellt worden - ein pädagogisches Personal, das entsprechend der Ausbildung ein sehr hohes Niveau an Qualifikationen vorweisen kann.

Das alles sind Botschaften, die uns stolz machen können. Deswegen ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE heute eigentlich nichts anderes als eine Stärkung der Regierungsarbeit, die wir im Bereich der frühkindlichen Bildung schon vollzogen haben.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Es ist ganz klar, dass wir gemeinsam mehr und bessere Bildung und Betreuung in Kindereinrichtungen in Brandenburg haben