Protocol of the Session on September 18, 2008

(Beifall bei der CDU)

Nach der Definition für „Einkommensarmut“ ist derjenige arm, der weniger als einen bestimmten prozentualen Anteil des durchschnittlichen Einkommens einer Gesellschaft zur Verfügung hat. Als „von Armut bedroht“ gilt, wer als Alleinlebender weniger als 60 % des mittleren Einkommens in seinem Land verdient. In Deutschland lag diese Schwelle 2006 bei 891 Euro netto im Monat. An dieser Stelle will ich Sie einmal fragen: Ist jemand, der monatlich 891 Euro netto zur Verfügung hat, arm? Hat derjenige kein Geld für eine Wohnung, für Kleidung, für Essen?

Das durchschnittliche Nettorentenniveau lag 2006 in den neuen Bundesländern bei 940 Euro. Zum Vergleich: Zum 01.01.1991 lag das durchschnittliche Rentenniveau bei 737 DM, im Jahr 2000 waren es schon 1 754 DM. Rentner, die in den 50er und 60er Jahren in der DDR in der Landwirtschaft gearbeitet haben, haben die Mindestrente bekommen. Erinnern Sie sich noch daran? Sie wahrscheinlich nicht. Sie wollen sich nicht erinnern, wie die Rentner in der DDR gelebt haben.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Seither haben sich ja die Preise auch nicht geändert, nicht wahr? Unglaublich!)

Manche Mutter war froh, dass ihr Sohn im Tagebau gearbeitet hat. Der hat nämlich Deputatkohle bekommen. Die Rentner in der DDR mussten sehr rechnen. Die SED war froh, wenn jemand im Rentenalter einen Ausreiseantrag gestellt hat und zu den Geschwistern ziehen wollte; so konnten sie nämlich die Renten sparen.

(Beifall bei CDU und SPD - Lachen bei der Fraktion DIE LINKE)

Erinnern Sie sich noch an den Umgang mit den alten, kranken Menschen in den Pflegeheimen? Alles schon vergessen?

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Nein!)

Die Höherbewertung der Renten der Menschen, die in der DDR berufstätig waren, trug dazu bei, dass sie trotz des vergleichsweise geringen Verdienstes in der ehemaligen DDR heute relativ hohe Renten beziehen. Sie haben es gerade selbst ausgeführt: 3,95 M gegenüber 10 DM. Woran hat das wohl gelegen? Zum einen haben die Erwerbsbiografien für die höheren Renten gesorgt; 45 Arbeitsjahre haben die Menschen vorzuweisen, auch die Frauen haben gearbeitet. Aber auch der Höherwertigkeitsfaktor trägt dazu bei, und das ist ein Transfer der alten Länder an die neuen Länder; das sollte man nicht vergessen. Die Rentnerinnen und Rentner der Nachwendejahre gelten mit Recht als Gewinner der deutschen Einheit.

(Beifall bei CDU und SPD)

In den 90er Jahren, nachdem man gesehen hatte, wie es in den Betrieben tatsächlich aussah, und die Planwirtschaft abgeschafft worden war, hatten wir hohe Arbeitslosenzahlen: 20 % und mehr waren traurige Realität. Klar ist, dass in der Zeit der Arbeitslosigkeit, in der die Betroffenen von Sozialtransfers leben, für die Arbeitslosen von der arbeitenden Bevölkerung nicht gleichzeitig Rentenbeiträge in der Höhe eines Durchschnittsverdieners gezahlt werden können. Das wäre eine Steigerung der Abgabenlast der Arbeitnehmer, und es würde zu noch größeren Verwerfungen beim Lohnabstandsgebot kommen. Somit wirken sich die Zeiten der Arbeitslosigkeit natürlich negativ auf die künftige Rente aus. Dasselbe trifft auf Bezieher von Niedrigeinkommen zu.

Die Rentenentwicklung ist in der Bundesrepublik Deutschland an die Lohnentwicklung gekoppelt. Dieser Bezug ist logisch; denn wenn Renten stärker ansteigen würden als die Löhne und Gehälter, würde man die Arbeitnehmer über Gebühr belasten. Das geschähe vor dem Hintergrund, dass Arbeitnehmer auch noch von den Beitragserhöhungen in der Kranken- und Pflegeversicherung betroffen sind. Außerdem sind sie in gleicher Weise wie Rentner von Preissteigerungen für Lebensmittel oder Heizöl betroffen, Berufspendler aufgrund gestiegener Spritpreise sogar noch mehr als Rentner.

Altersarmut verhindert man am besten, indem zukunftssichere Arbeitsplätze entstehen. Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze sichern das Versicherungssystem in Gänze und für jeden Einzelnen in der Zukunft.

(Beifall bei der CDU)

An dieser Stelle möchte ich einmal den Unternehmern danken, die Arbeitsplätze schaffen. Es ist nicht die Politik, sondern es sind die Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen. Wenn es keine Unternehmen gibt, gibt es keine Beschäftigten und keine Arbeit. Wenn Herr Lafontaine die Enteignung von Unternehmen fordert, dann sage ich: Damit entziehen Sie die Grundlage für Arbeit. Wenn es so weit kommt, dann wiederum stimmt die Überschrift für die heutige Aktuelle Stunde.

(Beifall bei der CDU sowie der Abgeordneten Schippel [SPD] und Frau Lehmann [SPD])

Aber zurück zu den Arbeitsplätzen. Ende August 2008 waren in Brandenburg 170 803 Menschen arbeitslos. Die Arbeitslosenquote betrug damit 12,7 % - bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen. Das sind 1,8 % weniger als im Vorjahresmonat. Das, meine Damen und Herren, ist der Erfolg der Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik in unserem Land. „Gießkanne“ war gestern, „Stärken stärken“ heißt die Devise.

Bei allen Erfolgen wissen wir auch um die Langzeitarbeitslosigkeit. Es gibt Bemühungen des Bundes, des Landes und der Kommunen, mit speziellen Programmen gegenzusteuern. Genannt seien an dieser Stelle der Kommunal-Kombi und der Eingliederungszuschuss. Am Kommunal-Kombi - das haben wir gerade gesagt - beteiligt sich das Land mit 40 Millionen Euro. Gleichzeitig mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit steigt die Zahl der Beschäftigten. Sie betrug Ende Juni 2008 735 900; das sind 11 044 Beschäftigte mehr als im Vorjahresmonat. Wir haben erfreulicherweise eine Zunahme bei den betrieblichen Berufsausbildungsstellen zu verzeichnen, und zwar - gegenüber dem Vorjahr - ein Plus von 17 %.

Wenn wir Menschen in Arbeit bringen und ihnen die Chance geben, eigene Rentenbeiträge zu entrichten, wirken wir der beschworenen Altersarmut am effektivsten entgegen. Das spiegelt sich auch in dem bereits erwähnten DIW-Bericht wider. Darin heißt es, der Hauptgrund dafür, dass es weniger Menschen in Not gibt, sei die sinkende Arbeitslosigkeit infolge des Aufschwungs. Man geht sogar davon aus, dass die Armutsquote noch weiter gesunken ist, weil auch 2007 und 2008 wieder deutlich mehr Menschen einen Arbeitsplatz gefunden haben. Es heißt, dass die Armut damit erstmals seit einem Jahrzehnt rückläufig ist.

In der Tat: Sozial ist, was Arbeit schafft. Die gute alte Marktwirtschaft ist der richtige Weg. Wer kurzzeitig Hilfe braucht, bekommt sie auch. Im Armutsbericht wurde ausdrücklich darauf verwiesen, dass durch Sozialtransfers das Armutsrisiko um 13 % gesenkt wurde. Es fällt niemand durch den Rost.

Dabei sind Sozialtransfers für mich nicht das Mittel der Wahl, um Armut zu bekämpfen; denn Sozialtransfers müssen von anderen erbracht werden und sollten wirklich nur denjenigen zugute kommen, die nicht aus eigener Kraft für sich sorgen können.

Meine Damen und Herren von Links, Sie reden die Situation im Land schlecht, statt die Menschen zu ermutigen. Sie wollen mehr Geld ausgeben für Sozialtransfers, die Pflege, die medizinische Versorgung usw. Wenn Sie das alles wollen, dann sagen Sie aber auch, dass damit die Belastungen für die Arbeitnehmer steigen werden. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie mit dieser ständigen Diskussion nichts, aber auch gar nichts dazu beitragen, dass die ältere Generation zur Selbstverständlichkeit gehört und ein wichtiger Teil der Gesellschaft und eben nicht nur ein Kostenfaktor ist.

(Beifall bei der CDU)

Sie schüren Ängste bei den Senioren und bei den Beitragszahlern und wollen dann die Retter sein, die durch Verteilung von Wohltaten jedem alles versprechen. 40 Jahre DDR haben leider nicht gereicht, um zu lernen, dass man nur das ausgeben kann, was man einnimmt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Für die Landesregierung spricht Ministerin Ziegler.

Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete!

(Anhaltende Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

- Ich verstehe ja Ihre Aufregung nach der heutigen Umfrage, liebe Genossen von der Fraktion DIE LINKE. Aber wir sollten versuchen, über sachliche Themen auch sachlich zu debattieren.

Sehr geehrte Frau Wolff-Molorciuc, es war noch nie meine Sache, mit den Wölfen zu heulen, und Sie können davon ausgehen, dass ich mich auch in Zukunft nicht auf Sie berufen werde.

Altersarmut, das Thema lässt aufhorchen und wird in der öffentlichen Diskussion sehr genau...

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

- Einfach zuhören! Erst zuhören, dann rechnen, dann reden das wäre die richtige Reihenfolge.

Mit Blick auf die Zukunft sorgen sich sehr viele Menschen darum, ob ihnen ihr lebenslanges Arbeitseinkommen eine angemessene Altersvorsorge ermöglicht und sie eben nicht befürchten müssen, im Rentenalter arm zu sein. Auch die Politiker beschäftigen sich sehr intensiv mit diesem Thema. Aus dem politischen Raum kommen zahlreiche Vorschläge, wie Altersarmut und ihr Anstieg vermieden werden können. Leider schlagen hierbei aber - wie wir es auch heute merken können - die Wellen, die Emotionen, auch in den Medienberichten, häufig hoch, sodass die Menschen mit unseriösen Fakten und unsensiblen Disputen nur zusätzlich verunsichert werden.

Verantwortlich agierende Politiker haben die Pflicht, zur Versachlichung der Diskussion beizutragen. Das Thema muss bei realer Sicht auf die tatsächlichen Probleme auf einer angemessenen Basis diskutiert werden. Zweifellos gehört dazu die Feststellung, dass Altersarmut heute in Deutschland objektiv kein drängendes gesellschaftliches Problem ist; denn nicht vorwiegend die älteren oder alten Menschen leiden unter Armut. Vielmehr sind es die Langzeitarbeitslosen und die Familien mit Kindern, darunter insbesondere Alleinerziehende, die von Armut erheblich betroffen sind. Das ist auch dem dritten Armutsund Reichtumsbericht der Bundesregierung zu entnehmen. Altersarmut steht auch dort nicht im Fokus.

Die heutige Rentnergeneration hat aufgrund einer relativ günstigen ökonomischen Entwicklung ausreichend Rentenanwartschaften aufbauen können. Möglicherweise können das die heutigen Erwerbstätigen nicht mehr in diesem Maße tun. Tatsache ist jedoch, dass dieses Thema die Gesellschaft nicht akut bedrängt, sondern ein befürchtetes Risiko der nächsten Jahrzehnte beschreibt. Daher meine ich, dass wir uns die Zeit für seriöse Problemanalysen nehmen sollten, um darauf aufbauend erfolgsversprechende Strategien zur Minimierung des Altersarmutsrisikos zu entwickeln und politisch auch umzusetzen.

Meine Damen und Herren, wer sich solchen seriösen Analysen zuwendet, der erfährt unter anderem dies: Die aktuelle Statistik der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung verdeutlicht, dass ein sehr hoher Anteil der heutigen Grundsicherungsempfänger voll erwerbsgemindert ist, also bereits lange vor dem 65. Lebensjahr bedürftig geworden ist. Die Daten sprechen insoweit eine deutliche Sprache.

Brandenburgs Rentnerinnen und Rentner sind heute eher unterdurchschnittlich von Altersarmut betroffen. Lediglich etwa 5 000 beziehen derzeit Grundsicherung im Alter. Selbst wenn man zugrunde legt, dass das durchschnittlich verfügbare Renteneinkommen gegenüber dem Jahr 2003 gesunken ist, führt dies nicht zwangsläufig zu einem stärkeren Anstieg der Anzahl der Grundsicherungsempfänger. Nach dem jetzigen Stand kann man davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren die Zahl der Grundsicherungsempfänger im Rentenalter in Brandenburg nicht signifikant ansteigen wird.

Die Grundsicherungsstatistik zeigt auch, dass - entgegen der weit verbreiteten Annahme - mehr als die Hälfte aller Grundsicherungsempfänger keine gesetzlichen Rentenansprüche hat und demzufolge überhaupt keine Rentenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält. Auslöser von Armut im Alter ist also nicht eine niedrige Rente, sondern eine gänzlich fehlende Absicherung für das Alter. Die gesetzliche Rente wird daher auch in Zukunft die wichtigste Säule der Alterssicherung und damit auch das wichtigste Instrument zur Vermeidung von Altersarmut bleiben.

Wie Sie, Frau Wolff-Molorciuc, darauf kommen, dass wir die Rente abschaffen wollen, bleibt mir völlig unerklärlich. Davon hat niemals jemand etwas gesagt.

Dieses System bietet Möglichkeiten, um auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Viel entscheidender ist es aber, die Strategie zur Vermeidung von Altersarmut auf die Ursachen zu konzentrieren. Das sind vor allem unstete Erwerbsund Versicherungsverläufe, Langzeitarbeitslosigkeit, Invalidität vor Erreichen des Rentenalters sowie langjährige Tätigkeiten im Niedriglohnsektor. Arbeiten im Niedriglohnbereich führen dazu, dass man trotz Vollzeittätigkeit keine angemessene Rentenanwartschaften bilden kann, geschweige denn Rücklagen.

Deshalb setzt sich die SPD - die Landesregierung hat keine einheitliche Auffassung dazu, aber die Seite der SPD sehr wohl seit langem für die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohnes ein, wie es in den meisten EU-Staaten bereits üblich ist. Die untertarifliche Bezahlung ist nicht hinnehmbar. Die Wirtschaft muss für gute Arbeit auch guten Lohn zahlen, sie muss ihre Beschäftigten an den Gewinnen stärker teilhaben lassen.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Lohndumping und ruinöser Wettbewerb schaden den Menschen und der Wirtschaft. Die Ursache für schlechte Bezahlung liegt insbesondere in der sehr angespannten Wettbewerbssituation vieler Unternehmen, insbesondere unserer kleinen und Kleinstunternehmen; denn diese hat dazu geführt, dass Lohndumping und Lohnwettbewerb erschreckend zugenommen haben, vor allem in Ostdeutschland.

Ich füge ganz deutlich hinzu, dass hierbei auch die Gewerkschaften eine hohe Verantwortung haben.

(Beifall der Abgeordneten Hartfelder [CDU])

Mir liegt gerade ein Tarifvertrag für das Gemeinsame Tarifregister Berlin-Brandenburg vor, bei dem eben auch die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern eine Vereinbarung getroffen haben und bei uns beantragen, diese für allgemeingültig zu erklären, dass wir also in Berlin einen Lohn von 5,50 Euro und in Brandenburg einen Lohn von 5 Euro genehmigen sollen. Also ist die Politik wieder daran schuld, wenn es die Tarifpartner so vereinbart haben. Das kann so nicht weitergehen. Deshalb bitte ich Sie, Ihre Kraft auch in den Gewerkschaften einzusetzen, damit sich das ändert.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Eine weitere Ursache ergibt sich aus der immer noch hohen Arbeitslosigkeit. Das Überangebot an Arbeitskräften bewirkt gerade im Niedriglohnbereich einen fatalen Verdrängungswettbewerb. Aus Verzweiflung - das wissen wir - sind selbst Hochqualifizierte bereit, zu Niedriglöhnen zu arbeiten, um überhaupt einen Job zu haben. Aber - wir haben es mehrfach gehört die Entwicklung in den letzten Monaten hat gezeigt, dass wir optimistisch in die Zukunft schauen können; denn hier hat sich Wesentliches verändert.

Die Bundesregierung hat einen Weg eingeschlagen, den wir nicht für völlig glücklich halten, aber es ist ein Kompromiss. Es sollen das Mindestarbeitsbedingungsgesetz überarbeitet und das Arbeitnehmerentsendegesetz reformiert werden. Ich halte das für eine Zwischenlösung; denn gerade mit Blick auf die Gefahr von Altersarmut sollte weiterhin mit allen Kräften an einem gesetzlichen Mindestlohn gearbeitet werden.

(Vereinzelt Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)