Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht in diesem Tagesordnungspunkt um unseren Antrag zur UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Ich möchte etwas zu der UNKonvention als solcher sagen.
Am 13. Dezember 2006 hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen ein Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verabschiedet. Am 30. März 2007 hat Deutschland diese UN-Konvention in New York unterzeichnet
und damit das Ratifizierungsverfahren in Gang gesetzt, das unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erfolgt. Nachdem 20 Staaten diese UN-Konvention unterzeichnet haben, ist sie dann am 3. Mai 2008 in Kraft getreten.
Ziel dieser Konvention ist die gesellschaftliche Wertschätzung von Menschen mit Behinderungen. Diese gehören zur Normalität menschlichen Lebens und gesellschaftlichen Zusammenlebens und stellen außerdem einen wichtigen Beitrag zur menschlichen Vielfalt dar. Es geht auch darum, den Defizitansatz aus der Behindertenpolitik wegzubekommen, bei dem immer von der Betrachtung ausgegangen wird, Behinderung sei ein individueller Mangel, ein Fehler, eine Krankheit. Schon diese Betrachtung, bewusst oder unbewusst, führt zur Benachteiligung im gesellschaftlichen Umgang miteinander.
Die Bundesregierung wird ihr Ratifizierungsgesetz noch in diesem Jahr dem Bundestag vorlegen. So viel zur UN-Konvention.
Mit diesem Thema haben wir uns im Landtag schon einmal befasst. Die Partei DIE LINKE hat im Februar 2007 zu dieser Problematik bereits einen Antrag eingebracht. Es ging in diesem Antrag darum, die Bundesregierung aufzufordern, das Ratifizierungsverfahren sehr schnell in Gang zu setzen. Weiterhin ging es darum, das deutsche Recht der UN-Konvention anzupassen. Es sollte auch das Ratifizierungsverfahren im Bundesrat schnell umgesetzt und auch der entsprechende Anpassungsbedarf auf brandenburgische Gesetze überprüft werden.
Diesen Antrag haben wir seinerzeit - im Februar 2007 - in den Fachausschuss überwiesen. Wir haben im Jahr 2007 im Fachausschuss einige Male darüber diskutiert und dann versucht, uns unter anderem darauf zu verständigen, ob wir eine Anhörung dazu durchführen. Wir konnten uns im Ausschuss nicht darauf einigen, in welcher Art und Weise wir das Anhörungsverfahren durchführen. Wir, die Koalition, wollten gern die Kombination mit dem „Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen“ in diese Anhörung mit einfließen lassen. Dazu gab es, glaube ich, aber keinen Konsens mit der Linkspartei. Wir konnten uns da also nicht einigen. Eine Weile blieb dieser Antrag dann liegen und ist in diesem Jahr noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt worden. Dazu gab es einen Änderungsantrag. Er ist noch einmal aktualisiert worden. Es ging in diesem Antrag auch darum, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die die Landesgesetze überprüft und möglicherweise entsprechend anpasst.
Heute nun bringt die Koalition einen Antrag zu diesem Thema ein, weil ich glaube, dass wir uns im Ausschuss - erstens - darüber wohl so recht doch nicht mehr einigen können. Zweitens möchten wir in der Koalition das Thema vom Tisch haben - wie man so schön sagt, aber positiv betrachtet -; denn wir haben zwischenzeitlich auch das Behindertengleichstellungsgesetz Revue passieren lassen, das inzwischen fünf Jahre in Kraft ist. Wir haben dazu eine Fachtagung durchgeführt und alle miteinander, Fachleute, Experten und Politiker, haben festgestellt: Hier besteht Reformbedarf. - Nun sind der Vorschlag und die Intention der Koalition, dass wir die Problematik der UN-Konvention mit in dieses Behindertengleichstellungsgesetz aufnehmen. Da dieser Gesetzentwurf in Bälde erarbeitet wird und wir in diesem Haus alsbald darüber diskutieren möchten, haben wir heute diesen Antrag eingebracht. Wir bitten sehr herzlich um Ihre Zustimmung. - Danke.
Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete! Frau Lehmann, um noch einmal die „fahrenden Züge“ zu bemühen, stelle ich die Frage: Wer springt jetzt auf diesen?
Aber lassen Sie mich zuerst zu dem kommen, worüber ich im Vorfeld nachgedacht habe. Ehrlich gesagt, war ich in der vergangenen Woche schon ein wenig erschrocken über die demokratische Kultur, die vonseiten der Koalition gepflegt wird, und darüber, dass sie ausgerechnet bei einem behindertenpolitischen Thema praktiziert wird.
Seit dem 27. Februar 2007 liegt dem Landtag ein Antrag der Fraktion der Linkspartei/PDS zur UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen vor. Im Ausschuss wurde die Behandlung auf Bitten der Koalition wiederholt verschoben. Nun kommt aus dem kurzen Halt ein Antrag der Koalition, etwas abgeschwächt im Vergleich zu dem meiner Fraktion, aber in der Intention durchaus richtig. Ich empfinde das als eine sehr schlechte Kultur.
Aber ich möchte die Gelegenheit vor allem nutzen, um noch einmal die Position der Linken zur UN-Konvention und zu ihrer Umsetzung darzulegen. Die Behindertenpolitik und das Behindertenrecht haben sich weltweit in den letzten Jahren grundsätzlich verändert. Es stehen nicht mehr nur die physischen oder geistigen Defizite von Menschen mit Behinderungen im Vordergrund, sondern ihr Potenzial zur Beteiligung am gesellschaftlichen Leben. Die Gewährung ihrer sozialen Menschenrechte ist entscheidend. Mit dieser Konvention werden für Menschen mit Behinderungen erstmals rechtsverbindliche und weltweit geltende Prinzipien aufgestellt. Die Vereinten Nationen wollen die Beeinträchtigungen behinderter Menschen endlich als Bereicherung der kulturellen Vielfalt unserer Gesellschaft verstanden wissen.
Dazu gehört ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben mit alternativen Lebens- und Kommunikationsformen.
Der Anspruch ist hoch und der Weg ist richtig. Aber wir Politikerinnen und Politiker müssen ihn auch konsequent gehen. Solange Menschen mit Behinderungen ständig in Erklärungsnot geraten oder sich dafür rechtfertigen müssen, dass sie besondere Bedingungen bei der Bewältigung des Alltags benötigen, so lange können und dürfen wir nicht von einer gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen reden.
Immerhin werden durch Barrieren und finanzielle Hürden mehr als 10 % der Menschen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.
Nun zur Behindertenpolitik in unserem Land: Natürlich hat sich auch bei uns schon einiges bewegt. Nur: Die Reichweite der Veränderungen ist eindeutig zu kurz. Entscheidungen dür
fen nicht nur vom Geld abhängig gemacht werden. Im Vordergrund muss für uns stehen, die Ausgrenzung behinderter Menschen zu beseitigen.
Ich erinnere an die Bilanzveranstaltung „5 Jahre Landesgleichstellungsgesetz“. Die UN-Konvention zwingt uns auf jeden Fall zum politischen Handeln.
Meine Damen und Herren der Koalition, ich frage Sie: Warum wollen Sie die Arbeitsgruppe nicht, wie wir sie in unserem aktualisierten Antrag im Juni im Fachausschuss vorgeschlagen haben? Wer, wenn nicht die behinderten Menschen selbst, sind die Experten in der Behindertenhilfe und Barrierefreiheit?
Sie jedoch wollen in Ihrem Antrag, Punkt 2, nur, dass darauf hingewirkt wird, die Verbände behinderter Menschen im Prozess zu beteiligen. Wir hingegen fordern darüber hinaus eine echte Beteiligung und Mitsprache der Betroffenen. Der Landesbehindertenbeirat kann nicht nur, sondern er muss die Möglichkeit haben, Fachleute aus den betroffenen Verbänden in diese Arbeitsgruppe zu entsenden.
Warum wollen Sie nicht, dass die Arbeitsgruppe über das Landesgleichstellungsgesetz hinaus auch andere Gesetze wie das Schulgesetz auf ihre Vereinbarkeit mit der UN-Konvention prüft? Warum sind Sie in Ihrem Antrag nicht so konsequent und geben einen Fahrplan zur Erarbeitung und Umsetzung eines Konzepts vor?
Machen wir endlich Nägel mit Köpfen und erarbeiten einen Teilhabeplan, der das Leben behinderter Menschen tatsächlich lebenswerter und selbstbestimmter macht!
Ich möchte an eine Radiowerbung anknüpfen und erlaube mir, den Damen und Herren der Regierungsbank einen bildhaften Vorschlag zu machen: Wenn wir künftig gemeinsam ein bisschen öfter Rollstuhl fahren würden, dann könnten wir endlich mehr Schwung in die Behindertenpolitik unseres Landes bekommen. Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie: Wir stehen in der Verpflichtung des Grundgesetzes und unserer Landesverfassung. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, ich gebe Ihnen gern Folgendes mit auf den Heimweg:
„Nicht behindert zu sein ist kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das einem jederzeit genommen werden kann.“
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich gar nicht reden, weil Sylvia Lehmann den Plan und den Werdegang der UN-Konvention bzw. des Antrags beschrieben hat. Aber nun muss ich doch etwas sagen: Frau Kolodzeike, schämen Sie sich eigentlich nicht?!
Wo haben Sie denn da einen Behinderten auf der Straße gesehen?! Wir sollen an einem Teilhabeplan mitarbeiten. Das machen wir gern. Aber denken Sie auch bitte daran, wie Behinderte zu DDR-Zeiten behandelt wurden! - Das kann man also so einfach nicht stehen lassen.