Protocol of the Session on July 9, 2008

Ich bitte Sie, der Überweisung an die Ausschüsse zuzustimmen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Der Abgeordnete Holzschuher spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Zunächst vier Vorbemerkungen.

Erstens: Ich bin davon überzeugt, dass es das gemeinsame Ziel aller demokratischen Abgeordneten in diesem Haus ist, einmütig gegen Rassismus, menschenverachtendes Handeln, neonazistisches Denken - allgemein: gegen jede Art von gegen die Menschenwürde gerichtetes Handeln - aufzutreten.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Fraktion DIE LINKE)

Zweitens: Da durch Rassismus, Menschenverachtung, nationalsozialistisches Denken der Mensch in seiner Würde negiert wird, müssen diese Erscheinungen für uns alle ein zentrales Thema sein.

Deswegen ist es - drittens - unabdingbar, dass wir parteiübergreifend dieses Thema angehen und uns dem Kampf stellen.

Viertens aber muss es möglich sein, über die Mittel des Kampfes gegen Rechtsextremismus, Menschenverachtung, Rassismus zu diskutieren, auch zu streiten. Davon bin ich ebenfalls überzeugt.

Wir in der SPD-Fraktion haben uns mit dem Thema sehr intensiv befasst und dazu - jedenfalls mehrheitlich - eine relativ klare Position: Es wäre richtig, das Bekenntnis zur Demokratie in unserem Land dadurch zu fördern, dass wir in der Verfassung Klarstellungen vornehmen und im Zusammenhang mit Wahlen ein klares Bekenntnis zur Demokratie - es gibt den Begriff „Demokratie-Check“ - einfordern. Wir stehen daher grundsätzlich zur Möglichkeit einer Verfassungsänderung, die ein Staatsziel eröffnen würde. Das heißt aber nicht, dass wir unbedingt dem Text folgen würden, den DIE LINKE vorgelegt hat. Wie gesagt, dem Weg stehen wir grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber.

Aber - Herr Kollege Bernig, Sie haben es vorhin gesagt - es wäre völlig falsch, wenn die demokratischen Parteien dieses Hauses das Thema parteipolitisch instrumentalisieren würden. Leider hat DIE LINKE genau das getan. Sie hat nämlich einen Antrag eingereicht, der auf eine Änderung der Verfassung zielt, wohl wissend, dass man dazu zwei Drittel der Abgeordneten überzeugen und damit alle drei demokratischen Fraktionen dieses Hauses ins Boot holen muss. Sie von der Fraktion DIE LINKE haben vor Einreichung Ihres Antrags nicht versucht, eine gemeinsame Linie herbeizuführen.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Das stimmt ein- fach nicht!)

Sie haben nicht die Fraktionsvorsitzenden konsultiert und nicht versucht, die Fraktionen in eine gemeinsame Diskussion einzubeziehen, bevor der Antrag auf dem Tisch lag. Damit haben Sie es erschwert, hier vorab eine gemeinsame Linie zu finden.

Nun könnte man sagen, dass Überweisung und anschließende Diskussion in den Ausschüssen der normale Weg wäre. Ich muss zugeben, dass wir auch darüber diskutiert haben, ob wir auf ein derartiges Verfahren eingehen.

(Görke [DIE LINKE]: Wer war daran wieder schuld?)

Leider aber ist die CDU-Fraktion der Meinung - jedenfalls ist das meine Information -, dass der hier vorgeschlagene Weg der falsche sei. Ich betone: Ich bin überzeugt, dass auch die

Mitglieder der CDU-Fraktion den Kampf gegen Rechtsextremismus als zentrales Thema ansehen und dass auch sie mit Sicherheit versuchen wollen, hier einen gemeinsamen Weg zu finden. Man ist dort im Augenblick aber anderer Meinung. Ich bedauere das, insbesondere deshalb - dass will ich an die Adresse des Koalitionspartners sagen -, weil man sich hinter dem Prinzip versteckt, möglichst keinen Anträgen zuzustimmen, die aus der falschen Richtung kommen, und stattdessen nicht versucht, sich über Sachargumente auszutauschen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Sie können das ändern!)

Das hat mich, als ich es hörte, enttäuscht. In der ersten Reaktion darauf haben einige von uns gesagt: Lasst uns den Gesetzentwurf trotzdem überweisen und dann darüber diskutieren! Aber das wäre im vorliegenden Fall der falsche Weg. Herr Dr. Bernig, Sie selbst haben es gesagt: Wir brauchen parteiübergreifendes, gemeinsames Handeln. Wenn eine Fraktion dieses Hauses noch nicht überzeugt ist, dass das der richtige Weg ist, dann müssen wir versuchen, sie zu überzeugen. Daran wollen wir als SPD-Fraktion gern mitwirken.

Aber der Weg, den Sie sich möglicherweise im Augenblick wünschen, nämlich die Überweisung gegen den Willen einer dieser Fraktionen, würde keine Überzeugung herbeiführen, sondern Druck, Streit, Missgunst und Konfrontation erzeugen, und das ist nun das Letzte, was wir bei diesem Thema brauchen. Wir brauchen gerade bei diesem Thema keine taktischen Spielereien, sondern einen breiten Konsens.

Deswegen ist der Weg einer Überweisung mit dem Ziel einer Diskussion der falsche, weil wir dann gezwungen wären - es sei denn, ich könnte zur Kenntnis nehmen, dass man in der CDU anderer Auffassung ist -, uns mit Verfahrensfragen statt mit der Sache, dem Kampf gegen den Rechtsextremismus, auseinanderzusetzen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie bitten, darüber nachzudenken, was eigentlich das Ziel Ihres Antrages ist. Wollen Sie ein gemeinsames Handeln in diesem Land? Dann nehmen Sie diesen Antrag zurück und versuchen, einen gemeinsamen Weg in diesem Haus herbeizuführen. Darin würden wir Sie gern unterstützen. Oder wollen Sie - wie schon bei verschiedenen anderen Anlässen - gucken, wie weit es geht, das heißt, wie weit wir uns provozieren lassen? Dann wäre ich auch von Ihnen enttäuscht, weil das bei diesem Thema vollständig fatal, vollständig falsch wäre und Ihnen auf die Füße fallen würde. Wir werden deshalb Ihrem Antrag heute nicht zustimmen. Danke.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Herr Dombrowski hat Gelegenheit zu einer Kurzintervention.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Holzschuher, ich kann jetzt nur für mich sprechen; der Fraktionsvorsitzende wird zu dem Antragsgegenstand hier auch noch Stellung nehmen.

Ich fühle mich durch Ihren Beitrag angesprochen, weil Sie einen gewissen Vorwurf in Richtung CDU geäußert haben. Ich darf Ihnen einmal sagen: Wenn ich dem Antrag auf Überweisung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE zustimmen würde, würden wir allen Ernstes darüber diskutieren, ob - so ist es hier formuliert - in der Verfassung die Gewaltfreiheit bei der Lösung gesellschaftlicher Konflikte festgeschrieben werden soll.

Das würde bedeuten - so ist die Wahrnehmung und die tägliche Handlungsweise der Fraktion DIE LINKE -, auch darüber zu reden, ob Polizeieinsätze auf rechtsstaatlicher Grundlage, zum Beispiel bei der Auflösung von nicht genehmigten Demonstrationen, wie wir es schon hatten, ein Verstoß gegen die Verfassung wären. Wir hätten darüber zu reden, ob sich das Erfordernis der Gewaltfreiheit nur auf Rechtsbrecher oder auch auf unsere Rechtsstaatsorgane beziehen sollte. Alle diese Dinge würden wir damit akzeptieren.

Zum Zweiten stünde die Frage im Raum, ob in die Verfassung weitere Verpflichtungen für kommunale Wahlbeamte aufgenommen werden sollten. Wir alle wissen, dass alle Beamten die kommunalen wie die landesbediensteten - nach § 18 Landesbeamtengesetz selbstverständlich verpflichtet sind, Recht und Gesetz zu achten. Auf kommunaler Ebene sind ebenfalls entsprechende Formeln absolut üblich. Daher glaube ich, dass es hier im Grunde genommen gar keinen realen Ansatz gibt.

(Zuruf des Abgeordneten Baaske [SPD])

Ich glaube - Sie haben völlig Recht, Herr Holzschuher -, dass wir alle einer Meinung sind, dass es darum gehen muss, extremistische Damen und Herren, auch solche mit rechtsextremistischem Hintergrund, die in Verantwortung kommen wollen, von solchen Ämtern fernzuhalten, sofern wir das können.

Dafür aber die Verfassung zu ändern, vor allen Dingen mit der Begründung und dem Ansatz, der hier von der Fraktion DIE LINKE vorgetragen wird, halte ich überhaupt nicht für gerechtfertigt. Das wäre vielmehr Ausdruck eines ausgesprochenen Misstrauens gegenüber Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, die sich für verschiedene Ämter zur Verfügung stellen. Das ist meine Meinung dazu.

(Beifall bei der Fraktion der CDU)

Bevor ich die Kurzintervention von Frau Kaiser aufrufe, frage ich den Abgeordneten Holzschuher, ob er jetzt, anschließend auf beide Kurzinterventionen oder auch gar nicht reagieren möchte. - Ich frage Sie nachher noch einmal. Frau Kaiser, bitte.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Holzschuher, ich spreche im Namen meiner Fraktion, wenn ich sage, dass ich einigermaßen fassungslos bin über die von Ihnen gegebene Begründung für die Ablehnung unseres Gesetzentwurfs zur Änderung der Verfassung.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

Ich möchte Sie bitten, sich noch einmal mit Ihren Kollegen zu verständigen.

Erstens: Es hat vorab langfristig Bemühungen gegeben, in dieser Frage eine gemeinsame Linie zu finden und auch eine fachliche Abstimmung zwischen den Sprechern und den Fraktionsvorsitzenden vorzunehmen.

(Lunacek [CDU]: Das ist nicht wahr! - Bischoff [SPD]: Das ist falsch!)

Zweitens: Meine Fraktion war immer der Auffassung, dass eine breite parteiübergreifende Initiative wie in Mecklenburg-Vorpommern auch im Land Brandenburg möglich ist.

Drittens: Mir wäre die Begründung so nicht eingefallen, weil ich Ihre Meinung teile. Wir brauchen in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus auch deshalb keine taktischen Spielereien, sondern Klarheit.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Deshalb sage ich: Für mich beginnt die demokratische Verständigung, die Auseinandersetzung mit einer Frage im Parlament mit der Überweisung an die Ausschüsse. Wir können Anhörungen durchführen. Wir müssen den vorliegenden Gesetzentwurf am Ende überhaupt nicht in dem Wortlaut beschließen, sondern es ist möglich, hier einen Konsens zu suchen. An diesem Konsens sind wir interessiert. Deshalb bitte ich sehr herzlich die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion und der CDUFraktion, der Überweisung zuzustimmen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Gibt es Bedarf zu reagieren?

Frau Kollegin Kaiser, es geht vorliegend um eine Verfassungsänderung.

(Bischoff [SPD]: Ja!)

Es ist Konsens in anderen Landtagen. Ich habe das gerade über Hessen gelesen, die haben viele Probleme, und trotzdem gibt es dort den Konsens, Verfassungsänderungen gemeinschaftlich vorzubereiten, weil es eine so wichtige Sache ist. Es ist - so ist meine Information - nichts Konkretes gelaufen. Der Kollege Dr. Scharfenberg und ich haben miteinander gesprochen, jedoch erst wenige Tage vor Einreichung des Antrages. Das ersetzt, wie ich meine, nicht das, was von mir gewollt ist, nämlich eine gemeinsame Diskussion.

(Bischoff [SPD]: Stellen Sie sich vor, wir hätten das ge- macht!)

Wenn wir als Regierungskoalitionsfraktionen einen Antrag auf Verfassungsänderung ohne vorherige Absprache mit der Opposition einbringen würden, stieße das bei der Opposition, bei Ihnen, sicherlich auch auf tiefes Missfallen.

(Bischoff [SPD]: Ein Aufschrei!)

Es ist in solchen Fällen schlichtweg üblich, sich untereinander abzustimmen. Deswegen ist vorliegend auch die Überweisung