Protocol of the Session on July 9, 2008

Für die Landesregierung spricht Innenminister Schönbohm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich, dass es in einem Punkt Einigkeit gibt: Wir lehnen Rechtsextremismus, Extremismus jeder Art, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt gemeinsam ab und tun alles dafür, solche Erscheinungen zu verhindern. Herr Dr. Bernig, nachdem Sie gesprochen hatten, habe ich gedacht, dass ich mich jetzt eigentlich setzen könnte, weil Sie ausgeführt haben, was wir auf der Basis bestehender Gesetze in unserer Gesellschaft erreicht haben. Wenn Sie in Ihrem Antrag behaupten, die Gesetze würden nicht ausreichen, möchte ich gern einmal wissen, was Sie damit meinen; ich komme darauf noch zu sprechen.

Ich meine, wir sollten zunächst einmal allen Bürgerinnen und Bürgern danken, die sich in den letzten Jahren dafür eingesetzt haben. Wir wissen doch, welche Entwicklungen es gab. Wie war es denn vor zehn Jahren? Wie ist es jetzt? Ich erinnere daran, wie wir zum 10. Jahrestag des Aktionsbündnisses gemeinsam im Theater waren und uns bedankt haben. Ich fand, das war eine großartige Veranstaltung. Herr Baaske, auf der Veranstaltung in Belzig, an der wir gemeinsam teilgenommen haben, waren Männer und Frauen aus allen Teilen des Landes, aus allen Schichten, die sagen: Dagegen müssen wir etwas tun. - Dieser Geist ist vorhanden, wir müssen ihn fördern.

Nun sagen Sie, wir könnten ihn am besten fördern, indem wir die Verfassung ändern. Es ist klar, dass eine solche Verfassungsänderung eine Staatszielbestimmung bedeutet, aus der sich keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen für das Handeln ergeben. Es gibt also keine einklagbaren Sachverhalte, gegen die vorgegangen werden kann.

Von allen Landesverfassungen in Deutschland weist die Brandenburger Landesverfassung die meisten Staatszielbestimmungen auf. Ich gebe zu bedenken, es gibt das Staatsziel „Recht auf Arbeit“. Es stehen viele Dinge darin, bei denen wir feststellen, dass sie durch praktische Politik und die Bürger dieses Landes, die wir erreichen müssen, umgesetzt werden müssen.

Es ist schon etwas zur gesetzlichen Grundlage gesagt worden. Artikel 2 will ich nicht zitieren, aber in Artikel 20 Abs. 2 der Landesverfassung heißt es:

„Vereinigungen, die nach ihrem Zweck oder ihrer Tätigkeit gegen die Verfassung, die Strafgesetze oder die Völkerverständigung verstoßen, sollen aufgrund eines Gesetzes Beschränkungen unterworfen oder verboten werden.“

Das steht in der Verfassung. Insofern will ich nicht noch auf das Grundgesetz eingehen.

Die Verfassung in der jetzigen Form hat sich bewährt und gibt uns vielfache Möglichkeiten im Kampf gegen jede Art von Extremismus, auch Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Als wir gemeinsam im LKA waren, Herr Vorsitzender, und vorgetragen wurde, was wir tun, haben Sie und andere gesagt, das Land Brandenburg unternehme mit den Mitteln staatlicher Repression und Prävention alles, was machbar sei. Wenn es weiterführende Hinweise gibt, nehme ich sie gern auf. Das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“, TOMEG und MEGA sind dafür Beispiele; daran orientiert man sich auch in anderen Ländern.

Wir reagieren auf Rechtsextremismus auch mit einer konsequenten Verbotsstrategie. Wir haben 2005 die rechtsextremistischen Vereinigungen ANSDAPO, die Kameradschaft „Hauptvolk“ und ihre Untergliederung „Sturm 27“ verboten. 2006 haben wir das Verbot des „Schutzbundes Deutschland“ vollzogen. Aus Brandenburg kommen die meisten Anträge auf Indizierung rechtsextremistischer Musik, und wir sind bekanntermaßen nicht das größte Bundesland. Wir sind in diesem Bereich also sehr aktiv.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Ich würde meinen Gedanken gern zu Ende führen, sonst kommt mein Konzept durcheinander. Dann bin ich gern bereit, Frau Kaiser, Ihre Frage zu beantworten.

Wir werden also auch künftig den Verfolgungsdruck aufrechterhalten und alle Möglichkeiten ausschöpfen. Wenn wir feststellen, dass Gesetze verändert werden sollten, dann werden wir dies tun. Wir haben dabei natürlich auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zu berücksichtigen; denn wie Sie wissen, sind Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht hohe Güter. Das ist auch richtig so. Deshalb gibt es auch Begrenzungen. Die Einfügung der von Ihnen vorgeschlagenen Staatszielbestimmung in die Landesverfassung hilft uns nicht, die Probleme zu lösen und die Herausforderungen, vor denen wir stehen, anzunehmen.

Ich möchte anhand eines Beispiels deutlich machen, an welcher Stelle ich die PDS nicht verstehe. Am vergangenen Freitag wurde im Bundesrat ein Gesetzentwurf verhandelt, in dem es um Hasskriminalität geht. Demnach sollen Bürger dieses Staates, die Straftaten aus rechtsextremistischen Motiven und unter Hassgesichtspunkten begehen, verschärft bestraft werden. Die Großen Koalitionen haben dem Gesetzentwurf zugestimmt die Initiative kam ja aus Brandenburg -, auch das rot-grüne

Hessen hat zugestimmt, aber der Berliner Senat hat nicht zugestimmt. Warum eigentlich nicht? Das wäre eine gute Möglichkeit gewesen, etwas zu tun und durch einen Gesetzentwurf eine schärfere Bestrafung zu erwirken. Diese Frage hätte ich gern beantwortet. Sie stellen hier einen Antrag auf allgemeine Staatszielformulierung, und da, wo es um praktische Dinge geht, wo wir im Rechtsstaat die Möglichkeit haben, mehr zu machen, verweigern Sie sich. Das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Lassen Sie mich noch etwas sagen, weil ich das nun persönlich erlebt habe. Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung weist für die Bundesrepublik Deutschland aus: 62 % der Bürger finden die Demokratie gut oder sehr gut, 34 % sind unzufrieden. Wenn 34 % unzufrieden sind, ist es doch unsere Aufgabe als Demokraten, auf sie zuzugehen und ihnen die Demokratie zu erklären. Ich bringe zwei Zitate. Das eine ist von Ihrer Kollegin Enkelmann:

„Diese Art von Demokratie löst die Probleme der Menschen nicht.“

Das andere Zitat lautet:

„Es kann also gar keinen Zweifel daran geben, dass die Demokratie in Deutschland nicht mehr funktioniert.“

Das war von der NPD. Merken Sie eigentlich die geistige Nähe?

(Empörung bei der Fraktion DIE LINKE)

- Ja, ja, ich will das nur mal sagen. Ich will auf etwas Bestimmtes hinaus. Mir war klar, wie Sie reagieren.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Das ist eine Unverschämt- heit!)

- Lassen Sie mich erst einmal ausreden, Frau Mächtig.

Ich möchte, dass Sie und auch die Parlamentarische Geschäftsführerin bitte annehmen: Die Unzufriedenheit der Bevölkerung soll man ernst nehmen bzw. sich damit auseinandersetzen; man sollte aber nicht die Demokratie beschimpfen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Unsere Demokratie braucht wehrhafte Demokraten. Das ist doch der Punkt, um den es geht.

Darum sage ich: Wir haben gute Gesetze und einen funktionierenden Rechtsstaat. Wir können alles tun, was notwendig ist, um unsere Demokratie zu schützen. Aber was wir brauchen, sind wehrhafte Demokraten, die sich auch dafür einsetzen. Das ist die Aufgabe, die wir gemeinsam erfüllen sollten. Man sollte nicht schimpfen, wenn die Leute unzufrieden sind, sondern man sollte ihnen helfen. Von daher gesehen hoffe ich, dass wir uns über das Ziel im Klaren sind: Diese 34 % müssen wir auch gewinnen; dann haben wir weniger Probleme. - Danke sehr.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Bei diesem temperamentvollen Abschluss ist die Zwischenfrage untergegangen, Frau Kaiser, und der Innenminister verschwunden. - Herr Dr. Bernig hat noch eine Minute.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur einige Anmerkungen; eine Minute ist kurz. Ich sage nur: Wenn man nicht will, dann findet man auch Argumente.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herr Schönbohm, Sie haben das Grundgesetz und die Verfassung zitiert, und an keiner Stelle kamen die Worte „rechtsextremistisches“ oder „nationalsozialistisches Gedankengut“ vor. Genau das ist das Problem.

Herr Lunacek, wenn Sie sich auf das Grundgesetz beziehen und Lothar Bisky zitieren, dann muss ich Ihnen sagen: Das Grundgesetz regelt die freiheitlich-demokratische Grundordnung, legt aber nicht das System fest.

(Zuruf des Abgeordneten Lunacek [CDU])

Das Grundgesetz ist antifaschistisch, aber nicht antisozialistisch. Viele Parteien haben den demokratischen Sozialismus sehr wohl in ihrem Programm.

Der Kompromiss, wie er in Mecklenburg-Vorpommern möglich gewesen ist, wäre durchaus auch in der parlamentarischen Behandlung möglich gewesen. In Mecklenburg-Vorpommern wurde geregelt, dass rassistisches und extremistisches Gedankengut zu verbreiten verboten ist. Sie müssten die Diskussion kennen. Ich muss auch etwas zur Instrumentalisierung sagen. Die Diskussion wird seit mindestens zwei Jahren intensiv geführt. Im vorigen Jahr wurde sie in Mecklenburg-Vorpommern, als es die besagte Initiative gab, noch einmal intensiviert. Ich appelliere noch einmal an Ihr Gewissen: Stellen Sie Ihre Koalitionsabsprache in den Hintergrund, und stimmen Sie der Überweisung an den Ausschuss zu.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Bei derart vielen Zwischenrufen gibt es hinreichend Spielraum für Selbstbefassung im Ausschuss. - Ich habe jetzt zur Abstimmung zu stellen, den Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksache 4/6410 an den Ausschuss für Inneres zu überweisen. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist diesem Antrag mehrheitlich nicht gefolgt worden.

Ich lasse über den Gesetzentwurf in der Drucksache 4/6410 in 1. Lesung abstimmen. Wer diesen Gesetzentwurf annehmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist er mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Brandenburgisches Gaststättengesetz (BbgGastG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/6415

1. Lesung

Da vereinbart wurde, hierzu keine Debatte zu führen, lasse ich über die Empfehlung des Präsidiums abstimmen, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuss für Wirtschaft zu überweisen. Wer diesem Begehr Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist dieser Überweisung zugestimmt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 10 und rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Gesetz zur Neuregelung des Hochschulrechts des Landes Brandenburg

Gesetzentwurf der Landesregierung