Protocol of the Session on April 9, 2008

Die Landestourismuskonzeption der Jahre 2006 bis 2010 legt dar, dass in einigen Marktsegmenten wie dem Erholungs- und Naturtourismus noch besonders Potenziale für die Tourismusentwicklung erschlossen werden können, und sieht insbesondere im Naturtourismus einen Schwerpunkt für die künftige Tourismusentwicklung.

Das Bedürfnis der Menschen nach Naturerlebnis steigt. Die Besucherzentren in den Großschutzgebieten sind Anlaufstellen und Schaufenster für die gesamte Region. Brandenburg ist ein Land mit nahezu unerschöpflichen Potenzialen zum Naturerleben, es ist das gewässer- und vogelartenreichste Land der Bundesrepublik. Hier kann der Tourist hautnah spektakuläre Naturschauspiele, zum Beispiel den Vogelzug von täglich 70 000 Kranichen im Rhinluch bei Linum - wir sind damit der größte Vogelrastplatz in ganz Europa -, die Trappenbalz im havelländischen Luch erleben, und wir können selbst Elch und Wolf im Südosten Brandenburgs wieder begegnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, geradezu magische Anziehungskräfte für die Naturtouristen haben natürlich unsere Badestellen im Land Brandenburg. Wir haben 3 000 Seen und 6 500 km Fließgewässer. In der diesjährigen Badesaison werden landesweit erstmals 253 EU-Badegewässer und -Badestellen auf der Grundlage einheitlicher europäischer Kriterien ausgewiesen. Diese werden über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht und im EU-Internetauftritt - im Badegewässeratlas - veröffentlicht. Die Badestellenkarte des Landes Brandenburg - das ist total spannend - ist mit 300 000 Zugriffen in den Sommermonaten die mit Abstand am meisten nachgefragte Internetseite der Landesregierung. Darauf sollte man stolz sein. Diese Karte gibt Auskunft über die Qualität der Gewässer. Wir wissen, dass die Berliner alle Jahre neue Sorgen mit der Badewasserqualität haben. Es gibt also genügend Ausweichmöglichkeiten in unserem Land.

Wir haben elf Naturparke, drei Biosphärenreservate und den Nationalpark. Diese Gebiete erstrecken sich über rund ein Drittel unserer Landesfläche. Die Großschutzgebiete profilieren sich verstärkt im Bereich Naturtourismus und streben selbstverständlich eine enge Allianz zwischen dem Naturschutz und der Tourismusbranche an.

Auch für Besucher mit Behinderung haben die Großschutzgebiete spezielle Angebote parat. Sie haben nämlich das Potenzial dieser Besuchergruppe zu Recht erkannt.

Zur diesjährigen Internationalen Tourismusbörse gab es erstmalig einen Angebotskatalog „Brandenburg natürlich - Grüne Paradiese mit City-Anschluss“. Welche Region hat schon die

spannendste Hauptstadt der Welt in den eigenen Reihen und damit das Potenzial, auch internationale Touristen ins Land zu locken?

Die Naturerlebnisangebote werden gemeinsam mit Praktikern der Tourismusbranche und den Großschutzgebieten des Landes entwickelt. Fortgeschrieben und aktualisiert wurden auch die Angebote zu „Lust auf Natur“. Wir haben in diesem Jahr 100 Veranstaltungen mehr als im vergangenen Jahr und insgesamt 332 Angebote.

Dass jede touristische Nutzung selbstverständlich mit einem behutsamen Umgang der Natur verbunden sein muss, wohldurchdacht und geplant erfolgt, ist selbstverständlich. Denn was wir wollen, ist, Natur erlebbar machen. Was man selbst erlebt hat, ist man auch eher bereit zu schützen. In diesem Sinne lassen Sie uns weiterarbeiten für unser Land, für unsere Touristen. In diesem Sinne: Herzlich willkommen und ein herzliches Glückauf allen Besuchern Brandenburgs!

(Beifall bei SPD und CDU)

Und von mir ein herzliches Willkommen an unsere Gäste von der Förderschule Perleberg, 8. Klasse. Ich wünsche euch einen interessanten Vormittag bei uns im Landtag.

(Allgemeiner Beifall)

Bevor ich das Schlusswort der antragstellenden Fraktion und damit dem Abgeordneten Lunacek erteile, frage ich in Richtung Landesregierung: Herr Minister Junghanns, haben Sie noch Redebedarf?

(Minister Junghanns: Nein!)

Herr Lunacek, dann sind Sie an der Reihe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Domres, wie Sie angesichts einer wirklich so guten Entwicklung des Tourismus in der ersten Hälfte Ihrer Rede eine so niederschmetternde Bilanz ziehen konnten, bleibt Ihr Geheimnis.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

- Ja, Sie haben erst einmal ellenlang aufgezählt, welche Probleme es gibt.

Wir müssen den Menschen Mut machen, wir müssen darlegen, was erreicht wurde, und wir müssen dann weiter an Besserem arbeiten. Darauf kommt es am Ende an.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Die Widersprüche, die sich in Ihrem Beitrag ergaben, können nur Sie erklären. Auf der einen Seite machen Sie weis, dass Sie im Tourismus niedrigere Mehrwertsteuersätze wollen, auf der anderen Seite werden Sie nicht müde aufzuzählen, wo überall das Land mehr ausgeben soll - ob beim Marketing, ob bei Rad

wegen, ob bei Bahnlinien. Das alles passt vorn und hinten nicht zusammen.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE - Glocke des Präsi- denten)

Meine Damen und Herren, der Tourismus in Brandenburg ist eine Erfolgsstory. Das kann man so mit ehrlichem Herzen vertreten. Die ITB Mitte März hat gezeigt, dass es so ist, dass Brandenburg an Gewicht gewinnt und hier wirklich was vorankommt.

Die Gästezahlen steigen kontinuierlich. Wir hatten im letzten Jahr 3,4 Millionen Gäste. Wir haben damit jedes Jahr deutlich mehr Gäste in Brandenburg, als wir Einwohner haben, und wir haben ein hohes Wachstum. Wir haben im Tourismus mehr als 4,5 % Wachstum. Das ist mehr, als die Wirtschaft im Durchschnitt wächst. Damit ist der Tourismus auch ein Motor für die brandenburgische Wirtschaft.

Dass das kein Selbstläufer ist, muss allen klar sein. Diese Erfolge kommen nicht von allein. Diejenigen, die vor Ort erfolgreich Tourismus machen, und diejenigen, die die Konzepte entwickeln und begleiten - das reicht hinein bis in die Landesregierung, in die entsprechenden Ministerien -, haben hart dafür gearbeitet.

Wir müssen dranbleiben; denn die Konkurrenz schläft nicht. Es wird darauf ankommen, eine immer bessere Qualität zu erreichen, hochwertige und interessante Angebote zu unterbreiten und auf Alleinstellungsmerkmale zu setzen.

Ich möchte einige Beispiele nennen. In der Lausitz, aus der Frau Gregor-Ness kommt, ist es gelungen, aus einer gebeutelten Tagebaulandschaft, die alles verschandelt hat, etwas zu machen, was sich wirklich sehen lassen kann und Touristen anzieht.

Ich nenne die Abraumförderbrücke F 60 in Lichterfelde im Landkreis Elbe-Elster. Sie ist solch ein Beispiel. Sie befindet sich mitten im alten Tagebau, mitten in der Mondlandschaft. Seit 2002 sind geführte Rundgänge über diese ehemalige Abraumförderbrücke möglich. Man nennt sie den “liegenden Eiffelturm”. Man kann 80 Meter in die Höhe wandern. Das ist etwas Interessantes, ein Alleinstellungsmerkmal. Dort ist nicht nur die einfache Besichtigung möglich, sondern inzwischen gibt es Kulturereignisse. Besucher können Musik in Veranstaltungen, die Erlebnischarakter haben, hören. Das ist etwas Interessantes und Spannendes. Herzlichen Glückwunsch all denen, die das dort aufgebaut haben!

(Beifall bei CDU und SPD)

- Ja, das ist einen Applaus wert.

Ich nenne die anderen Entwicklungen in Tagebaulandschaften, zum Beispiel den Senftenberger See. Als ehemaliger Tagebau ist er schon lange ein Vorbild für eine gute Nachnutzung solch riesiger Flächen.

Durch die Flutung des Senftenberger Sees und der angrenzenden Flächen entsteht eine Seenlandschaft, die sich sehen und messen lassen kann. Ein ähnliches Wasserrevier, wie es dort entsteht, gibt es in Deutschland anderswo kaum.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Heute werden die Grundlagen für die künftigen Erfolge gelegt, genau wie in den letzten Jahren die Grundlagen für die heutigen Erfolge gelegt worden sind. Daran müssen wir arbeiten, und dazu müssen wir ermutigen. Deswegen sagen wir auch heute: Wir nutzen den Schwung, den uns die ITB bringt, um immer wieder daran zu erinnern, dass wir daran arbeiten müssen, es besser zu machen. Diese Aufforderung richtet sich auch an die Verwaltung auf der kommunalen und auf der Landesebene. Die Aufforderung lautet, mit Freiräumen Chancen zu geben und nicht als Verhinderer, sondern als Beförderer aufzutreten.

Ich nenne einmal ein Beispiel aus meinem Wahlkreis. Werbellinsee - das ist eine wunderschöne Region in der Schorfheide im Nordosten Berlins. Manche vergleichen sie mit der Region am Tegernsee in Bayern. Künftig erhält sie vielleicht einmal einen solchen Stellenwert. Ein in der Region sehr erfolgreicher Unternehmer wandte sich mit dem Anliegen, am Werbellinsee eine alte Erholungsstätte wieder aufzubauen, die in den 20er und 30er Jahren - so sagen die Einheimischen - in der Region die Erholungsstätte schlechthin war, an die Verwaltung und erhielt als Antwort: Schlagen Sie sich eine Herberge mit 20 Betten und Wellnessbereich aus dem Kopf, hier ist ein Biosphärenreservat, das geht nicht.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das stimmt doch gar nicht!)

- Das war so.

Deswegen sage ich: So geht es nicht. Ich bin der Hausleitung des MLUV dankbar, die sich dafür eingesetzt hat, dass das geradegerückt wurde. Aber das zeigt: Wir müssen auch in der Verwaltung, und zwar auf kommunaler Ebene, auf Kreisebene und auf Landesebene, dafür sorgen, dass das Denken nicht am Tellerrand endet, sondern man darüber hinausschaut, dass man die Vorschriften nicht nach den Buchstaben auslegt, sondern schaut, wie man etwas entwickeln kann und die Menschen vor Ort bei der Umsetzung unterstützt.

Ich nenne des Weiteren die Wassertourismusinitiative Nordbrandenburg. Nordbrandenburg ist ein Seengebiet, das sich in Deutschland und in Europa wirklich sehen lassen kann. Es gibt nur wenige Regionen - Südfrankreich, Irland -, die sich damit messen können. Wir haben die Wassertourismusinitiative Nordbrandenburg, WIN, ins Leben gerufen, damit man dort führerscheinfrei mit den Booten fahren kann. Das bietet riesige Wachstumschancen.

Wir haben WIN in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Wir reden seit Jahren darüber, aber richtig voran geht es noch nicht. Deshalb gebe ich ein klares Signal von dieser Stelle: Es ist Wille der Koalition, dass WIN vorankommt, und ich erwarte von allen in der Landesverwaltung und in den Kommunalverwaltungen, dass dieses Projekt vorangetrieben wird, sodass hier Chancen eröffnet werden. Wir legen heute die Grundsteine für die Erfolge von morgen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Kulturtourismus. Brandenburg hat wirklich viel zu bieten, nicht nur einmalige Landschaften, sondern auch eine einmalige Kultur. Wir haben mehr als 350 Museen in Brandenburg. Wir haben 500 Schlösser und Herrensitze mit herrlichen Parkanlagen und Gärten. Wir haben Musikfestspiele. Wir haben Potsdam-Sanssouci, ein einmaliges Ensemble, das zum Weltkulturerbe gehört, mit dem

wir uns sehen lassen können. Das müssen wir weiter stärken, verbessern und attraktiver machen, damit wir mehr Touristen nach Brandenburg holen.

Ich bin froh, dass wir hier heute und morgen beschließen, dass ein Projekt weiter vorangebracht wird, das dieses historische Ensemble vervollständigt und einen Beitrag dazu leisten wird, dass die Landeshauptstadt weiter touristisch an Attraktivität gewinnt. Wir werden den Wiederaufbau der alten historischen Schlossfassade hier in Potsdam heute und morgen mit einem entsprechenden Antrag unterstützen und dafür sorgen, dass Potsdam touristisch attraktiver wird.

Das sage ich auch mit Blick auf DIE LINKE: Es ist nicht Meckern, sondern es ist Mittun und Voranbringen angesagt.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Die Touristen kommen eben nicht wegen des „Mercure“ oder der Bausünde der alten Mensa der FH nach Potsdam, sondern wegen des historischen Ensembles. Das zu stärken ist eine gute Sache. Dazu stehen wir.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, Tourismus ist eine Chance für Brandenburg, für Potsdam, aber insbesondere auch für den ländlichen Raum. Der Landespolitik wird öfter einmal vorgeworfen, sie vernachlässige den ländlichen Raum. Das ist falsch. Wir tun alles, damit er sich entwickelt. Gerade in den ländlichen Räumen ist der Tourismus eine Riesenchance.

Tourismus in Brandenburg ist trotz der wenigen Kritikpunkte, die man anbringen kann, insgesamt eine Erfolgsstory, die es zu pflegen gilt. Wir wollen weiterhin Impulse setzen und Mut machen, dass man hier etwas unterstützt, dass man etwas voranbringt, dass alle Kräfte gebündelt werden, um Brandenburg und Potsdam attraktiver zu machen. In diesem Sinne: Lassen Sie uns gemeinsam etwas für unser wunderschönes Brandenburg tun! - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)