Protocol of the Session on April 9, 2008

Aufgrund der sehr angespannten und sehr schwierigen demografischen Entwicklung in Brandenburg erfolgt der Einsatz einer Wunder-Kommission. Die Kommission trägt den Namen

nicht deshalb, weil man sich davon eine Zauberwirkung erhofft hat, sondern weil der Chef dieser Kommission Wunder hieß. In dieser Kommission waren die Fraktion DIE LINKE sowie die Fraktionen der CDU und der SPD - also das Parlament - gut vertreten.

Die Wunder-Kommission kam zu dem Ergebnis, dass ein fachlich hoch angesiedelter Unterricht am besten dann erreicht werden kann, wenn eine Schule mindestens vierzügig läuft. Als Kompromiss - wegen der langen Schulwege in Brandenburg den die Wunder-Kommission benannt hat, wurde vorgeschlagen: im Extremfall „zwei mal 15“.

Das haben wir auch für die Grundzentren vorgeschlagen. Als der Landesentwicklungsplan vor zwei Jahren geändert werden sollte, habe ich gesagt: Lasst uns das, was wir bisher zu „zwei mal 15“ verarbeitet haben, auch auf die anderen Schulstandorte, so sie Einzelstandorte sind, übertragen, sodass diese Regelung unabhängig vom Grundzentrum-Status beibehalten werden kann. Wenn Sie das jetzt beklagen bzw. den Minister fragen, wie er zweizügige Schulen finanzieren will, dann kann ich nur sagen: Es ist sonnenklar, dass wir uns diese kleinen Klassen an den Schulen in Grundzentren bzw. ehemaligen Grundzentren oder Einzelstandorten damit erkaufen, dass wir in Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) - in den Ober- und Mittelzentren, wo die Strukturen stabiler sind - Schulen mit zwei mal 30, zwei mal 29 oder auch drei mal 30 Kindern pro Jahrgangsstufe haben. Dort sind die Klassen wesentlich größer. Anders wird es nicht gehen. Aber ich glaube, ein solidarisch aufgestelltes Land muss das in Kauf nehmen, um anderswo kürzere Schulwege zu ermöglichen.

Generell müssen wir noch einmal über die Einzügigkeit reden, die Sie soeben in einer Klarheit propagiert haben, wie ich es von Ihnen noch nie zuvor gehört habe. Bisher gab es von Ihrer Seite immer recht vernünftige Äußerungen, die auf die Qualität von Schule abzielten.

Bezüglich der Einzügigkeit haben Sie von 24 Kindern pro Klasse gesprochen. Die CDU spricht von 20 oder 22; das weiß ich nicht so genau. Wenn es vier solcher Klassen an einer Schule gibt, dann reden wir von 80 bis 90 Kindern, vielleicht auch einmal von 95 oder 100 Kindern an der Schule. Wenn von fünf Lehrern an dieser Schule einer krank wird - lassen Sie zwei krank werden; um Gottes willen -, dann fällt nicht nur eine Stunde, sondern der Unterrichtstag für ganze Klassen aus. Das müssen Sie doch einmal sehen.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE sowie von der CDU)

- Herr Lunacek, hören Sie ruhig einmal zu, das ist auch für Sie interessant. - An den weiterführenden Schulen werden fünfzehn Fächer unterrichtet. Fünf Lehrer und fünfzehn Fächer das heißt, dass jeder Lehrer im Schnitt mindestens drei verschiedene Fächer unterrichten muss. Sie wissen so gut wie ich, dass unsere Kolleginnen und Kollegen nur für zwei Fächer ausgebildet sind.

Frau Große, Sie haben gesagt, es sei üblich, dass fachfremd unterrichtet wird. So ein Quatsch! Das wissen Sie auch. Es kommt vor, dass Lehrer fachfremd eingesetzt werden; in Einzelfällen werden auch einmal Vertretungsstunden fachfremd gegeben. Sicherlich haben viele Kolleginnen und Kollegen in den

vergangenen Jahren Weiterbildungen absolviert und zusätzlich ein drittes Fach studiert, aber doch nicht so, dass wir das flächendeckend anwenden könnten.

(Görke [DIE LINKE]: Das haben wir doch gar nicht ge- sagt!)

- Ach, kommen Sie, am Ende läuft es doch darauf hinaus. Das wird so nicht funktionieren. Gerade weil wir nicht wollen, dass unsere Oberschulen an Qualität einbüßen - das wäre bei der Einzügigkeit der Fall -, werden wir uns auf dieses Konzept nicht einlassen. Das muss hier noch einmal deutlich gesagt werden. Wir haben uns darauf verständigt, dass zwei mal 12 die untere Grenze ist, mit der Perspektive, dass es wieder mehr Schüler werden. Das heißt im Klartext, dass es in der 3., 2. und 1. Klasse in der Grundschule am Ort wenigstens zehn oder zwölf Schülerinnen und Schüler mehr geben muss. Das muss erst einmal nachgewiesen werden. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Die Abgeordnete Fechner spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hätten Sie damals unseren Anträgen zugestimmt, Frau Große, dann bräuchten wir heute überhaupt nicht über diese Anträge zu debattieren.

(Beifall bei der DVU)

Ich meine ganz konkret die Anträge 3/7471, 3/7615, 3/7632. In einem Antrag hatten wir die Einzügigkeit gefordert, gerade für den ländlichen Raum. In einem anderen Antrag hatten wir gefordert, die Frequenzwerte zu senken. Hätten Sie also damals unseren Anträgen zugestimmt, wäre das alles heute gegenstandslos.

(Beifall bei der DVU)

Damit komme ich zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. Die Fraktion DIE LINKE möchte, dass die Frequenzwerte gesenkt werden. Minister Rupprecht hat bereits während der letzten Bildungsausschusssitzung gesagt, dass die Frequenzwerte auf zwölf gesenkt werden. Aber, Frau Große, Sie haben natürlich Recht, der Aussagewert von Minister Rupprecht ist doch etwas - na ja, zeitlos kann man nicht sagen. Deshalb kann ich auch verstehen, dass die Koalitionsfraktionen noch einen Entschließungsantrag eingebracht haben; auch sie scheinen nicht allzu viel Vertrauen in den Aussagewert des Bildungsministers zu haben. Demzufolge mussten sie ja den Entschließungsantrag einbringen. Und die DVU-Fraktion wird diesem Antrag auch zustimmen, weil er konkreter ist als der Antrag der Fraktion DIE LINKE.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Senftleben spricht für die CDU-Fraktion.

(Zuruf der Abgeordneten Lehmann [SPD])

- Ich weiß, dass ich in der Koalition bin, Frau Lehmann. Aber Koalition bedeutet ja nicht, einen Maulkorb verpasst zu bekommen.

(Schulze [SPD]: Es kommt darauf an, was Du jetzt sagst!)

- Direkt gewählte Abgeordnete haben ein bisschen mehr Freiheiten. Das wissen wir ja.

(Jürgens [DIE LINKE]: Als wer?)

- Als andere.

(Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE - Jürgens [DIE LINKE]: Sie haben ja keine Ahnung!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun zum Thema, nachdem ich von mehreren Seiten schon angegriffen worden bin. Früher habe ich nach drei Sätzen etwas entgegengeschleudert bekommen, heute geschieht das schon, sobald ich am Rednerpult stehe. Ich frage mich, woran das liegen könnte. Ich hoffe natürlich, nur an Sympathie und vor allen Dingen an der Tatsache, dass die Bildungspolitik im Land Brandenburg wirklich zu Emotionen führt und vielleicht auch als ein positives Merkmal der Arbeit der Koalition aufgenommen werden kann - um das einmal in Richtung SPD zu sagen.

Eines ist klar - machen wir uns hier im Hohen Hause nichts vor -: Bildung hat in Deutschland eine Rolle eingenommen, die wir uns nur wünschen können und schon jahrelang gewünscht haben. Natürlich spielt Bildung - und damit Schule - für den Selbstwert und das Lebensgefühl des Einzelnen eine ganz entscheidende Rolle. Ich denke, jeder von uns weiß, wovon ich spreche.

Herr Baaske hat es schon gesagt: Wir haben weniger Geburten zu verzeichnen. Demzufolge werden natürlich auch weniger Schüler in die Schulen gehen. Deswegen mussten in einzelnen Regionen die Schultüren geschlossen werden. Deshalb haben wir als Koalition - trotz der Kritik in einzelnen Bereichen - bereits gehandelt. Wir haben die Mindestschülerzahl pro Jahrgangsstufe an einer Oberschule, die sich in einem Grundzentrum im ländlichen Raum befindet, von 40 auf 30 gesenkt. An 25 Oberschulen kann deshalb heute noch unterrichtet werden, im Gegensatz zu denen, die geschlossen werden mussten.

Für Gymnasien im ländlichen Raum wird die Mindestschülerzahl in der 11. Jahrgangsstufe von 50 auf 40 gesenkt. Auch das sichert noch einmal mindestens 25 Gymnasien hier in Brandenburg. Das Übergangsverfahren ist bereits angesprochen worden. Auch im Bereich der beruflichen Gymnasien und im Bereich der Gesamtschulen wird die Regelung dahin gehend verändert, dass auch mit geringeren Schülerzahlen Standards erhalten werden können.

Deswegen sage ich ganz klar: Das ist ein Verdienst der Politik, aber natürlich auch ein Verdienst der Leute vor Ort. Wenn Schüler, Eltern und Lehrer nicht protestiert und Hinweise gegeben hätten, hätten wir in der Politik vielleicht andere Entscheidungen getroffen. Deswegen ist es eine gute Entscheidung für das Land Brandenburg, wenn wir heute sagen können: Die Landoberschule in Brandenburg wird kommen. Das ist ein Sig

nal unter anderem nach Dahme, Peitz, Lychen, Gartz, Glöwen und anderen Gemeinden, die in unserer Entwicklung eine Rolle spielen.

Frau Große, wir beide sind bei diesem Thema nicht weit voneinander entfernt, aber es ist unehrlich und nicht richtig, wenn Sie hier sagen, die Neuregelung käme für 150 Oberschulen zu spät. Wir hätten auch mit einer Einzügigkeit oder einer anderen Regelung diese Schulen nicht erhalten können. Ich habe es bereits gesagt: Weniger Kinder bedeuten leider auch weniger Schulen. Das ist ein Fakt, den wir wahrnehmen müssen. Wir wollen gute schulische Arbeit im ländlichen Raum ermöglichen. Deswegen ist der Antrag von uns eingebracht worden.

Herr Baaske, ich wundere mich, dass Sie jetzt auch in die Rolle des Bildungsexperten geschlüpft sind.

(Zuruf der SPD)

- Ich meine in der Fraktion.

(Zuruf des Abgeordneten Baaske [SPD])

- Herr Baaske, hören Sie mir bitte einmal zu; das habe ich bei Ihnen auch getan. Wir sind bei PISA nicht Spitzenreiter geworden. Deswegen sind wir dabei, einiges zu verändern. Wir sind mit Sicherheit auch nicht froh darüber, dass unsere Kinder schlechtere Startchancen bekommen haben als Kinder in anderen Ländern. Auch das ist ein Fakt. Den haben wir zu verantworten, besser gesagt: diejenigen, die vor uns regiert haben.

Wenn in Sachsen und Thüringen seit Jahren die Einzügigkeit, die Schule im ländlichen Raum funktioniert und dort bessere Ergebnisse erzielt werden, dann können Sie doch nicht sagen, das ginge in Brandenburg nicht, weil wir diese Voraussetzungen nicht hätten. Das ist genauso unehrlich.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die CDU hat dafür gekämpft, dass die Entfernung vom Wohnort zur Schule ein entscheidendes Kriterium ist. Wir wollen nicht, dass Kinder in der Zeit, in der sie lernen könnten, durch die Gegend reisen müssen. Deswegen ist der Antrag der Koalition richtig und vernünftig. Aber ich sage auch, dass sich die CDU die Freiheit nimmt, die Entfernung zwischen Wohnort und Schule weiterhin als einen wichtigen Punkt anzusehen und auch dafür zu kämpfen, dass Schüler in Brandenburg diesbezüglich nicht stärker belastet werden, als es der Fall sein müsste.

Lassen Sie mich, auch wenn das rote Licht leuchtet, als letzten Punkt auf die Wunder-Kommission eingehen. Immer höre ich, dass sie dieses und jenes gesagt habe. Wenn sie tatsächlich behauptet hat, Vierzügigkeit sei die Voraussetzung für gute schulische Arbeit, dann würde das bedeuten, dass über die Hälfte der brandenburgischen Schulen, die zweizügig laufen, heute schlechte Arbeit leisten.

Ich glaube, zu einer solchen Aussage würden wir uns im Hohen Hause von Brandenburg nicht hinreißen lassen.

Es kommt hinzu, dass die Wunder-Kommission mit Zahlenmaterial von 1998/99 gearbeitet hat, wir leben aber im Jahre 2008. Wenn es der SPD gestattet ist, über Veränderungen in der Poli

tik nachzudenken, dann ist es auch in anderen Politikbereichen angesagt, Veränderungen sinnvollerweise anzudenken. Diese Freiheit werden wir uns weiterhin nicht nehmen lassen.

Das heißt aber nicht, dass die Koalition nicht handlungsfähig wäre. Im Gegenteil, sie hat ihre Handlungsfähigkeit gezeigt und wird das auch weiterhin tun. An dieser Stelle herzlichen Dank und ein herzliches Willkommen den Landoberschulen in Brandenburg!

(Beifall bei der CDU)

Sie haben meine Geduld ganz schön strapaziert, Herr Abgeordneter Senftleben. - Wir kommen zum Redebeitrag der Landesregierung. Es spricht Minister Rupprecht; er folgt hoffentlich nicht Ihrem Beispiel.

Herr Präsident, vielen Dank für den Hinweis. - Ich muss Sie am Anfang enttäuschen: Ich habe kein Zitat vorgesehen. Das ist heute etwas Außergewöhnliches und tut mir außerordentlich leid.