Protocol of the Session on January 23, 2008

Sicherlich, meine Damen und Herren, 30 Gewalttaten gegen Fremde, das ist viel. Doch werden Fremde hier in Brandenburg nun wirklich überproportional Opfer fremdenfeindlicher Gewalt? Lebt es sich als Fremder, als Ausländer wirklich so gefährlich hier in Brandenburg?

Ich halte es noch einmal fest, Herr Schulze: 5 400 Gewalttaten, davon etwas mehr als 30 fremdenfeindlich motiviert, also insgesamt 0,6 %. Erschreckenderweise sind aber fast 7 % der tatverdächtigen Gewalttäter nicht Deutsche. Und noch etwas: Über 11 % Ausländer sitzen in Brandenburger Gefängnissen, und das wiederum bei einem offiziellen Ausländeranteil von noch nicht einmal 2 %. Meine Damen und Herren, das sind Probleme, die wir auch einmal diskutieren sollten.

(Dr. Klocksin [SPD]: Aber nicht mit Ihnen!)

Doch stattdessen reden Sie über Ihre imaginären Schreckgespenster Rechtsextremismus und fremdenfeindliche Gewalt.

Noch etwas zum Abschluss meiner Rede, meine Damen und Herren: Vorige Woche gab es einen wunderbaren Artikel in der Zeitung. Und zwar haben sich Forscher mit der Gewalt, nicht nur fremdenfeindlicher Gewalt, sondern mit der Jugendgewalt, auseinandergesetzt. Die Forscher sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bildungsdefizite die Hauptursache dieser brutalen Ausbrüche sind.

(Schulze [SPD]: Das merkt man an Ihrer Rede! - Weitere Zurufe)

Also Bildungsdefizite, mangelhafte Schulbildung, meine Damen und Herren Sozialdemokraten, sind ursächlich für die Gewalt hier im Land. Seit 1990 sind Sie, meine Damen und Herren Spezialdemokraten, zuständig für das Bildungsressort.

(Beifall bei der DVU - Oh! bei der SPD)

Sie sind die Ursache für die Jugendgewalt hier im Land Brandenburg. Damit, meine Damen und Herren Spezialdemokraten, setzen Sie sich lieber einmal auseinander, anstatt Ihren imaginären Schreckgespenstern Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus nachzujagen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU - Zurufe von der SPD und der Frak- tion DIE LINKE)

Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Rupprecht spricht zu uns.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Fechner, wenn Sie nicht inzwischen schon sitzen würden und wir in der Schule wären, würde ich sagen: Thema verfehlt, 6, setzen!

(Beifall bei SPD, CDU und der Fraktion DIE LINKE)

Ich glaube, mehr muss man dazu nicht sagen.

Es ist inzwischen wirklich ausgesprochen unerfreulich für mich, dass ich bei den Themen hier meistens nach Ihnen reden muss.

Ich möchte, meine Damen und Herren, meine Rede trotzdem mit einer erfreulichen Einschätzung beginnen: Im Hinblick auf die Ziele des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ können wir - das ist meine Überzeugung - von einer Verbesserung des gesellschaftlichen Klimas in Brandenburg ausgehen. Die Leiterin des Brandenburger Verfassungsschutzes, Frau Schreiber, hat genau dies vor zwei Wochen deutlich gemacht und eingeschätzt, dass das Land Brandenburg inzwischen über eine starke Zivilgesellschaft verfügt.

Wer die Entwicklung der vergangenen Jahre aufmerksam verfolgt hat, weiß: Die Bürger unseres Landes machen es den Rechtsextremen inzwischen schwerer, Fuß zu fassen. Dies zeigt sich in der erfolgreichen Abwehr von Neonazi-Demonstrationen ebenso deutlich wie beim Widerstand gegen die Ansiedlung von NPD-Schulungseinrichtungen.

Die übergroße Mehrheit unserer Bürger ist aus bewusster Entscheidung und demokratischer Überzeugung immun gegen rechtsextreme Propaganda.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das Handlungskonzept hat in den letzten Jahren viel dazu beigetragen, dass das diesbezügliche Bewusstsein weiter geschärft wurde, dass Netzwerkbildungen gefördert wurden und dass sich über die geförderten Beratungsstrukturen zivilgesellschaftliche Strukturen weiterentwickeln konnten.

Meine Damen und Herren, das Land Brandenburg setzt beim Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ auch finanzielle Prioritäten. Dieses Geld ist meiner Meinung nach sehr gut angelegt. Neben den Mobilen Beratungsteams des Vereins „Demokratie und Integration“, die seit vielen Jahren finanziert werden, ist es auch die Arbeit der Opferperspektive, der RAA und des landesweiten Aktionsbündnisses gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt, die unterstützt und

langfristig gesichert werden konnten und auch in Zukunft gesichert werden können und müssen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Die von der Bundesregierung mit den Programmen „Vielfalt tut gut“ und „kompetent. für Demokratie“ bereitgestellten Mittel sind dabei mehr als nur eine Ergänzung. Trotz einiger Kritik an Details, die die Landesregierung auch gegenüber dem Bund bei der Einführung der Programme deutlich gemacht hat, kann zusammenfassend konstatiert werden, dass der Bund in der Ausgestaltung seiner Programme die Anregungen der Länder in erheblichem Umfang aufgenommen und vor allem auch Erfahrungen aus dem Land Brandenburg übernommen hat.

Nach Informationen der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ zur Umsetzung dieser Programme zeigt sich: Die enge Zusammenarbeit von Bund, Land und Kommunen hat die Netzwerkbildung und die Förderung zivilgesellschaftlicher Strukturen in den vergangenen Jahren weiter verbessert.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich - das ist mir ein Bedürfnis - abschließend noch auf Folgendes hinweisen: Im Jahr 2008 jährt sich der Beschluss der Landesregierung zum Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ zum zehnten Mal. Das soll und wird Anlass sein, Bilanz zu ziehen und die bisherige erfolgreiche Arbeit für ein tolerantes Brandenburg im Rahmen verschiedener Aktivitäten zu würdigen und mit noch größerem Engagement weiterzuführen; denn bei allen Erfolgen stimme ich den Vorrednern zu: Die braune Gefahr ist noch nicht gebannt, es bleibt noch viel zu tun. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD, CDU und der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank. - Die Rednerliste zu diesem Tagesordnungspunkt ist damit erschöpft.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 15 und rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Abschaffung der strafrechtlichen Privilegierung von Heranwachsenden Bundesratsinitiative zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13.04.2007 (BGBl. I S. 513) - JGG

Antrag der Fraktion der DVU

Es beginnt die DVU-Fraktion, und es spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mord, gefährliche Körperverletzung, räuberische Erpressung

und Vergewaltigung haben mit Jugendverfehlungen nichts zu tun. Heute werden bis zu 43 % Gewaltstraftaten von unter 21-Jährigen verübt. Fast die Hälfte dieser Täter ist nicht deutscher Herkunft, zumindest, wenn man der Wiesbadener Erklärung der Bundes-CDU vom 5. Januar 2008 Glauben schenkt.

In der jüngsten Vergangenheit haben uns brutale Übergriffe mehrfach vorbestrafter Jugendlicher aufgeschreckt und den Handlungsbedarf erneut belegt. Wer Wahlmündigkeit und volle zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit hat, muss auch bei der Verübung von Straftaten wie ein Erwachsener behandelt werden. Ein 18- bis 20-jähriger Mörder, Totschläger oder Vergewaltiger kann sich nach heutiger Strafrechtspraxis bequem zurücklehnen, da er prozessual weitgehend wie ein 14-Jähriger behandelt wird. Verbindungen des Jugendstrafrechts zum Sanktionssystem des allgemeinen Strafrechts existieren bei der Anwendung für Heranwachsende nicht. Selbst bei schwersten Straftaten kann nicht auf das allgemeine Strafrecht zurückgegriffen werden. Kommt ein Gericht auf Empfehlung der sogenannten Jugendgerichtshilfe zu dem Ergebnis, dass zum Beispiel ein 20-jähriger Vergewaltiger aufgrund des Tatbildes noch nicht so reif ist wie ein durchschnittlicher 21-Jähriger, dann ist selbst bei schlimmsten Verbrechen maximal eine Freiheitsstrafe von 10 Jahren die Regel. Dabei wird der Strafrahmen gerade bei widerlichsten Verbrechen regelmäßig nicht ausgeschöpft, und zumeist kommen die Täter nach wenigen Jahren auf Bewährung frei. Das kann heute dem größten Teil der Bevölkerung nicht mehr vermittelt werden - besonders bei den eklatanten Fällen.

Meine Damen und Herren, wie Sie sich erinnern, haben wir bereits im Mai 2006 mit der Drucksache 4/4286 einen der Zielsetzung nach gleichlautenden Antrag auf eine Bundesratsinitiative in den Landtag eingebracht. Schon damals haben wir auf die vielen Probleme hingewiesen und vor allen Dingen auf die der heranwachsenden Intensivtäter Bezug genommen und dabei an die religiös und ethnokulturell motivierten sogenannten Ehrenmorde angeknüpft.

Sie können sich sicherlich noch an den im letzten Jahr vor dem Berliner Schwurgericht verhandelten Fall Sürücü erinnern. Dort haben türkische Jugendliche und Heranwachsende eine junge Frau auf offener Straße fast - ja, so war es - abgeschlachtet. Das hat Sie, meine Damen und Herren von CDU bis Linksaußen, damals allerdings kaltgelassen.

Wir als DVU-Fraktion sind der Ansicht, dass das Strafrecht bei Heranwachsenden, also bei erwachsenen Menschen, generellen und spezialpräventiven Charakter haben muss, so wie es das Erwachsenenstrafrecht vorsieht.

Angesichts der Brutalität, mit der heranwachsende Straftäter vielfach agieren, wird das Argument der jugendtümlichen Verfehlung geradezu ad absurdum geführt.

Deshalb appelliere ich an Ihre Vernunft - die Bitte richtet sich angesichts der aktuellen bundespolitischen Diskussion an die Kolleginnen und Kollegen der CDU -: Stimmen Sie unserem Antrag zu! - Ich bedanke mich erst einmal.

(Beifall bei der DVU)

Für die Koalitionsfraktionen spricht der Abgeordnete Holzschuher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herrn Kollegen! Ich freue mich, dass dieser Antrag heute der letzte auf der Tagesordnung ist. Dahin gehört er auch.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Die DVU-Fraktion spricht in ihrem Antrag von einer Privilegierung Heranwachsender. Die Kollegin Fechner hat vorhin von Bildungsdefiziten gesprochen. Auch diese Formulierung spricht für ein Bildungsdefizit, allerdings in der Tat nur bei der DVU-Fraktion.

Es handelt sich bei der Regelung im Jugendgerichtsgesetz, dass Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren unter Umständen nach dem Jugendstrafrecht zu behandeln sind, tatsächlich nicht um eine Privilegierung - so wie es keine Privilegierung ist, Kinder und Jugendliche anders zu behandeln als Erwachsene -, sondern um eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall der Abgeordneten Melior [SPD])

Es handelt sich auch keineswegs um eine milde Regelung zugunsten der Jugendlichen und Heranwachsenden. Es handelt sich um etwas völlig anderes. Während bei Erwachsenen die Ahndung der Tat unter Berücksichtigung der individuellen Umstände im Vordergrund steht, geht es im Jugendgerichtsgesetz um die Erziehung des Täters. Diese Erziehung kann unter Umständen sogar eine schärfere Strafe, eine längere Freiheitsstrafe erforderlich machen, als ein Erwachsener für eine vergleichbare Tat bekommen würde, wenn die Erziehung dieses Jugendlichen oder Heranwachsenden es gebietet.

Würde man jetzt die Sonderregelungen abschaffen, wäre nicht nur diese Möglichkeit verbaut, einen Heranwachsenden, der Entwicklungsdefizite hat, zu erziehen. Man würde sich auch die Möglichkeiten nehmen, die das Jugendgerichtsgesetz im Übrigen bietet. Bei Erwachsenen hat man nur die Chance, zur Freiheitsstrafe, die gegebenenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden kann, oder zur Geldstrafe zu greifen. Andere Möglichkeiten, auf den Täter einzuwirken, bietet das Erwachsenenstrafrecht nicht.

Noch schlimmer: Wenn man dann keine Möglichkeit mehr hätte, einen Heranwachsenden mit Entwicklungsdefiziten nach dem Jugendstrafgesetz zu verurteilen, müsste man zwingend berücksichtigen, dass dieser mit Entwicklungsdefiziten vermindert schuldfähig war. Dann würde man einfach die Strafe vermindern müssen - das wäre schon verfassungsrechtlich geboten - ohne Rücksicht auf einen Erziehungszweck. Eine derartige Regelung würde die Situation nur verschärfen.

Das weiß man natürlich an den Stammtischen nicht - das weiß ich wohl -, und das wissen Sie in der DVU-Fraktion offensichtlich auch nicht. Aber wir im Landtag sollten es besser wissen. Ich danke.