Protocol of the Session on December 15, 2004

(Abstimmungsergebnis siehe Anlage S. 337)

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 11:

Verkehrsprojekt Deutsche Einheit (VDE) 17 - Havelausbau - Planfeststellungsverfahren zum Teilprojekt Ausbau des Sacrow-Paretzer Kanals

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 4/249

Außerdem liegt Ihnen in der Drucksache 4/273 ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen von SPD und CDU dazu vor.

Die Aussprache wird von der PDS-Fraktion eröffnet. Bitte, Frau Tack.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hätte so schön sein können, wenn wir gemeinsam, wie im Ausschuss von der PDS-Fraktion beantragt, für heute hätten verabreden können, den Antrag der PDS-Fraktion in den Verkehrsausschuss zu überweisen, um dort unsere Positionen auszutauschen. Nun liegt von Ihnen ein Entschließungsantrag vor - in gewohnter Art und Weise: halbherzig, unentschlossen, sich verkehrspolitisch, wirtschaftspolitisch und auch haushaltspolitisch zu positionieren, aber mit einem Hintergedanken, und dem möchte ich dann wieder folgen -, mit dem Sie davon ausgehen, dass dem Bund das Geld ausgeht und es nicht zu einem weiteren Ausbau der Wasserstraße zwischen Magdeburg und Berlin kommen wird, einem Ausbau, der eigentlich auch nicht notwendig ist.

Das möchte ich auch gleich begründen. Die Ausschusssitzung, die ich erwähnt habe, war in der Sache nicht sehr ergiebig, was das Projekt 17 betraf. Aber eines wurde noch einmal festgehalten: dass sich das Ministerium für den reduzierten Ausbau der Schleuse in Kleinmachnow einsetzt. Zumindest ist diese Position dem Bundesverkehrsminister mitgeteilt worden. Das Okay steht aber noch aus. So können wir also noch hoffen. Falls der Bundesverkehrsminister die Position unseres Verkehrsministeriums teilt, Herr Schönbohm, was ja auch Ihre Position im Wahlkampf war - „Schleuse Kleinmachnow“ ist das Thema -, dann wäre das ein Erfolg der Proteste vor Ort, denen sich im Wahlkampf auch Herr Schönbohm, Herr Klocksin und andere anschlossen. Es wäre auch ein Erfolg des Wirkens des landesweiten Havelbündnisses, in dem wir seit vielen Jahren gemeinsam streiten, um hier eine sinnvolle Lösung zu finden.

Und ein Zweites scheint klar zu sein: dass die Stadt Potsdam heute Abend im Hauptausschuss den Verwaltungsentwurf annehmen wird, nämlich dem beantragten Ausbau des SacrowParetzer Kanals nicht zuzustimmen, dazu also erneut eine Ablehnung zu formulieren.

Ich meine, das sind zwei wichtige Aussagen.

Nun möchte ich, insbesondere weil Herr Senftleben noch Bedarf angezeigt hat, unseren Antrag noch einmal erläutern und die Argumente in aller Kürze benennen, warum wir uns gegen eine Fortführung des Havelausbaus aussprechen, insbesondere die Strecke Magdeburg - Berlin betreffend. Wir wollen mit dem Antrag die Landesregierung ermuntern und auffordern, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass das Projekt gestoppt wird, und zwar nicht nur die Baumaßnahmen, sondern auch die Planungen; denn auch Planungen verbrauchen sehr viele Ressourcen, wie wir bei anderen Projekten schon zur Kenntnis genommen haben. Wir wollen den Stopp aller Planungen und Baumaßnahmen, insbesondere dann - damit kommen wir Ihrem Antrag sehr entgegen, Kolleginnen und Kollegen von der Koalition -, wenn es keinen Nachweis der Wirtschaftlichkeit für das Gesamtprojekt VDE 17 geben sollte, insbesondere auch nicht für den Ausbau des Sacrow-Paretzer Kanals. Da die Wirtschaftlichkeit, die seit Jahren eingefordert wird, nicht nachgewiesen werden kann, sagen wir: Dieses Projekt muss aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen werden.

An dieser Stelle sei gesagt - was ein ernsthaftes Argument ist -: Der Bundesverkehrswegeplan hat für Wasserstraßen entgegen den rechtlichen Konsequenzen für Bahn und Straße keine Gesetzeskraft. Deshalb, meine ich, gibt es, wenn man sich gemeinsam engagiert, gute Chancen, dieses Projekt aus dem Bundesverkehrswegeplan herauszubekommen.

Ich möchte in aller Kürze noch auf einige volkswirtschaftliche und ökologische Gründe eingehen, die gegen das Projekt 17 sprechen und aufgrund derer wir uns der Meinung anschließen, dass dieses Projekt ungerechtfertigt ist. Dazu möchte ich an die Verkehrsprognosen erinnern. 1992 gab es viel Euphorie und viele Planungen, auch für dieses Projekt. Damals wurden für dieses Verkehrsprojekt 27,5 Millionen Tonnen Gütertransporte pro Jahr zwischen Magdeburg und Berlin und zwischen Hannover und Berlin angenommen. Seit zwei Jahren gibt es eine aktuelle Studie und das Jahr 2015 ist ja noch in einiger Ferne. Wir alle unterstellen Entwicklungen des Güterverkehrs auf der Wasserstraße, was Sie - wir auch - gern wollen, aber Sie tun nichts dafür, dass das geschehen kann, nämlich indem Sie die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern. Die aktuelle Studie besagt: Im Jahr 2015 wird der Gütertransport auf der Wasserstraße wieder angewachsen sein und den Stand von 1997 erreicht haben. Das bedeutet also: kein weiterer Zuwachs. Wenn das die Situation im Jahr 2015 sein soll, sagen wir: Ein Milliardenprojekt zum Ausbau dieser Wasserstraße ist genau der falsche Ansatz.

Sie wissen auch, zumindest die Experten, die sich mit diesem Projekt befassen, dass seit Anfang dieses Jahres voll beladene Europaschiffe ganzjährig vom Rhein bis zum Berliner Westhafen fahren können. Somit gelangen große Binnenschiffe, auf die sich Ihre Argumentation bezieht, ohne zusätzliche Naturzerstörung an Havel und Spree nach Berlin, und zwar in einer Abladetiefe von 2,20 m. Man müsste im Sacrow-Paretzer Kanal, um den Gegenverkehr zu regeln, eine Ampel installieren das lässt sich machen -, sodass die Schiffe dort kurzfristig warten. Das alles ist zu regeln und man muss kein zusätzliches Steuergeld in die Hand nehmen, um hier ein Milliardenprojekt zu realisieren.

In diesem Zusammenhang will ich erinnern - die Experten warnen davor -, dass sich bereits jetzt eine dramatische wasserwirtschaftliche Situation an Havel und Spree durch den Braunkoh

lentagebau und durch die klimatischen Veränderungen einstellt. Diese dramatische Situation würde sich durch den Ausbau der Wasserstraße noch verschärfen. Ich meine, das Land ist aufgefordert, die Fürsorgepflicht gegenüber den zukünftigen Generationen wahrzunehmen und weitere Verschlechterungen im Wasserhaushalt verhindern zu helfen.

Deshalb, meine Damen und Herren, kann die volkswirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Forderung nur heißen: Schiffe sind den Wasserstraßen anzupassen und nicht umgekehrt die Wasserstraßen den Schiffen.

(Beifall bei der PDS)

Um Transporte von der Schiene auf die Wasserstraße verlagern zu können, bedarf es nicht des Projekts 17, Wasserstraßenausbau; vielmehr müssen neue gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die wirklich Kostengerechtigkeit zwischen den Verkehrsträgern herstellen. Erst dann, wenn der LKW-Verkehr - wir wissen, dass er eine enorme Zuwachsrate hat - die tatsächlich verursachten externen Kosten für Klima-, Umweltund Gesundheitsschäden in Höhe von ca. 35 Milliarden Euro pro Jahr in Rechnung gestellt bekommt, haben die Bahn und die Binnenschifffahrt eine faire und reale Wettbewerbschance gegenüber dem LKW.

Verbesserte Marktchancen ergeben sich für die Binnenschifffahrt auch dann, wenn sie ihre vorhandenen Innovationspotenziale konsequent nutzt. Um Zukunftsmärkte wie Container, Wechselbehälter und Spezialtransporte erschließen zu können, muss sie unter dem Motto - das sage ich hier noch einmal ganz deutlich - „Intelligenz statt Beton“ gezielt in eine moderne intermodale Transportlogistik integriert werden. Dann hat sie eine Chance, erfolgreich zu werden.

Wir alle wissen es, wir haben es hier schon oft diskutiert: Verkehrsinvestitionen sind auf Erhalt und Modernisierung der Infrastruktur zu orientieren.

Bei der gezielten Förderung für den Ausbau umweltgerechter Verkehrsmittel und deren Vernetzung ist eine Konzentration herzustellen und es sind nicht Milliarden von Steuergeldern in einen nicht gerechtfertigten Ausbau der Wasserstraße zu stecken.

Des Weiteren will ich an dieser Stelle noch einmal auf das Güterverkehrskonzept hinweisen. Möglicherweise müssen wir demnächst einen Antrag einbringen, wenn Sie es heute nicht als Idee aufgreifen. Manchmal zündet es ja bei der Koalition und sie bringt, wenn die PDS einen Vorschlag gemacht hat, einen Antrag ein. Das wäre gut an dieser Stelle. Die Erarbeitung und Umsetzung eines an ökologischen Kriterien orientierten, verkehrsträgerübergreifenden Güterverkehrskonzepts für die Region Berlin-Brandenburg ist längst fällig. Das gehört auf den Tisch und in diesem Sinne kann man dann auch Transportkoordinierung mit verschiedenen Verkehrsträgern leisten.

Ich könnte mir vorstellen, Sie geben sich doch noch einen Ruck und überweisen unseren Antrag in den Ausschuss für Infrastruktur und Raumordnung. Dann hätten wir die Gelegenheit, darüber zu diskutieren, ob es Sinn macht, eine Hafenanlage am Südufer des Sacrow-Paretzer Kanals zu errichten und gleichzeitig über 14 Millionen Euro in einen neuen Hafen im Güterverkehrszentrum Wustermark, das in unmittelbarer Nähe

liegt, zu investieren. Dann hätten wir die Chance, all diese Argumente auszutauschen.

Ihren Entschließungsantrag werden wir ablehnen. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Herr Dr. Klocksin, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer wird der Forderung „Intelligenz statt Beton“ nicht folgen wollen? Ich meine, unsere heutige kleine bildungspolitische Debatte hat unsere Flexibilität nachgewiesen. Insofern sind wir auch an der Stelle einer Meinung. Ich würde mich natürlich noch viel mehr freuen, werte Kollegin Tack, wenn Sie unserem Entschließungsantrag zustimmen könnten; denn ich glaube, dass er substanziell einiges enthält, was in Ihrem Vorschlag nicht enthalten ist.

Lassen Sie mich noch einmal darauf eingehen: Hier liegt also ein Antrag vor - ich weiß nicht, ob Sie alle ihn gelesen haben -, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, „sich im Bundesrat für den sofortigen Stopp aller Planungen und Baumaßnahmen des VDE 17 einzusetzen“. Das ist der erste Satz. Der zweite Satz lautet sinngemäß: Wenn die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen wird, ist das Projekt Havelausbau aus dem Bundesverkehrswegeplan zu streichen.

(Frau Tack [PDS]: Ja, genau!)

Wir diskutieren hier nicht nur, um uns gegenseitig zu überzeugen, sondern auch, um den Menschen im Land zu verdeutlichen, womit wir uns beschäftigen. Dieser Dialog wird ja geführt. Ich war gerade geneigt zu sagen: Was Sie uns vorlegen, hat weniger den Charakter eines sachdienlichen Hinweises als den eines Fensterantrags, der immer sehr leicht fällt, wenn man Opposition ist, und mit dem Sie vielleicht dem Havelbündnis gern Rechnung tragen möchten. Ich hätte mir allerdings auch vorstellen können, dass Sie einen Antrag vorlegen, der etwas substanzieller ist, und zwar dann, wenn wir uns innerhalb des Ausschusses einmal mit der Sache beschäftigen.

Dieses neue Parlament hat heute die 6. Plenarsitzung. Wir haben uns also in diesem neuen Ausschuss zweimal getroffen. Wir waren bisher nicht imstande, uns inhaltlich mit einem Thema auseinander zu setzen.

(Frau Tack [PDS]: Das lag nicht an uns, Herr Dr. Klock- sin, wenn Sie sich erinnern können!)

Ich würde mich darüber freuen, wenn Sie eine Initiative starteten, das in den Ausschuss einbrächten und vielleicht aus dem Ergebnis einen Antrag machten. Wenn Sie aber in der Ausschusssitzung sind und der Antrag schon vorliegt, dann ist es sicherlich nicht an uns, mit Ihnen darüber zu reden. Wir sollten also die Kausalkette nicht verwechseln.

(Zurufe von der PDS)

Setzen wir uns einmal mit den Inhalten Ihres gewagten Antrages auseinander.

(Zuruf von der PDS)

- Wenn Sie eine Frage stellen wollen, stehe ich im Rahmen meiner Redezeit gerne zur Verfügung. Aber den Gedanken - so lange muss ich Sie jetzt stehen lassen - möchte ich doch zu Ende führen.

Herr Dr. Klocksin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wenn ich diesen Gedanken zu Ende geführt habe, gerne. Gestatten Sie mir diese drei oder vier Sätze.

Ich möchte Ihnen unser Credo an der Stelle wenigstens kurz erläutern, damit die Zwischenfrage zielgerichteter sein kann.

(Oh! bei der PDS)

Wir haben überhaupt keinen Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Binnenschifffahrt und an der Sinnhaftigkeit effizienter Wasserstraßen. Ich glaube, das ist eine gute Grundlage, auf die Sie sich mit begeben können. Ich möchte auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einen gewissen Ausbaustand des VDE 17 gibt, und ich möchte darauf hinweisen, dass das Ausstiegsszenario, das Sie hier vorschlagen, an anderer Stelle - deshalb suggeriert Ihr Antrag Chancen, die so vielleicht gar nicht existieren -, nämlich im Lande Berlin - siehe Teltowkanal - zu großen Problemen führte. Das werden Ihnen Ihre Freunde dort berichten können.

Was wir mit dem Entschließungsantrag vorschlagen, ist nichts anderes, als zu schauen, welche Modifikation oder welche Anpassungen wir vornehmen können, ohne das Projekt als solches grundsätzlich infrage zu stellen, was vielleicht viel einfacher wäre.

Jetzt ist Gelegenheit für Ihre Zwischenfrage.

Herr Vietze, bitte.

Herr Präsident, ich weiß jetzt nicht, ob ich den intellektuellen Anforderungen des Abgeordnetenkollegen entspreche;

(Dr. Klocksin [SPD]: Aber sicher!)

dennoch möchte ich folgende Frage stellen: Ist Ihnen geläufig, dass das normale parlamentarische Verfahren so ist, dass ein Antrag zu einem inhaltlichen Sachverhalt erarbeitet und in das Parlament eingebracht wird? Wenn man eine bestimmte parlamentarische Kultur hat, wird dieser Antrag in den Ausschuss überwiesen und dann dort erläutert. Wenn dann im Ergebnis der Aussprache etwas ganz Besonderes herauskommt, gibt es eine Beschlussempfehlung des jeweiligen Ausschusses; der darf dann sogar eine Parlamentsmehrheit finden.