Protocol of the Session on December 15, 2004

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur heutigen Plenarsitzung.

Vor Eintritt in die Tagesordnung teile ich Ihnen mit - und verbinde das mit meiner Gratulation -, dass die Abgeordnete Wöllert heute Geburtstag hat. Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Auch die Blumen haben ihr Ziel erreicht.

Wir begrüßen als Gäste Schüler der 10. Klasse der Käthe-Kollwitz-Realschule in Potsdam. Herzlich willkommen! Ich wünsche euch einen interessanten Vormittag.

(Allgemeiner Beifall)

Zur Tagesordnung möchte ich Ihnen mitteilen, dass der Antrag „Kein EU-Beitritt der Türkei“ - Drucksache 4/224 - vom Antragsteller zurückgezogen worden ist, also heute nicht behandelt wird.

Es gibt zwei zusätzliche Punkte zur ursprünglichen Tagesordnung. Das ist zum einen als Tagesordnungspunkt 4 die „2. Lesung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Schulstruktur im Land Brandenburg in Verbindung mit der 2. Lesung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Schulen im Land Brandenburg“; Redezeitvariante 3.

Zum anderen ist es als Tagesordnungspunkt 5 die „2. Lesung des Gesetzes zur Änderung und Neufassung tierkörperbeseitigungsrechtlicher Bestimmungen“. Die Unterlagen müssten inzwischen in Ihren Papieren vorhanden sein.

Gibt es zur Tagesordnung weitere Bemerkungen? - Wenn das nicht der Fall ist, wie ich sehe, dann bitte ich um Abstimmung und Zustimmung zur vorliegenden Tagesordnung. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Tagesordnung angenommen. Wir können bezüglich des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen auf differenzierte Protokollierung verzichten; denn das war sehr einvernehmlich.

Wir treten in die Tagesordnung ein und ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Drucksache 4/210

Zur Frage 91 (Arbeitsplätze am Standort Hennigsdorf) erhält der Abgeordnete Ziel das Wort.

Herr Präsident, ich kann mich kurz fassen. Die Firma Bombardier Transportation hat angekündigt, am Standort Hennigsdorf 515 Arbeitsplätze abzubauen. Grund ist die mangelhafte Auftragslage. Ich stelle fest, dass dies große Unruhe bei der Belegschaft hervorruft, aber auch seine Kreise im gesamten Umland zieht; denn der gesamte Norden des Landes ist mit betroffen.

Meine Frage an die Landesregierung lautet: Was hat sie in der Vergangenheit getan, um diesen Standort zu unterstützen und zu sichern? Was kann sie in der Zukunft tun?

Danke, Herr Abgeordneter Ziel. - Ich unterstelle Ihr Einvernehmen, auch das der Abgeordneten Tack, dass wir die beiden ersten Fragen im Zusammenhang beantworten lassen; denn sie sind fast identisch. Frau Tack, stellen Sie also Ihre Frage 92 (Sicherung des Produktionsstandortes von Schienenfahrzeugen im Bombardier-Konzernbetrieb in Hennigsdorf).

Der Standort der Schienenfahrzeugproduktion in Hennigsdorf ist durch den von der Konzernleitung - Herr Ziel ging gerade darauf ein - erklärten Abbau von weiteren 500 Stellen und der mittelfristig schlechten Auftragslage bei Bombardier in Hennigsdorf akut gefährdet. In ihrer Koalitionsvereinbarung haben SPD und CDU eine Prioritätensetzung bei der Wirtschaftsförderung festgelegt, zu der auch die Schienenfahrzeugproduktion in Hennigsdorf gehört. Nach Auskunft des Wirtschaftsministers steht die Landesregierung im ständigen Kontakt mit den Unternehmensvertretern von Bombardier, um so von Landesseite aus kurzfristig Maßnahmen zum Erhalt des Standortes der Schienenverkehrstechnik in Hennigsdorf ergreifen zu können.

Ich frage die Landesregierung: Welche Maßnahmen hat sie zur Unterstützung und Stärkung des Kompetenzfeldes Schienenfahrzeugherstellung in Hennigsdorf unternommen?

Danke. - Die Antwort wird der Wirtschaftsminister geben. Bitte, Herr Junghanns.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Frau Tack, sehr geehrter Herr Abgeordneter Ziel! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Strauß und sehr geehrter Herr Graffenberger als Gäste des Unternehmens, das Gegenstand der Fragen ist!

Die Fragen zielen auf die jüngsten Ereignisse im Unternehmen Bombardier, das fast jeden Tag Schlagzeilen macht. Heute wird noch einmal darauf verwiesen, dass auch in der Konzernspitze gravierende Veränderungen eingetreten sind. Dies ist gepaart mit dem Hinweis auf den Verfall des Aktienwertes um 60 %. Es braucht niemandem im Saal ein X für ein U vorgemacht zu werden, denn klar ist, dass sich das Unternehmen in einer dramatischen Situation der Selbstfindung, der Aufstellung für zukünftige Märkte befindet.

Heruntergebrochen auf unsere Situation bei Bombardier in Hennigsdorf ist das deutlich geworden an den Verhandlungen zur Veränderung der Struktur am Standort zwischen Arbeitnehmervertretern und Unternehmensleitungen in Bezug auf 515 Betroffene - aus gegenwärtiger Sicht. Diese Verhandlungen werden unter dem Gesichtspunkt geführt, eine notwendige Marktanpassung zur Stabilisierung an den einzelnen Standorten zu erreichen. Das ist ein sehr schwieriger Prozess. Aber wie heute öffentlich vernommen werden konnte, gibt es eine Pa

piergrundlage, eine Vereinbarung zwischen der Arbeitnehmerschaft und dem Unternehmen, welche über produktive Stunden und Laufzeiten einen gestaltbaren Umbau am Standort Hennigsdorf vorsieht.

Vor diesem Hintergrund bewegt sich die öffentliche Diskussion stets in zwei Richtungen. Die einen sehen immer schon die Niedergangsdämmerung und die anderen - damit bin ich ständig konfrontiert und dazu gehören auch wir - stellen sich dieser Auseinandersetzung mit dem Markt und wollen konstruktive Antworten finden. Wir müssen damit umgehen, dass wir auf die Unternehmensentscheidungen natürlich keinen unmittelbaren Einfluss haben. Aber wir befinden uns im Dialog mit den Verantwortlichen des Konzerns - Frau Tack hat danach gefragt -, um zu eruieren, in welche Richtung die Gedanken gehen.

Wir wollen - das ist die Basis der Verhandlungen zwischen den Beteiligten - den Standort in einer veränderten Marktlage stabilisieren. Diese Marktlage stellt sich auch in Deutschland, bezogen auf das Segment der Produkte und Leistungen in Hennigsdorf, so dar, dass es einen Nachfrageeinbruch insbesondere durch den Hauptnachfrager im Land gibt. Aber auch die öffentlichen Haushalte sind gegenwärtig so gestrickt, dass die Auftragsvergabe für Schienenfahrzeuge eher restriktiv gehandhabt wird.

In dieser Situation bestehen intensive und ständige Kontakte mit den Vertretern am Standort.

Bezüglich der Fragen, die Herr Ziel gestellt hat, möchte ich drei Segmente nennen:

Erstens: Zur Unterstützung des Standorts in sich neu profilierender Aufstellung - das ist das Signal der Landesregierung für den Standort Hennigsdorf - stehen und werben wir für die Qualitätsprodukte aus Hennigsdorf. Das ist eine intensive Arbeit, die wir auch in schwerer Nachfragesituation leisten müssen. Wir müssen uns da natürlich dem öffentlichen Wettbewerb stellen, aber wir müssen uns auch einfach und deutlich ins Gesicht sagen können: Es sind Produkte aus Hennigsdorf, die wir in den Markt hineinbringen. Deshalb haben wir alles nur Mögliche zu tun, um in Bezug auf die öffentliche Nachfrage, die sich in der Region Berlin-Brandenburg und darüber hinaus zeigt ob im Bereich der Straßenbahn oder bei anderem rollenden Gerät -, die Werbung für diese im Wettbewerb nachdrücklich zu unterstützen. Wir hatten zum Teil Erfolge; mit dem Blick auf die Standortsicherung kommt es aber darauf an, mitzuhelfen, die Auftragsbücher für die nächsten Jahre zu füllen.

Zweitens haben wir die Standortqualität gemeinsam mit der Kommune verbessert und werden das auch weiterhin tun. Es sind infrastrukturelle Maßnahmen ergriffen worden. Im Zuge der Entwicklung des Standorts stehen die Landesregierung und die Kommune und, wie ich meine, auch der Landkreis bereit, eine weitere Qualifizierung am Standort durchsetzen zu helfen.

Drittens unterstützen wir diesen Prozess - das ist die Herausforderung an das Unternehmen selbst, mit entsprechender Leistungsqualität und Produktqualität den Markt zu überzeugen - durch die Beförderung der Leistungen in der Entwicklung der Produkte und in der Zusammenarbeit im Netzwerk des Unternehmens Bombardier mit dem örtlichen Netzwerk von kleinen und mittelständischen Unternehmen zur Entwicklung und Qualifizierung der Produktstruktur.

Dazu gehört auch - um eine Antwort auf die Frage von Frau Tack zu geben -, dass der Standort Bombardier in Hennigsdorf zu jenen Zielstandorten, zu jenen Schwerpunktstandorten gehört, die auch in Zukunft bei der Fokussierung öffentlicher Fördermittel im Blickfeld der Landesregierung sind. Das kann sich aber nur in dem Maße entwickeln, wie sichergestellt wird, dass die nächsten Schritte, vom Unternehmen initiiert werden, die dann von der öffentlichen Hand und damit durch öffentliche Fördermittel befördert werden können.

Bei aller Dramatik muss aber auch Folgendes im Blick bleiben: Wenn das Ziel dieses Schrittes der Umstrukturierung erreicht ist und rund 1 500 Beschäftigte am Standort sind, dann sind das 10 % jener Beschäftigten, die in der Branche Schienenund Fahrzeugbau in der Region einschließlich Zulieferer tätig sind. Das heißt, dass der Standort Bombardier eine Schlüsselfunktion in diesem Netzwerk unserer Region hat und weiterhin haben wird. Damit beantworten sich alle Fragen hinsichtlich der Prioritätensetzung, der Schwerpunktsetzung zugunsten des Unternehmens Bombardier am Standort Hennigsdorf.

Das Signal, das, wie ich meine, von diesem Haus ausgehen muss, ist, dass wir im Land Brandenburg in den drei Arbeitsfeldern, die ich beschrieben habe, verlässlicher Partner der Verantwortlichen am Standort und damit des Unternehmens Bombardier in Hennigsdorf sind und weiterhin sein werden; denn das ist, glaube ich, ausschlaggebend für die jetzt anstehende Diskussion im Unternehmen bezüglich der Schwerpunktsetzung und der Entwicklungsprioritäten der Branche Schienenfahrzeugbau. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, es gibt Nachfragen. - Herr Abgeordneter Ziel, bitte.

Ich habe eine Nachfrage, Herr Minister. Kritisiert wurde die mangelnde Kommunikation zwischen Landesregierung auf der einen Seite und Betriebsrat und Management auf der anderen Seite. Können Sie etwas dazu sagen, wie man diese Kommunikation verbessern kann?

Dazu, wie man die Kommunikation zwischen Betriebsrat und Management verbessern kann, kann ich nichts sagen.

(Ziel [SPD]: Landesregierung!)

- Ich meine, es gibt keine kritikwürdige Situation hinsichtlich der Kommunikation zwischen der Landesregierung und den Verantwortlichen am Standort. Die Kommunikation ist vielschichtig; das habe ich persönlich im Fokus. Der Staatssekretär meines Hauses ist in diese Diskussion intensiv eingeschaltet. Alles ist verbesserungswürdig. Aber unsere gegenwärtige Problematik ist: Wir brauchen Klarheit über die jeweils nächsten Schritte im Verfolg der Umstrukturierungen vom Vorstand bis in die Produktstrukturen hinein. Es ist bei einem solch internationalen Unternehmen gar nicht so einfach, da immer up to date zu sein. Wir sind aber gut informiert.

Ich meine, dass sich das Unternehmen, was seine Marktpräsenz angeht, auf die Unterstützung des Wirtschaftsministeriums und auch des Verkehrsministeriums verlassen kann. Wir werden uns aber daran messen lassen müssen, ob wir bei den Marktauseinandersetzungen Erfolg haben.

Bitte, Frau Tack.

Herr Minister, Sie sind in Ihrer Antwort auf viele Details eingegangen, die uns interessiert haben. Dennoch habe ich drei kleine Nachfragen:

Die erste Nachfrage: Die 500 Stellen, die abgebaut werden, befinden sich in erster Linie im Fertigungs- bzw. im Produktionsbereich. Damit ist diese Sparte des Werks, glaube ich, sehr gefährdet, wenn weitere Stellen abgebaut werden. Ich frage Sie, welche konkreten Maßnahmen Sie sehen - Sie haben vorhin von Signalen gesprochen -, die die Landesregierung ergreifen kann, um den weiteren Abbau des Produktionsstandorts zu verhindern, bzw. welche Chancen Sie im Zusammenhang mit der Unterstützung von Forschung und Entwicklung sehen, diesen Bereich als Kern einer weiteren Clusterbildung in Hennigsdorf herauszubilden. Bezüglich der Maßnahmen denke ich an den Bahnvertrag, an Verhandlungen mit der DB AG und anderen.

Die zweite Nachfrage ist, ob Sie die Auffassung von Staatssekretär Dellmann teilen, der im Verkehrsausschuss sinngemäß zum Ausdruck gebracht hat, dass das Land keinen Bedarf an Fahrzeugen habe und die Produkte, insbesondere der Itino, viel zu teuer seien. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf verweisen, dass das Land Hessen diese Produktreihe, also diese teuren Wagen, in Hennigsdorf bestellt hat und dass Sie zum Beispiel in der Antwort auf meine Frage im Oktober deutlich gesagt haben, dass Sie sich vorstellen könnten, im Kontext mit dem Bahnvertrag und der Realisierung der Leistungen im Land Brandenburg die schlechte Auftragslage in Hennigsdorf verbessern zu können.

Eine dritte ganz konkrete Frage: Wann wird es aktuelle Gespräche vor Ort in Hennigsdorf mit der Unternehmensleitung und mit dem Betriebsrat geben? Der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf wird solche Gespräche zum Beispiel am 21. Dezember führen.

Erstens: Der Stellenabbau, wie er gegenwärtig zu beklagen, aber auch zu gestalten ist, Frau Tack, ist ein Verfahren, das sich in Hennigsdorf vollzogen hat und das jetzt in die Vereinbarung gegossen worden ist, die sich hinlänglich in der öffentlichen Diskussion befindet. Es ist uns nicht möglich, über die qualitativen Gesichtspunkte dieses Abbaus zu urteilen oder diese vielleicht direkt zu beeinflussen. Er ist schon ein erstes Stück Ausrichtung des Standorts auf zukünftige Tätigkeitsfelder. Wir müssen es schon dem Unternehmen selbst überlassen, die Potenziale und die Eckpunkte richtig zu setzen. Ich habe großes Vertrauen - auch aus dem Kontakt zu dem Unternehmen heraus -, dass das unter dem Gesichtspunkt der Zukunftsfähigkeit des Standorts geschieht.

Zweitens: Es geht bei der Entwicklung der Produkte um deren qualitative Kriterien. Es ist mir an dieser Stelle nicht möglich, alle Programm- oder Entwicklungspunkte, die zwischen Bombardier und dem einschlägigen Technologiezentrum verfolgt werden, um in vielen Segmenten des Produkts Qualifizierungen zu erreichen, hier aufzugliedern. Aber wie jedes Unternehmen in dieser Größenordnung muss auch dieses, um am Markt bestehen zu können, seine Produkte ständig weiterentwickeln. Dies ist im regelmäßigen Verfahren eine Projektdefinition, die im Unternehmen vorgenommen wird, die danach mit unserer Technologieabteilung beraten wird und wofür wir dann Partner im weit gefächerten Netz der wissenschaftlichen Einrichtungen in unserer Region suchen. So entstehen Arbeitsschritte, die sich zu neuen Produktgenerationen weiterentwickeln können. Das ist ein am Standort schon geübter Prozess; er setzt aber die Initiative zur Produktentwicklung durch das Unternehmen am Standort voraus. Belassen Sie es bitte auf dieser Ebene. Wir sind dabei Helfer zur Selbsthilfe während der Produkt- und Leistungsentwicklung.

(Frau Tack [PDS]: Das ist aber ein Widerspruch!)

- Wieso?

Drittens: Die Diskussion um den Itino haben wir geführt, und zwar nicht jenseits des Unternehmens, sondern mit dem Unternehmen. Der Gerechtigkeit halber muss gesagt werden, dass jedes Produkt und insbesondere der Itino unterschiedlichen Einsatzbedingungen sowie unterschiedlichen Qualitäts- und Bemessungskriterien unterliegt. Dazu gab es eine Diskussion am Standort. Ich kann aus heutiger Sicht sagen, dass die damals kritikwürdigen Aspekte des Produkts weiterverfolgt und abgestellt worden sind. Es wäre töricht - der Markterfolg in Hessen belegt das -, wenn man bei einer solchen Produktkritik stehen bleiben und nicht an die Beseitigung der Ursachen gehen würde. Das hat das Unternehmen getan. Es gehört zu den Aufgaben des Unternehmens selbst, damit umzugehen. Der Markt ist aber nicht weicher, sondern härter geworden.