Protocol of the Session on September 12, 2007

Nach den verschiedenen Diskussionen über die Harmonisierung von Wahlterminen regt die Landesregierung eine Zusammenlegung der übernächsten Kommunalwahlen mit der Europawahl an. Das wird mit der gewöhnlich niedrigen Beteiligung an den Europawahlen begründet, die durch Kopplung mit der Kommunalwahl mehr Aufmerksamkeit erfahren soll. Darüber sollten wir uns in jedem Fall noch einmal verständigen; denn mit diesem Huckepackverfahren wird das Problem der geringen Aufmerksamkeit für Europa nicht gelöst.

Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag Festlegungen zur Einführung der Direktwahl der Landräte getroffen. Das war ein echter Fortschritt, der sich auch ganz gut verkaufen ließ. Als es aber um die konkrete Umsetzung ging, entstand der Eindruck, dass diese vertragliche Vereinbarung am besten wieder gestrichen werden sollte. Der Streit zwischen den Koalitionspartnern ging so weit, dass sich die CDU sogar der plebiszitären Demokratie bedienen wollte, um ab dem Jahr 2008 die Landräte direkt wählen lassen zu können. Dazu fehlte dann allerdings der letzte Schneid. Die SPD hat zunehmend weniger einen Hehl daraus gemacht, dass sie diese Veränderung nicht will.

(Schippel [SPD]: Richtig!)

Dabei ließ sie keine Chance ungenutzt, um mit der zu erwartenden geringen Wahlbeteiligung bis zur Gefahr der Abwertung der Kreistage zu argumentieren. Jeder weiß jedoch, dass die SPD sozusagen besitzstandswahrend agiert und möglichst alle ihre Landräte behalten will. Ich verstehe nur nicht, wieso die Sozialdemokraten wie selbstverständlich davon ausgehen, dass die Kommunalwahl im nächsten Jahr die entsprechenden Kräfteverhältnisse in den Kreistagen sichert.

(Schulze [SPD]: Das ist eine Fehleinschätzung; denn da- rum geht es gar nicht!)

Die CDU ihrerseits war zu schwach, ihre ursprüngliche Zielstellung durchzusetzen. Im Ergebnis des langen Streits zwischen den Koalitionären müssen wir feststellen: Die im Wahlgesetz vorgeschlagene Regelung zur Einführung der Direktwahl der Landräte ist völlig unbefriedigend, ist ein typischer fauler Kompromiss; denn damit ist diese in anderen Bundes

ländern ganz selbstverständlich angewandte Landratsdirektwahl in weite Ferne gerückt.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Durch die Vorverlegung der Wahl um ein halbes Jahr kann gesichert werden, dass die große Mehrzahl der Landräte noch nach altem Muster zu wählen wäre. Selbst ein völliger Rückzug ist möglich. Wer die Direktwahl wirklich will, der muss sie ab 2008 wollen. Sie können sich darauf verlassen, dass wir auch in dieser Frage nicht lockerlassen werden.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Zum Schluss möchte ich noch zwei Themen ansprechen, die wir im Zusammenhang mit der Wahlgesetznovelle für wichtig halten. Das ist zum einen die Einführung des Kommunalwahlrechts für Migrantinnen und Migranten. Brandenburg sollte hier eine Vorreiterrolle übernehmen, beispielhaft vorangehen und Migrantinnen und Migranten das Kommunalwahlrecht einräumen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Zum anderen meine ich, dass es an der Zeit ist, nicht mehr Argumente dagegen, sondern Argumente dafür anzuwenden, dass in Brandenburg Jugendliche ab 16 Jahren an den Kommunalwahlen teilnehmen können.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Wir sollten der Jugend Vertrauen schenken und ihr die Möglichkeit geben, dieses politische Recht wahrzunehmen und auf die Zusammensetzung der Kommunalvertretungen Einfluss zu nehmen. Ich hoffe auf die entsprechende Offenheit bei Ihnen, wenn wir diese Frage in die Diskussion bringen werden. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Der Abgeordnete Schippel setzt die Debatte für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Scharfenberg, ich weiß ja nicht, wie das in Ihrer Fraktion abläuft. Aber zumindest in der Koalition bestimmen wir unseren Zeitplan selbst, und ich kann nicht erkennen, dass wir ihn überschritten haben. Die Reform wird pünktlich und rechtzeitig kommen.

Es ist wohl wenig sinnvoll, im Zuge der Einbringung eines Gesetzes bzw. zweier Gesetze über jeden Paragrafen im Detail zu reden. Eher geht es dabei darum, die Notwendigkeiten und Ziele für die Novellierung zu erläutern. Die Notwendigkeit ergibt sich schlichtweg aus den bisherigen Einzelveränderungen in der alten Kommunalverfassung, wie es Herr Scharfenberg ja auch schon angesprochen hat.

Im Übrigen ist „Verfassung“ an der Stelle ein hochtrabender Begriff. Ich möchte noch einmal deutlich sagen: Für eine Än

derung bedarf es nicht einer Zweidrittelmehrheit, sondern es genügt eine einfache Mehrheit. Insofern handelt es sich eigentlich um eine einfache Gemeindeordnung bzw. Kreisordnung. Der Wert dieser Gemeindeordnung oder Kreisordnung für die Kommunen sollte allerdings sehr hoch bleiben.

Die Umstellung des kommunalen Haushaltswesens auf die Doppik und die Veränderungen in unserer Gesellschaft machen es notwendig, dass wir uns damit befassen und das novellieren. Die Zielstellung besteht also darin, die Eigenverantwortung kommunaler Vertretungen und das bürgerschaftliche Engagement zu erhöhen, um Verwaltungsabläufen in höherem Maße gerecht zu werden, sowie Form und Inhalt der Kommunalverfassung zu straffen. Vor diesem Hintergrund war es dann auch notwendig, das Kommunalwahlgesetz anzupassen.

Ich möchte einige Beispiele für die Umsetzung unserer Ziele im Rahmen der vorliegenden beiden Gesetzesnovellen anführen, wobei ich im Gegensatz zu Ihnen, Herr Scharfenberg, nicht verstehen kann, inwiefern wir den Kommunen nicht mehr Rechte einräumen.

Der Spielraum dafür, durch Satzungsrecht Angelegenheiten selbst zu regeln, ist wesentlich größer geworden. Die Gemeinden können zum Beispiel gemäß § 13 der Kommunalverfassung künftig durch die Hauptsatzung entscheiden, in welcher Art und Weise bei Gemeindeangelegenheiten die betroffenen Einwohner einbezogen werden.

Die Regelung in § 56 des Kommunalwahlgesetzes soll die Kommunalvertretung künftig auch in die Lage versetzen, selbst zu entscheiden, ob sie die Vorprüfung von Wahleinsprüchen selbst übernimmt oder einem Ausschuss überträgt.

Das Satzungsrecht, das originäre Recht der Kommunen, wird also gestärkt. Potsdam, die weit entfernte Hauptstadt, zieht sich insoweit zurück. Damit wird die kommunale Eigenverantwortung doch gestärkt.

Damit komme ich zu dem Aspekt der Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements. Die Einrichtung von Beauftragten und Beiräten obliegt nun einzig und allein den Kommunen. Die Heraushebung des Beirats zur Integration von Einwohnern, die nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen, in § 19 der Kommunalverfassung und der Seniorenbeiräte in der Begründung ist politisch ausdrücklich gewollt, weil diese Beiräte eine herausragende Rolle spielen.

Die Neuregelung im Ausschussbesetzungsverfahren gemäß § 41 bzw. § 43 der Kommunalverfassung trägt der Entwicklung Rechnung, dass fraktionslose Mandatsträger mehr Verantwortung übernehmen können. Das heißt, wir tragen dort der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung, wie unsere Partei dies mitunter tut.

Sowohl ein Mehr an kommunaler Selbstverwaltung als auch eine Erhöhung des bürgerschaftlichen Engagements soll der neue § 14 Abs. 3 der Kommunalverfassung gewährleisten. Künftig können die Gemeinden per Hauptsatzung das Quorum für einen Einwohnerantrag auch unter 5 % der Antragsberechtigten senken bzw. dort ansiedeln. Auf diese Weise werden die demokratischen Mitwirkungsrechte des Einzelnen gestärkt.

Der Abbau von Normen und Standards soll in dem neuen Kommunalwahlgesetz unter anderem dadurch ermöglicht wer

den, dass ein Wahlbrief für Gemeinde- und Kreiswahlen gleichzeitig genutzt werden kann, und der Mandatsverzicht soll künftig auch schriftlich durch den Vertreter erklärt werden können.

An der Stelle möchte ich die Aufzählung beenden und auf die Diskussion eingehen, die wir im Vorfeld geführt haben. Das war im Übrigen eine sehr sachliche Diskussion innerhalb der Koalition. Es war also nicht so, wie Sie, Herr Scharfenberg, das beschreiben, nämlich dass wir eine undifferenzierte Diskussion geführt hätten.

Es gab den Streitpunkt: hauptamtliche Bürgermeister in die Kreistage. - Bei einer Versammlung hauptamtlicher Bürgermeister in Königs Wusterhausen hat ein hauptamtlicher Bürgermeister unter dem Beifall der anderen die Wahrnehmung von Doppelmandaten in Stadt und Kreis, also in der Stadtverordnetenversammlung und im Kreistag, als Schizophrenie bezeichnet. Die Abgeordneten, die Doppelmandate wahrnähmen, seien also ein bisschen schizophren. - Da habe ich mir gedacht: In Ordnung. Wenn das denn so ist, dann wollen wir genau diese kommunalen Verwaltungschefs vor dieser Schizophrenie bewahren. Deshalb sollte es bei dem bisherigen Verbot bleiben, dass hauptamtliche Bürgermeister nicht in den Kreistag gewählt werden.

Für die SPD-Fraktion war die Frage der wirtschaftlichen Betätigung wichtig. Diesbezüglich hätten wir uns an der einen oder anderen Stelle mehr vorstellen können. Mit dem von uns verhinderten Klagerecht Dritter ist das größte Problem an dieser Stelle sicherlich beseitigt worden. Die vom Innenministerium bereits vorgeschlagene Öffnung des Örtlichkeitsprinzips wird von uns begrüßt.

Hier wurde schon gesagt, wir sollten in die anderen Bundesländer schauen. Ja, schauen wir einmal genau hin, was zurzeit in Hessen und Nordrhein-Westfalen insoweit abläuft! Dort wird die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen dermaßen eingeengt, dass sie kaum noch möglich ist. Hier sind wir weit besser als jene Bundesländer.

Insofern ist das ein Kompromiss, der zeitgerecht und tragbar ist.

Sie sind bereits auf die Direktwahl der Landräte eingegangen. Wir Sozialdemokraten teilen die Argumentation unseres Koalitionspartners und der Linkspartei ausdrücklich nicht. Genau Ihr Argument, dass ein Mehr an Demokratie bei der Direktwahl der Landräte entstehe, halten wir für absurd. Wer sich vor Augen führt, wie die tatsächliche Wahlbeteiligung - auch in anderen Bundesländern - ständig zurückgeht, der kann an der Stelle nicht von „mehr Demokratie“ reden. Das ist eben nicht vergleichbar mit dem hauptamtlichen Bürgermeister bzw. mit dem Rahmen, in dem dieser gewählt wird. Ein Landrat ist zu 80 % Behördenleiter und ist wesentlich weiter entfernt von den unmittelbaren Problemen der Bürger, als dies bei besagtem Bürgermeister der Fall ist. Aber er ist sozusagen wesentlich dichter an diesem Bürgermeister bei der Durchsetzung seiner Aufgaben als Behördenleiter. Da liegt dann der Widerspruch.

Insofern sage ich: Der gefundene Kompromiss ist uns schwergefallen - das ist überhaupt keine Frage -, aber wir stehen als Partner in der Koalition mitunter auch zu Dingen, die wir für falsch halten.

Ich gehe davon aus, dass im Zuge der Anhörung und der Ausschussberatungen noch manche Veränderung möglich ist. Ich warne vor Superlativen, wie sie uns Herr Scharfenberg unterjubeln wollte: Jahrhundertreform, größte Reform. - Ich möchte es wie folgt formulieren: Für die Reform gab es eine Ausgangsfassung oder -verfassung; das war die von Alwin Ziel. In Fortsetzung dieser Verfassung oder Ausgangsfassung und mit den Erkenntnissen von Innenminister Schönbohm gibt es jetzt hier eine Weiterentwicklung. Um das zusammenzufassen, sage ich: Das ist das Werk zweier guter brandenburgischer Innenminister, geprägt von preußischer Sachlichkeit. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die DVU-Fraktion setzt der Abgeordnete Claus die Debatte fort.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! „Was immer du tust, mach es richtig und bedenke die Folgen!” - Dieses schon im alten Rom allgemeingültige Sprichwort sollte besonders bei den vorliegenden Initiativen gelten.

Dass die Landesregierung nach langen Jahren nunmehr zur Einsicht gelangt ist, unserer Forderung zu folgen, die Direktwahl der Landräte zu ermöglichen, ist schon bemerkenswert. Diesen Antrag hatten wir schon vor Jahren gestellt. Ich frage mich nur, meine Damen und Herren von SPD und CDU, weshalb diese Erkenntnis so spät kommt. Damit bin ich schon am Ende meines Lobes.

Die vorliegenden Gesetzentwürfe zeigen eine Reihe fachlicher Schwächen und Ungereimtheiten, mit denen sich der Innenausschuss umfangreich zu befassen haben wird. So ist die Ausweitung des Einwohnerbegriffs auf Menschen mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Gemeinde nicht sachgerecht, weil hierunter zwangsläufig auch Wohnsitzlose fallen. Wie dort zum Beispiel der Vollzug des Wahlrechts erfüllt werden soll, bleibt ein echtes Rätsel. Das ist auch nirgendwo beschrieben.

Abzulehnen ist auch die Ausweitung des Benutzeranspruchs bei gemeindlichen Einrichtungen auf jedermann. Im Regelfall tragen nur Gemeindeeinwohner dafür die Lasten und sollten unserer Ansicht nach dafür auch bevorzugt in den Genuss kommen. Sie alle wissen, wenn jemand eine Halle mietet, wer die Bezahlung übernehmen muss, die Reinigung und alles, was damit zusammenhängt.

Die Landesregierung bleibt indes die Begründung des EUrechtlichen Erfordernisses schuldig, zumal die von ihr angeführte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes von 1994 zum Diskriminierungsverbot sachlich überhaupt nicht übertragbar ist. Als echte Demokraten in diesem Haus, meine Damen und Herren,

(Oh, oh! bei der SPD)

- ja, ja, meine Damen und Herren!

(Dr. Klocksin [SPD]: Höchste Demokraten!)

- Ja, ja, das ist richtig, wir sind nämlich die Einzigen, Herr Dr. Klocksin.

Wie gesagt, als echte Demokraten in diesem Haus kann unsere Fraktion den Vorschlag nicht mittragen, dass es keine geheimen Abstimmungen in den Gemeindevertretungen mehr geben darf.