Protocol of the Session on September 12, 2007

Meine Damen und Herren! Ein Satz aus der Begründung für diese Aktuelle Stunde hat es mir besonders angetan. Herr Schulze in seiner Eigenschaft als Parlamentarischer Geschäftsführer schreibt dort:

„Verbesserungen in den Betreuungsangeboten für Kinder in den ersten drei Lebensjahren können einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität von Kindern und Familien in Brandenburg leisten.“

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Die DVU-Fraktion nimmt das als Eingeständnis, dass die rotschwarze Landesregierung seit Jahren die Lebensqualität von Kindern und Familien in Brandenburg verschlechtert hat;

(Frau Lehmann [SPD]: Lächerlich!)

denn, meine Damen und Herren von SPD und CDU, Sie waren es doch, die den uneingeschränkten Rechtsanspruch auf einen Kita- bzw. Krippenplatz für Kinder unter drei Jahren abgeschafft haben. Ihnen war das Stopfen der Haushaltslöcher - die Sie verursacht haben - wesentlich wichtiger als die Lebensqualität von Kindern und Familien in Brandenburg. Daran hat sich bis heute nichts geändert, ungeachtet aller großmäuligen Ankündigungen. Anträge meiner DVU-Fraktion zur Wiedereinführung des uneingeschränkten Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz haben Sie abgelehnt. Ihre vorgetäuschte Familienfreundlichkeit richtet sich nach der Haushaltslage; sie darf nach Möglichkeit nichts kosten. Auch der auf Bundesebene beschlossene angeblich neue Baustein für das familienfreundliche Brandenburg beweist Ihre Gesinnung.

(Bischoff [SPD]: Unverschämtheit!)

Sie investieren nur dann in Familienfreundlichkeit, Sie investieren nur dann in die Zukunft unseres Landes, wenn jemand anders die Zeche zahlt. Diese Aktuelle Stunde wäre vollkommen überflüssig, wenn Brandenburg nicht von SPD und CDU regiert werden würde;

(Beifall bei der DVU - Bischoff [SPD]: Peinlich!)

denn dann hätte jedes Brandenburger Kind einen uneingeschränkten Rechtsanspruch auf Betreuung in einer Krippe oder Kita, dann müsste jetzt nicht auf dem Umweg über ein Bundesgesetz der uneingeschränkte Rechtsanspruch wieder eingeführt werden.

Auch meine DVU-Fraktion hat sich immer wieder dafür eingesetzt, diesen Rechtsanspruch gerade für Kinder in den ersten drei Lebensjahren wieder einzuführen. SPD, CDU und auch die linken Genossen haben unsere Anträge jedes Mal abgelehnt. Wir haben uns für eine kostenfreie Schülerbeförderung eingesetzt. Wir haben beizeiten Möglichkeiten aufgezeigt, wie die allermeisten Schulschließungen hätten verhindert werden können, indem man zum Beispiel die Einzügigkeit an weiterführenden Schulen gestattet - eine Forderung übrigens, mit der jetzt Herr Lunacek als Vorsitzender der CDU-Fraktion landesweit hausieren geht. Seine Partei und er haben damals noch unseren diesbezüglichen Antrag abgelehnt.

Wenn dann dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Baaske, in einer Diskussion mit aufgebrachten Lehrern und Schülern, in der es um die Schließung einer Schule geht, lediglich einfällt, das sei alles nur „dumm gelaufen“, zeigt er doch nur die Hilflosigkeit und Unfähigkeit dieser Partei.

Nein, Herr Baaske, Sie haben gelogen. Das ist nicht „dumm gelaufen“, das war pure Absicht. Es ist Ihre sogenannte Familienfreundlichkeit, die Familien mit Kindern aus unserem Land oder in Armut getrieben hat.

(Baaske [SPD]: Das ist dummes Zeug, was Sie schwafeln!)

Herr Baaske, Sie und Ihre Genossen haben unserem Land geschadet, und Sie schaden unserem Land weiterhin.

(Beifall bei der DVU)

Ich schlage vor, Herr Baaske, Sie denken einmal darüber nach, welchen Schaden Sie unserem Land zugefügt haben. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU - Bischoff [SPD]: Peinlich, peinlich!)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag des Ministers fort. Herr Rupprecht, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Fechner, den Beitrag, den Sie soeben abgeliefert haben, kann man nur mit „dumm gelaufen“ überschreiben, um den Begriff noch einmal aufzunehmen.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei der CDU)

Aber daran will ich mich jetzt nicht festhalten.

Meine Damen und Herren! Erfreulicherweise hat es in den letzten Monaten bundesweit eine intensive Diskussion unter dem Sammelbegriff „Krippengipfel“, den die Medien erfunden haben, gegeben. Gegenstand der Diskussion war die Betreuung der unter Dreijährigen. Aber es ging nicht nur vordergründig um den quantitativen Ausbau von Krippenplätzen, sondern auch um weitere wichtige Themen, zum Beispiel „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und „Qualität unserer Betreuungsangebote“.

Nach dem sogenannten Krippengipfel am 2. April, zu dem Frau von der Leyen und ich in meiner Funktion als Vorsitzender der JFMK eingeladen hatten und an den sich teilweise schwierige Gespräche anschlossen, haben wir uns Mitte August auf ein Ergebnis geeinigt, das mich - ohne in Jubel zu verfallen - zufriedenstellt. Bundesweit soll für 35 % der unter Dreijährigen die Versorgung in Krippen gewährleistet werden. Dieses Ergebnis wird untermauert durch einen Rechtsanspruch auf Betreuung, Bildung und Erziehung für die Kinder nach dem vollendeten ersten Lebensjahr.

Ich bin mit den Beschlüssen sehr zufrieden. Um das zu verdeutlichen, stelle ich drei Fragen: Wer hätte noch vor einem Jahr gedacht, dass die neuen Länder einmal zu einem solchen Vorbild für den Westen werden könnten, was die flächendeckende Versorgung mit Angeboten der Kindertagesbetreuung oder die hohen Versorgungsquoten der unter Dreijährigen angeht?

(Vereinzelt Beifall bei der SPD - Unruhe bei der Fraktion DIE LINKE)

Wer hätte gedacht, dass es plötzlich und unerwartet über Landesgrenzen hinweg eine große Übereinstimmung bei der Akzeptanz eines modernen Familienbildes geben würde? Im Zentrum steht eben nicht mehr die nichterwerbstätige Ehefrau. Von diesem Konsens nehme ich einige Konservative aus dem Süden

unseres Landes aus; ansonsten habe ich insoweit breite Übereinstimmung festgestellt.

Wer hätte schließlich im letzten Jahr gedacht, dass der Bund bereit sein würde, mit einer wirklich bedeutenden Summe in die Verwirklichung des Vorhabens einzusteigen? Vielleicht einige von Ihnen, ich jedenfalls nicht.

Die Diskussion zwischen Bund und Ländern war anfangs von der Vorstellung beherrscht, es gehe bei der Kinderbetreuung um ein Aufbauprogramm West. Das bereitete mir einige Sorgen; ich war ja beteiligt. Es war zu befürchten, dass der größte Teil der Bundesmittel, vielleicht sogar alle, in ein Aufbauprogramm West fließen würde. Ich bin sehr froh darüber, dass sich die Länder - ich sage bewusst: die Länder; es gab insoweit keinen Dissens zwischen A- und B-Ländern - relativ schnell auf die Forderung verständigt haben, die Bundesmittel nicht etwa nach dem Stand des Ausbaus der Betreuung - das wäre für uns das schlechteste Ergebnis gewesen -, sondern nach der Kinderzahl und damit gerecht zu verteilen.

(Beifall der Abgeordneten Hartfelder [CDU])

Ferner wollten die Länder kein reines Investitionsprogramm. Auch diese zentrale Forderung war schwer durchzusetzen. Unser Ziel war es, die 4 Milliarden Euro nicht nur in den Aus- und Umbau von Kitas investieren zu dürfen, sondern auch Geld für die Deckung der laufenden Kosten zur Verfügung zu haben. Man kann erfreut feststellen, dass wir uns auch in dieser Position angenähert haben und die Position, die der Finanzminister ursprünglich vertreten hatte, so nicht durchgesetzt werden konnte.

Der zahlenmäßige Ausbau fällt im Osten natürlich geringer aus als im Westen; einige Vorrednerinnen haben es schon gesagt. Wir haben aber ein Problem mit dem Ausbau der Qualität. Das kostet Geld. Ich bin froh, dass wir dieses Bundesgeld jetzt in die Qualitätsoffensive an unseren Kitas investieren können.

Dass ein bundesweiter Rechtsanspruch für die unter Dreijährigen mittlerweile als unverzichtbar angesehen wird, gehört für mich zu den erfreulichsten Ergebnissen. Das war auch eine klare SPD-Forderung in den Verhandlungen. Ich bin froh, dass unter dem Strich dieses Ergebnis steht.

Schließlich ist ganz deutlich geworden: Diese schwierige Aufgabe ist von den Ländern und den Kommunen allein nicht zu leisten. Ich bin sehr froh, dass der Bund bereit ist, sich an der Finanzierung dauerhaft, das heißt auch über das Jahr 2013 hinaus, zu beteiligen. Auch zur Erfüllung dieser wichtigen Forderung der Länder hat sich der Bund verpflichtet.

Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Ich will sie zusammenfassen.

Es werden nicht ausschließlich Investitionszuschüsse gewährt, sondern von den 4 Milliarden Euro werden 1,85 Milliarden Euro für Betriebskostenzuschüsse zur Verfügung gestellt. Ab 2014 wird sich der Bund jährlich mit 770 Millionen Euro an den laufenden Betriebskosten der Kitas beteiligen.

Brandenburg erhält - das ist für uns natürlich besonders interessant - von 2008 bis 2013 pro Jahr rund 9 Millionen Euro für Investitionen, ab 2009 ferner den Zuschuss für die laufenden

Kosten. Nach unseren Schätzungen - ich kann es noch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen - beläuft sich dieser Betrag im ersten Jahr auf 3,1 Millionen Euro, dann aufsteigend bis zum Jahr 2013 auf 21,7 Millionen Euro. Der Betrag wird dann in dieser Höhe fortgeschrieben. Hinter diese Aussage setze ich drei Ausrufezeichen. Das ist wirklich eine stattliche Summe. Ich freue mich, dass dieses Ergebnis zustande gekommen ist.

Es passt sehr gut in den Kontext einer wesentlich breiteren familienpolitischen Diskussion, die wir in Brandenburg führen und aus der wir inzwischen die ersten Konsequenzen gezogen haben.

Es geht nämlich um das sogenannte familienpolitische Programm, das heute auch schon kommentiert wurde. Es geht um ein konkretes Maßnahmenpaket, das wir schon seit fast zwei Jahren umsetzen. Wir haben uns einiges vorgenommen. Ich nenne drei Beispiele: Die Förderung eines gesunden Aufwachsens durch die Initiierung lokaler Netzwerke „Gesunde Kinder“, die Förderung gleicher Bildungschancen durch Sprachförderung vor der Einschulung und schließlich die Unterstützung lokaler Familienbündnisse.

Alles das geschieht mit einem ganz klaren Ziel, das heißt: Familien und Kinder sollen uns künftig noch willkommener sein als bisher. Junge Familien sollen nicht vor der Wahl stehen: Familie oder Beruf. Wir brauchen beides. Wir brauchen Beruf und Familie, um unsere Wirtschaft zu entwickeln, aber auch um Frauen und Männern berufliche Chancen und eine gleichberechtigte Partnerschaft zu ermöglichen.

Eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist eine entscheidende Säule dieses Familienprogramms, und viele Maßnahmen davon werden erfreulicherweise auch auf betrieblicher Ebene umgesetzt. Wir fördern Unternehmen, die ihre Personalpolitik familienfreundlicher gestalten.

Zurück zum Thema im engeren Sinne. Der Ausbau der Krippenbetreuung ist ein zentrales bildungs- und sozialpolitisches Ziel. Es geht nicht nur um irgendwelche Betreuungsplätze, sondern es geht darum, allen Kindern ein qualitativ hochwertiges Angebot zu unterbreiten, um die Begabungen möglichst aller Kinder von Anfang an zu fördern. Es geht darum, Familien bei der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen. Es geht sowohl um Entlastung als auch um Stärkung. Das ist das Leitprinzip der qualitativen Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung und auch der Kernpunkt der anderen familienunterstützenden Angebote. Es geht darum, die Krippen- und Tagesbetreuungsplätze besser auszugestalten, aber auch solche Angebote zu schaffen, die den Familien helfen, ihren Alltag und ihre Aufgaben als Eltern zu bewältigen.

Im familienpolitischen Maßnahmenpaket des Landes ist insbesondere die Stärkung wesentlicher Bausteine festgeschrieben. Wir haben in zwölf Landkreisen elternunterstützende Angebote in Form von Eltern-Kind-Zentren geschaffen. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, vor allen Dingen den Familien zu helfen, die bisher von der Hilfe ausgeschlossen sind, weil es immer gewisse Hürden gibt, die man nicht überschreitet. Wir brauchen niederschwellige Angebote, mit denen man auch diese Familien erreichen kann. Eltern-Kind-Zentren sind genau der richtige Weg.

Zum Schluss möchte ich in aller Kürze auf unser eigentliches Thema - die Krippenversorgung - zu sprechen kommen. Ich erwarte durch den ab 2013 geltenden Rechtsanspruch, dass auch bei uns die jetzt schon hohe Versorgungsquote noch einmal etwas erhöht wird, nicht in Größenordnungen, aber wir werden die 42 % sicherlich überschreiten - siehe Sachsen-Anhalt. Dort ist man mit dem uneingeschränkten Rechtsanspruch bei etwa 50 %. Das bedeutet, dass wir den Aufbau mitfinanzieren müsen. Wir sollten diese auch quantitative Erweiterung als einen Startschuss in eine Qualitätsoffensive sehen. Wir brauchen natürlich die Investitionsmittel, um die bauliche Situation in den Krippen zu verbessern. Wir brauchen das Bundesgeld aber auch, um die pädagogische Arbeit in den Krippen und - wie ich ergänze - Kindergärten weiterzuentwickeln und um die Qualität der Arbeit insgesamt weiter zu befördern.

Mein Fazit lautet: Ich blicke auf die letzten Monate, in denen ich maßgeblich an dieser Diskussion beteiligt war, zufrieden zurück. Es besteht kein Grund zum Jubeln, Frau Kaiser, aber ein Grund, optimistisch in die Zukunft zu sehen, und ein Grund, die Ärmel hochzukrempeln und jetzt loszulegen. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Die Abgeordnete Lehmann spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kollegen! Liebe Gäste! Frau Kaiser, erstens ist es immer eine Frage der Betrachtung, wie man die Dinge sieht und wie man sie sehen möchte, und zweitens haben Sie sich bei Ihrer Kritik schwerpunktmäßig immer auf die Vergangenheit bezogen, wie mir aufgefallen ist. Das ist ganz klar: Wenn man die Gegenwart nicht so sehr kritisieren kann, konzentriert man sich auf die Vergangenheit. Liebe Frau Kaiser, wenn wir der Auffassung der First Lady Ihrer Partei folgen würden, müssten wir hier in Brandenburg viele Krippen und Kindertagesstätten abbauen. Ich möchte gern wissen, was die Brandenburgerinnen und Brandenburger dazu sagen würden.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])