Protocol of the Session on July 4, 2007

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 4/4776

in Verbindung damit:

Qualität im Tourismus fördern

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 4/4780

Ich eröffne die Aussprache. Frau Abgeordnete Hackenschmidt, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Tourismus kommt ohne Brandenburg aus, aber Brandenburg unmöglich ohne ihn. Jeder der 92 Millionen Tagesreisenden gibt in Brandenburg im Durchschnitt 28,50 Euro aus. Somit ist der Tourismus eine wesentliche Branche unserer Wirtschaft, was auch durch 3,4 Milliarden Euro Umsatz und 125 000 im Jahr 2006 Beschäftigte deutlich wird.

Unsere Tourismuswirtschaft muss in dem harten Wettbewerb der Regionen an einer Strategie für innovativen und zukunftsfähigen Qualitätstourismus arbeiten. Die Trendgutachten der letzten Monate verdeutlichen, dass Deutschland und damit auch Brandenburg das Reiseziel Nr. 1 der Bundesbürger ist. Das Tourismusverhalten hat sich hin zum Mehrfachurlaub verändert. Das heißt, es wird für kürzere Zeiten, aber häufiger Erholung gesucht und dabei mehr Geld ausgegeben.

Durch die beiden Anträge wollen wir die für unser Land Brandenburg bestehenden Chancen aufzeigen. Sie bezwecken leistungsfähige und produktive Strukturen, die durch das Land unterstützt werden. Das ist insofern wichtig, als effektive Vermarktungen nur bei leistungsfähigen Strukturen möglich sind. Dies wird zum Beispiel beim Betrachten der Zahl der Übernachtungen von 9,6 Millionen im Jahre 2006, also einem Plus von 1,8 % im Vergleich zu 2005, deutlich, wobei der Anteil der ausländischen Touristen im Jahre 2006 um 14,8 % höher war als im Jahr davor.

Bei einer Ausweitung der Reisegebietsstrukturen und einer flächendeckenden optimalen Zusammenarbeit könnten attraktive Tourismusprodukte aneinandergereiht im ganzen Lande angeboten und verkauft werden. Unsere Gäste hätten die Möglich

keit, das ganze Land mit den unterschiedlichen Natur- und Landschaftsbesonderheiten kennenzulernen. Eine Steigerung der Urlauberzahl könnte durch eine Erweiterung der Zahl der Angebote im Rad-, Wasser- und Kulturtourismus erreicht werden. Die Eröffnung der „Tour Brandenburg“ für Radfahrer am 7. Juli ist zum Beispiel ein solch tolles Angebot. Mit der 1 111 km langen Route durch 19 Städte mit historischen Stadtkernen verfügen wir dann über den längsten thematischen Radweg Deutschlands.

Gleichzeitig soll sie alle wichtigen Fernradwege Brandenburgs - über die Grenzen der bestehenden Reisegebiete hinweg - miteinander verbinden. Dass es hier 13 Reisegebiete gibt, ist Ausdruck regionaler Tradition und regionalen Selbstbewusstseins. In allen Regionen gibt es tolle Möglichkeiten, einen Urlaub zu verbringen. Jede Region ist einen Urlaub wert. Alle Brandenburgerinnen und Brandenburger sind dabei die wichtigsten Botschafter im Marketing. Schließlich wird Gutes, aber auch Schlechtes aus eigenem Erleben weitererzählt.

Große Chancen für unser Reiseland Brandenburg liegen vor allem bei den internationalen Gästen aus den Beneluxländern, Skandinavien, Großbritannien, Österreich, der Schweiz und Polen. Um dort erfolgreich Marketingaktivitäten durchzuführen, sind die bestehenden Reisegebiete weder personell noch finanziell leistungsfähig genug.

Zur Vermarktung ist eine effektive Zusammenarbeit aller Tourismusakteure enorm wichtig. Hier ist zu hinterfragen, ob die bestehenden Strukturen eine effektive Zusammenarbeit ermöglichen. Mit dem Antrag geben wir zugleich eine Analyse der Attraktivität der bestehenden Reisegebiete und der Zusammenarbeit der Reisegebietsstrukturen mit den Akteuren vor Ort in Auftrag. In einer sicherlich spannenden und hoffentlich produktiven Diskussion - ich betone: Diskussion - erwarten wir Vorschläge für eine Reorganisation der Reisegebiete.

Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE ist aus meiner Sicht überflüssig, da er dem Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU inhaltlich entspricht. Dabei ist unerheblich, ob hier von einem Bericht oder einem Konzept gesprochen wird. Wichtig ist eine Diskussion der Tourismusakteure in den Reisegebieten über eine intensivere Kooperation bzw. auch über Zusammenschlüsse für nachhaltige und zukunftsfähige Strukturen, die den nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen können.

Die am Ende ihrer Begründung stehenden Forderungen haben wir im Antrag nicht so gefordert. Diesbezüglich wurden Sie sicherlich von den Erfahrungen aus 40 Jahren zentralistischer Politik des Arbeiter- und Bauernstaates inspiriert. Auch wir wollen diesen Prozess von unten begleiten und nicht von oben zentralistisch verordnen.

Als Lausitzerin wünsche ich mir ein Reisegebiet Lausitz, das sich vom Spreewald im Norden bis Dresden im Süden über die Ländergrenzen hinweg erstreckt.

(Schippel [SPD]: Das wird es wohl nicht geben!)

Warum sollte der Spreewald- oder Dresdenbesucher nicht auch für eine Fahrt zur größten Braunkohleförderbrücke Europas dem jetzigen Besucherbergwerk F60 - interessiert werden können?

(Beifall bei der SPD)

Sie merken, welche Möglichkeiten die Vermarktung solch größerer Reisegebiete bietet.

Zum Antrag 2. Was bedeutet Qualität? - Gewöhnliches außergewöhnlich gut tun. Dass man das, was man macht, von Herzen macht.

Frau Hackenschmidt, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? - Bitte, Frau Fechner.

Frau Hackenschmidt, waren Sie schon einmal auf der F60? Ich weiß, Sie wohnen in unmittelbarer Nähe der F60 und haben sie auch eben erwähnt. Deshalb meine Frage: Waren Sie schon einmal auf der F60?

Frau Fechner, diesbezüglich kann ich Sie beruhigen: Sowohl tags als auch nachts habe ich sie bereits bestiegen

(Heiterkeit)

und von oben auch die Landschaft genießen können. Wenn ich zu Hause bin, sehe ich sie von meiner Terrasse aus.

Was bedeutet Qualität? - Wie gesagt: Gewöhnliches außergewöhnlich gut tun. Dass man das, was man macht, von Herzen macht, dass der Kunde wiederkommt und nicht die Ware. Beim Urlaub ist das nicht so einfach möglich. Die Beschaffenheit einer Leistung wird an den Bedürfnissen der entsprechenden Gästegruppe gemessen.

Im Jahr 2002 wurde die Qualitätsoffensive im Tourismus in Brandenburg gestartet, um diesen Qualitätsgedanken bei den touristischen Leistungsanbietern zu fördern. Der wichtigste Baustein dieser Initiative ist die Tourismusakademie, die unter anderem von Akteuren bewusst gegründet wurde. Sie verleiht das Gütesiegel Servicequalität in drei Stufen. Die Bedeutung des Qualitätsgedankens ist fest in das Landestourismuskonzept integriert. Die Optimierung der Qualität und Qualifizierung ist eines der fünf Handlungsfelder des Konzepts.

Wir sind davon überzeugt, dass der bisher beschrittene Weg richtig ist, und geben mit unserem Antrag auch für die kommenden Haushaltsberatungen ein Signal, dass diese Qualitätsoffensive konsequent fortgesetzt werden soll. Die Klassifizierung von Hotels, Gästehäusern, Pensionen, Campingunternehmen, Sportboothäfen, der Zertifizierung „i-Marke“ mit 15 Mindestkriterien, dem DLG-Gütezeichen „Urlaub auf dem Bauernhof“ oder „Landurlaub“, dem Zertifikat „Bett & Bike“, der Umweltdachmarke „Viabono - Reisen natürlich genießen“, dem Qualitäts- und Umweltsiegel im Kanutourismus und der „Gelben Welle“ machen die Breite und Vielfalt der Qualitätsmanagementsysteme deutlich. Unternehmen, die sich diesem Wettbewerb stellen, bieten dem Gast verlässliche Qualitätsmerkmale und können nachweislich höhere Umsätze erwirtschaften. Wer an Qualität denkt, denkt zuerst an Freundlichkeit, Offenheit und Hilfsbereitschaft dem Gast gegenüber. Das sind wichtige persönliche Eigenschaften, die jeder mitbringen müsste, der im Tourismus tätig ist.

Qualität erfordert zusätzlich vor allem eines: viel Wissen. Bei der Orientierung auf den Radtourismus, den Gesundheits- und Wellnesstourismus sowie auf den internationalen Tourismus sind Sprachkenntnisse, fachliche Nachweise und umfassendes Verständnis für die spezifischen Wünsche des Gastes und natürlich die Kenntnisse über aktuelle Angebote der Region notwendig.

Ich will es verdeutlichen: Ein Campingunternehmer in Potsdam hatte einen Gast aus Japan. Dieser sprach kein Englisch, war jedoch sehr bemüht und wollte einen Zeltplatz mieten. Er wollte mit dem Fahrrad dort Urlaub machen bzw. zumindest einen 3-Tage-Stopp einlegen. Auch diesen Gast gut zu bedienen und ihm die Wünsche im wahrsten Sinne des Wortes von den Augen abzulesen ist dann natürlich - ohne die nötigen Japanisch-Sprachkenntnisse - die Herausforderung.

Qualität ist ohne Wissen bzw. ohne Qualifizierung nicht möglich. Daher brauchen wir die geschaffene Tourismusakademie und die Bereitschaft der kleinen und mittelständischen Tourismusakteure, in Qualität zu investieren. Bisher haben sich nur wenige Unternehmen für die Stufe 1 entschieden. Viele scheuen die Kosten einer weiteren Zertifizierung. Diesbezüglich kann Politik unterstützen. Wir schlagen vor, dass mit dem Gütesiegel Servicequalität zertifizierte Unternehmen einen klaren Vorteil bei der Inanspruchnahme von Fördermitteln erhalten. Diese Vorrangstellung ist gerechtfertigt, weil höhere Qualität zwangsläufig mit höherer Wettbewerbsfähigkeit einhergeht und bei einer entsprechenden Strategie zur Stabilisierung des Unternehmens beitragen kann. Qualität bedeutet mehr Umsatz und Wachstum in einer unserer zukunftsreichsten Branchen. Ich freue mich auf die gemeinsame Diskussion zur Neuorientierung bei den Reisegebietsstrukturen. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herzlichen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE erhält der Abgeordnete Christoffers das Wort. - Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, den Geräuschpegel ein wenig zu senken.

(Dr. Klocksin [SPD]: Wir freuen uns schon so sehr auf die Buletten!)

- Das ist mir völlig klar.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, dass ich die Begeisterung meiner Kollegin Frau Hackenschmidt, die ich sehr schätze, über die Anträge nicht teile.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Das war mir klar!)

Des Weiteren gehe ich davon aus, dass der Minister für Wirtschaft über einen Antrag nicht sehr erfreut sein wird, und zwar über den Antrag zur Breitbandversorgung mit DSL.

(Schulze [SPD]: Etwas mehr Begeisterung können wir uns wünschen!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit dem Antrag „Optimierung der Reisegebietsstrukturen im Tou

rismus“ beginnen. Die Diskussion über Reisegebietsstrukturen gibt es im Land bereits seit Existieren des Landes Brandenburg. Es gab schon vielfältige Varianten von Reisegebietsstrukturen.

In den letzten Jahren haben wir aus meiner Sicht eines richtig gemacht: Wir sind auch als Land massiv dazu übergegangen, regionenübergreifend themenbezogene touristische Ziele anzubieten. Diesbezüglich denke ich an WIN - Wasserinitiative Nord -, an den Industrietourismus und den Kulturtourismus. Das alles hat mit einzelnen Reisegebieten nichts zu tun. Reisegebiete bestehen aus einzelnen Städten oder Regionen, die versuchen, die Zusammenarbeit zwischen Akteuren und Tourismus zu organisieren.

Das Problem besteht darin, dass es seit Mitte der 90er Jahre keine institutionelle Förderung von Reisezielgebieten mehr gibt. Demnach hat das Land keinen Einfluss. Das Einzige, was wir machen können - Frau Hackenschmidt, deswegen haben wir den Antrag gestellt -, ist, Akteure zu unterstützen, damit sie in Kooperation und Begleitung gemeinsam vorangehen können. Dagegen können wir Folgendes nicht machen: einen Antrag beschließen, der in kommunale Hoheiten eingreift und den Minister auffordert, einen Bericht über etwas vorzulegen, was er nicht leisten kann, weil er darauf keinen Einfluss hat.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Es wäre schön, wenn Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, unserem Änderungsantrag zustimmen würden; denn er entspricht der Realität, nämlich so, wie sich die Reisezielgebiete darstellen.

Als ich den zweiten Antrag - Qualitätsoffensive - gelesen habe, musste ich ein wenig schmunzeln. Nicht, dass Qualität im Tourismus keine Rolle spielen würde, ganz im Gegenteil! Das Problem besteht nur darin, dass Sie den Minister auffordern, etwas konsequent umzusetzen, was mit der Tourismuskonzeption gerade erst beschlossen wurde. Vielleicht meinen Sie, die Landesregierung ermutigen zu müssen, ihren eigenen Beschluss umzusetzen. Das ist möglicherweise Ihr Problem, aber nicht meines. Wenn Sie wenigstens formuliert hätten „weiter umzusetzen“, dann hätte man daraus eine positive Nachricht machen können, aber so muss ich davon ausgehen, dass Sie mit der Umsetzung in höchstem Maße unzufrieden sind. Diese Einschätzung stimmt in meinen Augen mit der Wirklichkeit allerdings nicht überein; in dieser Frage muss ich den Minister einmal in Schutz nehmen.

Zur Tourismusakademie, die die Zertifizierung vornimmt, möchte ich daran erinnern, dass Sie deren Förderung eingestellt haben. Alle Anträge, die meine Fraktion und insbesondere Herr Domres in den Haushaltsberatungen gestellt haben und die Deckungsvorschläge aufwiesen, haben Sie abgelehnt.

Nun stellt sich die Frage: Was bezwecken Sie mit dem Antrag? Ist das ein Vorgriff auf die Haushaltsberatungen 2008/2009? Wollen Sie den Minister auffordern, die institutionelle Förderung der Tourismusakademie wieder aufzunehmen, um das Qualitätssiegel im touristischen Leben massiver zu verankern und damit die Möglichkeit zu schaffen, mit Qualität zu werben? Oder verfolgt der Antrag den Zweck, den Minister aufzufordern, seine eigenen Beschlüsse umzusetzen? Diese Notwendigkeit sehe ich nicht.