Protocol of the Session on June 7, 2007

Ich meine nicht nur die 135 000 Mini- und Midijobber sowie die 55 000 Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnsektor, sondern auch die massive Ausweitung der Zeit- und Leiharbeit in Brandenburg.

Zeitarbeit - ursprünglich initiiert, um Produktionsspitzen in Unternehmen abzufangen - ist inzwischen zur Regel geworden und ersetzt immer mehr die reguläre Beschäftigung. Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Leiharbeiter in Brandenburg auf nahezu 25 000. Drei Viertel dieser Beschäftigten arbeiten für Löhne, die deutlich unter denen der Stammkräfte liegen. Verkleistern Sie sich und uns nicht die Sicht mit dem Argument, dass Zeitarbeit eine Brücke in die reguläre Beschäftigung sei! Das kommt mitunter vor, ist jedoch eine Ausnahme. Die Gegenbewegung ist eindeutig. Die BA hat dies mit den letzten Arbeitsmarktzahlen auch bestätigt. Wir fordern Sie deshalb auf, aktiv zu werden, damit das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ wieder gilt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herr Ministerpräsident, dies könnte zum Beispiel über eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, das durch die „Hartz“-Gesetze massiv ausgehöhlt wurde, erfolgen. Herr Ministerpräsident, möglicherweise unterstützen Sie damit Ihren sozialdemokratischen Oppositionsführer Heiko Maas, der diese zentrale Forderung unlängst erhoben hat.

Meine Damen und Herren, der derzeitige Aufschwung geht an den meisten Langzeitarbeitslosen in Brandenburg vorbei; Herr Müller, das ist richtig. Während die Zahl der ArbeitslostengeldI-Empfänger innerhalb des letzten Jahres um ein Viertel zurückging, sank die Zahl der Arbeitslostengeld-II-Empfänger nicht dementsprechend. Anstatt den Aufschwung tatsächlich auf eine breite Basis zu stellen, damit auch die Langzeitarbeitslosen daran partizipieren können, sind die Eingliederungsmittel des Bundes, Herr Müller, dieses Jahr um ca. 30 Millionen Euro gekürzt worden. Gleichzeitig werden die Überschüsse der BA, die aus dem Rückgang der Zahl der Arbeitslosengeld-IEmpfänger resultieren, nicht für zusätzliche beschäftigungspolitische Maßnahmen wie dringend notwendige Weiterbildungen und Qualifizierungen von Langzeitarbeitslosen eingesetzt.

Momentan erhalten im statistischen Durchschnitt nur zwei von 100 langzeitarbeitslosen Brandenburgern eine Qualifizierung. Gleichzeitig wird über fehlende Fachkräfte gesprochen - das haben auch Sie getan. Diese rückläufige Fort- und Weiterbildung von Arbeitslosen ist von der Bundespolitik zu verantworten, die Sie in diesem Haus sehr oft gelobt und verteidigt haben. Aber genau diese Politik verhindert, dass der Aufschwung auf eine breite Basis gestellt wird.

Herr Kollege Baaske, in Ihrer Presseerklärung zu den jüngsten Arbeitsmarktzahlen stellten Sie das Regionalbudget als das zentrale Instrument dar, um die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Angesichts der finanziellen Ausstattung dieses Budgets von durchschnittlich 1 Million Euro pro Kreis ist es wirklich mehr als fraglich, ob Sie diese gewünschte Wirkung erreichen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Regionalbudget ist von Ihnen gnadenlos überfrachtet worden und soll neben der Betreuung der Langzeitarbeitslosen die

Integration der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt ermöglichen, einen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten, regionalspezifische Branchenschwerpunkte profilieren, zur Akteursvernetzung in den Regionen beitragen, diejenigen fördern, die keine Leistungen beziehen, die Weiterführung abgelegter Projekte dieser Landesregierung ermöglichen und nun auch noch die Bürgerarbeit realisieren. Das zeigt, wie immens die Überfrachtung ist.

Wenn Sie Ihrem eigenen Anspruch, den Aufschwung auf eine breite Basis zu stellen, gerecht werden wollen, dann sorgen Sie, wie es Ihr Kollege Schulze - schade, dass er heute nicht da ist in einem Antrag in seinem SPD-Unterbezirk eingebracht hat, dafür, dass die öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnisse deutlich ausgeweitet werden. Sie haben - und das ist schade - unseren entsprechenden, durchgerechneten Vorschlag unlängst abgelehnt.

Sehr geehrter Herr Kollege Baaske, in der Begründung zur Aktuellen Stunde führten Sie aus, dass es Zeit für den gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland sei. Sie haben Recht. Aber wir fragen uns, warum Sie nicht dementsprechend handeln. Sie verstecken sich sowohl hier als auch in Berlin hinter der Koalitionsdisziplin, die Sie immer anführen. Wer aber als Partner in einer Regierung gegen die Politik des Partners Unterschriften sammelt, hat die Koalitionsfrage doch schon gestellt. Oder?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Sie brauchen dieses Thema für die nächste Bundestagswahl. - Hören Sie auf zu taktieren und nutzen Sie die Mehrheiten sowohl hier im Brandenburger Landtag als auch im Bundestag für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Denn ich glaube, es ist Zeit dafür.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, die im Mindestlohn ein süßes Gift sehen, erkundigen Sie sich bitte einmal bei Ihren Bremer Unionsfreunden! Im Bremer Wahlkampf erweckte Ihre Partei mit einem Plakat Aufsehen. - Herr Präsident, Sie haben gesagt, die Sitzung sollte etwas bunter werden. - Ich habe es mitgebracht.

(Der Abgeordnete Görke [Die Linkspartei.PDS] zeigt dem Präsidenten ein Plakat.)

Es spricht für sich und zwar eine deutliche Sprache: CDU für eine Mindestlohngrenze.

(Der Abgeordnete Görke [Die Linkspartei.PDS] zeigt den Abgeordneten das Plakat. - Beifall bei der Linkspartei.PDS sowie allgemeine Unruhe)

In diesem Sinne hoffe ich und hoffen Tausende Brandenburgerinnen und Brandenburger, dass Sie endlich Ihre Blockadepolitik aufgeben. Weiterhin hoffe ich, dass wir nicht bis zum Wahltag im Jahr 2009 warten müssen, bis Sie so ein Plakat hier in Brandenburg aufhängen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Lunacek.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben in Deutschland derzeit eine hervorragende Entwicklung. Die Schlagzeile der letzten Wochen lautete: Nachhaltige Belebung am Arbeitsmarkt - die niedrigste Arbeitslosenzahl im Mai seit elf Jahren. Das können wir zur Kenntnis nehmen.

Dieser Aufschwung hält nun schon seit mehr als einem Jahr an. Wir konnten die Arbeitslosigkeit in Brandenburg im Mai wieder deutlich auf inzwischen 15 % senken. Das ist der seit elf Jahren niedrigste Stand der Arbeitslosigkeit im Mai in Brandenburg. Was für die Einschätzung der wirklichen Wirtschaftsentwicklung und damit auch für den Erfolg oder Misserfolg der Regierung jedoch wichtig ist, ist die Tatsache, dass nicht nur die Zahl der Arbeitslosen sinkt, sondern gleichzeitig die Anzahl der Arbeitsplätze steigt. Das ist das Entscheidende. Wir haben nicht etwa geringere Arbeitslosenzahlen, weil Menschen aus Brandenburg wegziehen, sondern weil wir in Brandenburg wirklich mehr Arbeitsplätze haben. Wir haben 30 000 Arbeitsplätze mehr als im Mai letzten Jahres. Das ist ein echter Erfolg.

Die nackten Zahlen sind das eine. Das andere ist die wichtige Frage, was das für die Menschen bedeutet. Für 30 000 Bürgerinnen und Bürger im Land Brandenburg bedeutet das Arbeit, Lohn, Einkommen und das Gefühl, gebraucht zu werden. In fast allen gesellschaftlichen Bereichen entwickelt sich ein Gefühl, dass es in Brandenburg wieder aufwärts geht. Das merken Unternehmer wie auch Arbeitnehmer.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Normalerweise hat der Erfolg viele Väter. Hier hat er insbesondere eine Mutter, und die heißt Angela Merkel.

(Oh! bei der Linkspartei.PDS - Beifall bei der CDU - Anhaltende allgemeine Heiterkeit)

Der Bundesregierung wird Vertrauen in eine solide Politik und Stabilität entgegengebracht. Aber auch die Landespolitik hat ihren Anteil an der Entwicklung. Die Tatsache, dass wir in den letzten zwölf Monaten den höchsten Arbeitsplatzzuwachs aller Bundesländer haben, zeugt vom Erfolg der Landesregierung, vom Erfolg des Wirtschaftsministers Ulrich Junghanns und der Regierung Platzeck.

(Beifall bei der CDU)

Die Koalition hat in dieser Wahlperiode frühzeitig die Weichen für mehr Wachstum gestellt, und es liegt ganz klar auf der Hand, in welchen Bereichen große Herausforderungen auf uns zukommen: Ein Bereich umfasst die Bevölkerungsentwicklung, den Wegzug der Menschen aus den ländlichen Bereichen sowie den Zuzug im Speckgürtel rund um Berlin. Die andere große Herausforderung ist der Rückgang der Aufbau-OstMittel sowie der perspektivische Rückgang der EU-Mittel.

Deshalb haben wir bereits vor zweieinhalb Jahren im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass die Fördermittel künftig auf vorhandene Kompetenzfelder zu konzentrieren sind. Außerdem haben wir uns zum Ziel gesetzt, die besonderen Chancen der Hauptstadtregion zu nutzen. Diese Politik greift nun. Sie zeigt

Erfolge. Der Zuwachs an Arbeitsplätzen in Brandenburg ist überdurchschnittlich, und darauf können wir stolz sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Die Koalition hat wirtschaftliches Wachstum für mehr Beschäftigung zur wichtigsten Aufgabe im Land erklärt. Alle Ressorts der Landesregierung arbeiten für dieses Ziel. In den ausgewiesenen Wachstumskernen im Land besinnt man sich auf die eigenen Stärken. Mit der konzentrierten Landesförderung wird die Entwicklung dort mit aller Kraft vorangetrieben. Sie ist inzwischen so gut, dass ein anderes Problem deutlich wird: der Fachkräftemangel. Bei Besuchen von Unternehmen hier im Land höre ich immer öfter von diesem Problem. Man sucht gut qualifizierte, gut ausgebildete Mitarbeiter, insbesondere Ingenieure im Elektrobereich, Techniker, Ingenieure im Maschinenbau und zum Beispiel Schweißer. Die Unternehmen suchen gut ausgebildete Fachkräfte. Und Fachkräftemangel ist eine echte Wachstumsbremse. Denn wenn eine Ingenieurstelle nicht besetzt werden kann, heißt das, dass auch in anderen Bereichen Arbeitsplätze mit geringerer Qualifikation nicht entstehen können.

Gleiches trifft auch auf die Besetzung von Lehrstellen zu. In der Lausitz sind kurz vor Schuljahresende noch mehr als 1 700 Lehrstellen unbesetzt, obwohl es insgesamt zahlreiche Bewerber gibt. Das zeigt, dass bessere Qualifikationen gefragt sind. Deshalb ist Bildung und Ausbildung einer der zentralen Bereiche.

Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass ich überhaupt nicht glücklich darüber bin, dass die Anzahl der Leistungs- und Begabungsklassen in Brandenburg derart begrenzt ist. Wir haben gestern gehört, dass nur 33 Schulen im Land Leistungs- und Begabungsklassen einrichten konnten. Nicht etwa, weil nicht mehr Bedarf besteht, sondern weil es politisch nicht möglich ist, mehr solcher Klassen einzurichten. 1 500 junge Menschen haben sich für eine Leistungs- und Begabungsklasse beworben, aber nur 900 konnten wirklich in den Genuss einer solchen speziellen Begabungsförderung kommen. Meine Damen und Herren, ich meine, wir sollten in den nächsten Monaten und im nächsten Jahr ernsthaft überlegen, hier noch etwas nachzustellen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Es gibt Landkreise wie den Elbe-Elster-Kreis oder Oberhavel, in denen gar kein Kind die Möglichkeit hat, in zumutbarer Entfernung eine solche Klasse für besondere Förderung zu besuchen. Da können wir zu den Eltern nicht einfach sagen: „Pech gehabt!“, sondern wir müssen ihnen ein Angebot machen. Deshalb lassen Sie uns hier eine ideologische Grenze überwinden und sagen: Wir machen das für eine bessere Bildung unserer Kinder und letztlich für mehr Wachstum und Erfolg im Land Brandenburg.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, als Letztes möchte ich über das Thema Langzeitarbeitslosigkeit sprechen. Es ist hier schon einmal zur Sprache gekommen. Wir haben bei der Entstehung neuer Arbeitsplätze einen wirklichen Erfolg zu verzeichnen. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Aber die Anzahl der Langzeitarbeitslosen ist nach wie vor außerordentlich hoch, und wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie kaum sinkt. Wir müssen

zur Kenntnis nehmen, dass es Menschen gibt, die seit vielen Jahren arbeitslos und in vielen Fällen älter sind, die mehrfache, zum Beispiel gesundheitliche Benachteiligungen aufweisen oder eine zu geringe Qualifikation haben, die also nach menschlichem Ermessen auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum eine Chance haben.

Deshalb forcieren wir ganz nachdrücklich das Modell Bürgerarbeit. Es gibt die Regionalbudgets in den Kreisen. Eine ganze Reihe von Kreisen möchte auch das Modell Bürgerarbeit umsetzen. Wir haben vor wenigen Monaten im Landtag einen Beschluss gefasst, dass wir die Bürgerarbeit wollen. Ich glaube, wir sollten diesen Menschen damit eine Chance geben. Staatssekretär Pleye im Wirtschaftsministerium in Sachsen-Anhalt war vor wenigen Tagen bei uns in der Fraktion und referierte darüber, wie Bürgerarbeit in Sachsen-Anhalt umgesetzt wird. Man hat in Sachsen-Anhalt sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Menschen, die sehr lange arbeitslos sind, Menschen, die kaum eine Chance haben, werden in einem mehrstufigen Verfahren für den ersten Arbeitsmarkt besonders fit gemacht. Wenn das nicht greift, dann werden sie für 30 Stunden pro Woche in Bereichen beschäftigt, wo sie keine Unternehmen vom Markt drängen, zum Beispiel in Vereinen, bei Kirchen, für Hausmeistertätigkeiten etc. Sie bekommen dafür 700 bis 900 Euro, also so viel Geld, wie sie ohnehin vom Staat bekommen würden. Aber sie arbeiten dafür, sie werden gebraucht. Sie kommen nach Hause und sind stolz darauf, etwas geleistet zu haben.

Deshalb mein Appell an die Landesregierung: Lassen Sie uns ernst machen mit der Bürgerarbeit! Und wenn das gut funktioniert - in Sachsen-Anhalt macht man diese Erfahrung -, dann muss sich auch auf Bundesebene einiges ändern. Die öffentliche Hand gibt dafür praktisch nicht mehr Geld aus als jetzt ohnehin, aber die Menschen sind dafür tätig und haben Erfolg. Lassen Sie uns in diesem Sinne weiter an einer guten Entwicklung arbeiten! - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Für die DVU-Fraktion spricht die Abgeordnete Hesselbarth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“ Der berühmte Schlusssatz aus allen Märchen der Gebrüder Grimm passt auch zu dem von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPDFraktion, heute im Rahmen einer Aktuellen Stunde thematisierten sogenannten Aufschwung in Brandenburg.

(Schulze [SPD]: Sie müssen es wissen. Es ist ja Ihr Par- teiprogramm!)

Überhaupt ist der sogenannte Aufschwung seit Wochen beherrschendes Thema in den Medien. Von mehr als 2 % Wachstum ist die Rede und von einer Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Die „Bild“ titelte kürzlich mit dem Aufmacher: „Endlich Aufschwung in Berlin und Brandenburg“.

(Schulze [SPD]: Jetzt wissen wir, welche Zeitung Sie lesen!)

- Die lesen Sie doch auch!