Protocol of the Session on April 26, 2007

(Frau Schulz [CDU]: Das nennt man Ermessen!)

In diesem Sinne entsprechen wir den Wünschen der PAGA Potsdam, und deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Debatte angelangt. Wer neben Herrn Görke dem Wunsch der PAGA Potsdam entsprechen möchte und diesem Antrag zustimmt, der hebe bitte die Hand. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 13 und rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Brandenburg und Deutschland brauchen Mindestlöhne

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/4431

Wir beginnen wiederum mit dem Beitrag der Fraktion der Linkspartei.PDS, den uns der Abgeordnete Görke nahebringt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion legt Ihnen heute einen Antrag zum gesetzlichen Mindestlohn vor, der mittlerweile von zwei Dritteln der Deutschen gefordert wird. Auch in Brandenburg wird der Zustimmungsgrad sicherlich nicht geringer sein.

Der Antragstext stammt, wie Sie sicherlich gemerkt haben, aus der Feder der Sozialdemokraten und wurde am 26. März in Form einer Unterschriftenaktion veröffentlicht. Wir freuen uns, dass Sie, meine Damen und Herren, offensichtlich da angekommen sind, wo wir seit Jahren mit unserer Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn stehen.

Noch 2003 wurde die von uns vertretene Forderung von Ihnen, meine Damen und Herren der SPD, noch als undurchsetzbare linke Vision abgetan. Auch im Jahre 2004 war das noch nicht anders. So lehnte der damalige Bundeskanzler Schröder noch im November des Jahres 2004 auf dem Arbeitgebertag in Berlin einen gesetzlichen Mindestlohn mit der Begründung ab:

„Die Folgen einer gesetzlichen Mindestlohnregelung sind völlig unbeherrschbar.“

Herr Baaske, wenn Sie übrigens jetzt behaupten, Sie seien schon immer für einen gesetzlichen Mindestlohn gewesen, dann haben Sie damals Ihre Position gegenüber dem Ex-Kanzler Schröder und der Öffentlichkeit sicherlich geschickt verborgen.

Es war in den letzten Tagen zu lesen, die SPD will ihre Unterschriftenkampagne vom 26. März für einen gesetzlichen Mindestlohn, die sie da gestartet hat, um den 1. Mai herum noch einmal so richtig anfachen. Ich zitiere:

„Um den 1. Mai herum geht die Kampagne richtig los.“

Sie müssen der interessierten Bürgerschaft und Öffentlichkeit aber einmal verbindlich erklären, was Sie in puncto Mindestlohn wirklich wollen. Im vergangenen Vierteljahr trieben Sie fast in Wochenfrist neue Mindestlohnansätze durchs Dorf. - Sie nehme ich da wirklich aus, Frau Ministerin Ziegler, aber ich komme auch noch einmal auf Sie zurück.

Beginnen wir mit der Bremer Erklärung und dem Vorschlag, Steuergutschriften für niedrig bezahlte Jobs zu installieren. Der Inhalt: Der Staat und letztendlich der Steuerzahler sollte die Lohnzahlungen für die Unternehmen leisten und die Differenz zum existenzsichernden Mindestlohn übernehmen.

Aber kaum verkündet, wird von Ihrer Partei ein neuer Vorschlag an der Mindestlohnfront unterbreitet mit der Botschaft, dass Löhne, die 20 bzw. 30 % unterhalb der tariflichen ortsüblichen Löhne liegen, für sittenwidrig zu erklären sind. Jeder weiß aber, dass das Verbot von sittenwidrigen Löhnen die Situation vieler Niedriglohnempfänger - auch in Brandenburg nicht verbessern würde.

So stehen Niedriglöhne im ostdeutschen Handwerk, speziell im Friseurhandwerk - oder nehmen wir doch einmal unseren Wachdienst hier im Hause -, im Einklang mit einem Tarifvertrag und wären demnach nicht sittenwidrig.

Noch einmal deutlich gesagt: Über das Verbot sittenwidriger Minilöhne lässt sich ein existenzsicherndes Arbeitseinkommen nicht gewährleisten. Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass das nur über einen Mindestlohn geht.

Wahrscheinlich ist Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren der Sozialdemokratie, von den Gewerkschaften noch einmal ins Gewissen geredet worden, auch mit Erfolg, wie man sehen konnte, sodass der brandenburgische Ministerpräsident und SPD-Vorsitzende am 26. März zu den Erstunterzeichnern der Kampagne gehört hat.

Das mag zwar strategisch klug sein, um verlorenes Vertrauen bei den Beschäftigten oder bei den Gewerkschaften im Vorfeld des 1. Mai zurückzugewinnen, aber glaubwürdig ist das nicht. Kaum hatte auch diese Kampagne richtig begonnen, gab es schon wieder neue Vorstellungen zum Mindestlohn. So unterbreitete der Ministerpräsident am 4. April in der „Süddeutschen Zeitung“ den Vorschlag, einen nach regionalen Gesichtspunkten gestaffelten Mindestlohn anzustreben. Mit anderen Worten: Das ist eine neue regionale Unter-Unter-Grenze.

Eine Partei, die mit einer Kampagne für Mindestlöhne in Deutschland wirbt, Unterschriften sammelt und gleichzeitig regionale Abschläge im Auge hat, erweckt zwar den Eindruck großer Kreativität, muss sich aber fragen lassen, was sie wirklich will. Wir wollen Ihnen mit unserem heutigen Antrag eine richtungweisende Unterstützung geben, die Sie wahrscheinlich benötigen.

Auch wenn die SPD in ihrem Aufruf das kleine, aber wichtige Wort „gesetzlich” vor „Mindestlohn” nicht platziert hat, sind wir bereit, ihn zu unterstützen - wie jede Aktivität, die sich gegen Lohndumping richtet. Wir sind der Auffassung - ich hoffe, das ist Konsens in diesem Haus -: Wer Vollzeit arbeitet, soll auch fair entlohnt werden.

Verehrte Sozialdemokraten, so einfach wie heute hatten Sie es lange nicht, einem Antrag der Opposition zustimmen zu können; denn es ist Ihr Antrag, den wir für Sie heute gestellt haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Es spricht Herr Abgeordneter Baaske.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Thema „Mindestlohn” war ich zum ersten Mal konfrontiert, als ich Sozialdezernent in Potsdam-Mittelmark wurde. Nach ein paar Wochen Amtszeit habe ich mir die entsprechende Statistik geben lassen und diese mit meinen Mitarbeitern ausgewertet. Wir konnten feststellen, dass es - bei einer relativ geringen Zahl von Sozialhilfeempfängern - 20 Menschen gab, die den ganzen lieben Tag lang arbeiten gingen und dafür - ich weiß es nicht mehr genau - 3,50 oder 4,00 DM erhielten. Davon sollten sie leben. Das konnten sie natürlich nicht. Deshalb sind sie anschließend zum Sozialamt gegangen und haben gesagt: Wir wollen wenigstens so viel haben, als wenn wir Sozialhilfe bekämen.

Ich war damals naiv. Ich habe nämlich die Unternehmer angerufen und ihnen gesagt: Was bildet Ihr Euch ein! Warum sollen wir mit öffentlichem Geld das bezahlen, was Ihr den Leuten nicht gebt? - Daraufhin habe ich viel Ärger bekommen, unter anderem mit den Kammern. Seitdem verfolge ich sehr intensiv das Projekt „Mindestlohn”, Herr Görke, ich muss aber zugeben: mit unterschiedlichen Mehrheiten in dieser Republik. So war das nun einmal. Sie haben vorhin gesagt, wir hätten unterschiedliche Angebote gemacht. Das waren Angebote an die Verhandlungspartner, um wenigstens ein Stück weit voranzukommen. Nicht wir haben für uns unterschiedliche Standards vereinbart, sondern es waren unterschiedliche Angebote.

Wo stehen wir heute? Allein in Brandenburg sind 26 000 Menschen in Vollzeit beschäftigt, die dennoch die ARGEn oder Optionskommunen mit der Bitte aufsuchen: Gebt mir wenigstens so viel Geld wie einem Hartz-IV-Empfänger!

In Deutschland erhalten ungefähr 500 000 Menschen aufstockende Hilfe. Rund zweieinhalb Millionen Menschen haben trotz Vollbeschäftigung so geringe Verdienste, dass sie unter

der Pfändungsgrenze liegen. Der Handlungsbedarf ist zweifelsohne riesig.

Wir sind hier auf gutem Wege und werden schon im Rahmen des Entsendegesetzes tätig, so für das Bau- und Reinigungsgewerbe. Den 26 000 Menschen, die in Brandenburg aufstockende Hilfe erhalten, wird es aber kein Jota helfen. Das wird so nicht funktionieren. Deshalb plädiere ich für einen einheitlichen Mindestlohn in dieser Republik - diese Vision tragen wir in uns; für ihre Verwirklichung kämpfen wir -; ich sage sehr deutlich: „in dieser Republik”, nicht „in diesem Land”.

(Beifall bei der SPD)

Damit wollen wir eine moralische Untergrenze einziehen, die jeder kennt und von der jeder weiß, wie hoch sie ist, über die man in der S-Bahn, in der U-Bahn und beim Friseur spricht. Jeder, der nur eine Summe X erhält, die unterhalb des Mindestlohns liegt, wird dann von einem anderen zu hören bekommen: Das ist unmoralisch! Dafür musst du nicht arbeiten! - Dahin wollen wir kommen. Das ist unsere Zielrichtung.

Wenn Sie behaupten, wir eierten herum, dann kann ich Ihnen nur entgegnen: Wo sind denn die 8 Euro in Ihrem Antragstext? Angefangen haben Sie mit 6,50 Euro; jetzt sind sie bei 8 Euro.

Ich habe mich sehr gefreut, als das Thema 2002/2003 wieder aufgerufen wurde. Franz Müntefering hat es auf die Tagesordnung gesetzt. Hinsichtlich der Umsetzung gab es damals Probleme mit den Gewerkschaften. Das kann ich auch verstehen. Die Gewerkschaften hatten große Angst davor, dass die Tarifautonomie - ein hohes Gut - leidet. Ich kann akzeptieren, dass sich die Gewerkschaften insoweit Sorgen machen. Also sind wir damit sehr vorsichtig umgegangen.

Heute ist die Position eine andere. Ich freue mich, dass es gelingen wird - ich bin zumindest zuversichtlich -, einen Mindestlohn in Deutschland zu etablieren, der die Tarifautonomie nicht antastet. Ich bin jedem dankbar, der ehrlich seinen Beitrag dazu leistet und zum Beispiel mit uns zusammen Unterschriften sammelt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Fraktion der Linkspartei.PDS, ich komme konkret zu Ihrem Antrag. Liebe Frau Kaiser, erstens wissen Sie ganz genau, dass wir in Brandenburg einen Koalitionsvertrag haben, in dem festgelegt ist, dass wir nicht mit wechselnden Mehrheiten abstimmen. Sie haben erst heute Morgen wieder aus dem Koalitionsvertrag zitiert. Das ist Ihnen also bekannt.

Zweitens wissen Sie genau, dass die CDU im Bund und im Land Brandenburg gegen Mindestlöhne ist, jedenfalls in der Form, wie ich sie gerade beschrieben habe, und dass die SPD dafür ist.

(Jürgens [Die Linkspartei.PDS]: Ist das unser Problem?)

Sie wissen zum Dritten, dass über diese Frage letztendlich nicht in Brandenburg, sondern auf Bundesebene entschieden wird.

(Beifall bei der SPD)

Dennoch wollen Sie mit Ihrem Antrag den Menschen in unserem Land einreden, wir Sozialdemokraten brauchten nur die

Hand zu heben, und übermorgen hätten wir Mindestlöhne in Deutschland oder wenigstens in Brandenburg. Ich gehe davon aus, dass die Menschen das erkennen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Nein, ich bin erst bei Punkt 6; zwölf Punkte habe ich mir aufgeschrieben. Danach habe ich vielleicht schon gesagt, was Sie wissen wollen.

(Lachen bei der Linkspartei.PDS)

So weit reicht Ihre Redezeit nicht mehr. Sie beträgt noch eine halbe Minute.

Ich will deutlich sagen: Es ist durchaus denkbar, dass eine Opposition versucht, Keile in eine Koalition zu treiben. Das kann man verstehen. Natürlich gefällt es Ihnen von der Linkspartei.PDS wunderbar, wenn Sie die Uneinigkeit in der Koalition öffentlich darstellen können. Aber Sie sollten sich gut überlegen, bei welchem Thema Sie so vorgehen. Ich hatte heute Morgen zwei Schülergruppen zu Besuch; Kollege Bernig war jeweils dabei. Wir haben über die entsprechende Thematik diskutiert. In jeder dieser Schülergruppen hat sich wenigstens ein Schüler gemeldet: Herr Bernig, wenn die Situation so ist, wie sie ist, und auch Sie den Mindestlohn wollen - warum treten Sie in dieser Frage der SPD ins Kreuz? - Auf die Antwort kann man noch warten.