Ich möchte noch einige wenige Beispiele zeigen, um Ihnen deutlich zu machen, dass wir uns hierbei in einer breit geführten Diskussion bewegen.
„Wenn sie hier auf Dauer leben wollen, wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit wollen, dann müssen sie am Schluss sagen, sie sind Deutsche.“
„Das endet am Schluss in geschlossenen Siedlungsgebieten mit doppelten Ortsschildern. Das wollen wir nicht.“
Ich denke, das wollen wir vielleicht gemeinsam nicht. Es gibt manche, die den deutschen Pass, aber nicht Deutsche sein wollen. Dagegen wehre ich mich und dann sage ich dazu etwas.
Selbst der Fundamentalgrüne Jürgen Trittin erklärt in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 21.11., er habe seine verniedlichende Sicht von Multikulti abgelegt. Es ist also ein Lernprozess allerorten.
Von den Personen, von denen die Zitate stammen, unterscheidet mich nur ein Punkt: Ich vertrete diese Position seit 1997/98 und ansonsten kann ich alles, was ich vorgetragen habe, nur unterschreiben. Ich sage Ihnen: Wenn all das, was hier gesagt wurde, umgesetzt ist, haben wir eine Integration durch gemeinsame Anstrengungen aller Betroffenen erreicht, und zwar in unsere Verfassung und Lebensordnung.
Das meinte ich mit dem Begriff Leitkultur, über den Sie sich so aufregen. Ich werde diesen Begriff auch hier nicht verwenden. Da diese Zeitung von Ihnen vielleicht nicht gelesen wird, möchte ich aber auf einen Artikel aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von einem Majid Sattar - der Name klingt nicht deutsch; vielleicht ist er trotzdem
„Warum ein türkischer, arabischer oder serbischer Einwanderer, der vorhat, in Deutschland zu bleiben und eine Familie zu gründen, es als kulturelle Vergewaltigung empfinden müsse, sich mit Adenauers Westintegration, Brandts Ostpolitik oder Kohls Europapolitik zu identifizieren, will nicht recht einleuchten. Das würde ihn nicht davon abhalten, das Ende des Ramadan oder das Weihnachtsfest nach orthodoxer Liturgie zu feiern.“
Am Schluss sagt er - das halte ich für außerordentlich wichtig, weil Sie in Ihrer Anfrage den Begriff Toleranz eingeführt haben - :
„Kulturelle Toleranz kann nur derjenige üben, der auf dieser Welt verortet ist. Anything goes - so viel ist heute klar - ist Gleichgültigkeit und Fahrlässigkeit zugleich. Darum geht es.“
In Ihrer Anfrage haben Sie die Begriffe Weltoffenheit, Toleranz und Demokratie genannt. Ich möchte hinzufügen: Freiheit und Menschenwürde. Auch diese Begriffe gehören in diesen Kontext. Das wird oft vergessen. Dies sind die zentralen Werte der europäischen Aufklärung und die Inhalte unserer Verfassung. Ich habe in Erinnerung gerufen, dass sie die Grundlagen unseres gesellschaftlichen Miteinanders sind und in Deutschland auch bleiben werden.
Nur wer sich uneingeschränkt zu Weltoffenheit, Toleranz, Demokratie, Freiheit und Menschenwürde bekennt, kann in unserer Gesellschaft leben. All dies drückt sich in unserem Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ aus. Insofern ist die Forderung an die Zuwanderer, diese Werte der europäischen Aufklärung, diese Werte und Inhalte unseres Grundgesetzes zu übernehmen, nichts anderes als ein Handlungskonzept zum toleranten Umgang miteinander.
Meine Damen und Herren, ich werde auch in Zukunft an dieser Diskussion teilnehmen, weil ich sie für die Entwicklung unseres Landes für bedeutsam halte. Ich glaube, es wäre gut, wenn wir versuchten, über Inhalte zu sprechen, über das, was wir gemeinsam wollen, und nicht versuchten, mit Totschlagargumenten eine Diskussion zu verhindern. - Vielen Dank.
Herr Innenminister, teilen Sie erstens meine Auffassung, dass es ohne Toleranz unserer Vorfahren hierzulande ein Christentum nicht geben würde?
Zweitens: Inwieweit führt Ihr Verständnis von Anpassung - Sie haben von Übernahme gesprochen, im Übrigen heute auch wieder; anders in einem Interview in der „Berliner Zeitung“, in dem Sie sagten, es sei ein etwas untauglicher
Begriff - an deutsche Leitkultur eher zu einer Abgrenzung, mehr noch: zu einer Ausgrenzung anderer Kulturen und entspricht damit so gar nicht der Toleranz unserer Vorfahren und dem Toleranzbegriff, den wir in der Brandenburger Politik geprägt haben?
Schließlich richte ich die Frage an die Landesregierung: Inwieweit entsprechen die Auffassungen des Innenministers ihrer Position?
Ich habe gerade zu erklären versucht, was mit dem Begriff Toleranz zusammenhängt. Ich möchte es wiederholen: Toleranz heißt nicht lässiges Gewährenlassen oder Prinzipienlosigkeit. Alle Positionen, die ich vertrete, sind solche, die im Grundgesetz und in unserer Verfassung begründet sind. Alle Positionen, die ich vertrete, sollen dazu dienen, dass Menschen, die auf Dauer hier leben, friedlich miteinander leben, und zwar in Deutschland und nicht irgendwo.
Frau Enkelmann, schauen Sie sich das einmal an. Das ist Gott sei Dank kein Brandenburger Problem, sondern es ist ein Problem in den Großstädten unseres Landes. Gehen Sie bitte einmal nach Berlin und unterhalten sich mit den dortigen Abgeordneten, auch Ihrer Partei! Unterhalten Sie sich einmal mit Herrn Ströbele und fragen ihn, was er dort erlebt, oder mit dem Bürgermeister von Neukölln, der der SPD angehört. Da werden Sie den Eindruck bekommen, dass es so nicht weitergehen kann. Darum geht es und darüber müssen wir diskutieren. Wir müssen versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden.
Ich habe Ihre Frage mit dem Missionieren nicht verstanden. Meinen Sie das, was gemacht wurde, als das christliche Abendland durch Missionare begründet wurde? Meinen Sie, dass das nachwirkt?
Ich glaube, unser Abendland ist wirklich sehr stark vom Christentum geprägt. Ich finde das auch richtig. Wir haben daraus auch eine Verpflichtung. Lesen Sie einmal in der „Ringparabel“ von Lessing, was dort über die verschiedenen Religionen, über Toleranz gesagt wird.
Von daher gesehen kann ich nur sagen: Ich bewege mich im Rahmen dessen, worauf ich für die Bundesrepublik Deutschland, für das Land Brandenburg meinen Amtseid geleistet habe, und dabei bleibe ich.
Herr Minister, leider ist in einer Fragestunde keine Gelegenheit, ernsthaft zu debattieren; ich möchte auch die Toleranz des Herrn Präsidenten nicht überstrapazieren. Großes Interesse hätte ich aber daran, in einer Aktuellen Stunde eine Auseinandersetzung über Kultur, europäische Kultur, Leitkultur zu führen. - Das vorweg.
desrepublik Deutschland sowie in der Brandenburger Landesverfassung nennen, an der von einer deutschen Leitkultur gesprochen wird?
Können Sie des Weiteren vielleicht die Sorge verstehen, dass die Stichworte, die Sie hier geben und die nicht dadurch besser werden, dass sich der Kanzler ebenfalls an der Debatte beteiligt, solche sind, die von der extremen Rechten aufgegriffen werden und dann bei Menschen dazu führen, dass sie das Original wählen und nicht die Kopie?
Ich befürchte, die von Ihnen angestoßene Debatte führt nicht zu Toleranz, sondern führt nach rechts.
Die Debatte, die in Deutschland geführt wird und an der ich teilhabe, nimmt Themen auf, die die Menschen beschäftigen. Ich sage Ihnen voraus: Wenn wir diese Themen weiterhin ausblenden, fördern wir Extremismus. Politik heißt, sich mit der Wirklichkeit auseinander zu setzen. Die Wirklichkeit in Brandenburg ist Gott sei Dank eine andere als die in Berlin, die ich beschrieben habe.
Zur Sache: Schauen Sie bitte ins Grundgesetz! Darin steht, wer der Gesetzgeber ist: Es ist das deutsche Volk. - Damit ist Ihre Frage beantwortet.
Sehr geehrter Herr Minister, gestatten Sie mir eine Nachfrage zu einem Satz innerhalb des Zitats. Sie sagten, dass ein Teil der bei uns lebenden Ausländer selbst Gettos gründet, weil sie uns Deutsche verachten. - Worauf gründen Sie diese Aussage? Ich halte den Begriff „Gettobildung“ für sehr problematisch. Die Gründe, warum Ausländer, die in der Fremde leben, zusammenziehen und Zusammengehörigkeit demonstrieren, sind vielfältig. Worauf gründen Sie Ihre Aussage, dass die Ausländer uns Deutsche verachten? Ich halte diese Aussage für gefährlich; denn sie wird von den extremen Rechten natürlich instrumentalisiert.
Der Begriff „Getto“ - das ist bekannt - ist folgendermaßen besetzt: Er steht für den Ausschluss der Juden aus der Gesellschaft. Dies begann in Venedig, wurde im Dritten Reich und allem, was damit zusammenhängt, weiter geprägt, vor allem durch das Warschauer Getto. Den Begriff „Gettoisierung“ - er ist lange vor meiner Amtszeit eingeführt worden - habe ich übernommen - auch Helmut Schmidt hat ihn verwendet - , um einen Sachverhalt zu beschreiben.
Es ging um den Begriff Verachtung. Ich möchte wissen, warum Sie meinen, dass die Ausländer uns verachten.
Um dies zu erläutern, möchte ich ein Beispiel bringen: Wenn ein Prediger in einer Berliner Moschee über lange Zeit die
Position vertritt, dass er die Deutschen verachtet, weil sie sich unter den Achselhöhlen nicht rasieren usw. usf., und dies nicht aus der Gemeinde heraus bekannt wird, sondern weil ein Kameramann dies zufällig aufnimmt und veröffentlicht, dann zeigt das, dass etwas nicht in Ordnung ist. Hätte die Gemeinde gesagt, dies könne sie nicht akzeptieren, wäre das ein Zeichen in die richtige Richtung gewesen.
Der zweite Punkt: In diesen Wohnbezirken leben Menschen, die sagen: Wir wollen hier leben. - Unser Problem ist die zweite und dritte Generation in diesen Wohnquartieren. In den USA geht die zweite und dritte Generation hinaus und „aklimatisiert“ sich, während hierzulande die jugendlichen Ausländer in der zweiten und dritten Generation nach wie vor kein Deutsch können und sich nicht einordnen. Das ist damit gemeint.
(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Ja, und warum können sie kein Deutsch? Weil die Mittel für den Deutschunterricht drastisch gekürzt worden sind! - Hammer [PDS]: Man sollte vielleicht einmal mit den betroffenen Menschen reden und nicht mit den Abgeordneten!)