Wir müssen uns Gedanken darüber machen, ob es nötig ist, neue technische Methoden zur Gefahrenabwehr in unser Sicherheitssystem zu integrieren und dann auch polizeilich zu nutzen. Die SPD-Fraktion hat sich die Beantwortung dieser Frage und die kritische Betrachtung dieses Gesetzentwurfs nicht leicht gemacht, Herr Scharfenberg. Wir als Fraktion haben intern diverse Expertenanhörungen zu diesem Sachverhalt durchgeführt, und wir haben uns sehr intensiv mit den Vorschlägen, die der Innenminister hier auch in den vier Eckpunkten schon dargestellt hat, auseinandergesetzt. Wir haben auch Anregungen und Veränderungen in diesen Gesetzgebungsprozess hineingetragen.
Die vier Punkte Videoüberwachung, präventive Wohnraumüberwachung, Telekommunikationsüberwachung und anlassbezogene Kennzeichenfahndung sind genannt worden. Ich möchte noch einmal kurz auf jeden einzelnen Punkt eingehen und die Meinung der SPD-Fraktion dazu kurz darstellen.
Wir sind schon der Meinung, dass die Videoüberwachung durchaus ein geeignetes polizeitaktisches Einsatzmittel ist, um Straftaten zu begegnen. Es ist kein Allheilmittel, aber es ist ein wirksames polizeiliches Instrument. Deshalb haben wir uns auch dagegen ausgesprochen - wie das ja in dem Modellversuch gelaufen ist -, die Videokameras zur Überwachung an fest fixierten Standorten anzubringen, sondern wir haben gesagt: Abhängig vom polizeilichen Lagebild, abhängig von der Häufung von Straftaten muss es möglich sein, diese taktische Maßnahme zur Anwendung zu bringen.
Die Praxis hat auch gezeigt, dass die bisherige Trennung von Überwachung und Aufzeichnung einfach aufgehoben werden
Wir haben uns dann auf eine Speicherung der Daten für 48 Stunden geeinigt. Dazu haben wir Polizeipraktiker angehört, Herr Minister. Wir haben da also auch nicht aus der Hüfte geschossen, sondern wir haben zum Beispiel die GdP, den Chef des LKA, die Landesdatenschutzbeauftragte, also auch Leute aus der Praxis, dazu befragt. Alle waren sich darin einig, dass diese Speicherdauer von 48 Stunden gerechtfertigt ist und dass dies in Anbetracht der Forderung von vier Wochen, die auch von CDU-Seite kam, einen guten Kompromiss darstellt. Es muss also möglich sein, in 48 Stunden eine Anzeige zu Papier zu bringen, um dann zu ahnden.
Wir haben auch vorgeschlagen, dem Innenausschuss zu berichten. Wir halten das für sinnvoll und möchten das gern in den Gesetzentwurf mit eingearbeitet sehen.
Präventive Wohnraumüberwachung: Da ist - um das auch gleich klarzustellen - sehr viel falsch diskutiert worden. Wir schaffen hier keine neue Regelung; eine gesetzliche Regelung gibt es bereits. Es besteht jetzt schon die Möglichkeit, präventiv zu überwachen. Wir passen diese Regelung an den Spruch des Bundesverfassungsgerichts an. Wir haben genauer formuliert, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung geschützt sein muss und dass von dieser Befugnis nur zum Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter Gebrauch gemacht werden kann. Die präventive Wohnraumüberwachung haben wir natürlich unter Richtervorbehalt gestellt. Das ist klar. Wir haben das also alles in einem neuen § 33 a zusammengefasst.
Selbstverständlich ist für uns, dass von dieser Befugnis zum Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter - zum Beispiel bei Gefahr für Leib und Leben - nur nach Auflistung eines Straftatenkataloges Gebrauch gemacht werden kann. Da gab es zunächst andere Überlegungen, aber für uns war es wichtig, dass man sozusagen einen Katalog hat - Mord, schwerer Menschenhandel etc., also angelehnt an die Strafprozessordnung -, nach dem dieser Paragraf dann Anwendung finden kann.
Telekommunikationsüberwachung, der nächste wichtige Eckpunkt in diesem Bereich: Wir sind schon lange dabei, im repressiven Bereich der Strafverfolgung die Überwachung der Telekommunikation als Ermittlungsmaßnahme oder als eine Möglichkeit der Polizei zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel im Bereich der organisierten Kriminalität, der Terrorismusbekämpfung oder der nationalen Sicherheit.
Mit der vorliegenden Novelle des Brandenburgischen Polizeigesetzes eröffnen wir diese Möglichkeit auch für den präventiven Bereich. Zur Strafverfolgung steht diese Möglichkeit wie gesagt - zur Verfügung, aber es muss unserer Meinung nach auch möglich sein, die Telekommunikationsüberwachung schon im Vorfeld, zur Abwendung schwerer Straftaten zum Beispiel bei Gefahr für Leib und Leben - zu praktizieren und nicht erst dann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Ich denke, das ist eine ganz logische Herangehensweise.
Hierzu soll auch der so genannte IMSI-Catcher die Ortung von Handys vornehmen können. Das heißt, es können dann Kommunikationswege unterbrochen oder verhindert werden. Erst kürzlich hat das Bundesverfassungsgericht bezüglich der Frage
des Einsatzes des IMSI-Catchers klargestellt, dass diese Form der Datenerhebung nicht in den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses eingreift, weil sie eben nicht im Zusammenhang mit dem direkten Kommunikationsvorgang steht und Kommunikationsinhalte gar nicht berührt werden. Es handelt sich hierbei - wenn man so will - ausschließlich um eine Kommunikation technischer Geräte.
Ich bin jetzt auch am Ende meiner Ausführungen. - Zur anlassbezogenen Kennzeichenfahndung ist schon einiges gesagt worden.
Zum Schluss möchte ich nur noch einmal sagen: Die SPDFraktion hat es sich nicht leicht gemacht. Wir haben interne Anhörungen zu diesem Thema durchgeführt, wir haben an verschiedenen Stellen auch Änderungen eingebracht. Alle diese Maßnahmen können und werden natürlich keine absolute Sicherheit garantieren. Das ist uns klar. Es geht vielmehr um die Frage, ob und in welchem Rahmen wir diese neuen technischen Methoden zur Gefahrenabwehr und zur Verhinderung von Straftaten in unser Sicherheitssystem integrieren.
Das höchste Gut, das wir zu verteidigen haben, ist das Recht auf Freiheit. Dieses Recht auf Freiheit gilt es, auch mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaats zu verteidigen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Dem vorgelegten Entwurf der Landesregierung zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes können wir als DVU so nicht zustimmen. Grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen vor allem hinsichtlich der Entwürfe zur Überwachung von Wohnraum und Datenerhebung durch Eingriffe in die Telekommunikation in den neuen §§ 33 a und 33 b. Den § 30 gibt es. Der Minister gibt ja jedes Jahr einen Bericht heraus. Da kann man lesen - 31. Mai 2006, Drucksache 4/2981 -, was darin steht.
Hierzu gibt es eine ausgeprägte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, meine Damen und Herren. Natürlich gilt es diese zu beachten. Danach muss zumindest auf einer höheren Ebene die Verhältnismäßigkeit hergestellt werden. Das misslingt aber in aller Regel, wenn man, wie diese Entwürfe, zu viel auf einmal will. Dem helfen im Übrigen auch die Versuche nicht, dies durch Aufblähung des Gesetzestextes von hinten wieder einfangen zu wollen. Das geht erfahrungsgemäß in die Hose, meine Damen und Herren. Genau dieses Malheur ist Herrn Innenminister Schönbohm mit seiner Vorlage passiert.
Wir von der DVU folgen, denke ich, im Wesentlichen der Datenschutzbeauftragten und ihrem Bericht. Das führt uns zu
folgenden Zwischenergebnissen: Reisebeschränkungen auf Terrorismus und organisierte Kriminalität. Absatz 1 Nr. 2 ist uns zu weit gefasst. Beschränkung auf außergewöhnlich hohe Einzel- oder Gesamtschäden. Absatz 2 ist, was Kontakt- oder Begleitpersonen betrifft, präziser zu fassen. Behördenleiter als Anordnungsbefugte reicht uns nicht aus. Absatz 8 ist vollständig zu überdenken.
Nachbesserungsbedarf besteht aus Sicht unserer Fraktion auch im neuen § 31, welcher die Videoüberwachung regeln soll. Auch hier gilt das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die Einzelheiten hierzu habe ich Ihnen ja schon vor der Sommerpause zu unserem Entwurf zur Videoüberwachung dargelegt. Das alles möchte ich jetzt nicht wiederholen. Daraus ergibt sich: Je mehr man sich bei den Anlässen zur Überwachung beschränkt, desto größer ist der Spielraum zur Speicherung und Verwertbarkeit. Genau Letzteres ist aber für die Strafverfolgung, das Verfolgungsrisiko und die Abschreckung von maßgeblicher Bedeutung, meine Damen und Herren. Diese Erkenntnis haben wir im Übrigen dem zur Videoüberwachung eingeholten rechtlichen Gutachten entnommen - nur, damit Sie wissen, wo es herkommt.
Mit gehöriger Skepsis sehen wir auch die beabsichtigte Neuregelung des § 36 a des Entwurfs zur anlassbezogenen automatischen Kennzeichenerfassung bei Kfz. Auch hier sehen wir zumindest Präzisierungsbedarf. Herr Minister, Sie hatten uns in der letzten Legislaturperiode das KESY-System vorgestellt. Ich frage mich: Wann setzen Sie das überhaupt mal ein? Oder dürfen Sie das nur auf dem Hof des LKA einsetzen?
Was für eine gegenwärtige Gefahr ist etwa in Absatz 1 Nr. 2 des Entwurfs gemeint? Bei der in der Begründung angeführten beispielhaften Überfallserie oder den Terrorismusgefahren handelt es sich eher um abstrakte oder latente Gefahren. Frau Stark sagte in der letzten Sitzung, bei uns gebe es so etwas eigentlich gar nicht. Eben hat sie wieder etwas anderes gesagt. Sie müssen sich einmal ein bisschen besser informieren. - Dazu soll jeder beliebige Autofahrer erfasst werden. Wer soll diese Maßnahme eigentlich anordnen? Jeder beliebige Polizist? Wer soll Zugriff auf die Daten haben und wann müssen diese spätestens wieder gelöscht werden? - Das alles ist uns zu vage, meine Damen und Herren.
Wir gewinnen natürlich den Eindruck, hier will jemand über Absatz 1 Nr. 2 sozusagen eine eierlegende Wollmilchsau zur Befriedigung seiner Datenlust schaffen.
Die Änderung des § 36 schließlich begrüßen wir als DVUFraktion, wenn Sie, Herr Minister, in Absatz 1 a hinter den Worten „von erheblicher Bedeutung“ noch die kleine redaktionelle Veränderung vornehmen und das Wort „oder“ einfügen. Die Vorschrift ist sonst - kann man sagen - so weit gelungen. Sie beschreibt den Anlass in Absatz 1 a hinreichend genau in einer Weise, dass angesichts der dort genannten Gefahren keine Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit bestehen - es geht, wenn Sie es wissen, im Übrigen um das Schengener Abkommen -, und bestimmt über zu übermittelnde Daten an Dritte in Absatz 2 konkret.
Aber, meine Damen und Herren, warten wir doch erst einmal die Anhörung ab. Dann können wir noch Veränderungen vornehmen. Vielleicht passiert das auch noch. Aber wie ich das so sehe, hat die SPD-Fraktion schon voll zugestimmt.
Regelungsbedarf sehen wir auf alle Fälle. Wir müssen unsere Bürgerinnen und Bürger vor organisierter Kriminalität und vor Terrorismus schützen. - Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es liegt uns ein Gesetzentwurf vor, der auf die veränderte Sicherheitslage nicht nur hier in Brandenburg, sondern in Deutschland und in Europa insgesamt reagiert. Die technischen Möglichkeiten, die heutzutage aufgrund der Entwicklungen bestehen, sollen nicht nur ausgenutzt werden, sondern sie sollen auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden. Wenn ich mir einen Vergleich erlauben darf, der sicherlich schon etwas älteren Datums ist: Es geht darum, dass wir diejenigen, die mit einem schnellen Sportwagen davonfahren, adäquat verfolgen können und nicht in einer Postkutsche sitzen. Wir haben in den zurückliegenden Jahren eine technische Entwicklung, Gott sei Dank auch eine rechtliche Entwicklung, durchgemacht, die diesen Abstand schon wesentlich verkürzt hat. Aber wir müssen eben immer auf dem Stand der aktuellen technischen Möglichkeiten sein.
Es geht in der Tat um eine Güterabwägung. Es geht zum einen um die Sicherheit der Bürger, zum anderen um Grundrechte. Dies muss man sehr genau abwägen. Ich denke, es ist mit diesem Gesetz richtig abgewogen worden. Zum Schutz hochwertiger Rechtsgüter muss man eben auch eine Einschränkung der Grundrechte in Kauf nehmen.
Wenn ich höre, was hier von links und von rechts vorgetragen wird, dann muss ich mich schon fragen, was Sie damit bezwecken. Sie von links und von rechts brauchen uns vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen mit Ihnen beiden nicht zu erzählen, was Grundrechte sind und was Demokratie bedeutet.
Von daher, Herr Kollege Scharfenberg: Wenn Sie hier immer wieder in demagogischer und ideologischer Art und Weise von der kontinuierlichen Fortsetzung der Verschärfung des Polizeigesetzes reden, dann geht das schlichtweg an der Realität vorbei. Wenn Sie hier bestimmte Streichungen fordern, sollten Sie einmal Begrifflichkeiten aus Ihrem Wortschatz streichen, nämlich etwa den Begriff Großer Lauschangriff. Kommen Sie doch endlich einmal zu Begrifflichkeiten, die angemessen sind. Dann müssen Sie sich schon entscheiden, was Sie denn wollen. Auf der einen Seite kritisieren Sie, dass von der Wohnraumüberwachung in zehn Jahren nur einmal Gebrauch gemacht wurde. Auf der anderen Seite stellen Sie hier die Zahl von bundesweit 46 000 Telekommunikationsüberwachungen in den Raum. Was wollen Sie nun? Wollen Sie überhaupt nichts? Kritisieren Sie die niedrige Zahl oder die hohe Zahl von Maßnahmen?
Es geht ja darum, die technischen Möglichkeiten zu eröffnen. Inwiefern sie aufgrund der Lage tatsächlich genutzt werden müssen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Nur müssen wir eine rechtliche Grundlage haben, damit die Polizei sie anwenden kann, wenn es darauf ankommt.
Kollege Scharfenberg, haben Sie sich schon einmal bei einer Tankstelle, einer Bank oder einem Supermarkt beschwert, dass dort Videokameras hängen? - Tun Sie es doch einmal oder gehen Sie dort nicht mehr einkaufen oder tanken, wenn Ihnen das nicht passt.
Wenn Sie hier behaupten, dass unbescholtene Bürger von der Kennzeichenerfassung betroffen seien, stimmt das schlichtweg auch nicht. Ich denke, Sie können richtig lesen. Sie haben den Gesetzentwurf sicherlich auch gelesen. Hier geht es schlichtweg darum, dass eine Speicherung nur bei Übereinstimmung mit gesuchten Kennzeichen, und auch das nur anlassbezogen, erfolgt
und dass zunächst einmal eine Befristung auf zwei Jahre vorgesehen ist. Wir werden uns in zwei Jahren sicherlich - genau wie bei der Videoüberwachung - darüber unterhalten müssen, ob es Erfolg gebracht hat. Wir haben aus dem Bericht zur Videoüberwachung erfahren, dass es eine gute Grundlage ist. Wir wollen es jetzt gesetzlich so vorschreiben, wie wir es vorhatten. Von daher halte ich den Weg, der mit dem Gesetz beschritten wird, für richtig.
Wer den vorliegenden Entwurf realistisch betrachtet, wird nicht behaupten können, damit werde der Einführung eines Überwachungsstaates Vorschub geleistet. Wir müssen vielmehr gemeinsam dafür sorgen, dass die Polizei mit den potenziellen Straftätern auf Augenhöhe bleiben kann, was die technische Ausstattung angeht; ich habe es eingangs schon formuliert.
Ich bin der festen Überzeugung, dass der vorliegende Gesetzentwurf diesem Ziel weitgehend gerecht wird, und bitte um wohlwollende Behandlung im Innenausschuss. - Herzlichen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in Drucksache 4/3508 an den Ausschuss für Inneres. Wer diesem Überweisungsvorschlag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Gegenstimme ist die Überweisung erfolgt.