Protocol of the Session on May 22, 2006

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es wäre sehr schön, Herr Schönbohm, wenn wir nicht nur in Zukunft diesen Tag gemeinsam beschreiten und bestreiten würden, sondern wenn es uns auch tatsächlich gelänge, dass solche Aufrufe gemeinsam unterschrieben werden. Da bitte ich Sie einfach, einmal über Ihren Schatten zu springen und in diesem Sinne das Signal auszusenden, das wir brauchen, nämlich das Signal, dass gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassenhass und Ausländerfeindlichkeit, gegen neonazistische Tendenzen die gemeinsame Anstrengung aller Demokraten nötig ist.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Minister Schönbohm: Das habe ich heute Morgen gemacht!)

- Dafür bedanke ich mich auch sehr - ich habe auch heute Morgen genau zugehört, Herr Minister -, weil ich davon ausgehe, dass es nicht sein kann und sicherlich auch nicht in Ihrem Sinne ist, dass es hier Demokraten erster und zweiter Klasse oder Unterschriftsberechtigte oder Nicht-Unterschriftserwünschte innerhalb der demokratischen Parteien gibt. Herr Innenminister, ich bitte Sie auch deshalb darum, weil, wie in den Vorjahren, eine große Anzahl von Mitgliedern auch meiner Partei in Halbe sein wird, um mit Ihnen und anderen Mitgliedern Ihrer Partei gegen die braune Gefahr dort eine Menschenkette zu bilden. - Zumindest im nächsten Jahr sollten wir das anstreben.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass „Brandenburg ist da, wo Vielfalt gelebt wird“, in Anlehnung an den Berliner Beschluss

vielleicht auch über unserem Aufruf stehen könnte. Sie wissen ja, dass alle im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen demokratischen Parteien, die SPD, die CDU, die Linkspartei.PDS, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP, den entsprechenden Aufruf unterschrieben haben. Sie sind am 16. August in die Öffentlichkeit gegangen und haben angesichts des damals drohenden Einzugs von Rechtsextremisten in das Abgeordnetenhaus und in die Bezirksrathäuser unbeschadet unterschiedlicher Auffassungen in Sachfragen, wie ich noch einmal dick unterstreichen möchte, erklärt: Wir stehen für eine demokratische Gesellschaft, für Toleranz und gegen Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus und Gewalt. - Dieser Appell wurde vor knapp zwei Wochen wiederholt.

Weiterhin möchte ich mich auch ganz persönlich für einen antifaschistischen Konsens der Brandenburger Demokraten einsetzen - und das nicht nur an diesem einen Tag, am 18. November, sondern nach Möglichkeit an 365 Tagen im Jahr.

Ich weiß aber auch, dass Appelle allein nicht ausreichen. Wir brauchen wirksame Gegenstrategien, jetzt und hier, auf breitester gesellschaftlicher Basis und nicht nur getragen von den Regierungsfraktionen. Projekte gegen Rechtsextremismus oder Rassismus, die gegründet werden, benötigen Unterstützung bei der Bildung von Netzwerken. Sie brauchen im Übrigen, wie wir ebenfalls wissen, eine solide finanzielle Basis.

Mein Wunsch wäre, dass sich die demokratischen Fraktionen in den Parlamenten in Brandenburg und in Berlin als Teil der Zivilgesellschaft gegen die Bedrohung unserer demokratischen Ordnung verbünden. Das wäre aus meiner Sicht durchaus ein Thema, dem sich auch die Hauptausschüsse des Landtags und des Abgeordnetenhauses auf einer ihrer nächsten Sitzungen gemeinsam annehmen könnten. Hier könnte man vielleicht auch über die heute schon oftmals angesprochene antifaschistische Klausel, sprich: über die Verfassungsänderung, sprechen und prüfen, wie weit sie möglich ist oder nicht.

Der Tag der Demokraten in Halbe sollte also für die demokratische Öffentlichkeit unseres Landes ein wichtiges Datum sein, und zwar nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in der weiteren Zukunft.

Ja, Herr Schippel, der Zweite Weltkrieg ging von Deutschland aus, wie man wohl immer wieder konstatieren muss. Millionen und Abermillionen Menschen in Europa haben Hitlers Größenwahnsinn mit dem Leben bezahlt. Deshalb werde auch ich am 18. November in Halbe dabei sein, um zu sagen: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen. - Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, der SPD und des Abge- ordneten von Arnim [CDU])

Jetzt spricht der Abgeordnete Lunacek für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine andere Landschaft in Deutschland wurde im Zweiten Weltkrieg so sehr von Blut getränkt wie die Region um Halbe. Auf den 60 km von Märkisch-Buchholz bis Beelitz starben vermutlich mehr als 60 000 Menschen, 30 000 deutsche Soldaten,

20 000 Soldaten der Roten Armee, 10 000 Zivilisten. Allein auf dem Soldatenfriedhof in Halbe wurden mehr als 22 000 Opfer des Krieges begraben. Damit ist dieser Friedhof der größte Soldatenfriedhof auf deutschem Boden.

Diese traurigen Zahlen sind leider Bestandteil unserer deutschen Geschichte, mit der wir verantwortungsvoll umgehen müssen. Dass diese tragischen Schattenseiten von rechtsextremen Kräften für Aufmärsche und historische Verklärungen genutzt werden, um sich zu präsentieren und zu profilieren, muss scharf verurteilt und bekämpft werden. Es ist traurig, dass so etwas geschieht.

Extremismus, und zwar jeder Couleur und jeglicher Form, passt weder in unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung noch in ein tolerantes und offenes Land Brandenburg.

Propagiertem Antisemitismus und zur Schau gestellter Gewaltbereitschaft muss immer und überall energisch entgegengetreten werden.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Tausenden Toten waren eben keine Helden, die es zu glorifizieren oder zu heroisieren gilt, sondern junge Menschen, die zum Teil aufgehetzt, durch ein nationalsozialistisches Gewaltregime verblendet wurden, oder die einfach Angst hatten und nach Hause wollten. Sie wurden durch ein totalitäres Regime in den sinnlosen Tod getrieben.

Der vom Präsidenten in den Landtag getragene Aufruf zu einer gemeinsamen friedlichen Demonstration gegen den Missbrauch des Leides und des Todes dieser dort begrabenen Menschen ist ein gutes und richtiges Signal. Das Bild von Brandenburgern an diesem Tag, dem 18. November, muss das zum Ausdruck bringen, was Brandenburg auch die anderen 364 Tage des Jahres ist: ein weltoffenes, friedliches und tolerantes Land, in dem die Menschen bereit sind, konsequent für diesen Weg einzutreten.

Ich möchte darauf verweisen, dass an diesem November-Wochenende nicht nur ein deutliches und notwendiges Zeichen gegen Neonazis und Rechtsextremismus gesetzt werden muss, sondern auch ein anderer wichtiger Termin des Erinnerns ansteht: der Volkstrauertag. Als solcher ist der 19. November in Deutschland ein staatlicher Gedenktag, der seit 1952 begangen wird; er ist der Kriegstoten und Opfer von Gewaltherrschaft aller Nationen gewidmet. Aus diesem Grunde muss unbedingt verhindert werden, dass das Gedenken und die eigentliche Bedeutung des Volkstrauertages über den Protest der antidemokratischen Kräfte in den Hintergrund treten oder in Vergessenheit geraten. Dann hätten nämlich die radikalen Kräfte ihr Ziel, die Instrumentalisierung der Toten von Halbe, erreicht. Für den Tag der Demokraten sind deshalb Gedenken und Verantwortung zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Ich nehme den anstehenden Volkstrauertag zum Anlass, um zu betonen, dass wir von der Union ausdrücklich an der Wahrung des antitotalitären Konsenses festhalten. Wir haben dies im Mai dieses Jahres - nach meiner Erinnerung auch mit den Stimmen der Linkspartei.PDS - beschlossen. Ich würde mir wünschen ich sage das, weil Sie, Herr Scharfenberg, es vorhin so scharf formulierten -, dass wir nicht hinter diesem Konsens „Antitotalitär - Gegen jede Form von Extremismus“, zurückfallen.

Ich hoffe und wünsche mir, dass wir an dem besagten Wochenende in Halbe gemeinsam mit vielen Bürgerinnen und Bürgern ein klares Zeichen gegen die Kräfte setzen, die den Sinn und die Bedeutung des Ortes verklären oder missbrauchen wollen. Gleichzeitig wollen wir der Toten und der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedenken. Brandenburg steht für Offenheit und Demokratie im steten Bewusstsein unserer Vergangenheit und der daraus gewachsenen Verantwortung. - Danke sehr.

(Beifall bei CDU, SPD und vereinzelt bei der Linkspar- tei.PDS)

Der Abgeordnete Schuldt setzt die Debatte mit seinem Redebeitrag für die DVU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Aussage in Ihrem Antrag ist richtig: In der Region um Halbe fanden bei den Kämpfen im April 1945 vermutlich 60 000 Menschen den Tod: deutsche Soldaten, Russen, Flüchtlinge und Zivilisten. - Das ist traurig und darf nie wieder geschehen. Über 23 000 Tote fanden ihre letzte Ruhe in Halbe; darunter Opfer des stalinistischen Internierungslagers Ketschendorf mit ca. 4 600 Toten, die auch unvergessen bleiben. Aber Letztere kommen in Ihrem Antrag bezeichnenderweise gar nicht vor. An dieser Stelle ist es mit der Wahrheit vorbei. Hier beginnen die Weglassungen, Halbwahrheiten und Verdrehungen. Also, meine Damen und Herren: Tag der Demokraten - was ist das? Wer steckt dahinter?

(Bischoff [SPD]: Demokraten!)

Was wird bezweckt? - Erstens: Wenn man es so analysiert, handelt es sich im Grunde um das Spiegelbild Ihres Gesetzentwurfs zum § 16 Versammlungsgesetz. Einerseits steht dort etwas von den Toten in Halbe, die Sie vor politischer Vereinnahmung schützen wollen. Aber andererseits wollen Sie am 18. November exakt dort eine politische Veranstaltung abhalten und genau jene Toten, welche Sie vorgeben schützen zu wollen, für Ihre politischen Zwecke vereinnahmen - und das im Bündnis mit der SED-Nachfolgerin Linkspartei.PDS, deren offenkundiges Ziel es ist, unser Land für ihre sozialistischen Ziele zu polarisieren und zu spalten. Wir von der DVU-Fraktion machen da nicht mit.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Na, ein Glück! - Beifall bei der DVU)

Zweitens: Demonstrieren sollen am 18. November in Halbe nach Ihren Vorstellungen die Linkspartei.PDS mit ihren, wie es scheint, gewaltgeneigten Hilfstruppen von der Antifa sowie die SPD, wenige Mitglieder der CDU und einige brave Bürger, die dies alles nicht so ganz durchschauen. Geprägt sein wird die Veranstaltung von der Linkspartei.PDS bzw. von deren Zielen, deutsche Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg für ihr Vaterland ihr Leben gelassen haben, sowie die deutsche Kriegsgeneration zu verunglimpfen, um eigenes stalinistisches Unrecht, die Millionen Toten, Vertriebenen und Internierten über den Gräbern der Opfer des Lagers Ketschendorf unter den Teppich zu kehren.

(Beifall bei der DVU)

Dass dies mit Demokratie nicht sonderlich viel zu tun hat, liegt auf der Hand.

Drittens soll in Halbe nicht nur unter der Fahne der Linkspartei.PDS demonstriert werden, nein, es soll eine genehmigte Veranstaltung blockiert bzw. verhindert werden. Sie richten sich damit nicht nur gegen diese Veranstaltung, sondern gegen alle, die das ehrenvolle Gedenken an die deutschen Soldaten des Zweiten Weltkriegs bewahren möchten. Diese werden als Nazis diffamiert; Ihre Zwischenrufe und Ihre Aussagen haben es bewiesen.

Ihr SPD-Freund, Generalstaatsanwalt Rautenberg, sagte dazu:

„Daher sollte künftig auf eine - am 18. November 2005 aber erfolgte - Blockade einer gerichtlich genehmigten Demonstration der Rechtsextremen verzichtet werden, auch wenn dies im letzten Jahr in den Medien als Damm der Demokraten oder erforderlicher ziviler Ungehorsam gefeiert worden ist...“

Tatsächlich wird aber durch eine solche Missachtung einer gerichtlichen Entscheidung unserem demokratischen Rechtsstaat Schaden zugefügt. Die Polizei ist verpflichtet, derartige Blockaden nach Möglichkeit zu verhindern, die sogar eine Straftat darstellen können. Ich muss ganz ehrlich sagen: Herr Rautenberg hat Recht.

Bedenken Sie das bitte, wenn Sie Ihren Tag der Demokraten feiern wollen. Wir machen da natürlich nicht mit. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Dafür aber der Ministerpräsident, wie ich vermute. Er spricht als Nächster zu uns.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was Herr Schuldt von der DVU heute schon mehrfach und auch in der Vergangenheit von sich gegeben hat, ist aus meiner Sicht ich sage es in aller Ruhe - die Manifestation eines eigentlich nicht tolerierbaren Geistes.

(Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und vereinzelt bei der CDU)

Für unsere Gesellschaft - das schält sich Jahr für Jahr deutlicher heraus - ist nichts schlimmer als diese Unkultur und die Verhöhnung von Opfern der Nazi-Gewaltherrschaft. Wir dulden in unserem Lande keine geistigen Brandstifter, deren Vorbilder, deren geistige Väter die Weimarer Demokratie vorsätzlich zerstört und Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Hesselbarth?

Nein, danke. - Herr Schuldt hat heute früh im Zusammenhang

mit dem Versammlungsgesetz von einer Misshandlung des Rechtsstaats gesprochen. Wenn Herr Schuldt von Misshandlung spricht, dann muss man ihm zurufen und entgegenhalten: Misshandelt, gequält, entwürdigt und getötet wurden Millionen unschuldiger Menschen durch die geistigen Väter der heutigen DVU. Das ist wirkliche Misshandlung gewesen. Misshandlung und Entwürdigung!

(Beifall bei SPD, CDU und der Linkspartei.PDS)

Herr Schuldt hat heute früh gesagt, er vergesse die Geschichte nicht.

(Schuldt [DVU]: Ich habe gesagt, dass wir eine neue Par- tei sind! - Zuruf des Abgeordneten Nonninger [DVU])

Ich gebe ihm diesbezüglich in Teilen Recht; denn ich habe noch nie erlebt, dass jemand so wie er, seine Partei und die NPD Geschichte hernehmen, verfälschen und in einer Art und Weise missbrauchen, dass es - ließen wir es weiter zu - wirklich gesellschaftszerstörend ist.

Die Toten von Halbe können sich gegen einen solchen Missbrauch nicht wehren. Das müssen wir tun, und zwar mit aller Kraft am 18. November.