Protocol of the Session on May 22, 2006

Drittens besteht in der Ausbildung von Fachkräften ein Problem. Diesbezüglich muss ich nicht an die Fachkräftestudien der eigenen Landesregierung - meine Herren von der SPD und CDU - erinnern. Wird das Problem nicht gelöst, verschärft und vertieft sich die Wachstumsschwäche durch den Fachkräftemangel weiter. Eine solche Situation ist nicht hinnehmbar.

Des Weiteren gibt es Unsicherheiten für die Gesamtkonjunktur durch die Entwicklung der Energiepreise in Größenordnungen. Sehen Sie sich die Statistiken an! Die Höhe der Energiepreise ist maßgeblich dafür mitverantwortlich, dass es zu einer Reihe von Umsatzeinbrüchen gekommen ist.

Im Land Brandenburg besteht auch das Problem, dass Mittel

nicht abfließen. Mein Kollege Thomas Domres hat eine Kleine Anfrage gestellt. Sehen Sie sich die in der Antwort aufgeführten abgeflossenen EFRE- und ESF-Mittel an, werden Sie feststellen, dass mehr als 250 Millionen Euro allein aus dem EFRE-Bereich nicht abgeflossen sind. Was das für die ordnungspolitische Debatte mit den anderen Bundesländern und für die fortgesetzten Osthilfen bedeutet, kann sich jeder vorstellen. Im Einzelfall wird eine Investition immer aus verschiedenen Gründen nicht getätigt. Jedoch macht die Summe, um die es hier geht, ein qualitatives Problem im Land Brandenburg deutlich, das wir anzugehen haben.

Um uns nicht dem Vorwurf auszusetzen, wir würden hier nur Risiken an die Wand malen, möchte ich sagen, dass wir natürlich auch riesige Chancen sehen. Deren Wahrnehmung beginnt mit den Haushaltsberatungen in diesem Jahr für das Jahr 2007.

Das Jahr 2007 war haushaltstechnisch als Übergangsjahr - bis der nächste Doppelhaushalt 2008/2009 kommt - gedacht. Jedoch gibt es jetzt eine neue EU-Strukturfondsperiode. Im Jahr 2007 können wir - zumindest aus meiner Sicht - Entscheidungen treffen, die uns dazu befähigen, die Wirtschafts- und Strukturpolitik finanziell so weit zu untersetzen, dass wir auch nach dem Jahr 2013 erstens handlungsfähig sind und zweitens die Instrumente des Einsatzes dieses Geldes wesentlich verbessern können.

Dazu möchte ich Ihnen zwei Vorschläge unterbreiten. Erstens werden wir Ihnen in den Haushaltsberatungen vorschlagen, das Haushaltsgesetz zu verändern. Wir wollen nicht nur einen Bericht des Finanzministeriums im September darüber, wie viel Geld nicht abgeflossen ist, sondern wir wollen, dass im Haushaltsgesetz definiert wird, dass das MdF im Benehmen mit dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen die Entscheidungskompetenz erhält, ob Gelder umgelenkt werden sollen. Ich halte das für zwingend notwendig. Eine Reihe von anderen Bundesländern tut dies bereits.

Zweitens werden wir Ihnen vorschlagen, zur Überwindung der schlechten Eigenkapitalsituation - ein Antrag dazu steht auf der morgigen Tagesordnung - die ILB als Struktur- und Mittelstandsbank weiter auszubauen.

Ordnungspolitisch hat das folgenden Hintergrund: Verbessern wir unsere Instrumente nicht, können wir durch eine verbesserte Förderung nicht den Rückgang der öffentlichen Zuweisungen des Bundes und der EU kompensieren. Vor dieser Verpflichtung stehen wir. Das, was wir im Jahr 2007 hier angehen, wird uns in den nächsten sechs Jahren begleiten. Deswegen ist das Jahr 2007 so wichtig.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Drittens: Wir werden Ihnen im Rahmen der Haushaltsberatungen vorschlagen, die EFRE-Mittel in einen zusätzlichen revolvierenden Fonds einzubringen. Der Risikokapitalfonds des Landes Brandenburg leistet gute Dienste. Wir werden aber daneben weitere Fonds auflegen müssen, weil damit ein riesiger Vorteil zu erringen ist. Mit dem Geld aus den revolvierenden Fonds können wir Mittel des Bundes kofinanzieren. Anders formuliert: Die nationale Kofinanzierung europäischer Mittel ist damit gewährleistet. Mit den zurückfließenden Geldern können wir sicherstellen, dass wir in den Jahren ab 2009 über

finanzielle Fonds verfügen, die uns überhaupt noch handlungsfähig bleiben lassen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herr Lunacek, Sie sehen: Meine Fraktion will Wachstum und existenzsichernde Arbeitsplätze. Wir freuen uns über die jetzt eingetretene konjunkturelle Entwicklung. Die ordnungs- und strukturpolitischen Risiken sehen wir aber nicht als überwunden an. Wir sehen uns, die Abgeordneten, in der Verpflichtung, mit dem Haushalt 2007 tatsächlich Änderungen herbeizuführen, die uns längerfristig strukturell und ordnungspolitisch handlungsfähig erhalten. - Vielen Dank!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Müller. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Optimismus ist gut, insbesondere dann, wenn es um die Wirtschaft geht. Allerdings bleibt Realismus Pflicht. Insofern muss ich den Optimismus von Herrn Lunacek ein klein bisschen bremsen. Wenn man glaubt, dass die Wirtschaftsentwicklung, die wir am Anfang des Jahres 2006 verzeichnet haben, ein Resultat der Politik der neuen Bundesregierung sei, dann liegt man falsch. Diese Annahme wäre zu optimistisch. Wenn es überhaupt eine Wirkung der Bundesregierungen gibt, dann ist das Wirtschaftswachstum, das wir jetzt verzeichnen, Ergebnis der rot-grünen Bundesregierung, die vorher aktiv war.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS und der CDU - Bischoff [SPD]: Das musste einmal gesagt werden!)

Wenn man mit Unternehmern spricht und sich die statistischen Daten ansieht, stellt man fest: Die Stimmung der Wirtschaft im Land ist besser als in den Vorjahren. So lag das Wirtschaftswachstum im verarbeitenden Gewerbe im vorigen Jahr bei 5 %. Das verarbeitende Gewerbe ist für uns besonders wichtig, weil die Wertschöpfung in der gesamten Wirtschaft ganz wesentlich davon abhängt, ob es dort funktioniert oder nicht.

Die Arbeitslosigkeit ist mit 16 % zwar immer noch zu hoch, aber so niedrig wie seit 2000 nicht mehr. Es gibt 20 000 offene Stellen im Land.

Der Bauwirtschaft, die stets das Sorgenkind der Brandenburger Wirtschaft gewesen ist, geht es besser. Man sieht jetzt positivere Zeichen und liest bessere Zahlen als in den Vorjahren.

Zahlreiche Unternehmen, auch die der Bauwirtschaft, haben volle Auftragsbücher. Der Export entwickelt sich nach wie vor positiv.

Ein leichtes Aufatmen ist also durchaus angesagt, wenn wir - das habe ich eingangs erwähnt - realistisch bleiben. Ein Großteil der Impulse stammt nicht aus dem, was wir hier selbst organisiert haben, sondern von außen. An erster Stelle ist die Weltwirtschaft zu nennen. Deutschland ist Exportweltmeister. Wenn die Weltwirtschaft funktioniert, dann gibt es immer ei

nen positiven Effekt in Deutschland und damit auch in Brandenburg. Wenn die Weltwirtschaft nicht „brummt“, fallen die Zahlen in Deutschland weniger günstig aus.

Die Mehrwertsteuererhöhung hat ohne Frage im Jahr 2006, aber vermutlich auch noch 2007 einen Einfluss. Der Raum für Spekulationen ist riesig, wenn es um die Abschätzung der Auswirkungen geht. Alle diejenigen, die jetzt sagen, sie wüssten, wie sich die Mehrwertsteuererhöhung auf die Zahlen zum Wirtschaftswachstum auswirkt, stochern im Nebel. Deswegen sollte man jetzt nicht zu viel darüber spekulieren.

Wir haben in Brandenburg einiges getan, damit es für die Wirtschaft einfacher wird. Wir agieren zielgerichteter. Die Initiative, die wir im vorigen Jahr unter dem Motto „Stärken stärken“ auf den Weg gebracht haben, hat zumindest erreicht, dass ein Ruck durch das Land gegangen ist. In Regionen, wo in der Vergangenheit immer wieder über Schwächen geklagt wurde, wird heute, im Jahr 2006, über Stärken diskutiert und mit diesen Stärken geworben. Man konzentriert sich auf das, was Zukunftsfähigkeit ausmacht, nämlich auf die Aktivitäten, in denen man gut ist.

In diesem Zusammenhang ist zu überlegen, in welchen Bereichen die positiven Effekte, die wir brauchen, erzielt werden können. Große Unternehmen sind auch für das Land Brandenburg wichtig, aber Arbeitsplätze entstehen vor allen Dingen in den kleinen und mittleren Unternehmen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass der Optimismus, von dem wir heute alle - einige mehr, andere weniger - sprechen, tatsächlich bei den Unternehmen ankommt. Unter den kleinen und mittleren Unternehmen schaffen nämlich insbesondere diejenigen neue Arbeitsplätze, die ihre Zukunft optimistisch sehen, die wissen, dass es nach vorn geht. Der so wichtige Optimismus sollte also nicht zerredet werden.

Es gibt Grund für Optimismus. Ich nenne den BBI. Die Entscheidung ist gefallen. Das, was im Umfeld des Flughafens entsteht, wird größere Auswirkungen auf die Region haben als das, was auf dem Flughafen entsteht. Im Umfeld wird es brummen. Ich bin insoweit absolut optimistisch - mit mir ein Großteil der Brandenburger Wirtschaft.

Wir sind ein Stück weiter, was die Funktion der Metropole Berlin angeht, und wissen: Brandenburg kann sich ohne Berlin nicht vernünftig entwickeln wie auch umgekehrt Berlin nicht ohne Brandenburg. Was die Wirtschaft angeht, hat sich vieles weiterentwickelt. Diese Erkenntnis gewinnt man, wenn man Vertreter der Wirtschaft direkt fragt.

Aber auch die Randlage Brandenburgs in Bezug auf Polen entwickelt sich zum positiven Standortfaktor. Wenn man sich die Entwicklung der Exportbeziehungen zwischen Polen und Brandenburg ansieht, stellt man fest, dass wir in beiden Richtungen einer der wichtigsten Partner sind. Es ist ein gutes Zeichen, dass das aus dem Aufschwung in Polen erwachsende Potenzial auch bei uns Wirkung entfaltet.

Ich will auf Frankfurt (Oder) als weiteres positives Beispiel eingehen, weil über diese Stadt häufig negativ diskutiert worden ist. Auch entsprechende Debatten hier im Parlament waren häufig von einem negativen Zungenschlag begleitet. Seit einem Jahr sieht es ganz anders aus. Es werden permanent positive Botschaften übermittelt. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich

eine negative Entwicklung zum Positiven wandeln kann, wenn man sich ausreichend auf die eigenen Stärken konzentriert.

(Beifall bei der SPD)

Es bleiben Herausforderungen zu bewältigen. Wir wissen, dass weniger Fördermittel gewährt werden. Ab 2019 müssen wir die Investitionen, die das Land vorhat und die auch notwendig sind, aus eigener Kraft stemmen. Insofern müssen wir lernen, mit unseren eigenen Mitteln besser umzugehen. Sie sind so einzusetzen, dass der größtmögliche Effekt entsteht.

Die Förderpolitik in Brandenburg wird sich auf noch weniger Branchen spezialisieren müssen. Gegenwärtig sind 16 Branchen als Zukunftsbranchen definiert. Das kann nicht von Dauer sein. Wir werden uns weiter konzentrieren müssen.

Eines unserer größten Probleme wird der Fachkräftemangel sein. Die Gründe liegen in den niedrigen Geburtenraten, vor allem im Geburtenknick, aber auch in der Abwanderung und den Fähigkeiten und Fertigkeiten von Schulabgängern. Welche Handlungsfelder lassen sich daraus für uns identifizieren? Die Geburtenrate werden wir nur begrenzt beeinflussen können. Aber wir können eine familienfreundliche Politik gestalten. Insoweit sind wir besser als viele andere Bundesländer, insbesondere wenn man sich das Kita-Umfeld ansieht. Aber auch die Unternehmen und die Verwaltung stehen in der Verantwortung. Im täglichen Miteinander muss Familienfreundlichkeit stärker ausgeprägt werden.

Die Abwanderung werden wir dann in den Griff bekommen, wenn es in Brandenburg zukunftssichere Jobs in zukunftssicheren Unternehmen gibt. Deswegen ist die Konzentration der Wirtschaftsförderung auf die Zukunftsbranchen so wichtig.

Wir müssen auch eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen erreichen. Da gibt es ein großes Potenzial. Für Studenten ist es interessant, hier zu bleiben, wenn sie hier ihre Diplomarbeit schreiben können, hier ein Praktikum absolvieren können und hier einen Job in Aussicht haben. Schlecht wäre es, wenn das nur in Bayern möglich wäre. Die Studenten bzw. Absolventen sind dann dort schon verwurzelt und bleiben vielleicht auch dort.

Was die Bildung angeht, sind wir ein ganzes Stück weitergekommen. Insoweit ist in den letzten Jahren viel getan worden. Ich verweise auf Vergleichsarbeiten, zentrale Prüfungen, das Zentralabitur und darauf, dass den Lehrern klarere Vorgaben gemacht worden sind. Wir verzeichnen eine konsequentere Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft. Das ist sehr wichtig. Hier kann man aber noch mehr herausholen. Auch da sollten wir dranbleiben.

Es ist auch wichtig, dass Bildung tatsächlich in der Kita beginnt. Je später die Kinder damit anfangen, desto schwieriger wird es, beim Schulabschluss zu den Ergebnissen zu kommen, die wir brauchen.

Ich möchte noch einmal auf die Region Berlin-Brandenburg eingehen. Das Urteil aus Karlsruhe ist nachvollziehbar, aber dennoch nicht gut für die Region. Die Egoismen werden zunehmen. Schon jetzt hat die Argumentation der Berliner Seite häufig den Touch, nur ein Arbeitsplatz, der in Berlin entstehe, sei ein guter Arbeitsplatz. Ich befürchte, diese Tendenz wird

sich verstärken. Damit lenkt man aber von der wichtigen Erkenntnis ab, dass wir nur als gemeinsame Region stark sind. Ein Arbeitsplatz, der in Brandenburg entsteht, ist auch gut für Berlin; ein Arbeitsplatz, der in Berlin entsteht, ist auch gut für Brandenburg.

Ich glaube, das geht ein bisschen verloren. Umso mehr muss man für diesen Gedanken immer wieder werben, damit dies nicht in Vergessenheit gerät.

Wenn ich ein Fazit ziehe, so komme ich zu dem Ergebnis, dass die Herausforderungen, vor denen wir stehen, eigentlich nicht größer geworden sind. Wir haben sie aber unterdessen besser erkannt. Das ist ein positiver Effekt: Wenn man Herausforderungen erkennt, kann man auch damit umgehen.

Der zweite aus meiner Sicht wesentliche Satz lautet: Die Konzentration auf Stärken ist richtig. Sie hat auch diesen positiven Ruck im Land ausgelöst. Das ist viel Grund für Optimismus. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Frau Hesselbarth. Sie spricht für die DVU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Wahl dieses Themas, Herr Lunacek, war wohl mehr Ihr Wunsch als Ihre Orientierung an der Brandenburger Realität der Vater des Gedankens. Gemessen an der neuen Statistik hat es den Anschein, dass die Wirtschaft auch in Brandenburg an Fahrt gewinnt. Genauer betrachtet, sieht es dann doch eher wie ein Strohfeuer aus, und zwar deshalb, weil viele Anschaffungen und Investitionen in teure Konsumgüter aus Furcht vor der Mehrwertsteuererhöhung um 3 % einfach in das Jahr 2006 verlegt werden. Warum sollte das denn in Brandenburg anders sein, als es bundesweit derzeit beobachtet und von namhaften Wirtschaftsanalysten auch so bewertet wird?

(Dr. Klocksin [SPD]: Wen meinen Sie damit?)

Selbst anerkannte Wirtschaftsexperten sehen eine dauerhafte Steigerung auf 1,6 % im bundesweiten Trend auch für die kommenden zwei Jahre nicht, im Gegenteil: Für 2007 wird ein deutlicher Konjunkturknick erwartet; dabei wird Brandenburg, so leid es mir tut, keine Ausnahme machen, Herr Lunacek,

(Dr. Klocksin [SPD]: Wer sagt das denn?)