Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, es ist eine unwahrscheinlich schwierige Thematik und Sie haben uns gründlich missverstanden.
Zur Verdeutlichung: Sie hätten sich im Zusammenhang mit dieser Problematik zumindest die Antwort der Landesregierung auf unsere Kleine Anfrage - Drucksache 4/3307 - zu Gemüte führen können. Darin stellt die Landesregierung zu Frage 2 in einer gelungenen synoptischen Gegenüberstellung der einschlägigen Rechtsprechung ziemlich deutlich die verursachte Rechtsunsicherheit bei Bietern und Auftraggebern dar. Wenn Sie auch noch Gespür für die damit zusammenhängenden Probleme für die betreffenden Unternehmen und Branchen hätten, würden Sie endlich einmal gut zuhören und bei Ihrer Reaktion im Parlament die notwendige Vernunft walten lassen.
Es geht uns als DVU-Fraktion schließlich um nichts anderes, als für Investoren in der Position von Auftraggebern als auch für die an Vergabeverfahren teilnehmenden Unternehmen die notwendige Rechtssicherheit transparent zu machen und rechtlich die unternehmerische Planbarkeit herzustellen. Dazu bedarf es klarer vertraglicher Grundlagen. Wenn man sich entschließt - die vergaberechtlichen Vorschriften der Europäischen Union sowie das deutsche Vergaberecht zwingen dazu -, bestimmte Auftragsvolumina im Rahmen von Ausschreibungen zu vergeben, dann ist es nur konsequent und notwendig, dass beide Vertragsparteien wissen, woran sie sind und was sie an Leistungen und Gegenleistungen konkret zu erwarten haben.
Um dies festzustellen, gibt es die allgemeinen Beweislastregeln der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die jedoch bei eingereichten Mischkalkulationen keine allgemeine Gültigkeit zu haben scheint. Wenn das kein Problem ist, dem sich die Politik anzunehmen hat, dann weiß ich nicht, weshalb Sie hier sitzen.
Den Gerichten kann man die Lösung dieser Rechtsfrage jedenfalls nicht aufbürden; denn solange sich der Bundesgerichtshof zur Beweislastverteilung mit vermuteter Mischkalkulation nicht im Rahmen einer rechtskräftigen Entscheidung geäußert hat, wird sich an der bestehenden Rechtsunsicherheit auch nichts ändern. Wir als Politiker sind daher gefordert, den Bürgern wie den Unternehmen unnötige Rechtsstreitigkeiten mit sichtlich ungewissem Ausgang zu ersparen, indem wir Rechtsklarheit schaffen.
Vor diesem Hintergrund spricht aus Sicht meiner Fraktion manches dafür, einerseits bei den Bietern, die durch ihre Angebotsgestaltung den Verdacht unzulässiger Preisverlagerung ausgelöst haben, die Vorlage der Urkalkulation insoweit abzuverlangen, als dadurch Zweifel ausgeräumt werden können. Andererseits kann diese Darlegung und Beweislast nicht einseitig zulasten der Bieter gehen, sodass spätestens dann, wenn die erforderlichen Unterlagen beigebracht sind, die Vergabestelle auch die volle Beweis- und Darlegungslast zu tragen hat.
Ich hoffe, Sie haben nun begriffen, worum es geht, und ich hoffe daher immer noch auf Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir sind am Ende der Rednerliste angelangt. Die DVU-Fraktion verlangt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/3378 an den Wirtschaftsausschuss. Wer diesem Begehr Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Mit großer Mehrheit ist dieser Überweisungsantrag abgelehnt.
Ich lasse über den Antrag in der Drucksache 4/3378 in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ohne Enthaltungen ist der Antrag in der Drucksache 4/3378 mit großer Mehrheit abgelehnt.
Bundesratsinitiative zur Gewährleistung des Rechts auf Meinungs-, Informations- und Forschungsfreiheit
Die Debatte wird wieder mit dem Beitrag der DVU-Fraktion eröffnet. Es spricht der Abgeordnete Schuldt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ausnahmestrafrecht darf es nach unserem Grundgesetz nicht geben. Doch genau um ein solches Ausnahmestrafrecht handelt es sich beim § 130 des Strafgesetzbuches in der seit 1994 geltenden Fassung.
Meine Damen und Herren, § 130 StGB, der Volksverhetzung unter Strafe stellt, wurde mehrmals, zuletzt im Jahre 1994 und ein weiteres Mal 2005 im Eilverfahren verschärft, um vermeintlichen Tagesbedürfnissen Rechnung zu tragen.
War die Umwandlung des alten Klassenkampfparagrafen in eine knappe und noch ziemlich klare Strafnorm gegen Volksverhetzung durch Gesetz vom 04.08.1960, welche bis 1994 unverändert galt, rechtsstaatlich noch einigermaßen nachvollziehbar, so sind die Gesetzesverschärfungen aus den Jahren 1994 und 2005
hin zu einem Gummiparagrafen, welcher missliebige Meinungsäußerungen, insbesondere hinsichtlich bestimmter historischer Vorgänge, unter Strafe stellt, aus rechtsstaatlicher und verfassungsgemäßer Sicht mehr als bedenklich.
Zu diesem Ergebnis kamen inzwischen verschiedene Rechtsgelehrte im In- und Ausland. Stellvertretend für viele andere Juristen zitiere ich den Vorsitzenden Richter am Landgericht Hamburg, Herrn Günter Bertram, in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ Nr. 21/2005 - der immerhin führenden deutschen Rechtszeitschrift:
„§ 130 StGB enthält irreguläres Ausnahmestrafrecht und steht somit mit dem Verfassungsrecht und der Meinungsfreiheit in Widerspruch.“
Welche Rechtsgüter der Gesetzgeber gegen welche Angriffe in welchen Gesetzen schützen wollte, war schon 1994 bei der Neufassung des Paragrafen unklar und umstritten geblieben. Die jetzige gültige Novelle hat die Zweifel vertieft. § 130 Abs. 3 StGB steht zum Verfassungsrecht unter dem Aspekt Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Abs. 1 GG in Widerspruch, denn das geschützte Rechtsgut soll sein - so wörtlich - dass das politische Klima nicht vergiftet wird.
Ein so formuliertes politisches Ziel ist aber kein ausreichend fassbarer Rechtsgrund für eine rechtsstaatlich legitimierte Strafandrohung. Selbst wenn man den öffentlichen Frieden als geschütztes Rechtsgut ansieht, kann nichts anderes gelten, meine Damen und Herren. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit als solche kann aus der Tatbestandsverwirklichung des § 130 Abs. 3 StGB in keiner Weise abgeleitet werden.
Die Verfolgung der genannten Äußerungen kann daher so weit legitimiert sein, als sie Einzelne oder Gruppen der Bevölkerung vor Verhöhnung, Hetze oder Ausgrenzung schützt, denen die Gefahr von gewalttätigen Angriffen innewohnt.
Auch der Verweis auf den Würde- und Achtungsanspruch der Opfer des NS-Regimes ist kein Grund, die Absätze 3 bis 5 des § 130 StGB bestehen zu lassen, denn dieses Schutzgut wird durch die Tatbestände der §§ 185 ff. im StGB in Verbindung mit der im § 194 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB normierten Ausnahme von der Antragserfordernis bereits erfasst. Der Gesetzgeber muss sich daher endlich zu einer Richtungsänderung durchringen und - über 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges - einen weit vorangetriebenen deutschen Sonderweg verlassen, um zu den vom Grundgesetz vorgegebenen rechtsstaatlichen Maßstäben zurückzukommen. Daher fordere ich Sie auf: Stimmen Sie unserem vorliegenden Antrag zu! - Ich bedanke mich erst einmal.
Überhaupt nicht, keine Bange! Auf so etwas braucht man nicht mit Polemik zu antworten. Das kann man ganz sachlich abarbeiten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Philosoph Victor Klemperer hat einmal gesagt - ich habe dies hier schon einmal zitiert -: Der Mensch mag sich verstellen, aber in der Wahl seiner Worte liegt sein Wesen hüllenlos offen.
Die DVU-Fraktion stellt hier den Antrag „Bundesratsinitiative zur Gewährleistung des Rechts auf Meinungs-, Informationsund Forschungsfreiheit“ und fordert in diesem Zusammenhang die Abschaffung des § 130 Absätze 3 bis 5. Das hört sich irgendwie ganz nett an. Wer kann denn schon gegen Meinungsfreiheit, Forschungsfreiheit oder Informationsfreiheit sein? Aber, meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen die Paragrafen einmal vorlesen, denn dann erkennt man, wes Geistes Kind hier etwas zu verpacken versucht.
Ich darf im Übrigen noch Kollegen Schippels Äußerungen von gestern zitieren, weil der Abgeordnete Schuldt hier gesagt hat: 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ist ja alles nicht mehr so schlimm, nicht mehr so wichtig. - Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem es kroch, sagte Bertolt Brecht vor 50 Jahren. Recht hat er! Der Schoß ist noch fruchtbar.
„Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.“
Das heißt: Hier wird unter Strafe gestellt, Schürung von Hass auf andere, wie sie im Dritten Reich vorgekommen ist, zu billigen, zu leugnen oder zu verharmlosen. Wir alle wissen, dass das tagtäglich in Deutschland stattfindet. Auch in anderen Ländern Europas gibt es faschistische Bestrebungen, wird versucht, das, was in der Zeit des Nationalsozialismus geschehen ist, zu verharmlosen, zu billigen, zu leugnen, schönzureden und letztendlich wieder auf die Tagesordnung zu setzen.
„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.“
Auch das findet leider - das ist eine große Schande und von Menschen mit Kultur und Vernunft nicht zu verstehen - in diesem Lande statt. Und zwar ist so etwas auch von Leuten, die heute hier in diesem Hause anwesend sind und sich Abgeordnete dieses Landtages nennen, schon vorgekommen, zuletzt am gestrigen Tage.