Protocol of the Session on September 13, 2006

Herr Präsident! Meine verbliebenen Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Thema sprechen.

Wir beschreiten mit diesem Gesetzentwurf juristisches Neuland, weil wir von den Möglichkeiten Gebrauch machen - Jörg

Schönbohm, der Innenminister von Brandenburg, hat es ausgeführt -, die wir nach der Föderalismusreform haben. Dieser Baustein der heutigen 1. Lesung des Versammlungsgesetzes fügt sich ein in eine Vielzahl von Bausteinen der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus im Land Brandenburg und der Bundesrepublik Deutschland.

(Bischoff [SPD]: Willst du nicht mal drei Worte zu die- sem Beitrag sagen?)

- Ich habe fünf Minuten Redezeit und wie ich diese gestalte, das ist allein meine Angelegenheit.

(Bischoff [SPD]: Das ist bezeichnend!)

Dieser Baustein fügt sich ein in das Bemühen der Landesregierung und der Mehrheit des Parlaments, sich mit dem Rechtsextremismus auseinanderzusetzen, und zwar sowohl in dieser Legislaturperiode als auch in den vergangenen Legislaturperioden, ob im Kinder- und Jugendbereich, im Bildungsbereich, bei der Wissenschaft, der Justiz, in anderen Bereichen und vor allen Dingen in der Innenpolitik. Wir haben es uns nicht einfach gemacht, diesen juristischen Weg zu gehen, sondern wir haben überlegt, ob wir diesen Weg, nachdem wir schon einmal nicht zum Erfolg gekommen sind, noch einmal beschreiten wollen. Gerade weil wir uns konsequent mit dem Rechtsextremismus in Brandenburg auseinandersetzen wollen und müssen, sind wir zu dem Schluss gekommen: Wir wollen diesen Weg gemeinsam gehen - Kollege Schuldt, da kommen Sie ins Spiel -, weil wir die über 20 000 Menschen, die dort begraben sind, die Opfer des Krieges, der Gewalt, von Zwangsherrschaft sind, 60, 70, 80 Jahre nach dem Ende des Krieges vor einer nachträglichen Instrumentalisierung durch Rechtsextremisten schützen wollen. Diese Menschen können sich nicht mehr wehren; deswegen verspüren wir eine Verpflichtung, sie vor einer nachträglichen falschen Instrumentalisierung für den Rechtsextremismus zu schützen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich muss ganz deutlich sagen: Das ist kein einfacher Weg, kein einfacher rechtlicher und kein einfacher politischer Weg. Das Grundgesetz lässt es zu, das Recht auf Versammlungsfreiheit per Gesetz einzuschränken. Natürlich besteht da für uns ein Spannungsverhältnis. Aber ich glaube, nach der gründlichen juristischen Prüfung sind wir hier auf einer verantwortbaren, auf einer sicheren Seite. Deswegen werden wir dieses Gesetz so schnell wie möglich durch die parlamentarischen Beratungen bringen, und wir werden dann genau beobachten, ob zum Beispiel die Gerichtsbarkeit in Brandenburg Folge leistet, ob dieses juristische Neuland so angenommen wird.

Meine Vorstellung ist nicht nur, dass wir uns mit dem Rechtsextremismus gesellschaftlich auseinandersetzen. Meine Vorstellung ist, dass wir mit diesem Gesetz einen tatsächlichen und vor allen Dingen nachhaltigen Beitrag dazu leisten, dass der Toten in den Gräbern auf den Friedhöfen gedacht werden kann, aber frei von einer nachträglichen Instrumentalisierung zum Beispiel für Zwecke des Rechtsextremismus oder andere Zwecke.

Deswegen stimmt die Fraktion der CDU diesem Gesetzentwurf zu. Ich freue mich auf tief gehende und gute parlamentarische Beratungen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält noch einmal die Landesregierung. Herr Innenminister Schönbohm, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir gerade von Herrn Schuldt gehört haben, ist für mich persönlich unerträglich. Mein Vater hat in Halbe gekämpft; er hat überlebt. Mein Schwiegervater hat in Ketschendorf im KZ gesessen, in Buchenwald, in Sibirien; er hat auch überlebt. Dann stellt sich ein Mensch wie Herr Schuldt hin und verhöhnt die, die Opfer gebracht haben, und versucht, sie zu instrumentalisieren, wenn es um ein Gesetz geht, mit dem wir die Totenruhe sicherstellen wollen. Ich kann nur sagen: Herr Schuldt, überlegen Sie sich, worüber wir eigentlich gesprochen haben! Ich lasse mir das nicht gefallen! Wir alle lassen uns das nicht gefallen!

(Anhaltender Beifall bei CDU, SPD und der Linkspartei. PDS)

Die Kultur des Gedenkens war immer ein Ausdruck der Menschen, die Kultur haben. Ihr Beitrag hat gezeigt, dass Sie sich davon ausgeschlossen haben.

(Anhaltender Beifall bei CDU, SPD und der Linkspartei. PDS - Zuruf des Abgeordneten Schuldt [DVU])

Vielen Dank, Herr Innenminister. - Wir sind damit am Ende der Debatte zum Tagesordnungspunkt 9.

Ich lasse über die Empfehlung des Präsidiums, den Gesetzentwurf in Drucksache 4/3359 an den Innenausschuss zu überweisen, abstimmen. Wer der Empfehlung Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Die Empfehlung ist mit übergroßer Mehrheit angenommen.

Gestatten Sie mir eine Bemerkung außerhalb der Tagesordnung an unsere Gäste: Sie haben hier gerade einen Vorgang erlebt, wie wir ihn uns auch in der Gesellschaft wünschen. Es wäre natürlich leicht gewesen, dem Redner das Mikrofon abzuschalten. Aber wichtiger ist, dass die Meinungsbildung innerhalb des Parlaments, die Artikulation von Landesregierung und allen Abgeordneten hier deutlich macht, wo die Mehrheit steht. Das wünsche ich mir auch in der Gesellschaft Brandenburgs, das wünsche ich mir an jeder Schule. Nicht den Mund halten und wegschauen, wenn so etwas passiert, sondern klar und in großer Mehrheit Stellung beziehen!

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir verlassen Tagesordnungspunkt 9 und ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Zweites Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/3206

1. Lesung

Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung der Vorlage in der Drucksache 4/3206, Änderung des Heilberufsgesetzes, an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie. Wer dieser Empfehlung Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Empfehlung einstimmig angenommen.

Wir verlassen Tagesordnungspunkt 10 und ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Zur Situation und zu den Perspektiven der Weiterbildung im Land Brandenburg

Große Anfrage 22 der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 4/2759

Antwort der Landesregierung

Drucksache 4/3207

Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Der Abgeordnete Senftleben spricht zu uns.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht wieder einmal um das Thema Bildung. Wie man leider gerade feststellen konnte, betrifft dies auch das Thema Bildung hier im Landtag selbst. Von daher beschreibt das Stichwort „lebenslanges Lernen“ nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine Lebenswirklichkeit in unserer heutigen Umgebung.

Wir haben auch hier im Landtag viele theoretische Diskussionen geführt, und wir als Große Koalition wollten herausfinden, wie die Praxis im Land Brandenburg im Bereich der Weiterbildung ist; deswegen die Große Anfrage.

Ich möchte bei der Auswertung in meiner Rede drei Fragen in den Vordergrund stellen, nämlich die Frage der Qualitätssicherung und der Qualitätsentwicklung, die Frage der Finanzierung, aber natürlich auch die Frage der Beteiligung der Menschen, wenn es um das Thema Weiterbildung geht.

Brandenburg befindet sich in einem wandelnden Prozess, gerade im Hinblick auf die Demografie und die finanziellen Voraussetzungen. Deswegen war und ist es keine Selbstverständlichkeit, dass es im Land Brandenburg eine Weiterbildungsstruktur gibt, die diesem Anspruch gerecht wird. Es ist eine harte Arbeit derjenigen gewesen, die dafür gesorgt haben, dass Weiterbildung im Land Brandenburg seinen richtigen Platz gefunden hat.

Tatsache ist aber auch, dass in den Jahren 2003 und 2004 allein 40 % der Förderung für Weiterbildungsmaßnahmen in Brandenburg eingekürzt werden mussten und wir damit einen Prozess ausgelöst haben, der nicht einfach war, der aber unter den gegebenen Voraussetzungen eine Rolle gespielt hat. Unsere Anbieter in den Bereichen haben sich strukturell auf die neuen Gegebenheiten einstellen müssen. Ich nenne einige wichtige

Zahlen: Wir haben heute in Brandenburg im Bereich der Weiterbildung für ungefähr 22 000 Einwohner einen hauptamtlichen Mitarbeiter. Thüringen hat zum Beispiel für 15 000 Einwohner einen hauptamtlichen Mitarbeiter. Unsere Einrichtungen mussten sich also wesentlich früher auf neue strukturelle Gegebenheiten einstellen. Das ist ein hartes Brot gewesen, aber dadurch wurde den neuen Gegebenheiten schon Rechnung getragen.

Es fällt aber auch auf, dass innerhalb Brandenburgs sehr unterschiedliche Gegebenheiten in den Landkreisen und kreisfreien Städten existieren. Zum Beispiel hat Potsdam bei etwas mehr als 140 000 Einwohnern sage und schreibe 16 hauptamtliche Mitarbeiter. Der Landkreis Oberhavel hat knapp 200 000 Einwohner und kommt mit ganzen vier hauptamtlichen Mitarbeitern aus. Das zeigt schon, dass es auch in Brandenburg unterschiedliche Gegebenheiten und Voraussetzungen bei den Landkreisen und den kreisfreien Städten gibt, Weiterbildung anzubieten, natürlich immer vor dem Hintergrund der finanziellen Rahmenbedingungen.

Wir als Politiker, aber auch die Verantwortlichen vor Ort müssen eine Ausgabenpolitik mit Augenmaß betreiben, das heißt, wir müssen einerseits sagen, dass wir Weiterbildung brauchen, dass wir die Entwicklung in diesem Sektor brauchen. Andererseits brauchen wir auch die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger, die erkennen können und müssen, dass sich der Staat nicht dauerhaft auf Kosten anderer für andere einsetzen kann, wenn es darum geht, Weiterbildung zu finanzieren. Aus diesem Grund werden und müssen wir auch das Thema Qualität und Evaluation der Maßnahmen und der Angebote in den Vordergrund stellen.

Die Koalition hat mit 105 gestochen scharfen Einzelfragen, die wir erarbeitet haben, die Regierung letztendlich herausgefordert.

(Zurufe von der Linkspartei.PDS: Bravo!)

Die Regierung hat auf 53 Seiten mit gestochen scharfen Antworten in Text- und Tabellenform geantwortet. Das war manchmal mit großen, manchmal mit ehrlichen Worten verbunden, manchmal sind Fragen auch gar nicht beantwortet worden. Es wurde uns also eine Palette mit vielen Möglichkeiten präsentiert.

Aber eines ist klar: Es gibt eine erfrischende Offenheit, die mit Sicherheit auch dank des Ministers eingetreten ist. Es gibt nämlich unter dem Strich im Bereich der Weiterbildung das Problem der Finanzierung. Deshalb ist alles, was wir diskutieren, immer auch unter diesem Blickwinkel zu betrachten.

Wir haben vor, auch im Jahr 2007 die Haushaltsmittel zu verstetigen. Damit können die Leute vor Ort umgehen. Aber es wird aus der Sicht des Landes nicht mehr finanzielle Möglichkeiten für die Einrichtungen geben. Aus diesem Grunde - ich wiederhole es - ist die Frage der Qualität und der Angebotsüberprüfung wichtiger denn je. Es geht nicht nur darum, dass wir die Maßnahmen bei der Antragstellung bewilligen, sondern auch darum, dass wir nach dem Ablauf einer Maßnahme diese daraufhin hinterfragen, ob sie diesen neuen Prozessen und den Anforderungen gerecht wurde. Deshalb, meine Damen und Herren, fordern wir als CDU-Fraktion auch eine Verstetigung der Qualitätskontrolle nach dem Ablauf der Maßnahmen.

Es gibt natürlich auch eine Vielzahl von anderen Sachen, die eine Rolle spielen, zum Beispiel die Frage der Mittelausreichung aufgrund der Qualitätsentwicklung der einzelnen Einrichtungen. Auch hier ist aus Sicht der Fraktion der CDU einiges zu tun.

Wir haben den 8. September erst vor wenigen Tagen hinter uns gebracht. Deswegen will ich dieses Stichwort noch einmal aufgreifen. Es geht nämlich im Kern darum, dass wir als Land sicherstellen müssen, dass die Grundversorgung mit Weiterbildungsmaßnahmen im Land Brandenburg garantiert werden kann. Für mich heißt Grundversorgung zum Beispiel, dass wir Angebote machen können, damit Leute in Brandenburg Lesen und Schreiben lernen können, weil das wichtig ist. In einem Land wie Deutschland mit 4 Millionen Analphabeten ist das auch im Land Brandenburg ein Problem.

Wir haben - das wissen Sie, Frau Lehmann, aus der persönlichen Erfahrung aufgrund Ihrer Tätigkeit im Volkshochschulverband - in Brandenburg insgesamt etwa 120 000 Analphabeten. Wir haben jetzt ein Kurssystem eingeführt, das diesen Leuten Hilfe anbieten soll. Aber es gibt eine große Zahl von Menschen, die Probleme in diesen Bereichen haben und die von vornherein mit diesem Hintergrund von Entwicklungen ausgeschlossen sind. Das können wir uns auf Dauer in Brandenburg, in Deutschland und darüber hinaus mit Sicherheit nicht leisten.