18 bist, bist du eine eigene Bedarfsgemeinschaft, dann kannst du dir eine eigene Wohnung suchen. Der Staat wird dir das finanzieren und gibt noch das Grundsicherungsgeld obendrauf. Es wurde sogar noch die Ersteinrichtung bezahlt. Dass das natürlich nicht funktionieren kann, ist doch klar.
Herr Otto, ich will noch einmal ganz klar sagen: Kurt Beck hat sich mit seiner Äußerung zum Missbrauch überhaupt nicht auf Hartz-IV-Empfänger bezogen, überhaupt nicht. Er hat ganz explizit deutlich gemacht, dass es um Gutverdiener geht, die keine Steuern zahlen, aber trotzdem BAföG für ihre Kinder beantragen. Um den Personenkreis ging es und keineswegs um Hartz-IV-Empfänger.
Ich will deutlich sagen: Wenn wir den Leuten die Möglichkeit einräumen, dieses Geld vom Staat zu erhalten, und sie es dann nehmen, dann ist das kein Missbrauch. Auch wir geben doch unsere Belege dem Steuerberater in der Erwartung, er möge so arbeiten, dass wir möglichst keine Steuern bezahlen müssen. Natürlich tun wir das! Jeder Unternehmer stellt sein Unternehmen so auf, dass er möglichst wenig Steuern zahlt. Wenn wir den Leuten sagen, dass sie das Geld erhalten und die Wohnung bezahlt bekommen, dann können wir es ihnen nicht verübeln, wenn sie diese Leistungen in Anspruch nehmen.
Der nächste Punkt betrifft die Förderung und Vermittlung, die sehr schlecht gelaufen sind. Wir haben mit dem Fortentwicklungsgesetz die richtige Richtung eingeschlagen. Wir müssen erkennen, dass mehr mit den Menschen gearbeitet werden muss. Ich gehe davon aus, dass die beschlossenen Maßnahmen in den nächsten Jahren konkret greifen werden.
Die unterschiedliche Trägerschaft ist ein Aspekt, den auch die Ombudskommission in den nächsten Tagen öffentlich kritisieren wird. Diese Kritik ist richtig. Ich habe die bisherige Regelung von Anfang an bemängelt und gesagt: Wenn man in einer ARGE zwei Geschäftsführer hat, dann geht irgendetwas schief. Wenn etwas schief gegangen ist, dann zeigt jeder auf den jeweils anderen. Niemand wird für die eingetretenen Fehler verantwortlich sein. - Mit dem Nachbesserungsgesetz kann insoweit einiges richtiggestellt werden. Das wird nicht gleich gelingen; ich glaube, das muss vielfach vor Ort geregelt werden.
Meine Damen und Herren, im Mai dieses Jahres haben wir in Brandenburg so wenige Arbeitslose wie seit 2000 nicht mehr verzeichnet. Seit 2003 ist die Arbeitslosigkeit um 10 % zurückgegangen. Positiv betroffen sind in erster Linie diejenigen, die direkt aus dem ersten Arbeitsmarkt kommen, das heißt Arbeitslosengeld-I-Bezieher sind. Das ist ganz klar; denn sie sind dichter am Markt und besser qualifiziert.
Wir werden weiterhin große Probleme haben, Menschen aus dem Bereich der verfestigten Arbeitslosigkeit - mancher hier in Brandenburg ist seit 12, 13 Jahren arbeitslos - wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das erfordert noch viel Arbeit. Ich sage aber ganz klar: Wir wollen nicht aufgeben. Wir müssen diese Leute weiterhin auch über den zweiten Arbeitsmarkt betreuen. Das kann nicht bedeuten, dass ein 25-Jähriger sein Leben lang im zweiten Arbeitsmarkt verbleibt. Aber gerade für
die Älteren, die über 55-Jährigen, brauchen wir einen fairen Weg, damit sie auch zur Rente kommen. Das läuft zunehmend besser. Die Kommunen sind dazu übergegangen, solche MAEs nicht nur ein halbes Jahr, sondern insbesondere für die Älteren auch ein oder zwei Jahre zu bewilligen. Ich halte diesen Weg für sehr gut. Man sollte auf ihm weiter voranschreiten.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Ausbildung. Heute Nachmittag werden wir gemeinsam über die Europäischen Strukturfonds reden. Es bleibt festzuhalten: Wir werden nach wie vor viel in die Ausbildung stecken müssen. Über 50 % der Langzeitarbeitslosen in Brandenburg haben keinen anerkannten Ausbildungsberuf. Da gilt es nachzulegen. Wir müssen diesen Menschen helfen und dürfen sie nicht zurücklassen. Dazu haben wir kein Recht. Dazu ist der Europäische Sozialfonds nach wie vor sehr wichtig. Wir sollten uns gemeinsam darauf verständigen, den eingeschlagenen Weg fortzuführen.
Ich darf vorweg sagen: Aus diesem Grund werden wir heute Nachmittag Ihren Antrag auf Ablehnung des Fortentwicklungsgesetzes selbstredend ablehnen. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat am 1. Juni eine Korrektur der Arbeitsmarktreform Hartz IV mit dem Ziel beschlossen, die Kosten einzudämmen. Weil sie deutlich höher liegen als vorher berechnet, soll unter anderem Arbeitslosengeld II künftig dann nicht mehr gezahlt werden, wenn ein Empfänger drei Arbeitsangebote in einem Jahr abgelehnt hat. Not macht bekanntlich erfinderisch. Da verwundert es uns überhaupt nicht, dass Politiker der Altparteien angesichts der ausufernden Kosten von Hartz IV auf bizarre Ideen kommen. So forderte ein Unionspolitiker einen Zwangsdienst für Arbeitslose. An fünf Tagen in der Woche sollen Langzeitarbeitslose für jeweils acht Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.
Wenn wenigstens eine ordentliche Bezahlung für die erbrachte Arbeit vorgesehen wäre, dann könnte man dem vielleicht sogar etwas Positives abgewinnen. Aber von einer leistungsgerechten Bezahlung war und ist nicht die Rede.
Aber nicht nur Unionspolitiker treten mit bizarren Forderungen in die Öffentlichkeit. SPD-Chef Beck forderte doch kürzlich mehr Anstand von Beziehern staatlicher Hilfen. „Man muss nicht alles rausholen, was geht“, sagte Beck. Besonders die Hartz-IV-Regelungen hätten eine Reihe von neuen Möglichkeiten geschaffen, die die Politik nicht vorher gesehen hätte. Meine Damen und Herren, da frage ich mich doch allen Ernstes, wofür diese Politiker bezahlt werden, wenn sie nicht in der Lage sind, die Auswirkungen der von ihnen beschlossenen Gesetze vorherzusehen.
Es ist doch ganz logisch, dass Menschen, die sich in finanzieller Not befinden, versuchen, Leistungen, die ihnen per Gesetz zustehen, auch zu erhalten. Schon aus der Not heraus sind etliche dieser Leute dazu gezwungen - anders als zum Beispiel manche Politiker bzw. Staatsdiener hier in Brandenburg, die unrechtmäßig Trennungsgeld kassiert haben.
Korrekturen an der Hartz-IV-Gesetzgebung waren bzw. sind immer noch angebracht, zum Beispiel bei den Freibeträgen für die Altersabsicherung, den fehlenden Vermittlungschancen für Nichtleistungsbezieher und der Förderung von Arbeitslosen; bisher wird nur gefordert. Außer der Bereitstellung von wenigen 1-Euro-Jobs gibt es bis heute keine nennenswerte Arbeitsmarktförderung, auch wenn Herr Baaske etwas anderes darzustellen versucht.
Die Liste der notwendigen Korrekturen ist lang und ließe sich um etliche Punkte fortsetzen. Doch an solche Korrekturen denken die Verantwortlichen natürlich nicht. Ihnen geht es hauptsächlich darum, die Kosten einzudämmen. An einer Beschäftigung unserer Arbeitslosen scheinen sie nicht sonderlich interessiert zu sein. Wie anders ist es zu erklären, dass eine wirkliche Förderung der Arbeitslosen bis heute nicht erfolgt? Selbst wenn es - hauptsächlich unter Jugendlichen - Leute gibt, deren Motivation zur Arbeit zu wünschen übrig lässt, so sollten wir nicht verkennen, dass die meisten der Brandenburger Arbeitslosen unverschuldet in diese Lage geraten sind. Vor Arbeitslosigkeit, meine Damen und Herren - das sollte sich jeder hier hinter die Ohren schreiben -, ist heutzutage keiner gefeit.
Noch etwas. Es gibt zwei Möglichkeiten, den Haushalt zu konsolidieren: Man erhöht die Einnahmen und/oder reduziert die Ausgaben. Die Altparteien haben sich dazu entschlossen, die Ausgaben für ihre unsoziale Hartz-IV-Gesetzgebung zu reduzieren; denn für unsere Arbeitslosen ist ja kein Geld da. Das viele Geld, das ja da ist, wird für andere Dinge verbraten, zum Beispiel für fremde Kriege. Milliarden kosten uns die Bundeswehreinsätze im Ausland. Gelder sind da für die Überzahlungen an die EU. Für alle zur Erinnerung: Deutschland ist wieder einmal der größte Nettozahler dieser Gemeinschaft, das heißt, wir bezahlen jährlich ca. 10 Milliarden Euro mehr ein, als wir zurückbekommen. Noch so ein Thema ist die Entwicklungshilfe. Ca. 7 Milliarden Euro Entwicklungshilfe zahlt Deutschland. In diesem Bereich gibt es Missbrauch und Zweckentfremdung ungeheuerlichen Ausmaßes.
- Herr Schulze, wenn Sie es nicht glauben können, dann empfehle ich Ihnen, sich das Buch „Dauertropf Entwicklungshilfe„ von Werner Keweloh zu kaufen.
- Selbst China, ein Land, welches Milliarden Dollar in sein Weltraumprogramm steckt, hängt am Tropf deutscher Entwicklungshilfe, Herr Schulze. China erhält in diesem Jahr 68 Millionen Euro. Spätestens hier sollte man über die Sinnhaftigkeit deutscher Entwicklungshilfe nachdenken.
- Damit komme ich zum Schluss. - Alles in allem bedeutet Hartz IV den schlimmsten Absturz für die Arbeitslosen seit Gründung der Bundesrepublik 1949. Deshalb lehnt die DVUFraktion diese unsoziale Hartz-IV-Gesetzgebung ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich nicht mit einer gewissen Erwartungshaltung an den Redebeitrag der PDS hierher gekommen wäre, müsste ich Herrn Otto richtig böse sein. Ich finde es einigermaßen merkwürdig, hier von „sozialem Elend“ zu sprechen. Wir alle wissen: Arbeitslosigkeit ist für jeden Betroffenen ein echtes Problem, ein Problem, das wir gemeinsam bekämpfen wollen. Aber wenn Sie von „sozialem Elend“ sprechen, dann fordere ich Sie auf, diesen Begriff zu definieren. Da bin ich schon irritiert.
Im Übrigen, Herr Otto, arbeiten wir im Landkreis Spree-Neiße sehr intensiv zusammen, insbesondere im Beirat. Daran möchte ich nur erinnern.
Ich mein mich erinnern zu können, dass wir dort konstruktiv zusammenarbeiten, und dass wir es waren, die sich um die 1-Euro-Jobs gekümmert haben. Wenn Sie behaupten, wir würden die Nichtleistungsbezieher vernachlässigen, erinnere ich Sie an unsere Aktivitäten, Herr Otto. Wenn Sie von sozialem Elend sprechen, habe ich das Gefühl, Sie wollen den schwarzen Schleier über das Land legen. Diese Vorbemerkung musste ich einfach loswerden.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Kollegin entwickelte in der Diskussion hier im Haus eine interessante Metapher. Sie verglich Hartz IV mit einem Tanker, der vom Stapel gelaufen, aber nicht aus dem Hafenbecken gefahren war. Inzwischen ist der Tanker aus dem Hafenbecken herausgefahren, nur scheinen einige Besatzungsmitglieder den Tanker mit einem Segelschiff verwechselt zu haben. Der Tanker hat auf hoher See wegen einiger Konstruktionsfehler Schwierigkeiten, Kurs zu halten und sein Ziel zu erreichen. Im Übrigen wird der Tanker inzwischen von einer Kapitänin gesteuert - ich weiß nicht, ob es diesen Begriff gibt, ich bezeichne es einfach so -, und die Mannschaft ist zum größten Teil ausge
wechselt worden. Man ist verpflichtet, den Kahn im Sinne der Betroffenen gemeinsam wieder flott zu machen.
Gott sei Dank ist da auch noch die Kapitänin, die trotz der unterschiedlichsten Reparaturaufträge vom Heck und vom Bug und von oben und von unten - wer da alles etwas in die Luft bläst! - bemüht ist, diesen Tanker im Sinne der Betroffenen in ruhiges Fahrwasser zu führen.
Die grundsätzliche Idee des so genannten Hartz-IV-Gesetzes, zwei aus Steuermitteln finanzierte Systeme zu einer Leistung zu verschmelzen, war und ist nach wie vor richtig, weil sie eine sehr ähnliche Klientel bedienen. Auch die Ansätze „Fördern und Fordern“ und Leistungen aus einer Hand zu gewähren, finden nach wie vor unsere Unterstützung.
Es war zu erwarten, dass diese Zusammenführung - ob in einer Arbeitsgemeinschaft, der so genannten ARGE, oder in einer Optionskommune - nicht ohne Schwierigkeiten ablaufen würde. Zeigen Sie mir ein einziges Gesetz, das in der Bundesrepublik Deutschland erlassen worden ist, bei dem immer alles glatt gegangen ist! Gerade dort, wo es um Menschen geht, wird es immer Nachbesserungs- und Änderungsbedarf zum Positiven geben. Dafür waren die Veränderungen und der betroffene Personenkreis viel zu groß.
Unser Vorschlag, eine längere Vorbereitungsfrist zu gewähren, wurde nicht gehört. Umso größer sind offensichtlich die eingetretenen Schwierigkeiten. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben diese Unsicherheiten in populistischer Art und Weise sehr ausgiebig genutzt. Ehrlich war das jedenfalls nicht - nicht gegenüber dem Steuerzahler und auch nicht gegenüber den Betroffenen.
- Und auch nicht gegenüber dem Wähler. Der Solidargedanke, der dem System zugrunde liegt, wird von Ihnen sträflich strapaziert. Solidarität bedeutet nämlich Geben und Nehmen.
Das führt dazu, dass sich die Leistungsträger, nämlich jene, die die Leistung erarbeiten, die Frage stellen, wie viel mehr an Transferleistungen noch verkraftbar ist. Dass demjenigen, der unverschuldet in Not gerät, die Hilfe der Gemeinschaft zuteil wird, ist richtig und in unserem Land eine Selbstverständlichkeit. Demjenigen aber, der dieses System als soziale Hängematte missbraucht und zumutbare Arbeit ablehnt - zumutbare Arbeit, ich wiederhole es noch einmal - und schwarz arbeitet, müssen konsequent die Grenzen aufgezeigt werden. Es ist eine ebensolche Selbstverständlichkeit, das entsprechend zu sanktionieren. Wer nicht handelt, gefährdet dieses System der Solidarität.