Gesetz zur Förderung des Mittelstandes im Land Brandenburg (Brandenburgisches Mittelstandsförde- rungs- und Vergabegesetz - BbgMFG)
Frau Präsidentin, bevor Sie den Beginn meiner Redezeit eingeben, möchte ich gern die Frage beantwortet haben, wer den Wirtschaftsminister zu diesem Tagesordnungspunkt hier und heute vertritt.
- Das ist wohl ein schlechter Witz, Herr Minister! Denn bekanntermaßen wird die Landesregierung zu von der DVU eingebrachten Anträgen und Gesetzentwürfen nicht reden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die kleinen und mittelständischen Unternehmen und die Freiberufler sind das Rückgrat unserer Brandenburger Wirtschaft. Sie zu unterstützen und zu fördern muss oberstes Ziel der Wirtschaftspolitik in unserem Land und in den Kommunen sein. Der Mittelstand findet die günstigsten Entfaltungsmöglichkeiten in einer sozialen Marktwirtschaft, die ohne ihn nicht lebensfähig ist.
Mittelstandspolitik zielt daher auch auf den gerechten Ausgleich unterschiedlicher wirtschaftlicher und sozialer Interessen ab. Mittelstandspolitik ist zugleich Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Nur die Vielzahl mittelständischer Unternehmen sowie freier Berufe eröffnet Verbrauchern und Arbeitnehmern eine größtmögliche Vielfalt und auch Freiräume.
Mittelstandspolitik beruht auf fairer Partnerschaft. Sie schottet die mittelständischen Unternehmen weder gegen Großunternehmen ab, noch ist sie einseitige Interessenpolitik zugunsten der Unternehmen. Sie erstrebt vielmehr Chancengleichheit durch den Ausgleich unternehmensgrößenbedingter Nachteile.
Mittelstandspolitik motiviert zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit und fördert die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Selbstständigen. Mittelstandspolitik richtet sich am Grundsatz der Hilfe zur Selbsthilfe aus. Sie gilt als Sicherung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zukunft des Landes. In Zeiten tief greifender globaler Strukturverschiebungen steht die Schaffung neuer, zukunftsweisender Rahmenbedingungen zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes im Vordergrund.
Meine Damen und Herren und Herr Innenminister, vielleicht zugleich Herr Wirtschaftsminister, dies sind oder sollten zumindest Leitsätze und Grundlagen einer Mittelstandspolitik sein.
Dass es heute in Brandenburg ganz anders aussieht, wissen Sie natürlich ebenso gut wie wir als Opposition. Dabei steht der Mittelstand zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor völlig neuen Herausforderungen. Die EU-Osterweiterung und die zunehmende Globalisierung setzen den heimischen Mittelstand einer ungeahnten wirtschaftlichen Belastungsprobe aus. Die Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien schafft eine bisher unbekannte Markttransparenz und erhöht die Reaktionsschnelligkeit auf den regionalen wie globalen Märkten. Die demografische Entwicklung oder - besser - die demografische Katastrophe in Brandenburg erfordert auch im Mittelstand Anpassungen. Deutlich wird dies zum Beispiel
beim unternehmerischen Generationenwechsel. Allein in Brandenburg steht er in den nächsten Jahren bei knapp 4 000 Unternehmen an.
Die Bedeutung des Dienstleistungssektors wird weiter steigen. Auch das wissen wir alle. Trotzdem bleiben Handwerk und Industrie unverzichtbare Basis für den Wirtschaftsstandort Brandenburg. Die Produktionsfortschritte in der Industrie sowie eine gedeihliche Entwicklung von Handwerk und Handel ermöglichen erst das Anwachsen des Dienstleistungssektors.
Aufgrund der schnellen technischen Entwicklung werden auch im Mittelstand die Produktzyklen immer kürzer. Mittelständische Unternehmen müssen deshalb verstärkt Forschung und Entwicklung betreiben. Gleichzeitig durchdringen Querschnittstechnologien sämtliche Branchen. Die Unternehmen müssen sich mit neuen Technologien auseinander setzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
All diese Grundsätze und Veränderungen werden in unserem vorliegenden Gesetzentwurf - im Gegensatz zum bisher geltenden Brandenburgischen Mittelstandsförderungsgesetz von 1992 - berücksichtigt. Diese deutliche Erweiterung, Konkretisierung und Anpassung an die aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten durch unseren Gesetzentwurf sind für eine sach- und fachgerechte sowie effiziente Ausgestaltung der Mittelstandspolitik in Brandenburg, die die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen will, unverzichtbar.
Es gibt Verständigungsbedarf bei der Koalition. Auf meiner Rednerliste steht die Abgeordnete Funck. Ich stelle deshalb an die Koalition die Frage, wer an ihrer Stelle spricht. - Es scheint keinen Redebedarf zu geben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf hat den Anspruch, Mittelstandspolitik neu zu konzipieren. Ich will es vorweg sagen: Meine Fraktion wird diesen Gesetzentwurf ablehnen, weil die Zielstellungen nicht erreicht sind und nicht erreicht werden. Ich will auch versuchen, das zu begründen.
Erstens: In den Paragraphen, die Sie ausgewählt haben, werden eine Reihe von Regelungen getroffen, die in anderen Gesetzen des Landes Brandenburg anders sind. Das heißt: Im Falle der Annahme des Gesetzes würden die Landeshaushaltsordnung und eine Reihe weiterer Gesetze in einer Weise betroffen, dass auch hier zwingend entsprechende Änderungen vorgenommen werden müssten. Ich mache das an einem Beispiel fest. In § 4 Vorrang der privaten Leistungserbringung - schreiben Sie:
„Die öffentliche Hand soll, vorbehaltlich spezifischer Regelungen für ihre wirtschaftliche Betätigung, wirtschaftliche Leistungen ausschließlich dann erbringen, wenn sie von privaten Unternehmen nicht ebenso gut und wirtschaftlich erbracht werden können.“
In der Landeshaushaltsordnung wird eine ganz andere Richtung eingeschlagen. Dort heißt es, dass in geeigneten Fällen über privatwirtschaftliche Lösungen nachgedacht werden soll. Das ist etwas völlig anderes. Ich glaube, an diesem Beispiel wird deutlich, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf den selbst gewählten Anspruch nicht umsetzen.
Ein anderes Beispiel: In § 11 schreiben Sie von Darlehen, Zuschüssen und Bürgschaften. Revolvierende Fonds schließen Sie völlig aus. Das ist im Prinzip jedoch der Kernbereich, auf den wir uns konzentrieren wollen.
In § 15 regen Sie die Förderung der Kooperation an. Das ist aber schon seit mehreren Jahren in der GA-Richtlinie geregelt. Dies in ein Gesetz aufzunehmen ist überflüssig.
In § 18 - Beteiligung an öffentlichen Aufträgen - blenden Sie die Problematik der Dienstleistungskonzession der Europäischen Union aus.
Die Regelungen in Ihrem Gesetzentwurf werden den Ansprüchen nicht gerecht. Das ist der erste Grund für unsere Ablehnung.
Der zweite Grund: Ich bin dafür, dass sich dieses Haus ernst nimmt. Alle Fraktionen sind im Ausschuss für Bürokratieabbau vertreten. Es gibt eine gemeinsame Beschlusslage - letztmalig am 07.12. behandelt - mit Aufträgen an das Wirtschaftsministerium, die bis Anfang April zu erledigen sind, darunter die Überarbeitung der Landeshaushaltsordnung sowie des Mittelstandsförderungsgesetzes. Wenn wir einen Auftrag auslösen, möchte ich zumindest das Ergebnis zur Kenntnis nehmen können, bevor ich mich entscheide, wie ich damit umgehe. Ich meine, das hat etwas mit ernsthafter parlamentarischer Arbeit zu tun.
Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab und werden auch einer Überweisung nicht zustimmen. - Vielen Dank.
Zu Ihrer Frage, Frau Abgeordnete Hesselbarth: Der Wirtschaftsminister wird heute von Frau Prof. Dr. Wanka vertreten. Bitte, Sie haben noch einmal das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist sehr bezeichnend, dass die Landesregierung zur Wirtschaftspolitik null Komma nichts, aber auch rein gar nichts, zu sagen hat.
Sie haben erst vor kurzem einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der von sehr schlechter Machart war. Damals habe ich angekündigt, dass die DVU-Fraktion einen Gesetzentwurf vorlegen wird. Sie alle - auch Sie, Herr Christoffers - wissen ganz genau, dass das Mittelstandsförderungsgesetz von 1992 nicht
mehr als ein Papiertiger ist. Es besteht aus unklaren, schwammigen Formulierungen und nichtssagenden Phrasen.
Wir alle erleben hautnah die Folgen einer völligen Ineffektivität in der Praxis. Weil Sie alle das wissen und im Wirtschaftsausschuss dahin gehend diskutiert wird, dass das Mittelstandsförderungsgesetz novelliert werden muss, bin ich darüber erstaunt, dass sich die Landesregierung heute hier nicht dazu äußert.
Bis heute ist diesbezüglich absolute Fehlanzeige. Bezüglich eines neuen Wirtschaftsförderungsgesetzes, das für Brandenburg mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze bringen würde, haben Sie nichts, rein gar nichts, zustande gebracht.
Wenn ich daran denke, wie es dem Mittelstand und insbesondere der Bauwirtschaft in unserem Land geht, dann wird mir, ehrlich gesagt, nicht besser. Wenn ich die Reaktion von gewählten Volksvertretern in diesem Landtag sehe, wird mir sogar noch schlechter. - Ich bedanke mich für die „große Aufmerksamkeit“ und bitte nichtsdestotrotz um Zustimmung.
Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrags in Drucksache 4/2700, Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz, an den Ausschuss für Wirtschaft - federführend - und an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer der Überweisung zustimmt, den bitte ich, das durch Handzeichen kundzutun. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? Die Überweisung wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer stimmt dem Gesetzentwurf zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt worden.