Protocol of the Session on February 22, 2006

Im ersten Teil setzten sich die Autoren mit ökonomischen und statistischen Daten auseinander. Hier sind einige Erkenntnisse nicht neu bzw. sind einige Tendenzen der Entwicklung jetzt noch klarer erkennbar. Diese Daten bieten die Chance, das Profil der weiteren Entwicklung zu schärfen und auf Trends einzugehen. Zum einen zeichnet sich ein Trend zu Kurzreisen ab. Zum anderen aber ist sehr deutlich, dass der Brandenburgtourismus durch eine starke Saisonalität gekennzeichnet ist. Die touristische Nachfrage konzentriert sich schwerpunktmäßig auf das Sommerhalbjahr. So waren im Jahr 2004 von Mai bis September 56,4 % aller gewerblichen Übernachtungen zu verzeichnen. Positiv ist zu erwähnen, dass Aktionen wie „Winterliches Brandenburg“ durchaus Erfolge zeigen, wobei weitere saisonverlängernde Maßnahmen notwendig sind. Diese können und müssen meines Erachtens durchaus aus einer besseren Zusammenarbeit mit Berlin, aber auch mit Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern resultieren. Das setzt aber wiederum voraus, dass man miteinander redet, gemeinsame Ziele formuliert und gegebenenfalls gemeinsame Marketingaktivitäten entwickelt.

Im Stärken-Schwächen-Profil wird eine ganze Reihe von Problemen angesprochen. Aufgrund der Kürze der Zeit gehe ich nur auf einige formulierte Schwächen ein. Da sind die Aussagen, dass periphere Attraktionen mit dem ÖPNV kaum erreichbar sind, dass die Gefahr der Ausdünnung von Angeboten besonders in peripheren Regionen sowie die Gefahr des Abbaus touristisch relevanter Infrastruktur besteht. Die Frage nach einem Konzept der Landesregierung, diese aufgezeigten Schwächen zu beseitigen, wäre an dieser Stelle berechtigt.

Interessant sind die Feststellungen zu Bädern und Thermen. „Vielfach zu geringe Auslastung“, „Problem der gegenseitigen Konkurrenz“ ist zu lesen. Der Antrag meiner Fraktion auf Fortschreibung der Bäderplanung wurde aber gerade in der letzten Landtagssitzung abgelehnt. Wie geht die Landesregierung künftig mit diesem Problem um?

Noch interessanter ist der künftige Umgang mit touristischen Großprojekten wie Tropical Islands oder Lausitzring. Dazu ist in der Fortschreibung nachzulesen, dass die Auslastung mehrheitlich unbefriedigend und die Ausstrahlung auf die Umgebung optimierungsfähig ist. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das steht tatsächlich so in der Fortschreibung und ist keine linke Schwarzmalerei.

Nicht erst seit der Anhörung zur Situation im Hotel- und Gaststättengewerbe ist bekannt, dass die betriebswirtschaftliche Situation vieler touristischer Unternehmen gerade im Gastgewerbe sehr schlecht ist. Die Umsätze im Gastgewerbe sind in den letzten neun Monaten deutschlandweit im vierten Jahr in Folge rückläufig. Allein 2005 betrug der Rückgang gegenüber dem Vorjahr real 1,9 %. Betriebswirtschaftliche Analysen vom Ostdeutschen Sparkassenverband weisen nach, dass die kleinen und mittelständisch strukturierten Unternehmen in Brandenburg wie in Ostdeutschland generell unter einer Reihe struktureller Probleme leiden, zum Beispiel Fixkostenbelastung, Verbzw. Überschuldung, Eigenkapitalsituation usw.

Vielleicht kann man sich ja in Auswertung der Anhörung und auf Grundlage der vorgelegten Daten auf ein Aktionsprogramm zur Stärkung des Hotel- und Gaststättengewerbes verständigen. Ich habe wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass der Kollege Niekisch ebenfalls Änderungsbedarf bei der GEZ für das Beherbergungsgewerbe sieht. Das wäre doch ein erster möglicher Schritt.

Eine wesentliche Aufgabe in den nächsten Monaten muss aus meiner Sicht die Beseitigung der Schwächen im Bereich Produktentwicklung und -vermarktung sein. Hier ist schnellstens Klarheit herzustellen, wer künftig welche Aufgaben erledigt und wie die beschriebenen Schwächen, die mangelnde Zuarbeit bei der landesweiten Produktentwicklung seitens der Leistungsträger und Reisegebiete beseitigt, die verschiedenen uneinheitlichen und landesweiten Veranstaltungsdatenbanken von TMB, Kulturland, Kulturfeste etc. zusammengeführt bzw. koordiniert werden sollen oder wie die unzureichende internationale Vermarktung sowie die Kooperation zwischen TMB und Reisegebieten bzw. von Reisegebieten untereinander verbessert werden kann.

Gleiches gilt für die angesprochene Produktentwicklung zwischen Berlin und Brandenburg wie auch für die Zusammenarbeit im grenzüberschreitenden Raum, zum Beispiel beim Radund Wassertourismus, zwischen Polen und Brandenburg.

Erstaunt war ich, dass unter dem Schwerpunkt „Perspektiven“ keine Aussage zur Problematik der Unternehmensnachfolge und nur eine ungenügende Aussage zur Fachkräftesicherung gemacht wurde. Auch hier muss die Landesregierung weitergehende Initiativen starten.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung. Bei der Beschreibung der Potenziale fehlt aus der Sicht meiner Fraktion der Familien- sowie der Kinder- und Jugendtourismus. Die Bedeutung dieser Segmente wird aus unserer Sicht immer noch unterschätzt. Weshalb sonst konnten zur Bedeutung des Familien- sowie des Kinder- und Jugendtourismus keine verbindlichen Aussagen gemacht werden? Auch unter sozial- und familienpolitischen Gesichtspunkten sollte die Landesregierung dem Kinder- und Jugendtourismus mehr Aufmerksamkeit schenken. Der Bereich der Schulausflüge, der Klassen- und Fe

rienfahrten sollte gestärkt und das Jahr 2007 möglicherweise zum Jahr der Kinder- und Jugendreisen erklärt werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Zu Beginn meiner Rede habe ich unseren Antrag, eine Anhörung durchzuführen, angekündigt. Ich hoffe, dass die vorliegende Fortschreibung überarbeitet wird; denn sie fällt meiner Meinung nach nicht nur qualitativ hinter die gültige Tourismuskonzeption, sondern auch hinter die Zielstellung des Antrags zurück, den meine Fraktion damals mitgetragen hat. Deshalb hoffe ich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, dass Sie sich einer Anhörung im Fachausschuss nicht verweigern. - Danke sehr.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält die Abgeordnete Hackenschmidt. Sie spricht für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebes Fachpublikum! Denn das sind Sie, sowohl als Gäste hier als auch sonst als Gastgeber, als totale Touristiker für dieses Land.

Was ist Tourismus? „Tourismus ist Völkerwanderung der Neuzeit“ - so beschrieb ein isländischer Romanschriftsteller die Bewegung vieler Menschen aus ihrer Heimat hinaus in die weite Welt. Aber sie kommen ja auch zurück.

Wie lautet das Motto in Brandenburg? Wochenend und Sonnenschein - was macht man da? Es wird kurz überlegt; dann geht es los.

Der Gast verbringt seine Freizeit anders als vor zehn Jahren. Ich gehe davon aus, dass sich viele von uns auch noch an die Zeit von vor 20 Jahren erinnern, als man sich schon im Januar darum bemühen musste, einen FDGB-Platz zu bekommen, oder über die „Wochenpost“ einen Urlaubsplatz ergattern musste.

Der Gast verbringt seine Freizeit heute anders als vor zehn Jahren. Aus diesem Grund muss die Strategie für die Tourismusentwicklung überdacht werden. Die Fortschreibung der Tourismuskonzeption für unser Land ist ein richtiger Ansatz und gibt die notwendigen Richtungsempfehlungen.

Ich unterstütze dennoch die Forderung von Herrn Domres. Wegen der kurzen Zeitspanne zwischen dem Erhalt der Drucksache, ihrer Behandlung heute im Parlament und der Vorstellung vor der Öffentlichkeit am 8. März auf der ITB halte ich eine ausführlichere Diskussion im Wirtschaftsausschuss oder, noch besser - Herr Domres hat es vorgeschlagen -, eine Anhörung von Experten und strategischen Partnern zur Tourismuskonzeption für geboten und hoffe, dass wir dafür Zeit und Raum finden.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Fortschreibung ist der richtige Ansatz. Es ist gut zu sehen, dass dem Tourismus als wichtigem Wirtschaftszweig die notwendige Bedeutung beigemessen wird.

Im ersten Kapitel des vorliegenden Papiers werden die Entwicklung und der aktuelle Stand gut dargestellt. Viel wichtiger sind aber die erkannten Potenziale und die daraus resultierenden Perspektiven mit entsprechenden Handlungsfeldern und Maßnahmen. Die grundsätzliche Strategie, in ein gezieltes Themenmarketing zu investieren, eröffnet neue Chancen. Es muss klar sein, welche Zielgruppen für Brandenburg interessant sind. Es sind vor allem inländische Gäste.

Dennoch muss auch das verstärkte Bewerben ausländischer Märkte erfolgen. Deutschland ist in Europa, aber auch in Asien und in Amerika von Interesse. Doch die Marke Brandenburg in der Konstellation der Metropolenregion Berlin-Brandenburg muss in den internationalen Quellgebieten stärker vermarktet werden. Brandenburg ist dort kein touristischer Begriff. Nur in Verbindung mit Berlin, im Herzen Brandenburgs gelegen, können beide Kooperationspartner Marktzuwächse akquirieren.

Länderübergreifende Kooperationen mit allen Nachbarländern sind verstärkt notwendig.

Der Erholungstourismus mit einem Gästeanteil von ca. 30 % ist wichtigster Bestandteil des Tourismus. Er unterliegt aber verstärkt dem sich verändernden Freizeitverhalten der Gäste. Der Anteil der Kurzurlaube mit einer Dauer von drei bis fünf Tagen steigt. Der Gast ist mobil und möchte für seine individuellen Ansprüche entsprechende Angebote. Wegen der Preise wird an Fernreisen gespart. Dennoch ist Urlaub für die Menschen wichtig.

Wachstum ist vor allem beim Rad-, Städte- und Kultur- sowie beim Gesundheits- und Wellnesstourismus zu verzeichnen. Die Gäste wünschen frei kombinierbare Angebote, die nach einem Baukastenprinzip ihren Bedürfnissen und Vorstellungen, dem Wetter und der Urlaubskasse angepasst werden können. Die Reiseveranstalter haben in den letzten Jahren mit entsprechenden Individualangeboten - neben den Pauschalangeboten - reagiert.

Auch der demografische Wandel erfordert ein neues Denken im Tourismus. Wir haben darüber bereits debattiert. Im Tourismus sieht man bereits deutlich, wohin der Trend geht. Die typische Familie als Zielgruppe zeigt sich in der Analyse als relativ stabil. Ansonsten sind es Alleinerziehende mit Kindern oder neuerdings Großeltern mit Enkelkindern, die verstärkt nach geeigneten Angeboten fragen. Das heißt, dass man sich in der Tourismuswirtschaft auf eine ältere Generation mit umfangreicheren Bedürfnissen und Servicewünschen einstellen muss.

Der Urlauber erwartet bei einem angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnis Qualität und Service in allen Bereichen. Er ist auch bereit, dafür zu bezahlen. Der Tourist hat sich in den letzten Jahren zu einem kompetenten und anspruchsvollen Kunden entwickelt, der für sein Geld aus der Urlaubskasse nicht nur Träume verwirklicht haben möchte, sondern vom Dienstleister auch ein Rundum-Versorgungspaket erwartet. Der Kunde kommt zurück, wenn ihm Qualität geboten wird oder wenn das Produkt einem so vielfältigen Wandel unterliegt, dass es immer wieder neu entdeckt werden kann. - Dieses Motto entspricht dem sich wandelnden Anspruchsverhalten und der in immer stärkerem Maße individuelleren Ausrichtung des Tourismus.

Der Tourismus steht auf drei wichtigen Säulen - der Herr Minis

ter hat es gesagt -: Tagestourismus, Thementourismus, internationaler Tourismus. Brandenburg war nie ein bedeutendes Reiseland. Menschen mussten und müssen durch unser Land, um zu ihren traditionellen Urlaubszielen zu gelangen. Hier steckt ein Potenzial, die Menschen von diesem Weg abzubringen, eine Unterbrechung anzubieten und ihnen die Schönheit unserer Natur zu zeigen. Auch politische Ereignisse oder Personen können Botschafter unserer Tourismusbranche sein. Auch kurze Informationstouren im Tagestourismus unter dem Titel „Auf den Spuren von Angela Merkel“ oder „Potsdam - dort, wo Matthias Platzeck lebt und wirkt“ mit Eventcharakter, bei Schlichtheit, aber hoher Qualität der märkischen Küche können Potenziale erschließen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Lust am Genießen im Einklang mit Wellness, Erholung und Kultur bei märkischer Kartoffel, Spargel, Spreewaldgurke oder Werderaner Obst in allen Formen, flüssig oder fest, auf der märkischen Fischstraße oder bei tollen Events wie dem Finsterwalder Sängerfest, der Potsdamer Schlössernacht oder dem Cottbusser Karneval sind hervorragende Gelegenheiten, Menschen aus anderen Regionen unsere Gastfreundschaft zu zeigen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Brandenburger Dorf- und Erntefeste, Landesgartenschauen oder museale Angebote wie „Glashütte“ mit attraktiven Veranstaltungen gehören ebenfalls dazu und müssen bei der Produktentwicklung stärker einbezogen werden. Das Motto „Nachbarn zu Gast bei Freunden“ zielt darauf ab, bei unserer Brandenburger Bevölkerung eine grundlegende Gastfreundschaft zu initiieren.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Entschuldigung! Das galt nicht Ihnen, Frau Hackenschmidt, sondern den anderen Abgeordneten.

Ich dachte, ich sei zu laut gewesen.

Nein.

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei der SPD)

Mittagspause und verspäteter Nachmittag! - Wir müssen mit allem, was unser Land bietet, werben. Mit allem - ich sage es nachdrücklich! Nur Menschen, die ihre Heimat kennen und lieben, können sie an Urlauber verkaufen.

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS)

Ich finde die Strategie des Thementourismus zur Erschließung nationaler Märkte sehr wichtig. Durch Aktivtourismus zu Rad oder auf Schusters Rappen die Schönheit unserer Natur und unserer Kulturlandschaft bis ins Detail zu entdecken ist in einer

reizüberfluteten und schnelllebigen Zeit für viele Menschen eine tolle neue Erfahrung. Mit einem Kanu unterwegs in Feuerland - ein einmaliges Erlebnis! Unterwegs auf den Flüssen im Ruppiner Land oder im Spreewald - das kann sehr entspannend und erholsam sein.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Urlauber schwärmen von Naturschauspielen und Erlebnissen, die für uns in vielen Bereichen schon selbstverständlich sind, beispielsweise Adonisröschenwiesen in voller Blüte,

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

äsende Rehe und Hirsche in unseren Wäldern, Storchendörfer, große Kranichpopulationen im morgendlichen Nebel auf unseren Wiesen, egal ob Vogelgrippe oder nicht, also Menschen und Natur im Einklang mit allen Themen- und Urlaubsvarianten, egal ob Hotellerie-, Camping- oder Tagungstourismus, und dies bei Beachtung des barrierefreien Zugangs zu allen Angeboten. So können wir diese wichtige Branche der Wirtschaft für Brandenburg weiter ausbauen.

Zurzeit können 115 000 Personen mit dem Tourismus ihren Lebensunterhalt bestreiten und wir verzeichnen einen Nettoumsatz von 2,9 Milliarden Euro. Das bedeutet Wertschöpfung im Land mit entsprechenden Einkommens- und Beschäftigungseffekten.

Zur Stärkung sind die bestehenden Kooperationen mit TMB, LTV, HOGA, IHK, OSV, VCB, Naturparken und anderen wichtigen Partnern auszubauen. Nur gemeinsam sind wir stark. Finanzielle Mittel und eine permanente Qualifizierung sind notwendig. Die Konzentration auf Aktivitäten in der Natur mit Rad-, Wasser- und Wandertourismus, Gesundheit und Wellness und internationalen Tourismus mit Tagungen und Kongressen in Netzwerken sind richtig und Voraussetzung für vermarktungsorientierte Wirtschaftspolitik.