Protocol of the Session on December 14, 2005

Wir könnten schon darüber diskutieren, ob wir die Rahmenlehrpläne in Einzelfällen noch stärker mit konkreten Inhalten auskleiden. Wir müssten die Einbindung von Zeitzeugen in den Unterricht von Geschichte und die politische Bildung stärker als Hilfsmittel heranziehen. Auch das kann der Landtag darstellen: Wir haben hier ehemalige Mitarbeiter des MfS. Wir haben einen ehemaligen Bezirksparteisekretär. Wir haben hier Mitglieder der ehemaligen Bürgerrechtsbewegung, wie unseren Ministerpräsidenten. Wir haben ehemalige politische Gefangene. Wir können das gesamte Repertoire bieten, das Schülerinnen und Schülern hilft, zu begreifen, was in der DDR geschehen ist.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der Linkspar- tei.PDS)

- Regen Sie sich doch nicht auf. Das wäre doch sehr interessant. Im Rahmenlehrplan Geschichte der Sekundarstufe I wird unter „Verbindliche Inhalte“ vorgeschrieben, dass Flucht und Vertreibung zu behandeln sind. Sie erinnern sich sicherlich daran, dass Herr Kollege Vietze vor zwei Jahren hier erklärt hat, es habe gar keine Vertreibung gegeben. Es wäre doch spannend, an Brandenburger Schulen zu besprechen, wie solche Kontraste aufgelöst werden und welche Rückschlüsse Schülerinnen und Schüler daraus ziehen können.

Meine Damen und Herren, damit komme ich auch schon zum Schluss. Jedem hier ist wohl klar, worum es am Ende geht. Wir haben darauf zu achten, dass unseren Schülerinnen und Schülern vermittelt wird, was Heimat ist, woraus ihre Heimat entstanden ist, auch darauf, dass sie ihre Rolle in diesem demokratischen Rechtsstaat finden und im Zweifelsfall kritisch beurteilen können, wo ihre Eltern gestanden haben. Auch ich habe meine Mutter früher gefragt: Sag mal, wie war denn das bei dem Hitler? - Da hat sie mir ehrlich gesagt: Ich habe auch an der Straße gestanden und gejubelt. Das haben wir alle gemacht. Das war, im Nachhinein betrachtet, nicht richtig. - Wenn wir unsere Schülerinnen und Schüler dahin bringen, dass sie bei Erwachsenen nachfragen: „Wie war das damals?“, dann haben wir viel erreicht. Wir brauchen uns nicht in die Familien einzumischen, aber wir müssen sicherstellen, dass die Schulen Impulse geben werden dahin gehend, dass auch kritische Dinge betrachtet werden. In sehr vielen Fällen ist das schon so. Unser Problem ist vielleicht, dass wir nicht mit Sicherheit sagen können - auch der Minister wird das nicht sagen können -, dass es an allen Schulen der Fall ist, dass mit der notwendigen Objektivität, der notwendigen Tiefe und den angemessenen und pädagogisch richtigen Mitteln gearbeitet wird, um DDR im Vergleich zum demokratischen Rechtsstaat zu begreifen.

Von daher besteht hier keinerlei Vorwurf. Unsere Lehrer sind dazu in der Lage. Unsere Lehrer, die im Durchschnitt 48 Jahre alt sind, haben ihre Ausbildung überwiegend in der DDR bekommen. Sie sind es gewöhnt, mit konkreten Vorgaben stundengenau zu arbeiten, wenn es die Politik denn will. Ich denke, dass die Lehrer auch daran interessiert sind, möglichst konkre

te Vorgaben zu haben. Das gibt es ja auch in anderen Fachbereichen, und ich will das auch nicht auf das kritische Thema DDR-Betrachtung begrenzen. Die Lehrer wollen konkrete Vorgaben, wie sie Unterricht zu halten haben. Die Lehrer wollen so ist ihre Ausbildung - auch kontrollfähig arbeiten.

Meine Damen und Herren, alles in allem: Die DVU-Fraktion hat aus meiner Sicht bei dem Ton, den sie hier in der Anfrage gewählt hat, überzogen. Ich denke, Brandenburg ist ein tolerantes Land. Wir leben hier in dem positiven Teil der preußischen Tradition. Das sollten wir auch fortführen. Die Toleranz, die wir praktizieren, soll aber nicht dazu führen, dass über Dinge, die benannt, ausgewertet und vermittelt werden müssen, einfach der Schleier des Vergessens gelegt wird. Es geht nicht darum, Vorwürfe auszutauschen, auch nicht hier im Landtag, aber jeder hat seinen Platz, jeder hat seine Aufgabe. Aufrichtigkeit gegenüber jungen Menschen ist unerlässlich. Das gilt nicht nur für Lehrer. Wir sagen auch unseren Kindern - das tun wir alle, egal, wo wir stehen -: Sagt die Wahrheit, es ist alles nicht so schlimm. - Es gehört also auch dazu, dass wir hier die Wahrheit sagen und nicht davor kneifen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Damit möchte ich schließen. Ich bin gespannt auf die Anmerkungen der Fraktion der Linkspartei.PDS zu dem vorher Gesagten. Vielleicht kann ich mich danach noch einmal zu Wort melden, wenn ich noch Redezeit habe. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Dombrowski. - Die Abgeordnete Große hat das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Meine Damen und Herren von der DVU-Fraktion, ich nenne noch einmal Ihre erste Frage der Großen Anfrage, auch wenn sie mir schwer über die Lippen kommt:

„Welche Gewichtung weist an Schulen Brandenburgs die Vermittlung von rund 40 Jahren 'DDR'-Unrechtsregime im Vergleich zur Behandlung der 12 Jahre NS-Unrechtsregime konkret auf?“

Schon mit dieser Frage wird Ihre Intention deutlich; Sprache entlarvt. Im Unterschied zu Ihnen, verehrter Herr Kollege Dombrowski, meine ich nicht, dass das nur ein Vergreifen im Ton ist, sondern ich meine, dass man hier inhaltlich völlig daneben liegt. Ihnen, meine Damen und Herren von der DVU, geht es um die Relativierung der Verbrechen der NSDiktatur.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Eigentlich müsste man schon an dieser Stelle aufhören, sich mit Ihnen auseinander zu setzen. Eine so gestellte Frage kann nur aufs Schärfste zurückgewiesen werden, wie es auch die Landesregierung getan hat.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Mein Respekt gilt an dieser Stelle der Landesregierung, die Ihre zum Teil von unglaublicher Unkenntnis getragenen Fragen dennoch beantwortet hat.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Nach sechs Jahren parlamentarischer Tätigkeit sollten auch Sie endlich verstanden haben, dass es in unserem Land nach § 10 des Brandenburgischen Schulgesetzes glücklicherweise um schulstufenbezogene Rahmenlehrpläne geht, welche vom Ministerium erlassen werden, zumal das in genau diesen beiden Legislaturperioden, in denen auch Sie hier tätig waren, für die Sekundarstufe I und für die Grundschule getan wurde und zurzeit für die Sekundarstufe II geschieht. Das transparente Verfahren hierzu scheint an Ihnen vorbeigegangen zu sein. Ansonsten hätten Sie manche Ihrer Fragen gar nicht stellen müssen.

Ich möchte, weil ich so herzlich von Herrn Dombrowski eingeladen wurde, dennoch einige inhaltliche Anmerkungen machen, auch wenn es mir wegen der oben genannten Grundhaltung wirklich widerstrebt.

Die Vermittlung der DDR-Geschichte gehört zweifellos zu den schwierigen Aufgaben für Lehrkräfte im Lernbereich Gesellschaftswissenschaften. Im Übrigen gehört es zu meiner Erfahrung, dass sich auch Lehrkräfte anderer Fächer, beispielsweise die Kolleginnen und Kollegen von den Fremdsprachen sowie die in den Fächern Deutsch, Musik, Kunst und ganz besonders die im Fach Darstellendes Spiel, dieser Thematik annehmen. Dass dies dennoch schwierig ist, hat viele Gründe. Ich will mich auf einige wenige beschränken. Der wichtigste Grund ist schon die zeitliche Nähe. Auch wenn DDR-Geschichte seit mehr als zehn Jahren zu den Forschungsschwerpunkten im Bereich der Zeitgeschichte gehört und mittlerweile eine Vielzahl von Darstellungen vorliegt, gibt es noch kein abgeschlossenes, gesichertes, wissenschaftlich fundiertes, objektives Bild. Das DDR-Bild, das Sie, meine Damen und Herren von der DVUFraktion, hier haben wollen, ist eben nicht dieses wissenschaftlich fundierte, abgeschlossene.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Stattdessen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Sichtweisen auf die DDR, die durch unterschiedlichste Erfahrungen, Erlebnisse, Befindlichkeiten und Biografien von Lehrkräften, aber auch von Großeltern, Eltern und Geschwistern ergänzt werden. Dazu gibt es eine auch von uns durchaus kritisch bewertete mediale Aufbereitung dieses Themas - von Ostalgieshows über „Super Illu“-Darstellungen, zurückgezogene Nostalgie-Duschbäder bis hin zu verzerrenden Filmversuchen. Auch zurückliegende Einwürfe von Mitgliedern dieser Landesregierung - ich erinnere an das vom stellvertretenden Ministerpräsidenten Schönbohm Gesagte - führen letztendlich dazu, dass ein Bild über die DDR vermittelt wird, das einfach nicht stimmig ist.

Die Landeszentrale für politische Bildung, die Sie, meine Damen und Herren von der DVU, eigentlich eher „wegsparen“ wollen, versucht, dem ernsthaft entgegenzuwirken, und erstellt hierzu für Schule wichtige Materialien.

Ich möchte auch zu bedenken geben, dass die Schüler der derzeitigen 9. Klasse um die Zeit der Wende geboren sind. Ihr Verhältnis zur DDR ist ambivalent. Das Interesse der meisten Schüler an dieser Zeit unterscheidet sich nicht von dem Inte

resse an anderen geschichtlichen Epochen. Ihre Fragestellungen jedenfalls sind von einer einseitigen, ahistorischen Geschichtsbetrachtung geprägt. Die DDR kann und darf nicht losgelöst von den realen geschichtlichen Abläufen unter Ausblendung der Parallelgeschichte der Alt-BRD und des von beiden Seiten erbittert geführten Kalten Krieges betrachtet werden. Nur durch eine differenzierte Geschichtsbetrachtung können alle gesellschaftlichen demokratischen Kräfte dazu beitragen, die Defizite bei der Erforschung und Vermittlung von DDR-Geschichte allmählich aufzuarbeiten.

Eine sachliche und kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR kann und muss ein Beitrag sein, die Urteilsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern zu befördern, Schülerinnen und Schüler zu emanzipierten Bürgern einer demokratischen, rechtsstaatlichen Gesellschaft zu erziehen und sie gegen jegliche Fremdbestimmung zu immunisieren. Das ist auch der Auftrag von Schule. Dazu kann die differenzierte Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR einen Beitrag leisten.

Frau Große, Ihre Redezeit ist beendet.

Das hat die Landesregierung in der Beantwortung der Großen Anfrage trotz der völlig undifferenzierten Fragestellung auch aufgezeigt. Die Lehrerinnen und Lehrer dieses Landes stellen sich dieser nicht leichten Herausforderung. Es bedarf Ihrer Anfrage dazu nicht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. Es gibt die Information, dass die Landesregierung zu dieser Debatte nicht Stellung nehmen möchte, aber den Hinweis auf eine Kurzintervention durch Frau Fechner. Bitte schön.

(Frau Fechner [DVU]: Ich warte die Ausführungen des Abgeordneten Dombrowski ab!)

Herr Dombrowski, Sie haben noch zwei Minuten. Bitte schön.

Frau Große, ich habe mich jetzt noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich meine, dass ich das, was die DVU gefragt hat, mit meinen Worten schon deutlich genug bewertet habe, nämlich als überzogen.

(Vietze [Die Linkspartei.PDS]: Finden Sie!)

Ich glaube, dass es nicht richtig ist, Frau Große, wenn Sie den Eindruck erwecken, man könne ein Unrecht gegen ein anderes aufwiegen oder das eine mit dem anderen vergleichen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist der Eindruck, der hier entstanden ist. Den finde ich un

angemessen. Ich möchte daran erinnern, dass Sie unseren Ministerpräsidenten, der ein Musterbeispiel an Ausgeglichenheit ist, im vorigen Jahr in der Debatte „Brandenburg 15 Jahre nach dem Fall der Mauer“ dazu gebracht haben, dass er das Rednerpult erobert und Sie deutlich angesprochen hat. Das sollten Sie bei der Toleranz, die wir untereinander pflegen, bitte berücksichtigen. Wenn Sie sagen, es gebe kein wissenschaftliches, objektives Bild von der DDR, das man vermitteln könne,

(Zurufe von der Linkspartei.PDS)

und die Schüler der 9. Jahrgangsstufe seien nicht so sehr daran interessiert, dann haben wir tatsächlich Handlungsbedarf.

(Beifall bei der CDU)

Es geht nicht darum, dass unsere Schülerinnen und Schüler das vermittelt bekommen sollen, was ihnen am meisten Spaß macht, sondern das, was insgesamt sinnhaft ist und pädagogisch für sinnvoll gehalten wird. Dazu gehört selbstverständlich auch die Beschäftigung mit unserer Heimat und allem, was dazugehört. Dabei geht es mitnichten darum, die DDR nur in Schwarz und das andere in hellem Pastellrosa zu malen. Darum geht es überhaupt nicht, sondern es geht darum, beide Seiten darzustellen. Ich glaube, dass unsere Lehrer auch dazu bereit sind, wenn ihnen - ich wiederhole es - die notwendigen Instrumente dazu an die Hand gegeben werden.

Jeder hat seine persönlichen Erfahrungen. Ich kann Ihnen sagen, wir haben im Landkreis Rathenow nach der Wende mehrere Klassensätze von Büchern angeschafft, unter anderem von Margarete Buber-Neumann „Als Gefangene bei Stalin und Hitler“, einer deutschen Kommunistin, die in die Sowjetunion geflüchtet ist und von den sowjetischen Kommunisten an die Nazis ausgeliefert wurde. Innerhalb von 16 Jahren sind diese Bücher von unseren Lehrern in der Region nicht ein einziges Mal ausgeliehen worden. Von daher bedarf es schon Impulse, sich mit der Geschichte unseres Landes, mit dem Positiven und dem Negativen, auseinander zu setzen,

(Beifall bei der CDU)

von mir aus auch in beiden Teilen Deutschlands. Aber mit Ihrer Darstellung hier bin ich überhaupt nicht einverstanden.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der Linkspartei.PDS: Das müssen Sie auch nicht!)

Damit ist Ihre Redezeit beendet. - Frau Fechner erhält das Wort zu einer Kurzintervention.

Ich will es kurz machen; Herr Dombrowski hat vieles vorweggenommen.

Die Art und Weise, wie die PDS sich heute hier mit diesem Thema auseinander gesetzt hat, verwundert mich gar nicht. Letztendlich geht es um die Aufarbeitung ihrer unrühmlichen Geschichte. Es verwundert mich auch nicht, dass es den einstigen Diktatoren besonders schwer fällt, sich mit ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen. Sie nennen sich jetzt ja Neude