Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben im Vorfeld eine Einigung herbeigeführt, die dem Antrag des Präsidiums zugrunde liegt. Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Damit kann ich die Drucksache 4/13 direkt zur Abstimmung stellen. Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist die übergroße Mehrheit. Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist ebenfalls nicht der Fall. Dann wünsche ich, dass die Ausschussarbeit ebenso harmonisch verläuft wie diese Abstimmung.
Wir befinden uns nicht mehr ganz im Zeitplan. Deshalb empfehle ich, die Mittagspause nur bis 14 Uhr auszudehnen. Wir treffen uns also um 14 Uhr wieder. Guten Appetit!
1. Lesung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Schulstruktur im Land Brandenburg (Schulstruktur- gesetz)
Dann sollte man uns das mitteilen, denn wenn vorher etwas anderes mitgeteilt wird, ist das schwierig. Es spricht also Frau Siebke für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man könnte sagen und ich sage es auch: Endlich! Es sieht so aus, als ob sich eine beinahe endlos erscheinende Geschichte nun zu einem positiven Ende neigen würde. Davon gehe ich aus. Wir alle wissen, wie lange diese Geschichte schon dauert. Sie hat mit den Ergebnissen der so genannten Wunder-Kommission begonnen, die uns bereits in der Legislaturperiode zuvor deutlich gesagt hat, dass es Sinn macht, neben dem Gymnasium nur noch eine weiterführende Schulform im Land Brandenburg zu haben, einfach aus den Gründen der demographischen Entwicklung, die heute bereits des Öfteren eine große Rolle gespielt hat. Zwischenzeitlich gab es Ergebnisse aus der PISAStudie, die diesen Gedanken unterstützt haben. In der letzten Legislaturperiode waren sich bereits an einem Punkt alle Verbände und Gremien bis auf wenige Ausnahmen darin einig, dass dieser Weg zu gehen ist. Es hat nun bis zum Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode gedauert, diesen Schritt zu gehen.
Heute liegt uns ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen vor, der die Zusammenführung von Realschulen und Gesamtschulen ohne gymnasiale Oberstufe zum Schuljahr 2005/06 vorsieht. Über den Namen, wie diese Oberschule nun heißen soll, ob Sekundarschule oder Oberschule, brauchen wir uns nicht zu streiten. Fakt ist, dass es neben dem Gymnasium eine weiterführende Schule geben wird. Diese Vorlage, besonders die Darstellung der inneren Struktur, ist natürlich, da sie von der Koalition eingebracht wurde, ein Kompromiss.
Es handelt sich um zwei sehr unterschiedliche Ansätze, die Sie alle kennen. Die SPD bevorzugt die integrative Beschulung von Schülern, die CDU möchte am liebsten die Schüler sofort in abschlussbezogene Klassen sortieren. Eine entsprechende Struktur zu finden ist sehr schwierig.
Wir haben nun eine Struktur gefunden, die ich einmal nennen möchte. Es ist an dieser Oberschule möglich, ab Klasse 7 bildungsgangbezogene Klassen einzurichten. Es wird möglich sein, von Klasse 7 bis 10 integrativ zu beschulen. Es ist auch möglich, eine Mischform zu wählen, nach der in den Jahrgangsstufen 7 und 8 integrativ unterrichtet wird und ab Klasse 9 jahrgangsbezogene Klassen gebildet werden können.
Über diese Möglichkeiten, die ich eben nannte, und darüber, welche dieser Strukturen in einer Oberschule zum Zuge kommen werden, entscheidet die Schulkonferenz in Zusammenarbeit mit dem Schulträger, in erster Linie aber die Schulkonferenz. Das heißt, letztendlich haben es insbesondere Lehrer und Eltern in der Hand, über die Struktur an der Oberschule, an der ihre Kinder lernen sollen, zu entscheiden. Das ist etwas Positives, denn wir sprechen nicht nur davon, dass Eltern und Lehrer gemeinsam Selbstständigkeit von Schule mit Inhalten füllen sollen. Es ist natürlich ein Ausdruck von Selbstständigkeit, wenn die Schule selbst entscheiden kann, welche Form sie sich geben wird.
Ich werde die nächsten Wochen nutzen, dafür zu werben, dass solche Formen gewählt werden - der Ministerpräsident sagte das bereits -, bei denen keines unserer Kinder auf der Strecke bleiben wird. Das ist das Hauptanliegen, wenn es darum geht, die Oberschulen auszugestalten.
In den kommenden Beratungen - wir werden dazu auch Anhörungen durchführen - werden aus meiner Sicht besonders folgende Fragen im Mittelpunkt stehen müssen: Wie ist die Durchlässigkeit in dieser Schule geregelt? Wie funktioniert die Förderung jedes einzelnen Schülers? - Ich sage ausdrücklich, nicht nur der schwachen, sondern auch der starken Schüler, weil das hier heute immer wieder betont worden ist. Dazu stehe ich. Wie wird der Zugang der Schüler zu der Oberschule sein, wenn sie unterschiedliche Ausgestaltungen hat? Es geht um die Wahl der entsprechenden Schule durch die Eltern.
Ich wünsche uns konstruktive Beratungen und viel Glück bei der Gesetzgebung bezüglich der Weiterentwicklung der Schulstruktur.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Eines der aufgrund erheblicher Differenzen zwischen SPD und CDU in der letzten Legislatur gescheiterten Probleme soll nun im Schnellflug einer Lösung zugeführt werden. Ohne Mitzeichnungsverfahren im Kabinett, ohne Begründung, ohne Zielsetzung wird ein Schulgesetz auf den Weg geworfen, das tief greifende Veränderungen unserer Schullandschaft nach sich ziehen wird.
Es ist unumstritten, dass es Handlungsbedarf gibt. Wertvolle Zeit ist in den letzten Jahren vergeudet worden, auch weil PDSAnträge schon aus Prinzip abgelehnt wurden. Darin waren sich die Koalitionsfraktionen immer einig. Die beschämenden Brandenburger Ergebnisse bei den internationalen Schulleistungsvergleichen, auch der jüngste OECD-Bericht „Bildung auf einen Blick“ und natürlich die demographische Situation erzwingen geradezu strukturelle Veränderungen.
Es muss also erstens um eine bessere Qualität schulischer Bildung und zweitens um den Erhalt wohnortnaher Schulstandorte gehen. Beides sind maßgebliche Parameter zur Wahrung von Chancengleichheit.
Wie wird das vorliegende Gesetz diesem Anspruch gerecht? Herr Ministerpräsident Platzeck hat heute in seiner Erneuerungsrede schon von einer intelligenten Lösung gesprochen. Zunächst lässt sich feststellen, dass die unterschiedlichen Handschriften von SPD und CDU deutlich erkennbar sind, was dem Gesetz hinsichtlich seiner konzeptionellen Klarheit eher geschadet hat. Die augenscheinlich erheblich divergierenden Bildungsphilosophien, ein völlig unterschiedliches Verständnis von Begabungen, aber eben Einigkeit bezüglich der sich mit dem Gesetz erschließenden Einsparpotenziale haben zu einem zweifelhaften Kompromiss geführt.
Mit dem Begriff Oberschule ist ein für in der DDR sozialisierte Menschen anheimelnder Begriff gefunden worden, dem damit verbundenen Anspruch, zum Beispiel keinen zurücklassen, wird das Gesetz nun wirklich nicht gerecht, eine Mogelpackung also. Die Oberschule, die Sie, verehrte Damen und Herren von der Koalition, installieren wollen, zementiert das gegliederte Schulsystem. Sie ist ein Schritt zurück zu einer noch weniger leistungsfähigen, vor allem die soziale Auslese fördernden Schule.
Die von Ihnen eröffnete Möglichkeit, dass die Schulkonferenz darüber entscheidet, in welcher Organisationsform diese Oberschule geführt wird, ist nur scheinbar demokratisch, da die bessere individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern entscheidend von der Lehrerstellenzuweisung abhängt. Diese ist nicht geregelt. Bekommen nun also diese Oberschulen ein Drittel mehr an Lehrerstellenzuweisungen, wie sie bisher die Gesamtschulen bekamen, oder nicht?
Geradezu absurd aber sind die offensichtlich von der CDU in Artikel 2 § 1 Abs. 1 eingebrachten Bezeichnungen der Abschlüsse Hauptschul- und Realschulabschluss, da es ja beide Schulformen nicht mehr gibt und in unserer Region anders als in Bayern ein Hauptschulabschluss einen Schüler eher stigmatisiert und sich seine Chancen auf einen Ausbildungsplatz damit nicht verbessern werden.
Darüber hinaus geben Sie mit diesem Gesetz eine Schulform auf, die schon immer ein Dorn im CDU-Auge war, die Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe. Dass diese Schule zweifellos zu den erfolgreichsten, weil pädagogisch sinnvollsten in diesem Land gehört, hindert Sie nicht, ein Auslaufmodell daraus zu machen. Ab 2007/08 bekommt diese Schulform mit Ihrem Gesetz kaum mehr eine Chance.
Fast unmerklich geschieht mit diesem Gesetz auch ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Bisher konnten Schulträger entscheiden, ob sie eine Realschule oder eine Gesamtschule in ihrem Ort haben möchten, jetzt geht es nur noch um Benehmensherstellung. Das heißt, der Schulträger hat keinen Einfluss mehr darauf, ob in seiner Kommune eine Haupt- und eine Realschule unter einem Dach geführt werden oder ob es mit der integrierten Form wenigstens Ansätze einer zeitgemäßen Schule gibt. Bei den Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe hat der Schulträger gar kein Mitspracherecht mehr.
Nichtsdestotrotz können wir uns die Zusammenführung von Gesamt- und Realschulen vorstellen, wenn auch unter anderen Rahmenbedingungen. Mit den bisher geltenden und nun im Gesetz verankerten Möglichkeiten werden wir kaum zusätzli
che Standorte erhalten. Dies hat sich die Koalition in ihrem Vertrag diesmal auch gar nicht erst vorgenommen. Wir sehen also noch erheblichen Änderungsbedarf bis zur 3. Lesung und werden vor allem Sie, meine Damen und Herren von der SPD, bei der anstehenden Arbeit am Gesetz an Ihre sozialdemokratischen bildungspolitischen Wurzeln und Ansprüche erinnern. Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schnellschüsse sind meistens laut und treffen oft nicht. Die neu gewählten Abgeordneten der Regierungsfraktionen wollen nicht mehr nur die Vorlagen der Landesregierung abnicken, sondern sie ergreifen selbst die Initiative. Dies halten wir für sehr lobenswert; hoffentlich bleibt es so.
Das erste Beispiel für den neu erwachten Elan der Kollegen liegt uns heute in Form dieses Entwurfs eines Schulstrukturgesetzes vor. Allerdings stellt sich mir die Frage, was die Abgeordnetenkollegen Funck und Schulze wohl von ihrem eigenen frisch gebackenen Bildungsminister halten; denn es wäre Aufgabe des Bildungsministers gewesen, hier aktiv zu werden und einen Gesetzentwurf einzubringen. Aber was soll es? Das sind koalitionsinterne Angelegenheiten, über die ich mich hier nicht weiter auslassen werde.
Der große Wurf ist der Gesetzentwurf wahrlich nicht. Die Umbenennung von Schulformen und Schulabschlüssen erinnert mich an die Umbenennung der Bundesanstalt für Arbeit in Bundesagentur für Arbeit, die sich bekanntlich auf die Effektivität dieser Einrichtung nicht im geringsten positiv ausgewirkt hat. Wenigstens kann man mit dem Begriff „Oberschule“ das nostalgische Gemüt manchen Brandenburgers wieder streicheln. Aber auch die Abgeordneten meiner Fraktion freuen sich, wenn im brandenburgischen Schulgesetz endlich auch dem Namen nach das altbewährte dreigliedrige Schulsystem aus Hauptschule, Realschule und Gymnasium verankert wird. Mit diesem Teil des Gesetzentwurfs geht unsere DVU-Fraktion konform.
Auch die beantragte Änderung von § 22 Abs. 4 findet inhaltlich unsere Zustimmung: Eine Oberschule kann räumlich mit einer Grundschule zusammengefasst werden. Aber kann mir bitte einmal jemand erklären, was die Regelung unter der Überschrift „Die Bildungsgänge der Oberschule“ zu suchen hat?
Ganz und gar nicht sind wir mit der Änderung von § 22 Abs. 2 einverstanden. Bisher war dort geregelt, dass der Unterricht im Klassenverband stattfindet. Zusätzlich konnte in einzelnen Fächern Kursunterricht erteilt werden. Auch andere Unterrichtsformen waren möglich. Jetzt soll die jeweilige Schule selber darüber entscheiden, ob es kooperativen oder integrativen Unterricht geben wird. Besondere Unterrichtsangebote sollen weiterhin möglich sein. Dies halten wir für eine deutliche Verschlechterung gegenüber der bisherigen Regelung.
heitlichkeit des brandenburgischen Schulsystems. Demnächst wird an der einen Schule kooperativ und an der anderen integrativ unterrichtet. Wieder eine andere nutzt die Möglichkeit, in den Klassen 7 und 8 integrativ und danach kooperativ zu unterrichten. Gnade den Schülern, die umziehen oder aus anderen Gründen die Schule wechseln müssen und dann mit einem anderen System konfrontiert werden!
Zum anderen offenbart sich hier in aller Deutlichkeit die ganze Unredlichkeit dieser so genannten Reform. Einerseits schafft man die Gesamtschule nominell ab, andererseits überlässt man jeder Schule die Entscheidung darüber, ob sie mit diesem schülerfeindlichen Unsinn weitermachen möchte oder nicht. So etwas kommt halt dabei heraus, wenn man die Bildung der Machtpolitik opfert.
An diesem Punkt weist der Gesetzentwurf eine interessante Eigenheit auf, die für Schnellschüsse typisch ist. In § 3 Abs. 1 Satz 1 des zu diesem Gesetzentwurf gehörenden Gesetzes zur Einführung der Oberschule im Land Brandenburg taucht das Wort „Zustimmung“ nicht auf, das in § 91 Abs. 2 Satz 2 des Schulgesetzes zu finden ist. Mit diesem Wort haben die von der Konferenz der Lehrkräfte in die Schulkonferenz entsandten Mitglieder eine Art Vetorecht bei der Entscheidung der Schulkonferenz über eine Änderung der Unterrichtsorganisation. Ohne dieses Wort haben die Lehrer in dieser Frage die absolute Macht in der Schulkonferenz. Ich glaube nicht, dass dies Sinn und Zweck dieses Antrags war.
Aus all den genannten Gründen können wir dem Antrag so nicht zustimmen. Aber einer Ausschussüberweisung werden wir selbstverständlich zustimmen. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Kind erlebt seine Kindheit nur einmal. Das heißt, wir können einem Kind die Chance einer Schulbildung im Land Brandenburg nur einmal ermöglichen. Heute Morgen ist in den Reden zur Regierungserklärung schon oft gesagt worden, dass bei den Bildungsleistungen nicht das erreicht wurde, was wir uns alle wünschen und was wir brauchen. Daher dürfen wir das allgemeine Ziel einer Steigerung der Bildungsleistungen nicht aus den Augen verlieren.
Dafür bedarf es bestimmter Voraussetzungen. Die so genannte Schulstandortkommission hatte den Auftrag, eine Schulstruktur zu entwickeln, die auf sinkende Schülerzahlen, regionale Entwicklungen und schulinterne Organisationsformen Rücksicht nehmen soll. Ihre Empfehlungen sind in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen worden. Die Verhandlungspartner waren gut beraten, diesen Empfehlungen zu folgen, weil dadurch letztlich Schulstandorte im Lande Brandenburg gesichert werden können.