Protocol of the Session on October 27, 2004

(Beifall bei der PDS - Schulze [SPD]: So viele Pirouetten wie Sie kann nicht einmal eine Eisballerina vollführen!)

Sie plädieren nach wie vor für eine öffentliche Finanzierung. Angesichts der Kostenprognosen für diesen Flughafen in Höhe von 1,7 bis 2,5 Milliarden Euro wahrlich eine mutige Entscheidung! Wollen Sie wieder bei einer typischen Entwicklung eines brandenburgischen Großprojekts landen? Wenn Sie das nicht wollen, dann weisen Sie unsere Forderung nach einer Wirtschaftlichkeitsprüfung und nach einem verantwortbaren und seriösen Finanzierungskonzept nicht zurück.

(Beifall bei der PDS)

Das Thema Flughafen gehört ins Parlament. Der Landtag muss aus den Untersuchungsausschüssen der letzten Legislaturperiode endlich praktische Konsequenzen ziehen und diese mit Schlussfolgerungen aus dem Planfeststellungsbeschluss zu Schönefeld verbinden. Solange noch Tausende von Klagen anhängig sind, ist dieser Beschluss auszusetzen.

Wie soll Wertschöpfung, also Produktion, Beschäftigung und Einkommen, in den ländlichen Räumen künftig gesichert werden? Wie soll die Wettbewerbsfähigkeit der Land-, Forst- und

Ernährungswirtschaft weiter erhöht werden? Haben Sie das Missverhältnis zwischen produktiven und nicht produktiven Investitionen erkannt und, wenn ja, wie wollen Sie das verändern? Es kann doch nur einen vernünftigen Ansatz geben, nämlich den, die agrarpolitischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Vorzüge der brandenburgischen Agrarstruktur immer mehr zu echten Wettbewerbsvorteilen ausgebaut werden. Das bedeutet auch, mit Mut und Kreativität zu offenen, ressortunabhängigen Investitionsförderungen überzugehen und steuerliche Bremsen zu lösen.

Im Zentrum muss aus unserer Sicht stehen - insoweit decken sich unsere Vorstellungen zum Teil mit dem, was der Ministerpräsident hier ausgeführt hat -, die Veredelungswirtschaft insbesondere auf dem Gebiet der Rinderwirtschaft zu erhalten und auszubauen, Brandenburg wieder zum Gemüsegarten Berlins zu machen, die Gewinnung alternativer Energie aus Biomasse und nachwachsenden Rohstoffen zu intensivieren. Dazu gehört natürlich auch, die anhaltende Benachteiligung gerade der LPG-Nachfolgebetriebe Schritt für Schritt abzubauen. Das Landwirtschaftsaltschuldengesetz der rot-grünen Bundesregierung, unterstützt durch die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit, wird dem nicht gerecht.

Mehrfach haben wir in diesem Hause auch auf die existenziell bedrohlichen Beeinträchtigungen der Liquidität sowie der Investitions- und Kreditfähigkeit betroffener Agrarbetriebe hingewiesen. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie die Auswirkungen in ihrer Differenziertheit bewertet und Maßnahmen gegen Gefährdungen von Betrieben ergreift, was zum Beispiel Bürgschaften und zinsgünstige Kredite durchaus einschließt.

Völlig unklar ist mir, wie man in Brandenburg regieren kann, ohne eine einzige Aussage zur Bodenpolitik zu machen. Wenn es dabei bleibt, dass die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH nach Ablauf der Pachtverträge frei werdende ehemals volkseigene Flächen über ein Ausschreibungsverfahren zum Höchstgebot verkaufen soll, dann droht kapitalschwachen Betrieben das Ende durch Flächenentzug. Das muss durch eine Bundesratsinitiative verhindert werden.

(Beifall bei der PDS)

Zu einem Durchbruch in Sachen berufliche Ausbildung haben Sie sich ebenfalls nicht durchgerungen. Sicherlich ist es so, dass staatlich finanzierte Lückenschlussprogramme zurzeit unverzichtbar sind, um jedem ausbildungswilligen Jugendlichen ein Angebot zu unterbreiten. Aber eine Lösung mit Perspektive ist das nicht.

(Frau Dr. Schröder [SPD]: Wo sind denn Ihre?)

- Daran haben Sie ja kräftig mitgearbeitet.

Denn das Bekenntnis zu Lückenschlussprogrammen heißt im Umkehrschluss, dass die Landesregierung auch künftig eine Finanzierung der Erstausbildung über eine Ausbildungsplatzumlage ablehnt. Das sehen wir anders.

Die aktuelle Situation beweist, dass das unverbindliche Übereinkommen von Bundesregierung und Unternehmerverbänden gescheitert ist. Sorgen Sie, Herr Ministerpräsident, mit dafür, dass der auf Eis liegende Bundesgesetzentwurf für eine Ausbildungsplatzumlage endlich auf den Weg gebracht wird!

Übrigens vermisse ich bei Ihnen auch die Bereitschaft zu einer deutlich höheren Ausbildungsquote in der Landesverwaltung. Auch hier ist Brandenburg weiterhin Schlusslicht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bildungspolitik war eines der zentralen Themen des Wahlkampfes - zu Recht. Durch die Ergebnisse von PISA und die nachfolgenden Studien sind die Bürgerinnen und Bürger zutiefst beunruhigt; sie wurden in ihrem unguten Gefühl das brandenburgische Bildungswesen betreffend bestärkt.

PISA hat auch gezeigt, dass man nicht auf Bayern, BadenWürttemberg oder Sachsen schauen muss, wenn man das Bildungswesen verbessern will, sondern eher auf Finnland - und damit auch ein wenig auf die DDR.

(Vereinzelt Gelächter bei der SPD)

Sie, Herr Ministerpräsident, haben im Wahlkampf gern an Ihre Reise nach Finnland erinnert. Das machte Hoffnung. Doch sie ist zerstoben. Wir werden im Zusammenhang mit dem Schulgesetz darüber noch ausführlich reden.

(Vereinzelt Gelächter bei der SPD)

Zu einigen Knackpunkten will ich dennoch etwas sagen. Wir wollten, dass Mädchen und Jungen möglichst lange gemeinsam lernen, und haben daher auf den neuen Schultyp der integrativen Sekundarschule gesetzt. Gesamt- und Realschulen sollten darin zusammengeführt werden. Was bekommen wir nun? Ihre Oberschule. Unter deren Dach aber zementieren Sie - ganz nach den Wünschen der CDU - das gegliederte Schulsystem, zum Beispiel durch die kooperative Form und die Bezeichnung der Schulabschlüsse. So holen Sie die Hauptschule hintenherum wieder herein. Zugleich werden die so genannten Schnellläuferklassen weiter gestärkt. Von einem klaren, übersichtlichen Schulsystem kann weiß Gott keine Rede sein.

(Beifall bei der PDS)

Auch wenn Sie vorgeben, anderes zu wollen, erklären Sie de facto die sechsjährige Grundschule zum Auslaufmodell. Das ist der Bruch sozialdemokratischer Wahlversprechen - nichts anderes.

(Beifall bei der PDS)

Sie, Herr Ministerpräsident, haben zugesichert, die SPD verspreche im Wahlkampf nichts, was sie nach den Wahlen nicht halten könne. Ihr Motto heute aber lautet: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?

Das gilt im Übrigen auch für den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Die SPD-Bildungspolitikerin, Frau Siebke, hat noch im Wahlkampf die Einschränkung dieses Rechtsanspruchs als Fehler bezeichnet, der zu korrigieren sei. Auch davon ist nun keine Rede mehr.

Ihre Halbherzigkeit in Sachen Bildung führt dazu, dass auch weiterhin Schulen vor allem im ländlichen Raum geschlossen, die Schulwege länger werden und noch mehr Eltern Beiträge zur Schülerbeförderung zu zahlen haben.

Überhaupt fällt auf, dass die gesamte Kinder- und Jugendarbeit

nur als Problemfeld und Defizitpool betrachtet wird; zu unauffälligen Jugendlichen finden wir nichts. Soziale Belange spielen keine Rolle: Es gibt keine Definition familiär bedingter Defizite. Es gibt keine Vorhaben zur inhaltlichen Entwicklung, zur Finanzierung, zur Zahl der Schulsozialarbeiter und zu deren Verteilung auf Schulen. Vom 610-Stellen-Programm ist keine Rede. Unverbindlich findet zwar der Landesjugendplan Erwähnung, aber die Landesregierung verschweigt bewusst dessen Höhe. Vor diesem Hintergrund lässt die angekündigte Vernetzung von Schule, Justiz, Polizei und Gesundheit vor allem stärkere Kontrolle und Repression befürchten.

Ähnlich sieht es im Hochschulbereich aus. Auch hier vermissen wir die Einhaltung von Wahlversprechen. Mit viel Trara hatte die SPD ein „Nein zu Studiengebühren“ beschlossen; nun findet sich im Vertrag keine Silbe dazu.

Zu begrüßen ist die Erkenntnis, dass die Bruttostudierquote erhöht werden muss. Allerdings wollte schon die alte Landesregierung 3 500 neue Studienplätze schaffen; das haben wir in der Regierungserklärung wieder gehört. Es werden also immer wieder Versprechen gegeben, die nicht gehalten werden. Wir werden nicht nur darauf achten, meine Damen und Herren, dass Sie zu Ihrem Wort stehen; wir werden Sie auch zu einer neuen Hochschulplanung drängen. Denn derzeit sind in Brandenburg doppelt so viele Studierende immatrikuliert, wie Kapazitäten vorhanden sind. Studieren in Brandenburg hat nichts mit Qualität, sondern mit vollen Hörsälen, Warteschlangen und schlechter Betreuung zu tun.

(Beifall bei der PDS - Widerspruch bei SPD und CDU)

Vielleicht schauen Sie sich einmal in den Hochschulen um!

Dagegen muss man mehr tun als Maßnahmen nur ankündigen. Verbinden Sie die geplante Autonomie der Hochschulen mit der dafür zwingend notwendigen Demokratisierung! Im Übrigen sind einige Studenten in meiner Fraktion; die können Sie gern befragen.

Klären Sie die Vernetzung mit den Berliner Hochschulen und Forschungseinrichtungen, ohne die Eigenständigkeit und die Besonderheiten Brandenburgs aus dem Auge zu verlieren. Wir brauchen schnellstens eine vernünftige gemeinsame Hochschulplanung. Seien Sie nicht so geizig mit den Finanzen in diesem Bereich, Herr Speer! Brandenburg ist noch immer Schlusslicht bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Wissenschaft und Forschung.

(Beifall bei der PDS)

Die jüngste OECD-Studie zeigt, dass Länder, die trotz sinkender Geburtenrate von Jahr zu Jahr mehr in Bildung investieren, nicht nur besser bei der Leistungsbewertung der jungen Menschen abschneiden, sondern insgesamt kreativer und vor allem wirtschaftlich erfolgreicher sind.

Bis zum Jahre 2010, so ist es von 29 Staaten im so genannten Bologna-Prozess verbindlich vereinbart worden, soll ein gemeinsamer europäischer Hochschulraum geschaffen werden. Es ist ein Armutszeugnis für die Koalition, wenn sie im Koalitionsvertrag und in der Regierungserklärung zu den Aufgaben, die sich daraus für das Land ergeben, so gut wie nichts sagt.

Vom lebenslangen Lernen hat sich die Landesregierung wohl endgültig verabschiedet. Weiterbildung findet keinerlei Erwähnung mehr. Wie die Landesregierung es schaffen will, mit diesem Programm junge Leute im Land zu halten, Menschen hier eine Perspektive zu geben und das Land für die Wissensgesellschaft attraktiv zu machen, bleibt ihr Geheimnis. Ich meine jedenfalls: So wird es nicht gehen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Wahlkampf haben die Koalitionsparteien den Eindruck erweckt, sie würden Brandenburg zur idealen Heimstatt der Familien in der Bundesrepublik machen. Jetzt haben wir einen Familienbeirat und ein Pilotprojekt. Das ist allerdings nicht viel, wenn man die reale Situation von Familien in Brandenburg verbessern will.

Allein der Appell „Wir brauchen mehr Kinder“ wird wohl kaum zu einem Babyboom in Brandenburg führen. Der aktuelle Bericht des statistischen Landesbetriebes macht genau auf diese dramatische Situation aufmerksam. Herr Ministerpräsident, wir beide haben drei Kinder.

(Allgemeine Heiterkeit)

- Nicht wir beide zusammen, sondern sowohl Sie als auch ich haben je drei Kinder.

Wir müssen uns schon fragen, warum sich junge Leute heute nicht dafür entscheiden, Kinder zu bekommen. Weshalb schieben Sie diese Entscheidung immer weiter hinaus? Darüber müssen wir uns Gedanken machen. Dazu habe ich von Ihnen nichts gehört.

(Beifall bei der PDS)

Eines sollten wir doch wohl alle endlich gelernt haben: Frauen und Männer sind eher bereit und in der Lage, die Verantwortung für Kinder zu tragen, wenn ihre Existenz unabhängig voneinander gesichert ist. Existenzsicherheit und Chancengleichheit sind die Stellschrauben für eine moderne Frauen- und Familienpolitik. Ihre Koalitionsvereinbarung lässt erkennen: Sie wollen nur zurückschrauben.

„Mütter können alles!“ plakatierte die SPD im Wahlkampf. Gemeint war und ist wohl: Mütter müssen auch weiterhin alles allein können - ohne Unterstützung der Landesregierung.

(Beifall bei der PDS)

Den Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen wollen Sie auch künftig umsetzen. Heißt das: Weiter so, mit wenig Engagement? Dieser Aktionsplan muss qualifiziert werden. Dazu wird die PDS Vorschläge unterbreiten und Sie können sicher sein: Nicht wir allein.

Engagierte Frauen aus Parteien dieses Landes, auch aus Ihrer Partei, meine Damen und Herren von der SPD, und der Frauenpolitische Rat werden es nicht hinnehmen, dass Sie die Gleichstellungspolitik elegant unter den Tisch fallen lassen.