Der deutsche Sonderweg ist zu Ende. Wir müssen das gemeinsam mit den Nachbarn erreichen. Reden Sie also mit den Nachbarn und nicht mit sich selbst!
Wer ein friedliches Europa will, der wird zum erweiterten Europa Ja sagen, und wer zum erweiterten Europa Ja sagt, der wird auch zu der vorliegenden Verfassung Ja sagen, weil dieses Europa auf der Grundlage der alten Verträge schlicht und einfach nicht mehr demokratisch genug ist. Der Verfassungsvertrag stellt insofern eine wesentliche Verbesserung dar. Dazu müssen wir uns bekennen und uns gemeinsam dafür einsetzen, dass dies erreicht wird.
Die Probleme um die Ratifizierung der europäischen Verfassung dürfen nicht zu einer allgemeinen Krise Europas führen. Wir werden nicht alle Fragen beantworten können, die uns gestellt sind. Aber wir werden sehr deutlich machen müssen: Wer
den Verfassungsvertrag nicht will, der legt die EU auf Dauer lahm. Deshalb müssen wir darum werben, die dargestellten Ziele gemeinsam zu erreichen.
Lassen Sie mich noch ein sehr persönliches Wort sagen. Vor 16 Jahren hätte ich auf keinen Fall hier sein oder hier reden können.
- Herr Vietze ja. Er hatte damals hier das Hausrecht. - Mit der deutschen Einheit hat sich insofern eine wesentliche Veränderung ergeben. Es gibt auf der Landkarte jetzt wieder Staaten in Europa, die auch Mitglied der Europäischen Union sind, die es vor 16 Jahren nicht gegeben hat. Ich nenne hier die baltischen Staaten, Slowenien, die Slowakei, die Tschechische Republik. Das ist eine Entwicklung, die wir als Glück für Europa betrachten müssen. Lassen Sie uns an dieser Vielfalt Europas weiter arbeiten, statt alles kaputtzureden.
Lesen Sie bitte einmal in den Geschichtsbüchern nach, wie geschunden unser Kontinent ist. Schauen Sie sich einmal auf den Friedhöfen an, wie dort der Toten gedacht wird, die von 1871 bis 1945 in sinnlosen Kriegen gefallen sind. Dies wollen wir überwinden und die Chance dazu haben wir in Europa, und zwar nur gemeinsam mit Europa und mit dem vorliegenden Verfassungsvertrag.
Vielen Dank, Herr Innenminister. - Das Wort geht noch einmal an die SPD-Fraktion. Es spricht der Abgeordnete Reiche.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die DVU hat Probleme genannt, die wir alle auch sehen, und sagt deshalb: Volle Kraft zurück! Die Probleme, die Sie und wir auch sehen, kann man nur mithilfe angemessener Instrumente lösen.
Sie sagen zu Recht, in Europa gebe es Steuerdumping. Sie wissen vermutlich, dass die einzige tragfähige Antwort auf dieses Problem ist, in Europa Mindeststeuern einzuführen. Richtig! Das ist übrigens auch ein Vorschlag des Bundeskanzlers. Wenn man aber diesen Weg gehen will, muss man bereit sein, Souveränitätsrechte, nämlich Steuerhoheit, an die Europäische Union abzugeben. Genau das sind Sie nicht. Es ist doch schizophren, ein Problem zu nennen, die Lösung zu fordern und genau das, was einzig und allein diese Lösung ermöglicht, im gleichen Atemzug zu verbieten.
Ein anderes Beispiel: Sie nannten das Problem der Fleischer. Es ist ein dramatisches - richtig. Aber es ist doch kein europäisches Problem, sondern ein Problem von Kriminalität. Das, was dort gemacht worden ist, hängt nicht mit europäischen Richtlinien zusammen, sondern mit der kriminellen Energie Einzelner. Dies muss durch die Polizei, durch klare europäi
Um die wahren Probleme, die es in der EU gibt, anzugehen, brauchen wir diesen Verfassungsvertrag. Dafür brauchen wir andere Entscheidungsprozesse. Deshalb muss die Denkpause eine Pause für das Denken und nicht etwa eine Pause im Denken sein.
Wir müssen natürlich weiterhin handlungsfähig bleiben. Der Gipfel bezüglich der Finanzen muss Erfolg haben. In Luxemburg und Dänemark muss eine Entscheidung getroffen werden. Es muss mit Rumänien und Bulgarien weiter verhandelt werden.
Wenn die DVU dann sagt, die Beitritte, die organisiert werden sollen, wären überstürzt, muss man bedenken, dass das Lebenszeit von vielen Millionen Menschen bedeutet, die - über mehrere Generationen - fast 60 Jahre gewartet haben. Es ist doch nicht überstürzt, wenn man gegen seinen Willen 40 Jahre Kommunismus erlebt und sich 14 Jahre lang in einem schwierigen und angemessenen Prozess vorbereitet hat, um in die Europäische Union zu kommen. Europa haben wir von unseren Eltern und Großeltern ererbt. Es ist die Garantie für die Zukunft. Deshalb müssen wir Europa für unsere Kinder pflegen, entwickeln und vor allem bewahren.
Zum Beispiel werden wir den demografischen Kollaps, den wir insbesondere hier in Deutschland, aber auch in Italien und anderen Gründerstaaten der Europäischen Union spüren, nur bewältigen, wenn wir Freizügigkeit für Personen in Europa haben, wenn sich diese Menschen jetzt in ihrer Ausbildungszeit auf das Zusammenwachsen in Europa mit gleichen Rechtsstandards, aber natürlich unterschiedlichen nationalen Traditionen vorbereiten können und wenn wir bereit sind, die Grenzen zu öffnen und mit den großen Nationen bzw. Ballungsräumen dieser Erde - China, Japan und den USA - im Wettbewerb um Menschen zu stehen.
Europa ist das Beste, was wir unseren Kindern hinterlassen können. Sie sind darauf angewiesen, dass wir dieses Geschenk für sie und auch als Geschenk an die Welt weiterentwickeln, denn wir zeigen ihnen mit diesem verwirklichten europäischen Traum, mit dem Zusammenrücken von Nationen, dem Abgeben von Souveränitätsrechten von Nationen auf eine supranationale Ebene, dass das, was Probleme in dieser Welt lösen kann, nämlich good global governments, in der Europäischen Union organisiert wird. Deshalb soll die Kritik ruhig geäußert werden. Das verträgt Europa. Aber wir müssen für Europa auch die Instrumente bereithalten, damit die Probleme, an deren Bestehen zu Recht Kritik geäußert wird, in Zukunft gelöst werden können. Insofern: Lassen Sie uns gemeinsam für Europa kämpfen und diesen europäischen Traum träumen und verwirklichen! - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Reiche. - Das Wort geht noch einmal an die Fraktion der PDS. Es spricht der Abgeordnete Gehrcke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, Parteien, die dem eigenen Volk die Abstimmung über den historischen Akt einer europäischen Verfassung verweigert haben, sollten sich zurücknehmen und nicht Völker kritisieren, die ihre Meinung in einer solchen Abstimmung gesagt haben.
Es ist nicht sehr glaubwürdig, wenn man in dieser Art und Weise agiert. Natürlich wird auch deutlich, dass ein Votum des Volkes moralisch - nicht rechtlich - viel stärker ist als ein Votum von Parlamenten. Vor diesem Problem stehen Sie heute.
Ich möchte daran erinnern, dass es ein PDS-Vorschlag war, am 8. Mai dieses Jahres als Gründungstag des neuen, modernen Europas symbolisch zeitgleich in allen europäischen Ländern über den Verfassungsvertrag für Europa abzustimmen. Das hätte eine völlig andere Voraussetzung ergeben. Dieser Vorschlag ist willkürlich, ohne inhaltliche Debatte verworfen worden. Es ist das Problem einiger Parteien, nicht inhaltlich diskutieren zu wollen.
Eines ist festzustellen -, ich habe mich in Frankreich redlich getummelt, um meine Auffassung gemeinsam mit meinen französischen Freundinnen und Freunden zu vertreten: Die Bürger Frankreichq und der Niederlande sind derzeit die am besten über die europäische Verfassung Informierten in Europa. Wenn man das Volk entscheiden lässt, kümmern sich die Menschen. Dann wissen sie, dass es auf sie ankommt, und dann schaffen sie auch Argumente. Wie erklären Sie denn sonst, dass der europäische Verfassungsvertrag - ich würde ihn freundlicherweise als spröde bezeichnen - der Bestseller unter den französischen Büchern ist? Die Leute haben ihn sich besorgt, gelesen, diskutiert und argumentiert. All das hat in unserem Land nicht stattgefunden.
Des Weiteren muss man sich über die wachsende Differenz zwischen Parteien, Regierungen und Bevölkerung im Klaren sein. Wäre der Verfassungsvertrag im französischen Parlament abgestimmt worden, hätte er mehr als 90 % der Stimmen bekommen, in den Niederlanden wäre es auch so gewesen. Von der Bevölkerung bekam er keine Zustimmung - und das bei einer Wahlbeteiligung von 70 %. Das muss man sich auch einmal vor Augen halten.
Es gibt also eine tiefe Kluft zwischen dem, was die Menschen wollen, und dem, was in Parlamenten und Regierungen verhandelt wird. Das ist das eigentliche Problem. Das hat etwas mit einer neoliberalen Politik zu tun, die in Europa immer mehr an Akzeptanz verliert. Es ist auch die Ursache dafür, dass die Franzosen und die Niederländer Nein gesagt haben.
Kollege Reiche, ich denke, man muss in anderer Art und Weise nachdenken. Ich möchte gern, dass die Kräfte des kritischen Ja, die ich auch in Ihrer Partei sehe, und des demokratischen Nein - schon diese Formulierung zeigt, dass es ein undemokratisches Nein und ein unkritisches Ja gibt - in einen Dialog darüber eintreten, wie denn eine europäische Verfassung und
nicht eine Ansammlung von Verträgen, die den Bürgerinnen und Bürgern in Europa Frieden, Wohlstand, soziale Gerechtigkeit, Demokratie und ein weltoffenes Europa garantiert, aussehen kann. Ein solcher Dialog ist jetzt fällig - dazu ist die PDS bereit -, denn das war ihre Kritik an der Verfassung. Wir haben deutlich gemacht, dass wir keine Verfassung wollen, in der eine Rüstungsagentur für Europa verordnet wird.
Das Wort Abrüstung kommt im gesamten Vertrag nur im Zusammenhang mit Kriegen für Abrüstung vor. Wir haben immer gesagt, dass dieser neoliberale Kurs Europa zerstört. Mindestlöhne, soziale ökologische Mindeststandards müssen mit dieser Verfassung garantiert sein. Wir wollen auch eine andere Grundwertediskussion.
Ich fand ganz spannend, was Kollege Schönbohm gesagt und was er nicht gesagt hat. Das, was er nicht gesagt hat, lesen Sie bitte in einem Artikel nach, der am Samstag in der „Frankfurter Rundschau“ veröffentlicht wurde.
Wer davon spricht, dass Europa aus seiner Sicht christlichabendländisch definiert wird, der sollte nicht von Vielfalt in Europa reden.
Das ist genau das Gegenteil. Da geht es um die Werte. Wer in diesem Artikel davon spricht, dass unserem Land nach einem Regierungswechsel eine Entziehungskur - das Wort hat alle Chancen, Unwort des Jahres zu werden - von rot-grüner oder liberaler Politik verordnet werden muss, wer, Herr Schönbohm, über Entziehungskuren für Bürgerinnen und Bürger nachdenkt, bei dem sind Erziehungsanstalten nicht weit. Ein solches Europa will ich nicht
Meine Damen und Herren, die Redezeiten sind ausgeschöpft. Wir sind am Ende der Debatte zur Aktuellen Stunde und ich schließe den Tagesordnungspunkt 1.
Bevor ich den Tagesordnungspunkt 2 aufrufe, begrüße ich die Schüler der Gesamtschule Passow, 8. Klassen, wenn ich es recht sehe. Ich wünsche euch einen interessanten und informativen Vormittag. Wir kommen jetzt zur Fragestunde. Da gibt es sicher eine Vielfalt für euch interessanter Themen.