Protocol of the Session on April 14, 2005

Drucksache 4/993 Drucksache 4/916

Dazu liegt uns die Dringliche Anfrage 12 (Verbot der Kame- radschaft „Hauptvolk“) des Abgeordneten Petke von der CDUFraktion vor.

In der vergangenen Woche hat der Innenminister die rechtsextreme Kameradschaft „Hauptvolk“ einschließlich ihrer Untergliederung „Sturm 27“ verboten.

Ich frage die Landesregierung: Welche Tatsachen haben zu diesem Verbot geführt und welche Ergebnisse haben die polizeilichen Durchsuchungen in vielen Objekten im Land und darüber hinaus gebracht?

(Bischoff [SPD]: Darüber hat das Fernsehen doch schon berichtet!)

Es antwortet der Innenminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bischoff, Sie können weghören, wenn Sie schon alles wissen. - Die Aktivitäten der Kameradschaft „Hauptvolk“ und ihrer Untergliederung „Sturm 27“ sind seit März 2001 festgestellt worden. Ihre vereinsähnliche Bestrebung gegen fundamentale Verfassungswerte hat sich seitdem verdichtet. Das uniforme Auftreten der Kameradschaftsmitglieder in schwarzen oder braunen Polohemden oder T-Shirts mit aufgedrucktem „Hauptvolk“-Logo verdeutlicht den Charakter dieser Gruppierung als Personenzusammenschluss.

Die Selbstbetitelung als „Hauptvolk“ bzw. „Sturm 27“ verweist unverhohlen auf Ideologie und historisches Vorbild des Nationalsozialismus. In einer der Kameradschaft zuzurechnenden Publikation wird das NS-Regime regelmäßig glorifiziert; die Schuld an den Weltkriegen wird den demokratischen Staaten angelastet, denen unterstellt wird, sie hätten Deutschland eine künftige Staatsform aufpfropfen wollen. Der Holocaust wird als ein „Akt

nationaler Notwehr“ dargestellt. Diese selbstgewählte Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus lässt erkennen, dass die Kameradschaft eine kämpferisch-aggressive Umsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele befürwortet. Dass sich mehrere Mitglieder des „Hauptvolk“ und des „Sturm 27“ wegen unterschiedlicher Straftaten, unter anderem auch Körperverletzung, verantworten müssen, unterstreicht diesen Eindruck.

Der Verfassungsschutz Brandenburg hat die Bestrebungen der Kameradschaft „Hauptvolk“ entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag beobachtet. Die geschilderte Verdichtung des aggressiven kämpferischen Charakters der Bestrebungen ließ alsbald erkennen, dass es sich um eine Vereinigung handelt, die sich aktiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet und deswegen gemäß Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes zu verbieten ist.

Die Landesregierung hat sich bei den Überlegungen bezüglich dessen, ob ein Verbot ausgesprochen werden soll, von den Maßgaben des Gesetzes leiten lassen. Die gesetzlichen Aussagen zu möglichen Vereinsverboten sind ausgehend von im Grundgesetz vielerorts festgelegten Werten in der Frage des Umgangs mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen eindeutig. Da die Kameradschaft ihre aggressiv kämpferische Haltung gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hinreichend zum Ausdruck gebracht hat, war die Möglichkeit eines Vereinigungsverbots rechtlich gegeben.

Die mit dieser Formulierung indirekt anklingende Frage nach darüber hinausgehenden Überlegungen der Landesregierung möchte ich wie folgt beantworten: Der Einfluss rechtsextremistischer Strukturen und Gruppierungen auf Jugendliche und junge Heranwachsende in Brandenburg ist bedeutsam. Die DVU als rechtsextremistische Partei konnte bei der Landtagswahl 2004 vor allem bei jungen Männern punkten. In der Gruppe der Männer zwischen 18 und 24 Jahren erreichte sie 19 % der abgegebenen Stimmen, bei den unter 24-jährigen Frauen betrug der Anteil der DVU-Wählerinnen 10 %. Diese Ergebnisse lassen jedoch auch erkennen, dass 80 % der jungen Männer und 90 % der jungen Frauen nicht für eine rechtsextremistische Partei zu gewinnen sind.

Die Mehrheit der jungen Leute muss in ihrer demokratischen Haltung unterstützt werden, unter anderem dadurch, dass sich ihnen zeigt, dass sich die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegenüber ihren Feinden durchzusetzen weiß. Wir müssen diese politische Auseinandersetzung führen, und zwar auf allen Feldern; die Maßnahmen des Verfassungsschutzes und der Polizei sind nur eine Teilmenge. Wir müssen unterstreichen, dass wir extremistische, verfassungsfeindliche Bestrebungen nicht zulassen und Vereinigungen mit dieser Zielrichtung verbieten werden. Das verlangt - ich sage das an dieser Stelle, weil der Gesetzgeber auch Haushaltsgeber ist - einen leistungsfähigen Verfassungsschutz. Darum, werte Kollegen von der PDS-Fraktion, kann ich überhaupt nicht verstehen, dass Sie im Rahmen der Haushaltsverhandlung vorgeschlagen haben, den Etat für den Verfassungsschutz - und zwar für Mittel, die für operative Arbeit ausgegeben werden - abzusenken. Sie müssen sich bekennen. Sie haben gestern vorgetragen, dass Sie mit aller Entschlossenheit gegen Rechtsextremismus vorgehen. Dann müssen wir auch gegen diejenigen vorgehen, von denen wir wissen, dass wir damit etwas erreichen können.

(Zuruf der Abgeordneten Osten [PDS])

Die Mittel des Verfassungsschutzes sind dazu geeignet, also machen Sie Politik aus einer Hand.

Aus Ihrem gestrigen Beitrag ist auch deutlich geworden: Das gesamtgesellschaftliche Engagement muss stärker werden. Gestern sind gute Dinge gesagt worden, nun müssen Taten folgen und zwar von allen Mitwirkenden.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes und der Polizei zu bedanken, dass Sie das Verbot so gut vorbereitet und umgesetzt haben. Was das weitere Vorgehen betrifft: Wir haben zehn PCs sichergestellt, nach deren Auswertung wir entscheiden werden, welche Konsequenzen sich ergeben.

(Beifall bei der CDU)

Herr Innenminister, es gibt eine Nachfrage von Frau Hesselbarth.

Herr Innenminister, können Sie mir bitte erklären, wie Sie dazu kommen, das Verbot gegen diese Kameradschaft mit der DVU in Verbindung zu bringen?

Ich habe darauf hingewiesen, dass rund 20 % der jungen Männer und rund 10 % der jungen Frauen die DVU gewählt haben. Da Ihre Partei Auffassungen vertritt, die sich im rechtsextremistischen Bereich bewegen, halte ich es für geboten, auf diesen Zusammenhang hinzuweisen und darüber eine politische Auseinandersetzung zu führen. Diese werden wir selbstverständlich im Landtag und im Land führen. Das ist Demokratie.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Schippel [SPD] - Lachen bei der DVU)

Vielen Dank, Herr Innenminister. - Wir kommen zur Frage 268 („Exzellenzinitiative“ der Bundesregierung) , die die Abgeordnete Geywitz stellen wird.

In Brandenburg haben die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung Priorität. Auch der Bund möchte mehr investieren, um die deutschen Hochschulen international konkurrenzfähig zu machen. Aufgrund der Wissenschaftshoheit der Länder entsteht natürlich ein Spannungsverhältnis. Im März 2005 hat sich eine Arbeitsgruppe zur Exzellenzinitiative aus der Bund-Länder-Kommission heraus gegründet.

Ich frage die Landesregierung: Wie steht sie zu diesem Vorhaben und gibt es schon Ergebnisse?

Die Antwort gibt Ministerin Wanka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat Anfang 2004 vorgeschlagen, eine Exzellenzinitiative zu starten und dafür ein bestimmtes Finanzvolumen zur Verfügung zu stellen. 75 % davon sollte der Bund bezahlen und 25 % sollten die Länder übernehmen. Die Idee ging dahin, fünf oder sechs Spitzenuniversitäten in Deutschland auszuloben. Dagegen gab es massiven Widerstand. Verhandelt wird über solche Initiativen in der Bund-Länder-Kommission, in der der Bund mit 16 Stimmen und die Länder mit je einer Stimme vertreten sind.

Der Widerstand kam von allen Ministerpräsidenten; das war also nicht etwa eine CDU-SPD-Konfrontation. Auch ich habe die Gefahr gesehen, dass die Sache sehr stark politisch motiviert sein kann, wenn es gilt, fünf oder sechs Spitzenuniversitäten auszuwählen. Es ist auch ziemlich klar, welche Universitäten dafür infrage kommen.

Das Interesse ging dahin, wirklich eine Förderung von Spitzenuniversitäten zu betreiben, das aber auch wachsen zu lassen, also zum Beispiel dem Land Brandenburg durch die Formulierung der Antragsbedingungen die Chance zu geben, dass für die Auswahl nicht nur einzelne Universitäten infrage kommen, sondern auch auf der Ebene der Fächer Möglichkeiten bestehen, universitätsübergreifend eine entsprechende Auswahl zu treffen, wenn die geforderte Exzellenz vorhanden ist.

Im letzten November ist in der Bund-Länder-Kommission eine Verständigung dahin gehend erreicht worden, dass das gesamte Programm aus drei Säulen bestehen soll. Die Säulen 1 und 2, Exzellenz-Cluster und Graduiertenförderung, waren unstreitig. Bei der Säule 3 fand sich aber immer noch das Wort „Spitzenuniversität“. Das war vor dem Hintergrund der Föderalismusdebatte, bei der es auch darum geht, dass der Bund für die Universitäten nicht grundsätzlich zuständig ist, der Stein des Anstoßes. Deswegen haben die Ministerpräsidenten gesagt, dass das nach der Debatte über die Föderalismusreform entschieden werden soll. Diese Debatte ist bekanntlich so ausgegangen, dass es keine Entscheidung gab. Damit lag das auf Eis, weil es sozusagen nicht in das Kompetenzfeld passte.

Im März dieses Jahres haben wir in der ersten Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz einen Vorstoß unternommen, haben eine Initiative gegenüber den Ministerpräsidenten formuliert. Ein paar Tage später wurde das in der Bund-LänderKommission mit dem Bund besprochen.

Zu der Säule 3, Spitzenforschung, gab es zu diesem Zeitpunkt einen Vorschlag der unionsgeführten Länder in der Frage, was mit dieser Säule gemacht werden könnte, um das geschilderte Problem zu umgehen; Stichwort: Vollkostenfinanzierung. Daraufhin war der Bund bereit, darüber zu verhandeln. Die Verhandlungen sind dann unter großem Zeitdruck geführt worden; denn die Ministerpräsidenten stellten sich auf den Standpunkt, dass über den Vorschlag zur Umgehung des Problems der nicht bestehenden Bundeszuständigkeit am 14.04. entschieden werden solle.

Der Vorschlag zur Säule 3 liegt jetzt auf dem Tisch. Er geht noch in die gleiche Richtung; es geht aber nicht mehr um Spitzenuniversitäten in diesem stringenten Sinne.

In der letzten Woche gab es eine außerordentliche Sitzung der Bund-Länder-Kommission, in der die Bundesregierung mit ihren 16 Stimmen und die Wissenschaftsminister von 15 Bundesländern, außer Hessen, dem zugestimmt haben. Das Land Hessen hat sich dem nicht angeschlossen, weil dort immer noch Sorge wegen der Frage der Zuständigkeit für die Hochschulen besteht. Außerdem hat der Vertreter des Landes Hessen die folgende Rechnung aufgemacht: Der Bund hat die Förderung des Hochschulbaus - dies ist eine wichtige Sache für alle Hochschulen in allen Bundesländern - im Jahre 2004 um 175 Millionen Euro gesenkt. Wenn man das von 2004 bis 2011, also für die gesamte Zeit, in der das Programm laufen soll, weiterrechnet, dann ergibt sich eine Summe von 1,4 Milliarden Euro, die genau dem Betrag entspricht, der für die Exzellenzförderung bereitgestellt werden soll.

Wenn es das Programm nun nicht geben sollte, Frau Geywitz, dann ist damit aber überhaupt nicht gesagt, dass wir eine entsprechende Förderung für unsere Hochschulen auf anderem Wege vom Bund bekommen. Aus diesem Grunde steht das Land Brandenburg voll hinter dem Programm und der Ministerpräsident wird heute versuchen, das zum Erfolg zu führen.

Frau Ministerin, es gibt noch Nachfragebedarf.

Frau Ministerin, Sie haben jetzt sehr viel über die allgemeinen Vorschläge in der Bund-Länder-Kommission referiert. Können Sie - erstens - auch sagen, welche Position Brandenburg in der Bund-Länder-Kommission vertreten hat?

Zweitens: Sie haben gesagt, dass das Land Hessen nicht für den betreffenden Vorschlag gestimmt hat. Sehen Sie darin eine Gefährdung des gesamten Prozesses bzw. des Vorschlags?

Herr Jürgens, wahrscheinlich waren Sie gerade auf dem Wege zum Mikrofon, als ich deutlich dargelegt habe, wie sich das Land Brandenburg positioniert bzw. sich schon die ganze Zeit über konsequent für diesen Vorschlag positioniert hat, wobei wir dabei eine aktive Rolle gespielt haben.

Damit komme ich zu der Haltung des Landes Hessen. Innerhalb der Bund-Länder-Kommission gab es 31 Stimmen dafür und 1 Stimme dagegen. Insoweit ist das also völlig ungefährlich. Für die heutige Sitzung ist das natürlich wichtig, weil bei den Konferenzen der Ministerpräsidenten das Konsensprinzip gilt.

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Bevor ich die nächste Frage aufrufe, begrüße ich neue Gäste. Die Gesamtschule Luckau ist mit einer 10. Klasse bei uns zu Besuch. - Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg und einen spannenden Vormittag für euch!

(Allgemeiner Beifall)

Damit kommen wir zur Frage 269 (Umsetzung der EU-Richt- linie für bessere Luftqualität), die von der Abgeordneten Tack formuliert wird. Bitte sehr.

Seit dem 1. Januar 2005 gilt in der Europäischen Union eine Richtlinie zur Reduzierung von Feinstaub, der vor allem durch Abgase von Dieselfahrzeugen entsteht. Dieser Richtlinie zufolge, die bereits in nationales Recht umgesetzt wurde, darf an höchstens 35 Tagen im Jahr der Grenzwert von 50 Mikrogramm Staub je Kubikmeter Luft überschritten werden. Hintergrund für diese Regelung ist, dass Feinstaub Krebs und andere schwere Erkrankungen der Atemwege verursachen kann. So sterben einer EU-Studie zufolge derzeit in der Bundesrepublik Deutschland jedes Jahr 65 000 Menschen an den Folgen von Ozon und Feinstaub.

Auch in Brandenburg besteht zur Verbesserung der Luftqualität im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Richtlinie als wichtiger Beitrag zum Gesundheitsschutz akuter verkehrspolitischer Handlungsbedarf.

Ich frage die Landesregierung: Welche verkehrspolitischen Maßnahmen wird sie in Zusammenarbeit mit den bereits betroffenen Städten bzw. zur Vorbeugung in weiteren Städten einleiten?

Für die Landesregierung antwortet Minister Szymanski. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Tack, die Einhaltung der EU-Richtlinie zur Reduzierung des Feinstaubs wird in breiter Form öffentlich diskutiert. In der Ursachenanalyse gibt es klare Aussagen dahin gehend, dass ein wesentlicher Teil der Ursachen außerhalb der Städte zu suchen ist, insbesondere bei Industrieunternehmen und beim Hausbrand, wobei der Verkehr ebenfalls als Ursache anzusehen ist und demzufolge auch im Verkehrsbereich Schlussfolgerungen gezogen werden müssen.

Für das Land Brandenburg bedeutet das konkret: Für die Städte Cottbus, Frankfurt (Oder) und Bernau sind Luftreinhaltepläne zu erstellen. Dies geschieht derzeit mit Unterstützung des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz. Ich gehe davon aus, dass diese Pläne im Herbst vorliegen werden. Darüber hinaus wird es für 21 Städte so genannte Aktionspläne geben, beispielsweise für Potsdam, Brandenburg, Teltow, Eberswalde. Auch die Erstellung dieser Aktionspläne, bei denen es um die Analyse der Feinstaubbelastung geht, wird durch die Landesregierung unterstützt.

Die entscheidende Ursache für die Belastungen im Verkehrsbereich sind die Dieselkraftfahrzeuge. Der Feinstaubanteil in den Abgasen dieser Fahrzeuge muss reduziert werden.