Protocol of the Session on April 13, 2005

Das Wiedererstarken rechtsextremen Gedankenguts muss mit allen - ich sage wirklich: mit allen - zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen und demokratischen Mitteln bekämpft werden. Ich bin den Mitarbeitern des Innenministeriums dankbar dafür, dass dazu gerade gestern ein wichtiger Beitrag geleistet worden ist.

Wir wissen aus der Erfahrung und wir spüren es jeden Tag, auch hier im Landtag: Die Auseinandersetzung ist nicht leicht und sie wird auch nicht leichter. Aber sie muss geführt werden und sie braucht jede und jeden von uns.

Rechtsextremismus tritt uns in unterschiedlichster Art gegenüber, indem er sich als national oder sozial, gar als Organisator des sozialen Protests, als Vertreter deutscher Interessen stilisiert. Seine Systemkritik macht er an der zum Teil bestehenden Politik- und Parteienverdrossenheit der Menschen fest. Er schürt Fremden- und Ausländerfeindlichkeit, indem er zum Teil hochraffiniert an Vorurteile anknüpft. Nicht zuletzt haben wir es hierbei zu tun mit offenem Rassismus und Antisemitismus, mit Verharmlosung und Relativierung - das ist auch hier an diesem Pult im Landtag schon zu erleben gewesen - des deutschen Nationalsozialismus und der Kriegsschuld.

Wenn sich nach einer aktuellen Studie der Freien Universität und des Meinungsforschungsinstituts „forsa“ 12 % der Brandenburgerinnen und Brandenburger zu einem rechtsextremen Weltbild bekennen, dann ist das ein Alarmsignal. Dann darf das niemanden, ob hier im Landtag oder anderswo, kalt lassen. Wir trösten uns manchmal damit, dass das vor allem junge, noch unreife, heranwachsende Menschen sind; aber nein, dieses Weltbild zieht sich in Wirklichkeit durch nahezu alle Altersgruppen.

Unsere Reaktion darf nicht resignatives Zurückziehen von dieser Entwicklung sein, sondern muss für jeden Einzelnen eine noch stärkere Auseinandersetzung und ein noch vehementeres Einmischen, aber auch - das ist ein zunehmendes Erfordernis - präzise

re Faktenvermittlung und besseres Argumentieren nach sich ziehen. Vor allem müssen den richtigen Worten wirkliche Taten folgen. Die zahlreichen Initiativen, Organisationen, die Kirchen und Gewerkschaften, die bereits seit Jahren an diesem Thema dran sind, verdienen weiterhin unser aller Unterstützung.

Ich bin auch dankbar dafür, dass viele Schulen Seminare - und das bereits vor Jahren - ins Leben gerufen haben, damit jedem Schulleiter, jeder Lehrerin und jedem Lehrer die Mittel in die Hand gegeben werden, sich engagiert und souverän mit rechtsextremen Schülern auseinander zu setzen und mit ihnen umzugehen. In gleicher Weise wurden Verwaltungsangestellte, Leiter von Jugendklubs, Trainer in Sportvereinen mit Schulungen in sozialpädagogischer Intervention für dieses Thema sensibilisiert und für eine offene Auseinandersetzung fit gemacht.

Mein Appell geht gleichermaßen an die Familien, und zwar an jede Familie: Schauen Sie sich die Freunde Ihrer Kinder an. Befragen Sie sie - nehmen Sie sich die Zeit -, in welchen Gruppen sie sich aufhalten, worüber dort geredet wird. Gehen Sie Diskussionen zum Thema Rechtsextremismus und Gewalt nicht aus dem Weg. Scheuen Sie sich nicht, sich dafür auch Hilfe zu holen. Sie finden Ansprechpartner. Es gibt in unserem Lande mittlerweile genügend Ansprechpartner, ob in den Schulen, beim Pfarrer oder in sozialen Einrichtungen. Zeigen Sie auch Ihren Kindern diese Wege, damit sie Ansprechpartner für ihre Sorgen, ihre Fragen, ihre Nöte finden, wenn Ihnen selbst aus unterschiedlichen Gründen ein persönliches Gespräch gerade nicht möglich ist.

Auf der anderen Seite muss jeder Gewalttäter wissen, dass er juristisch belangt wird. Jeder Gewaltbereite soll den Druck gesellschaftlicher Ächtung spüren. Stimmungsmache, Propaganda und Ideologie des Rechtsextremismus müssen wir den Boden entziehen.

Wir müssen aber auch ohne Illusion feststellen, dass menschenverachtendes Gedankengut eine zählebige Gefahr darstellt. Dabei ist, wie wir alle gerade gestern erfahren konnten, nicht einmal mehr die Verherrlichung des Nationalsozialismus tabu.

Rechtspopulistischen Parteien und rechtsextremen Gruppierungen geht es zunehmend um die Besetzung des öffentlichen Raums. Mit ihrem Konzept der Schlacht um die Köpfe, die Straßen und die Wähler agieren sie auch in unserem Lande nicht ohne Erfolg. Mit dem verschärften Versammlungsrecht, das der Bundestag am 24. März dieses Jahres verabschiedet hat, wird gerade auf dieses Konzept reagiert. Aufbauend darauf wird das Landeskabinett dem Landtag noch vor der Sommerpause ein entsprechendes Gedenkstättenschutzgesetz vorschlagen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch einmal wie folgt zu appellieren: Demokratie lebt vom Wechselspiel zwischen Opposition und Regierung, lebt von Kritik und davon, dass man Gegensätze auch betont. Aber die Entwicklung unserer Gesellschaft erzeugt auch Felder, auf denen die Gemeinsamkeit der demokratischen Parteien über alle Unterschiede und Vorurteile hinweg erforderlich ist.

(Beifall bei SPD und PDS)

Ich meine, der Kampf gegen Rechtsextremismus gehört dazu. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD, CDU und PDS)

Ich schließe die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

Zunächst stimmen wir über den Änderungsantrag der DVUFraktion - Drucksache 4/1008 -, Änderung des Antragstextes, ab. Ich möchte dazu anmerken, dass mir dieser Antrag wie ein Ersetzungsantrag vorkommt, möchte gleichwohl empfehlen, dass wir darüber so abstimmen. - Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der DVU - Drucksache 4/1008 - zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in Drucksache 4/943 - Neudruck -. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag bei einigen wenigen Enthaltungen angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg

Gesetzentwurf der Abgeordneten Udo Folgart, Martina Gregor, Jutta Lieske und Britta Stark (SPD); Dieter Dombrowski, Dieter Helm, Wilfried Schrey und Sven Petke (CDU)

Drucksache 4/386

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 4/839

Soweit ich informiert bin, wird allseits auf Redebeiträge verzichtet. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Daher kommen wir nun zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung in der Drucksache 4/839 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen und das Gesetz in 2. Lesung verabschiedet.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 5:

Gesetz zu dem Vertrag zwischen dem Land Brandenburg und der Jüdischen Gemeinde Land Brandenburg vom 11. Januar 2005

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/624

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 4/967

Dazu liegt Ihnen in der Drucksache 4/1010 ein Entschließungsantrag der Fraktion der PDS vor.

Ich eröffne die Aussprache. Wir beginnen mit dem Beitrag des Abgeordneten Vietze von der PDS-Fraktion. - Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwischen den demokratischen Fraktionen dieses Hauses besteht Einvernehmen darüber, dass vor dem Hintergrund des Holocaust und der geschichtlichen Entwicklung, die es im Umgang mit jüdischem Leben gegeben hat, die Politik des Landes Brandenburg in besonderer Weise in der Verantwortung steht, jüdisches Leben auch und gerade mit öffentlichen Mitteln zu schützen und zu fördern. Diesem Zweck soll der heute zur Abstimmung stehende Staatsvertrag dienen.

In diesem Zusammenhang merke ich zunächst an, dass wir das Anliegen der Landesregierung sehr unterstützen, nachdem die entsprechenden Staatsverträge mit der evangelischen und der katholischen Kirche geschlossen wurden, nun auch mit den Jüdischen Gemeinden die Form eines Staatsvertrages zu wählen, um das Leben der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserem Lande durch den Staat in entsprechender Weise zu schützen und fördern. Die Beratung und Anhörung im Ausschuss haben gezeigt, dass es für die Landesregierung und vor allem für die Kulturministerin und ihre Mitstreiter keine leichte Aufgabe war, mit den Verhandlungspartnern einen Staatsvertrag auszuhandeln, der allen Erwartungen gerecht wird. Aber auch dies war notwendigerweise zu tun.

Was nun vorliegt, ist aus unserer Sicht weder gelungen noch, wie Herr Lunacek sagte, ein gutes Fundament. Vielmehr weist es eine ganze Reihe von Defiziten auf, die uns - davon bin ich zutiefst überzeugt - auch künftig beschäftigen werden. Lassen Sie mich stichwortartig die Defizite benennen, die sich aus dem Vertrag ergeben:

Im Unterschied zu christlichen Religionsgemeinschaften sind jüdische Kultusgemeinden nicht in Landeskirchen organisiert. Es kann deshalb bei einer Vielfalt sehr unterschiedlich orientierter jüdischer Gemeinden auch nicht den einen Landesverband der Jüdischen Gemeinden geben, mit dem eine Landesregierung einen Staatsvertrag abschließt, es sei denn, dass sich die jüdischen Gemeinden im Lande selbst dafür aussprechen, dass sie durch einen gemeinsamen Landesverband vertreten werden, der ihre Interessen in den Verhandlungen mit der Landesregierung artikuliert und in den Vertragstext einbringt. Diese Situation ist hier nicht gegeben. Sie war auch in SchleswigHolstein nicht gegeben, wo ein Staatsvertrag mit mehreren Landesverbänden abgeschlossen wurde.

Im Unterschied zur evangelischen und zur katholischen Kirche, für deren Mitglieder die Staatsverträge Arbeitsbefreiungen zum Zwecke des Besuchs des Gottesdienstes an kirchlichen Feiertagen vorsehen, ist eine ähnliche Befreiung für Mitglieder von jüdischen Gemeinden nicht hinreichend. Nach deren Religionsgesetzen hat an religiösen Feiertagen vom Sonnenuntergang des Vortages bis zum Sonnenuntergang des Feiertages Arbeitsruhe zu herrschen. Auch auf diesem Gebiet besteht also nach wie vor Handlungs- und Regelungsbedarf.

Schließlich hat Herr Rabbiner Dr. Homolka in der Anhörung

mit einiger Verwunderung, die er damit auch bei uns auslöste, deutlich gemacht, dass wichtige jüdische Feiertage im Vertrag keine Erwähnung finden, unter anderem der wichtigste jüdische Feiertag, der Sabbat. Hier besteht ebenfalls Klärungs- und Handlungsbedarf.

Handlungsbedarf ist ferner gegeben, weil mit dem Staatsvertrag das Ziel verbunden ist, jüdisches Leben mit den bereitgestellten Mitteln zu fördern. Den Abgeordneten ist ein Schreiben der Jüdischen Gemeinde Brandenburg, also des Vertragspartners der Landesregierung, zugegangen, in dem sie Folgendes mitteilt:

„Der uns vorliegende Staatsvertrag berücksichtigt nicht die zurzeit komplizierte Lage des jetzigen Landesverbandes und trägt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zur Wiedergeburt und Entwicklung des jüdischen Lebens im Land Brandenburg bei.“

Aber gerade dies ist Ziel des Vertrages.

Soweit es um die Absprachen zum Einsatz der finanziellen Mittel für alle jüdischen Gemeinden im Land geht, teilte uns der Vertragsunterzeichner in einem Schreiben zur Anhörung über das vorliegende Gesetz mit:

„Die Zuordnung der Zuständigkeit für die angemessene finanzielle Beteiligung sämtlicher jüdischen Gemeinden im Land halten wir sowohl aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten als auch unter Berücksichtigung religionswissenschaftlicher Erwägungen für nicht sachgerecht. Gleichwohl wird die jüdische Gemeinde, die in den Landesverband aufgenommen wird, durch diesen aus den Mitteln des Staatsvertrages unterstützt werden.“

Das heißt, die Gemeinde, die nicht aufgenommen wird - die Kriterien, die dafür aufgestellt worden sind, sind sehr streitig und keineswegs in ausreichendem Maße begründet -, wird nicht bedacht. Damit wird nicht allen Menschen jüdischen Glaubens Rechnung getragen.

Wir haben es also mit einem Vertrag zu tun, mit dem die Regierung möglicherweise einen ersten Schritt geht, der aber schon zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung und -verabschiedung zeigt, dass noch deutlicher Handlungsbedarf gegeben ist.

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.