Protocol of the Session on March 3, 2005

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Klare Aufgabenbestimmung für die Landesgleichstellungsbeauftragte

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 4/699

Zu Beginn der Debatte erhält Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Brandenburg hat seit dieser Legislaturperiode eine Landesgleichstellungsbeauftragte, die zugleich Ministerin ist. Als Ministerin ist sie zudem fachlich für die Politik zur Gleichstellung der Geschlechter zuständig, auch wenn das in der Bezeichnung des Ministeriums nicht mehr sichtbar wird. Dies ist in dieser Verbindung nicht nur neu, es ist auch bundesweit eine einmalige Konstruktion. Man stelle sich einmal vor, Gregor Gysi hätte sich 2002 zum Landesgleichstellungsbeauftragten in Berlin bestellen lassen. Gelächter und Entrüstung hätten sich wohl die Waage gehalten. Ich möchte betonen, dass unsere Kritik an dieser Konstruktion ausdrücklich nichts mit der konkreten Person zu tun hat.

Für die ungewöhnliche Lösung werden die unterschiedlichsten Argumente ins Feld geführt. So versucht man den Frauen zu erklären, die Gleichstellungspolitik werde dadurch sogar noch aufgewertet, weil sie Chefsache sei. Wird eine Angelegenheit allerdings zur Chefsache, so ist die Folge nicht unbedingt Erfolg. Was die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie wirklich bewogen hat, dieses Ressort zu übernehmen und sozusagen im Ehrenamt auch noch Landesgleichstellungsbeauftragte zu werden, mag ihr Geheimnis sein. Wenn aber gleichzeitig die zuständige Fachabteilung weggestrichen wird, scheint Erfolg nicht gewollt. Oder klarer formuliert: Die Position soll wohl elegant abgeschafft werden.

Betrachten wir die Grundlagen für das Handeln der Ministerin als Landesgleichstellungsbeauftragte, so ist festzustellen: Es gibt keine. Anders als anderswo und anders als bei allen anderen Landesbeauftragten ist diese Funktion im Land Brandenburg nicht näher bestimmt. Aber immerhin hat die Gleichstellungsbeauftragte Aufgaben. Sie soll die Frauenund Gleichstellungspolitik des Landes durchsetzen, Gender Mainstreaming entsprechend dem Landesgleichstellungsgesetz von 1994 umsetzen, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst erreichen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer fördern und gar noch die berufliche Situation von Frauen in der Privatwirtschaft verbessern. Das aber ist noch nicht alles. Weiteres ist nachzulesen in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 185 - Landesgleichstellungsbeauftragte. Staatssekretär Alber versicherte uns am 25. November 2004 im Plenum, dass sich die Ministerin für eine entsprechende frauen- und genderpolitische Querschnittspolitik einsetzen werde. Wie das?

Der Koalitionsvertrag von SPD und CDU meint dazu lediglich, dass die Strategie und das Leitprinzip Gender Mainstreaming

für eine größere Geschlechtergerechtigkeit in allen Bereichen der Landesverwaltung zur Anwendung kommen müsse. - Gut, wenn es nur um die Landesverwaltung geht, geht das vielleicht auch ehrenamtlich. Herr Innenminister, wie sehen Ihre Erfolge als ehrenamtlicher Gleichstellungsbeauftragter in Ihrem Ministerium aus?

(Minister Schönbohm: Hervorragend!)

- Sehen Sie, also geht es ehrenamtlich. Dann sagen Sie das auch ehrlich.

Das beginnende 21. Jahrhundert steht in unserem Land für die zielgerichtete Abwicklung gleichstellungspolitischer Errungenschaften: Kürzungen des Kita-Rechtsanspruchs, Kürzungen und Streichungen auch von Geldern für Frauenprojekte und arbeitsmarktpolitische Programme sowie Antigewaltprävention.

Auf die geplanten Interventionsstellen im Zusammenhang mit dem Gewaltschutzgesetz hat man verzichtet. Kommunale Gleichstellungsbeauftragte gibt es nur noch in Kommunen mit mehr als 30 000 Einwohnern. Aber fast überall, leider auch in den Landkreisen, sind sie multifunktionale Beamtinnen, die aus Gründen dienstlicher Belastung kaum zu gleichstellungspolitischen Aktivitäten kommen.

Statt ökonomischer Unabhängigkeit und Selbstbestimmung von Frauen erleben wir derzeit einen Rückschritt in historischer Dimension in Richtung Mitverdienerin und Nichtleistungsbezieherin, sprich Hausfrau ohne eigene Absicherung. All dies, besonders die Strategie der Hartz-Gesetze, widerspricht ganz klar der politischen Orientierung der Europäischen Kommission. Diese fordert von den Mitgliedsstaaten unter anderem, dass ihre Maßnahmen und Aktivitäten zur Überwindung geschlechtsspezifischer Stereotype auf dem Arbeitsmarkt beitragen sollen. Politische Maßnahmen zur Gleichstellung sind Instrumente, die sowohl den sozialen Zusammenhalt als auch das Wirtschaftswachstum fördern.

Zur Verhinderung sowohl von Kinderarmut als auch von Altersarmut ist es dringend erforderlich, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Frauen zu fördern, das geschlechtsspezifische Lohngefälle abzubauen und Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern. Die EU schreibt vor, mit Mitteln der Strukturfonds und des Europäischen Sozialfonds die Geschlechtergleichstellung zu fördern, besondere Programme für Berufsrückkehrerinnen aufzulegen und geschlechtsspezifische Aufspaltungen des Arbeitsmarktes zu überwinden.

Von alledem ist in Brandenburg leider nichts zu sehen. Gender Mainstreaming? - Fehlanzeige. Unter anderem für die genannten Probleme und Maßnahmen fordern die Frauenpolitikerinnen dieses Landes von SPD, PDS, CDU und Grünen eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte. Die Familienverbände ihrerseits drängen auf eine Verbesserung der Situation von Familien mit Kindern und Angebote für Familienbildung. Dass von der Durchsetzung tatsächlicher Gleichstellung auch der Erfolg von Familienpolitik abhängt, hat Staatssekretär Alber am 25. November schon gewusst und hier zugegeben. Nur erwähnen möchte ich an dieser Stelle, dass die demographische Herausforderung für Brandenburg zusätzlich dadurch wächst, dass insbesondere junge, gut ausgebildete Frauen mangels Alternativen in westliche Bundesländer abwandern.

Für Ihr Abwarten, ja Ihren selbst auferlegten Verzicht auf politische Gestaltung im Sinne der Frauen und Familien dieses Landes fehlt uns jedes Verständnis. Deshalb haben wir gestern auch noch einmal den Antrag gestellt, die erfolgten Einschränkungen des Rechtsanspruchs auf Kita-Betreuung für arbeitslose Eltern zurückzunehmen. Leider ohne Erfolg. Deshalb auch der vorliegende Antrag. Man kann Modelle anderer Länder prüfen und das beste, das passendste Modell aussuchen und besprechen. Warum nicht zum Beispiel eine unabhängige Gleichstellungsbeauftragte im Rang einer Staatssekretärin in der Staatskanzlei ansiedeln? Wie gesagt, das können wir besprechen.

(Schulze [SPD]: Und dann darüber motzen, was pensio- nierte Staatssekretäre alles kosten!)

- Machen Sie einfach einen Vorschlag! In der Frage der Gleichstellungsbeauftragten, Herr Schulze, werden wir gern mit Ihnen darüber reden.

Sozusagen als PS möchte ich noch Bezug nehmen auf einen Teil der Antwort auf meine Kleine Anfrage zur Landesgleichstellungsbeauftragten. Da versucht uns doch die Landesregierung tatsächlich einzureden, die Position der Landesgleichstellungsbeauftragten sei nicht im Landesgleichstellungsgesetz oder in der gemeinsamen Geschäftsordnung der Ministerien verankert, um - ich zitiere aus der Antwort - „gesetzliche Regelungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken“. Aha, ausgerechnet!

Ich empfehle, den aus meiner Sicht wirklich verzichtbaren § 27 im Kapitel 3 der gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung - Form und Sprache im dienstlichen Schriftverkehr durch eine Regelung für die Landesgleichstellungsbeauftragte zu ersetzen. Dieser § 27 besagt für unsere Ministerien im Absatz 1:

„Was geschrieben wird, soll klar und vollständig, aber so einfach und kurz wie möglich ausgedrückt werden: bei der Formulierung ist besonders auf die Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu achten.

(2) In allen Schreiben ist nur das „Sie“ („Ihr Schreiben“...) und das „Ich“ („Mein Schreiben“...) zu verwenden. (3) Im Schriftverkehr der Behörden untereinander kann auf Anrede und Grußformel verzichtet werden...“

Im vierten Absatz steht gar:

„Im Schriftverkehr mit Privatpersonen ist so fachgerecht wie nötig und so bürgernah wie möglich zu formulieren und dabei auf das jeweilige Anliegen einzugehen.“

Man staune! Ich hatte angenommen, dass die Mitglieder unserer Landesregierung all diese wichtigen Hinweise tatsächlich bereits beherzigt hätten. In ihrem früheren Leben können sie niemals so unfähig gewesen sein, sonst wären sie nicht Minister geworden. Ich meine also, dieser § 27 ist in seiner Ausführung entbehrlich, und plädiere dafür, dass wir ihn durch eine ganz vernünftige, sachliche und unentbehrliche Regelung für die Landesgleichstellungsbeauftragte ersetzen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Es spricht Frau Dr. Schröder für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die organisatorische Einbindung der Familien-, Frauen- und Gleichstellungspolitik in Landespolitik erfolgt bundesweit sehr differenziert. Nicht nur die Zuordnung der Politikfelder und der Zuschnitt der jeweiligen Landesministerien, sondern auch die Anbindung der Landesgleichstellungsbeauftragten ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Die PDS hat diese Differenziertheit hier bewusst verschwiegen.

Der Vergleich liefert folgendes Bild: Einige Länder betrachten dies als gesonderte Regierungsaufgabe. Allein in Bayern und Brandenburg ist die jeweils parteigebundene zuständige Staatsministerin bzw. Ministerin damit betraut, in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen eine Staatssekretärin bzw. parlamentarische Staatsekretärin oder eine Beauftragte beim ressortzuständigen Ministerium. Andere Länder wie Sachsen-Anhalt, Sachsen und Bremen haben dieses Amt einer parteilosen und einer von der Regierung scheinbar weitgehend unabhängigen Landesbeauftragten bzw. Leitstelle übertragen. Wieder andere Bundesländer wie Rheinland-Pfalz, NordrheinWestfalen, Hessen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und das Saarland verzichten auf eine gesonderte Landesbeauftragte und verfolgen die Frauen- und Gleichstellungspolitik im Rahmen ihrer allgemeinen Regierungsverantwortung. Allein in Bremen gibt es eine besondere gesetzliche Grundlage, das so genannte Errichtungsgesetz von 1980. Hier sind auf wenigen Seiten überschaubar Aufgaben und Befugnisse der Bremer Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau geregelt. In Berlin existiert seit Januar bei der zuständigen Senatsverwaltung eine Geschäftsstelle Gender Mainstreaming mit qualifizierten Mitarbeiterinnen.

Bundesweit werden also in der Umsetzung der Frauen- und Gleichstellungspolitik verschiedene Wege beschritten.

Obgleich die Forderung nach Bestellung einer unabhängigen Landesgleichstellungsbeauftragten und auch die Forderung nach der rechtlichen Regelung von Aufgaben und Kompetenzen einer Brandenburger Gleichstellungsbeauftragten in diesem Zusammenhang durchaus legitim sind, können wir dem PDS-Antrag unsere Zustimmung nicht erteilen. Denn, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihr Antrag hat einen entscheidenden Webfehler. Wenn Sie für Brandenburg eine von der Position der Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie unabhängige Landesgleichstellungsbeauftragte fordern, die eigenständig und ressortübergreifend agieren soll, dann können Sie nicht gleichzeitig der Landesregierung, die sich ja bereits für einen anderen möglichen Weg entschieden hat, die Zuständigkeit für die von Ihnen angestrebte Neuregelung zuweisen. Vielmehr sollten Sie selbst - und davon habe ich in Ihrer Rede nichts gehört - durch Vorlage eines ausgereiften Gesetzentwurfs eine qualifiziertere Diskussionsgrundlage liefern, als dies mit dem vorliegenden Antrag geschehen ist. Aus diesem geht zum Beispiel überhaupt nicht klar oder eindeutig hervor, wo die Position einer Landesgleichstellungsbeauftragten am Ende angesiedelt sein soll: bei der Regierung, beim Landtag oder unabhängig von Legislative und Exekutive.

Frau Dr. Schröder, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, Herr Präsident. - Die SPD-Fraktion muss den vorliegenden Antrag daher wegen unzureichender Konkretisierung des von Ihnen verfolgten Anliegens ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die DVU-Fraktion spricht die Abgeordnete Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Gäste! Vor mir liegt eine Presseinformation vom 2. November 2004, in der mitgeteilt wird, dass die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie, Frau Dagmar Ziegler, in Zukunft als Gleichstellungsbeauftragte fungieren wird. Es wird auch mitgeteilt, warum das so ist. Ich zitiere:

„Angesicht der angespannten Haushaltssituation muss die Verwaltung in der gesamten Landesregierung deutlich verschlankt werden.“

Wir von der Fraktion der Deutschen Volksunion sehen das genauso und sehen sogar noch weitere Einsparpotenziale. Zum Beispiel könnten wir uns durchaus vorstellen, dass in Zukunft Herr Innenminister Schönbohm als Ausländerbeauftragter fungiert.

(Beifall bei der DVU - Lachen bei der SPD)

Prädestiniert wäre er dazu. Aber wir reden ja heute über die Gleichstellungsbeauftragte.

In der bereits erwähnten Pressemitteilung wird auch Frau Ziegler zitiert:

„Der Frauen- und Gleichstellungspolitik gebührt weiterhin ein besonderer Stellenwert in der Arbeit der gesamten Landesregierung. Dafür werde ich mich als Landesgleichstellungsbeauftragte mit aller Kraft einsetzen.“

Im Gegensatz zu den Genossen der PDS glauben wir der Frau Ministerin.

(Beifall bei der DVU)

Deshalb lehnen wir den Antrag der PDS-Fraktion ab. Sollte sich das neue Modell jedoch nicht bewähren, sind wir gern bereit, über Veränderungen nachzudenken.

(Beifall bei der DVU)

Schönen Dank. Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Schulz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Forderung der PDS-Fraktion ist ja nicht ganz neu. Das Unkonkrete an diesem Antrag möchte ich ebenso kritisieren, wie es meine Kollegin schon getan hat. Zu den Landesregelungen innerhalb der Bundesrepublik hat Frau Schröder ebenfalls bereits Stellung genommen. Deswegen kann ich mir Ausführungen dazu ersparen.

Ich möchte aber auch deutlich sagen, dass ich der jetzigen Konstellation nicht ganz unkritisch gegenüberstehe. Gleichwohl kann die Bestellung der Ministerin zur Gleichstellungsbeauftragten auch eine neue Qualität bedeuten und dem Thema Gleichstellung durchaus eine neue und größere Bedeutung verleihen, nicht zuletzt im Kabinett und in Zusammenarbeit mit den einzelnen Ministerien.