Wir vertrauen darauf, dass uns unsere Tradition, unser guter Ausbildungsstand, unsere preußischen Sekundärtugenden Standfestigkeit auf dem manchmal etwas ungemütlichen europäischen Markt garantieren.
Momentan importiert Deutschland im Dienstleistungssektor über 41 Milliarden Euro mehr, als ausgeführt wird - im Dienstleistungssektor! - so gut es ist, dass wir Exportweltmeister sind.
Unser liberales Gewerberecht gibt ausländischen Unternehmen jede Chance, unsere Unternehmen werden woanders durch schikanöse bürokratische Hürden außen vor gehalten. Mit der Dienstleistungsrichtlinie kann das anders werden, wenn wir nicht bürokratische Hürden hineinverhandeln.
Die Erarbeitung europäischer Normen vollzieht sich Schritt für Schritt. Wir nehmen genau zur Kenntnis, was bei der EU diskutiert wird, und zeigen die Brandenburger Interessen auf. Uns ist wichtig, dass wir nicht unterschiedliche Rechtsräume schaffen. Wir müssen selbst kontrollieren, was bei uns getan wird, ohne
den Wettbewerb zu gefährden. Brandenburger Unternehmen dürfen nicht benachteiligt werden, nur weil wir in Deutschland an der Überregulierung leiden. Wir als Musterknabe der Sozial- und Umweltpolitik sind nicht mehr in der Lage, selbst zu erwirtschaften, wovon wir leben.
Die Öffnung des Dienstleistungsmarktes kann hunderttausend Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Das dürfen wir nicht verhindern. Wir müssen daran teilhaben.
Also noch einmal ganz klar: Wir befürworten den Abbau der Hindernisse für den europäischen Dienstleistungsmarkt. Wir erwarten vom Bund, dass der Bundesratsbeschluss zur Leitlinie der Verhandlungen wird. Wir erwarten, dass das Herkunftslandprinzip auf einem Weg der Differenzierung und der Achtung der regionalen Strukturen und Interessen modifiziert wird. Darum kann man dem vorliegenden Antrag der Koalition vernünftigerweise nur zustimmen und den PDS-Antrag ablehnen. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt derzeit - so glaube ich - kaum ein anderes europapolitisches Thema, das in der Öffentlichkeit so kontrovers diskutiert wird wie der Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie. Dabei vermitteln viele Medien durchaus den Eindruck, es handele sich bereits um verbindliches europäisches Recht. In Wahrheit befindet sich die Richtlinie - wie wir wissen - noch im Entwurfsund Diskussionsstadium.
Es scheint in der öffentlichen Diskussion manchmal die Vorstellung zu bestehen, erst durch die Dienstleistungsrichtlinie werde der freie Binnenmarkt für Dienstleistungen überhaupt geschaffen. Auch das ist schlichtweg falsch.
Schon lange gilt in der EU die Warenverkehrsfreiheit. Hiervon haben im Übrigen die Verbraucher in der EU seit Jahrzehnten profitiert. Auch der deutsche Konsument vergleicht ganz selbstverständlich die Produkte aus vielen Ländern und wählt das nach Preis und Qualität günstigste Angebot aus, ohne sich jedesmal bewusst zu machen, dass er soeben von einer der Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes profitiert hat.
Bei der Dienstleistungsfreiheit verhält es sich im Grundsatz nicht anders. Auch sie ist bereits jetzt eine Grundfreiheit des europäischen Binnenmarktes und bereits jetzt dürfen Dienstleistungen in der EU grenzüberschreitend erbracht werden. Es geht also nicht um die Frage Dienstleistungsfreiheit ja oder nein, sondern es geht um die Frage Dienstleistungsfreiheit ja, aber wie.
Mit der Dienstleistungsrichtlinie hat sich die Europäische Kommission für den Weg entschieden, in einem möglichst umfassenden Ansatz die heute noch in allen Mitgliedsstaaten bestehenden Hemmnisse für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen abzubauen. Unstreitig sind viele
Die Wirtschaft beklagt - häufig zu Recht -, dass sie durch unnötige Normen und Standards an der Entfaltung ihres Potenzials gehindert werde. Wenn sich nun die europäischen Institutionen daran machen, solche Überregulierungen abzubauen, so ist das im Grundsatz zu begrüßen. Als Vehikel für die Überwindung überflüssiger und unzulässiger nationaler Schranken für den freien Dienstleistungsverkehr nutzt der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Dienstleistungsrichtlinie das so genannte Herkunftslandprinzip, das schon mehrfach angesprochen wurde. Es besagt, dass derjenige Anbieter von Dienstleistungen, der grenzüberschreitend tätig ist, ohne sich in dem anderen Staat niederzulassen, die Dienstleistungen unter den Bedingungen seines Heimatlandes anbietet.
Auf diese Weise entsteht also stärkere Konkurrenz zwischen den Dienstleistungserbringern aus dem Heimatstaat und den anderen Mitgliedsstaaten. Das wird der Verbraucher nutzen, indem er zwischen Qualität und Preis abwägt und so das günstigste Angebot auswählt. Warum dieses Grundprinzip der Marktwirtschaft bei dem größten europäischen Markt, dem der Dienstleistungen, nicht greifen sollte, vermag ich nicht einzusehen.
Die Landesregierung hält diesen Ansatz, den der Entwurf einer Dienstleistungsrichtlinie enthält, im Grundsatz für richtig und tragfähig. Sie sieht sich dabei im Übrigen im Einklang mit dem Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU.
Wer hingegen wie die Fraktion der PDS mit ihrem Antrag sowohl den umfassenden Ansatz der Richtlinie als auch das Herkunftslandprinzip generell verwirft und stattdessen einen europäischen Rahmen für Dienstleistungen erst nach einer Harmonisierung der Steuer-, Arbeits-, Sozial- und Umweltgesetzgebung eingeführt wissen will, verschiebt - das muss man dann auch sagen - die Deregulierung des Binnenmarktes für Dienstleistungen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.
Wir sollten eines nicht vergessen: Wir als Deutsche profitieren auf vielen Feldern der EU und wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir nicht der Rosinenpickerei geziehen werden.
Auf der anderen Seite sieht die Landesregierung am gegenwärtigen Entwurf der Richtlinie erheblichen Änderungsbedarf. Insbesondere darf das Herkunftslandprinzip nicht undifferenziert auf Dienstleistungen in allen Lebensbereichen angewendet werden. Es gibt Tätigkeiten, für die der Staat nach unserem Verständnis einen besonderen Gewährleistungsauftrag hat und die deshalb nicht aus der Verantwortung des Bestimmungslandes entlassen werden dürfen. Hier geht es um den Bereich der Daseinsvorsorge. Dazu zählen auch die Gesundheits- und Pflegedienste. Diese Dienstleistungsbereiche müssen gänzlich aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden.
Es gibt eine Vielzahl weiterer Tätigkeiten, für die - über die in der Richtlinie selbst bereits vorgesehenen Ausnahmen hinaus weitere Ausnahmen oder klarstellende Abgrenzungen erforderlich sind. Darauf hat im Übrigen der Bundesrat in drei umfänglichen Beschlüssen im Jahre 2004 hingewirkt.
Das trifft auch auf die Forderung zu, die Verwaltungshoheit der Mitgliedstaaten im Sinne des Subsidiaritätsprinzips möglichst
zu wahren und den Bürokratieabbau in den Mitgliedsstaaten nicht durch neue Regulierungswälle auf europäischer Ebene zu konterkarieren. Sie nimmt dabei die von den Gewerkschaften, Verbänden und Kammern vorgebrachten Einwände gegen die Richtlinie auf, ja sie regt solche Äußerungen der Betroffenen sogar ausdrücklich an. Selbstverständlich wird, wie unter Ziffer 4 von der PDS gefordert, in den zuständigen Ausschüssen über den weiteren Fortgang unterrichtet werden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke, Herr Staatssekretär. - Herr Abgeordneter Gehrcke hat für die antragstellende Fraktion der PDS noch drei Minuten und vierzig Sekunden Redezeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme dem Kollegen Reiche völlig zu, dass ein Kompromiss möglich gewesen wäre, wenn man sich an der Sache orientiert und nicht über fundamentalistische Positionen - wer darf mit wem unterschreiben, wer wäre wann auseinander gegangen - gestritten hätte.
Ich bin davon überzeugt, dass ein Kompromiss in der Sache besser gewesen wäre als das, was jetzt vorliegt. Ich will Ihnen das an einem Punkt noch einmal vor Augen führen.
Ich habe mit großer Begeisterung Punkt 2 Ihres Antrags gelesen. Danach soll der Landtag feststellen, dass die europäische Integration nicht einzig auf ökonomischen Erwägungen basiert. Es hat mich verwundert, dass das jetzt festgestellt werden muss. Die Formulierung ist kryptisch. Sie würden die soziale Absicherung und die Förderung ökologischer Prozesse viel stärker betonen; die CDU dagegen wollte das nicht hineinschreiben. Im Ergebnis findet man solche Formelkompromisse, die wenig überzeugend sind.
Nicht richtig ist auch, dass es der PDS vorrangig oder sogar einzig und allein um deutsche Arbeitsplätze geht. Ich teile völlig Ihre Auffassung: Frieden muss auf Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit beruhen. Ohne soziale Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben.
Das Beste, was man derzeit in dieser Hinsicht nachlesen kann, ist eine Denkschrift der katholischen deutschen Bischöfe über den gerechten Frieden. Daraus kann man sehr viel über soziale Wohlfahrt lernen.
Das Herkunftslandprinzip ist von zentraler Bedeutung, weil es den Wettbewerb nicht verbessert, sondern der schlechtesten sozialen Absicherung, den schlechtesten ökologischen Gesetzgebungen größere Chancen auf dem Markt gibt. Wer schlechtere soziale Gesetze und schlechtere ökologische Rahmenrichtlinien erlassen hat, kann billiger anbieten; dieses Angebot stößt
auf den Markt. Deswegen muss aus unserer Sicht das Herkunftslandprinzip als zentrales Prinzip angegriffen werden. Ich halte es für untauglich.
Wir haben eine taktische Differenz; wenn Sie das offen sagen würden, könnten wir viel besser damit umgehen.
Sie glauben, man könne das Problem knacken, indem man jede Menge Ausnahmetatbestände formuliert. Nach dem schrittweisen Ziehen der Giftzähne bliebe ein Fragment übrig.
Ich behaupte: Wer das Herkunftslandprinzip erst einmal akzeptiert hat, der schafft mehr Bürokratie. Wenn in unserem Land 25 verschiedene Rechtsordnungen nebeneinander gelten, dann möchte ich sehen, wer das kontrollieren kann und wie dadurch Bürokratie abgebaut werden soll.
Wir sagen: Das Prinzip ist falsch. Einem falschen Prinzip soll man nicht zustimmen. Deswegen sind wir einen anderen Weg gegangen. Wenn wir es schaffen, gemeinsam mit diesem sehr schwachen Beschluss - Sie bekommen ihn aber durch - ein bisschen gegenzuhalten, dann wäre schon etwas gewonnen. - Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Gehrcke. - Wir sind damit am Ende der Rednerliste zu den Anträgen angelangt und kommen zur Abstimmung.
Zuerst stimmen wir über den Antrag der DVU-Fraktion in der Drucksache 4/752 ab. Angestrebt wird die Änderung des Antrags der PDS-Fraktion. Wer diesem Änderungsantrag der DVU-Fraktion zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden.
Wir kommen zum Antrag der PDS-Fraktion in der Drucksache 4/678. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden.
Wir kommen zum Antrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 4/693. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag bei einer Reihe von Gegenstimmen und wenigen Stimmenthaltungen angenommen worden.
Bevor wir zu Tagesordnungspunkt 7 kommen, begrüße ich unsere Gäste von der WEQUA Lauchhammer; sie schickt uns immer treue Besuchergruppen. Ich wünsche Ihnen einen informativen, interessanten und spannenden Nachmittag im Parlament Brandenburgs.