Protocol of the Session on May 13, 2004

Der 11. September - das sagen alle Analysen - hat gezeigt, dass die Polizei beim Kampf gegen den Terrorismus an einigen Punkten personell und materiell an ihre Grenzen stößt. Hier bedarf es aus unserer Sicht einer Grundgesetzänderung. Der Schutz ziviler Einrichtungen, der Schutz vor Anschlägen mit biologischen oder chemischen Giftstoffen bedarf einer klaren Regelung im Grundgesetz. Auch die Bedrohung aus der Luft und von See bedarf einer klaren Regelung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Der Schutz des Lebens und des Eigentums der Menschen in Brandenburg wird auf einem sehr hohen Niveau gewährleistet. Wir haben eine Aufklärungsquote nahe an 60 %. Dazu haben wir mit der Polizeireform, mit dem Polizeigesetz hier im Landtag auch Voraussetzungen geschaffen. Das war eine gemeinsame Anstrengung vor allem in der Landesregierung und in der Koalition. Aber daneben sorgen unsere 8 000 Polizeibeamten im Land für die innere Sicherheit. An dieser Stelle sei mir gestattet, für diese schwere Arbeit Dank zu sagen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir nehmen die Herausforderung an, die von der dauernden Bedrohung durch den Terrorismus ausgeht. Wir nehmen die Herausforderung an, die von einer sich ständig ändernden Kriminalität ausgeht. An dieser Stelle nur ein Hinweis auf die Gewaltkriminalität, die in Deutschland gerade in den großen Städten gestiegen ist, oder auf die Internet-Kriminalität, deren Steigerungsraten einem teilweise den Atem nehmen. Die Internet-Kriminalität ist es zum Beispiel, über die man nur schwer kommunizieren kann, weil ein Großteil der Bevölkerung immer noch denkt: Wie kann man denn mit dem Internet betrügen?

Man kann mit dem Internet betrügen. Kriminelle haben hier die Möglichkeiten des Internets erkannt und leider für ihre kriminellen Machenschaften genutzt. Wenn dann die Bemerkung kommt: Was tut Brandenburg?, dann sei mir gestattet, darauf zu antworten: Wir haben Antworten, wir haben reagiert, wir haben unsere Polizei, unseren Verfassungsschutz und unsere Justiz im Land so aufgestellt, dass wir effektiv gegen Kriminalität jeder Art kämpfen können und dass wir vor allen Dingen das belegen die Zahlen und die Aussagen in der Bevölkerung dies auch so deutlich gemacht haben.

Eines ist mir an dieser Stelle noch wichtig zu sagen: Wir müssen die Menschen mitnehmen - natürlich führt Kriminalität immer zu Verunsicherung - und wir nehmen die Menschen mit. Ich darf auf die Umfrage zur Qualität der Arbeit der Polizei verweisen. Wir haben ein sehr, sehr positives Ergebnis zu verzeichnen und wollen diesen Weg weitergehen.

Als Letztes sei mir die Aussage gestattet: Brandenburg ist vorbereitet. Brandenburg ist ein sicheres Land. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Petke und erteile der Fraktion der PDS das Wort. Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In vier Wochen wählen wir das EU-Parlament. Der Wahlkampf läuft und die CDU in Brandenburg macht ja seit Jahren Wahlkampf immer nur mit Herrn Schönbohm. Zu einer Aktuellen Stunde der CDU muss dann also auch Herr Schönbohm reden, selbst wenn es um Europa geht, nicht die Frau Europaministerin. Also muss es hier um Sicherheit gehen.

Mit dem Vollzug der EU-Osterweiterung vor zwölf Tagen kann diese Aktuelle Stunde eigentlich wenig zu tun haben; denn nach dem 1. Mai 2004 gibt es mit Sicherheit keine veränderte Sicherheitslage in der EU

(Beifall bei der PDS)

und auch fast keine Erkenntnisse, Umstände, Bedrohungen, die es nicht schon vorher gegeben hätte. Das weiß auch die CDU, und die Antworten, die Herr Petke jetzt hier den Brandenburgerinnen und Brandenburgern gab, sind zum Teil Antworten auf Fragen, die niemand gestellt hat - außer die CDU selbst.

(Zuruf sowie Beifall bei der PDS)

Einen aktuellen Bezug liefert uns die bedauerliche und zu verurteilende Spirale von Gewalt und Krieg im Irak. Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie schon die politisch Verantwortlichen, die US-Regierungspolitiker, als Ihre Freunde nicht offen kritisieren wollen, dann erwarten doch die Brandenburgerinnen und Brandenburger heute von hier aus die klare Botschaft: Grund- und Menschenrechte unterliegen für uns keinem übergeordneten politischen Zweck. Wenn Sie schon sagen, Herr Petke: Keine Kompromisse für die Sicherheit!, okay. Aber Sie sollten auch sagen: Bei der Einhaltung der Grundund Menschenrechte machen wir in Brandenburg, machen wir in der Bundesrepublik keine Kompromisse.

(Beifall bei der PDS)

Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für die zu erreichende bestmögliche Sicherheit in der nun erweiterten Europäischen Union.

Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, sprechen immer von innerer Sicherheit. Die PDS spricht von öffentlicher Sicherheit und bezieht soziale Rechte, soziale Sicherheit absichtsvoll in den Sicherheitsbegriff ein. Kriminalität, Gewalt und Terror in dieser Welt können leider nie ganz ausgeschlossen werden - nirgends. Dennoch denken wir: Wenn gleichermaßen mit den politischen und Freiheitsrechten soziale Existenz und Würde aller Menschen in einer Gesellschaft Ausgangspunkt und Ziel aller Politik sind, so ist dies die bestmögliche Prävention gegen Gewalt, gegen Verbrechen und Terror.

(Beifall bei der PDS)

Chancen und Risiken mit der EU-Osterweiterung betonten am 1. Mai die sich selbst feiernden Regierungspolitiker aller Ebenen, allerdings zunächst die Chancen. Abends erlebten wir dann die Befragung der Brandenburgerinnen und Brandenburger vor laufender Kamera. Da wurden auch Fragen, Unsicherheiten und Ängste deutlich. Die wollen und müssen ernst genommen werden. Sie gehen nicht einher mit der objektiven

Kriminalitätslage, Erlebnissen und Tatsachen. Diese Ängste sind oft subjektiver Natur, haben mit fehlenden Einsichten und fehlenden Aussichten zu tun. Die Ängste beziehen sich nicht vordergründig auf organisierte Kriminalität und Terrorgefahr, sondern auch auf die persönliche Zukunft, auf die Zukunft der Familien, auf weitere Firmenpleiten in der nun erneut geöffneten Grenze zur Republik Polen, auf noch mehr Arbeitskräfte, die bereit sind, zu noch niedrigeren Niedriglöhnen zu arbeiten.

Was ist denn nun anders als vor dem 1. Mai? Der Regionalzug zwischen Kostrzyn und Berlin-Lichtenberg jedenfalls war am 4. und 6. Mai so voll wie immer, seit ich seit 1997 regelmäßig damit fahre. Die Arbeitserlebnisse abends wurden vorrangig auf Polnisch ausgetauscht und man traf dieselben Menschen wie in den Wochen zuvor. Wir bekommen übrigens seit Jahren bei diesem Zug zu den Stoßzeiten keinen Wagen mehr angehängt. Eine Abstimmung mit Bus- und Zuganschlüssen gibt es praktisch auch nicht.

Meine Damen und Herren von der Landesregierung, insbesondere von der CDU, vielleicht machen Sie nicht nur weiter Wahlkampf, sondern lösen auch einmal real existierende Probleme!

(Beifall bei der PDS)

Wir wollen sie ja wenigstens nicht weiter verschärfen.

Die Zusammenarbeit der Polizei dies- und jenseits der Grenze läuft - zum Glück. Nur, die Bewohnerinnen und Bewohner der grenznahen Regionen ließen und lassen Sie seitens der Regierung regelmäßig im Stich.

Mit großem Beifall - daran darf ich erinnern - ist vor Jahr und Tag die Rede des schon vergessenen CDU-Europaministers im Kreistag Märkisch-Oderland aufgenommen worden. Herr Homeyer überschlug sich damals mit Lob. Wir haben heute noch kein Grenzlandprogramm der Regierung, wir haben keine der Region angepasste Struktur- und Förderpolitik, es fehlen, Herr Petke, Projekte für das Erlernen der polnischen Sprache. Die Regierung sieht sich nicht in der Lage, das Projekt Europaschule Müncheberg zu genehmigen und das gemeinsame Lernen von polnischen und deutschen Schülern am dortigen Gymnasium mit abzusichern. Sie schiebt die Finanzierungszusage für ein in Märkisch-Oderland laufendes polnisch-deutsches Ausbildungsprojekt am OSZ vor sich her. Der Kreis kann es wohl kaum weiter finanzieren.

Zu unser aller Überraschung ging aber ausgerechnet Herr Homeyer zu Beginn des Jahres mit der Grundsatzkritik in die Presse, das Land sei unzureichend auf die EU-Osterweiterung vorbereitet. Und Herr Ehler sorgte dieser Tage für Aufregung, indem er den Handwerksbetrieben sagte, was sie längst spüren: Die billige Konkurrenz ist da und die Osteuropäer sind schon lange auf dem schwarzen Arbeitsmarkt.

Heißt das nun, wir sollen denken, meine Mitfahrer im Zug von und nach Kostrzyn sind Kriminelle? Glauben Sie, so fördern wir das Zusammenwachsen und die Aufklärung? Oder ist es doch nur Wahlkampf?

Im Gegensatz zum bayerischen Innenminister Beckstein, der die Republik Polen, die Tschechische Republik und andere Beitrittsländer gern als Wartezone für illegale Migranten, als

Transitregion für geschmuggelte Betäubungsmittel und verschobene Kfz, als Operations- und Rückzugsgebiet für Angehörige osteuropäischer Verbrechensstrukturen darstellte und auch im Gegensatz zum Innenminister Schönbohm, der immer reflexartig mitteilt, dass die innere Sicherheit der Bundesrepublik und in Brandenburg ohne neue Maßnahmen nicht mehr wie bisher gewährleistet werden kann und mit einem Anstieg der Kriminalität gerechnet werden muss, meint die PDS, dass auf diese Art auch neue Ängste geschürt werden.

Nach Erhebung des Leipziger Instituts für Marktforschung Anfang dieses Jahres befürchten in Deutschland bereits zwei Drittel der Bevölkerung ein Ansteigen der Kriminalität durch die Osterweiterung der EU. Wenn wir aber sachlich bleiben: Unbestritten hat die Kriminalität aus Mittel- und Osteuropa nach dem Fall der Mauer die alten EU-Länder schnell erreicht. Aber Bundeskriminalamt und Europol schätzen ein, dass die EUOsterweiterung nicht zu einem Anstieg der Kriminalität führt und dass man sogar mit der EU-Osterweiterung organisierte Kriminalität effektiver bekämpfen kann.

Fakt ist, dass die Zahl der Tatverdächtigen und die Täterstruktur anders aussehen als manch reißerische Darstellung der letzten Jahre. Die Hälfte der Tatverdächtigen in der organisierten Kriminalität waren 2003 nicht Ausländer, sondern Deutsche. Die nächstgrößere Tätergruppe mit knapp 10 % waren türkische Bürger. Dann folgten Tatverdächtige polnischer und litauischer Herkunft. Also, sollte man sich hüten, das Klischee von einer hohen Ausländerkriminalität ständig neu zu bedienen.

(Beifall bei der PDS)

Zieht man zudem die aufenthaltsrechtlichen Fälle - was das Ausländerrecht betrifft - ab, dann ist auch in den Brandenburger Grenzgemeinden zu Polen nur eine leicht überdurchschnittliche Kriminalitätsbelastung festzustellen. Vor dem Hintergrund terroristischer Bedrohung - und davon war hier die Rede - planen Regierungen im Zuge der EU-Osterweiterung Menschen- und Bürgerrechte mit Sicherheitsmaßnahmen weiter einzuschränken.

Die PDS fragt und zweifelt an dieser Stelle, ob die geplanten Zentralisierungsbestrebungen zu einer Bundespolizei, die Schaffung eines europäischen Geheimdienstes, die Aufweichung des Trennungsgebotes zwischen Polizei und Geheimdienst, der Einsatz der Bundeswehr im Innern, weitere Möglichkeiten für Bankauskünfte, verdeckte Ermittler, die breite Speicherung biometrischer Daten oder die Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung, die zentrale Erfassung von Fingerabdrücken oder der Aufbau einer Datenbank des Schengener Informationssystems tatsächlich so umfänglich nötig und verhältnismäßig sind.

All das geschieht oder soll geschehen, ohne dass zuvor Rechtswege geschaffen werden, die die Rechte von Betroffenen sichern. Wir lehnen einen solchen Weg in ein vereintes Europa ab, genauso übrigens die Militarisierung der europäischen Sicherheits- und Außenpolitik, die eher zu mehr Gefahren und Kriegen führt.

In dem kürzlich vorgelegten Dritten Bericht der Landesregierung zur Vorbereitung auf die Erweiterung der Europäischen Union wird - wie in den vorherigen Berichten - deutlich gemacht, dass auf mehreren Gebieten eine kontinuierliche Vorbe

reitung auf die EU -Erweiterung stattgefunden hat. Das ist auch okay.

Aus unserer Sicht ist es aber vor allem erforderlich, alle Möglichkeiten der Prävention auszunutzen. Hier sehen wir eindeutige Defizite. Denn leider gehören auch rassistische Einstellungen in der Bevölkerung und daraus resultierende antisemitische und rassistische Gewalttaten zum Alltag in Europa. Wir sehen deshalb Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Nationalismus, Antisemitismus und neofaschistischen Bestrebungen.

Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren, und darf als Fazit drei Punkte nennen.

Erstens: Die PDS fordert eine ressortübergreifende sachliche Politik mit Augenmaß, statt Ängste zu befördern. Prävention und Aufklärung haben Priorität. Öffentliche Sicherheit braucht soziale Sicherheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Zweitens: Die Kooperation von Polizei und Sicherheitsbehörden darf nicht zur Einschränkung von Bürgerrechten, zum Verlust von Transparenz und zu weniger parlamentarischer und justizieller Kontrolle führen.

Drittens: Europa ist größer als die EU. Wir wollen und müssen eine Gemeinschaft der Völker gestalten, statt durch neue Mauern eine EU-Festung zu errichten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht. - Ich gebe das Wort der Fraktion der SPD, Herrn Abgeordneten Lenz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rund 14 Tage nach der EU-Osterweiterung diskutieren wir heute das Thema „Die Sicherheit in Brandenburg nach der Erweiterung“. Als Europapolitiker meiner Fraktion kann ich nur feststellen, dass dieses Thema in allen Fortschrittsberichten im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung stets Inhalt der Diskussion war, uns also schon über Jahre beschäftigt hat.

Was hat sich am 1. Mai für Brandenburg geändert? Die „alte“ Europäische Union ist nicht nur ein Wirtschafts-, sondern auch Sicherheitsraum. Innerhalb der EU gibt es - außer in Großbritannien und Irland - keine Grenzkontrollen mehr. Es gilt der freie Waren- und Personenverkehr. Diese Freizügigkeit wird in Zukunft auch für die neuen EU-Länder in Mittel- und Osteuropa gelten, allerdings erst - das wurde heute schon festgestellt -, wenn sie gewährleisten können, dass sie den Anforderungen des 1995 in Kraft getretenen Schengener Abkommens genügen.

Das inzwischen in das normale Gemeinschaftsrecht überführte Abkommen verlangt von den Beitrittsländern eine lückenlose Kontrolle der Außengrenzen der EU, eine enge polizeiliche Zusammenarbeit sowie die Beteiligung am Schengen-Informationssystem, mit dem gesuchte Personen und Sachen zur Fahn

dung ausgeschrieben werden. Erst wenn das Schutzniveau an den neuen Außengrenzen ausreichend hoch ist und die Kompensationsmaßnahmen für die wegfallende Binnengrenzkontrolle effektiv angewandt werden, können die Personen- und Fahrzeugkontrollen, etwa an der Grenze zwischen Polen und Deutschland, abgeschafft werden.