Protocol of the Session on May 12, 2004

Erstens: Vollständiger Einsatz der Solidarpaktmittel für den Aufbau Ost. Nicht jeder Euro, den wir für den Aufbau Ost bekommen, wurde in den vergangenen Jahren auch für den Aufbau Ost eingesetzt. Der Solidarpakt II wurde mit dem weiterhin hohen infrastrukturellen Nachholbedarf und der finanziellen Schwäche unserer Kommunen durch die neuen Länder begründet. Dafür sind die Mittel in den kommenden Jahren komplett einzusetzen. Wenn uns das Umsteuern haushaltspolitisch nicht gelingt, werden wir den infrastrukturellen Nachholbedarf bis 2019 nicht abbauen. Andererseits wird die Zweckentfremdung dazu führen, dass uns die Mittel nicht mehr zur Verfügung gestellt werden. Dann haben wir die Situation, dass weder soziale Ausgaben noch der Infrastrukturausbau damit finanziert werden können. Das Umsteuern ist ohne Alternative!

(Beifall bei der CDU)

Zweitens: Die Verwaltungsmodernisierung und eine konsequente Personalpolitik zur Reduzierung der Kosten sind unumgänglich. Ministerin Ziegler hat am Wochenende veröffentlicht, wie sich die Pensionslasten in den kommenden zehn Jahren entwickeln werden. Das Ergebnis lässt sich mit dem Wort „dramatisch“ zusammenfassen, und das, ohne zu übertreiben. Unser Ziel muss sein, dass die öffentliche Verwaltung für das Land finanzierbar wird.

(Zuruf von der PDS)

Ein Hemmschuh auf diesem Weg sind die derzeitigen gesetzlichen Regelungen. Der Bund beklagt zwar auch den zu hohen Personalbestand in den Ländern und Kommunen; bisher werden uns aber keine Möglichkeiten eingeräumt, die Leistungsfähigkeit der Verwaltung beim Personalabbau vorrangig im Blick zu haben. Hier müssen wir den Bund länderübergreifend zum Handeln auffordern.

Drittens: Das Leitbild der dezentralen Konzentration muss aufgegeben werden. Im Bereich der Landesentwicklung müssen effizientere Wege gegangen werden. Das Leitbild ist künftig

weder finanzierbar, noch haben sich die erhofften Effekte eingestellt.

(Zuruf von der PDS - Beifall bei der CDU)

Das Land muss sich künftig auf seine Stärken konzentrieren und dafür Sorge tragen, dass durch die Anbindung der Peripherie alle Landesteile davon profitieren.

(Zuruf von der PDS)

Viertens: Die Deregulierung muss in den kommenden Jahren stärker vorangebracht werden. Die in der gegenwärtigen Debatte über den Aufbau Ost immer wieder angesprochenen bürokratischen Belastungen, die wachstums- und innovationshemmend wirken sowie den Infrastrukturausbau behindern, müssen abgebaut werden. Natürlich ist hier der Bund gefragt - darauf komme ich noch zu sprechen -, aber eben auch das Land.

Unsere Forderungen gegenüber dem Bund sind wenig glaubhaft, wenn wir durch eigene landesrechtliche Regelungen Bundesvorgaben noch verschärfen.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der PDS)

Die CDU-Fraktion hat in diesem Zusammenhang eine Initiative für ein Investitionserleichterungsgesetz erarbeitet, das vorsieht, alle Regelungen aufzulisten, die über Bundes- oder EURecht hinausgehen. Der Landtag kann dann bewusst entscheiden, in welchen Bereichen wir uns Standards oberhalb der Bundesvorgaben leisten wollen. Wir hoffen, unseren Koalitionspartner für diese sinnvolle Initiative gewinnen zu können.

Die vier Punkte zeigen einige unserer notwendigen Anstrengungen auf. Die jetzige Debatte über den Aufbau Ost bietet die Chance, dass unsere Aufmerksamkeit gestärkt wird und wir auch den Mut aufbringen, uns gegen Widerstände unterschiedlicher Interessengruppen durchzusetzen. Die Ansätze sind ohne Alternative. Wenn wir nicht handeln, handeln andere. Das macht die Debatte deutlich.

(Zuruf von der PDS: Das hätten Sie längst tun sollen!)

Ich komme jetzt zu den Forderungen an den Bund und an die übrigen Länder. Wodurch kann der Aufbau Ost gestärkt werden? Wo sehen wir Chancen durch eine ernsthafte Debatte?

Erstens wird gegenwärtig darüber geredet, auf welche Branchen sich die Wirtschaftsförderung in den kommenden Jahren konzentrieren sollte, damit das Wachstum gestärkt wird. Das ist eine Debatte, die ich zu führen bereit bin und die wir auch führen sollten. Wenn wir aber der Presse entnehmen müssen, dass der Bund plant, im kommenden Jahr die GA-Mittel nur in Höhe von 35 % der gegenüber den Ländern gemachten Zusagen bereitzustellen, dann brauchen wir über die Konzentration auf Innovation und wissensbasierte Bereiche und Wachstumsbranchen nicht zu streiten. Unsere Zusagen, die wir gegenüber Investoren gemacht haben, können nicht eingehalten werden, wenn sich die Bundesregierung mit ihrem Vorhaben durchsetzt. Das ist Gift für unseren Standort. Zudem gibt es Hochrechnungen der Wirtschaft und unserer Verwaltung, dass mit einem Einsatz von 10 Millionen Euro an GA-Mitteln etwa 400 bis 500 Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert werden. Wir reden hier über rund 10 000 Arbeitsplätze für Brandenburg.

Wenn wir hören, das diese Kürzungen notwendig werden, um die Subventionierung der Steinkohle stabil zu halten, frage ich mich, wo die geforderte Schwerpunktsetzung auf Innovation und Wissen bleibt.

Ich appelliere an Ministerpräsident Platzeck, bei seinem heutigen Zusammentreffen mit dem Bundeskanzler ihm die Dramatik der Auswirkungen dieser Entscheidung für das Land Brandenburg deutlich vor Augen zu führen und eine Korrektur einzufordern.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens: Ministerpräsident Böhmer hat vor einigen Wochen zutreffend formuliert, dass der Osten für ein stärkeres Wachstum den Rechtsrahmen des alten Bundesgebietes der 60er Jahre benötigt. Helmut Schmidt, Bundeskanzler a. D., sagte in einem Interview in der „Berliner Morgenpost“ vom 9. Mai:

„Ein großer Teil der strukturellen Arbeitslosigkeit in Deutschland wie in Frankreich beruht auf dem Umstand der Überregulierung.“

Die Einschätzung von Böhmer und Schmidt wird von Experten uneingeschränkt geteilt. Insbesondere im Bau-, Planungs- und Umweltrecht haben sich Investitionshemmnisse herausgebildet, die mit keinerlei Schutzinteressen mehr begründbar sind. Gerade in strukturschwachen Regionen mit infrastrukturellem Nachholbedarf wirken diese Investitionshemmnisse doppelt. Auf Landesebene wollen wir das Nötige tun und haben hier auch schon Dinge eingeleitet, aber natürlich ist auch der Bund gefordert. Wir brauchen eine Deregulierungsoffensive, die den Namen verdient.

(Beifall bei der CDU)

Drittens: Harz IV darf nicht zur finanziellen Katastrophe für unsere Kommunen führen.

(Zuruf von der PDS: Wer hat das denn beschlossen!)

Jetzt bekannte Rechenfehler der Bundesregierung, die geplante Einschränkung der Selbstverwaltung der Kommunen und die am Wochenende geführte Diskussion über 24 000 zusätzliche Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit machen deutlich, dass einiges in die falsche Richtung geht.

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss Ihres Beitrages!

Die Wachstumsbranchen und Wachstumspotenziale in Ostdeutschland dürfen nicht durch politische Entscheidungen gefährdet werden. Ich denke hier an die Entwicklung des Wassertourismus und an die Forderung nach der Einführung einer Wasserstraßenmaut.

(Hammer [PDS]: Das ist die Alternative?)

Der letzte Punkt: Die künftige EU-Regionalpolitik darf den Aufbau Ost nicht vernachlässigen. Hier sind Bund und Land gemeinsam gefragt.

Meine Damen und Herren, der Rahmen einer Aktuellen Stunde ist zeitlich zu kurz bemessen, um alle Problemfelder aufzuzeigen. Ich habe versucht, einige Anstöße zu geben. Ich hoffe, dass wir die Debatte weiterführen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort geht an die Fraktion der DVU. Für sie spricht Herr Abgeordneter Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der so genannte Aufschwung Ost ist gescheitert. Gescheitert ist auch die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit. 14 Jahre, nachdem wir die deutsche Einheit erkämpft haben,

(Zurufe: Oh, oh!)

ziehen Ökonomen eine verheerende Bilanz über den so genannten Aufbau Ost. Mehr als 1 200 Milliarden Euro sind seither von West- nach Mitteldeutschland geflossen. Doch ein sich selbst tragendes Wirtschaftswachstum ist nur vereinzelt entstanden, vornehmlich in Ländern wie Sachsen und Thüringen. Das liegt nicht an unseren Brandenburgerinnen und Brandenburgern. Sie nämlich sind flexibel, umschulbereit und mobil.

(Beifall bei der DVU)

In Brandenburg wurde der anfangs noch vorhandene oder sich entwickelnde Mittelstand fast völlig vernichtet. Die so genannten Fördertürme wie Lausitzring, CargoLifter, Standort Premnitz oder die Chipfabrik endeten allesamt als Investitionsruinen mit Multimillionen an Verlusten - von der LEG ganz zu schweigen.

Die Politik steckt angesichts der Probleme den Kopf in den Sand, kritisieren Wirtschaftsexperten. In der Kritik steht vor allem unser früherer Ministerpräsident Manfred Stolpe, seit 2002 im Bundeskabinett zuständig für den so genannten Aufschwung Ost.

Kürzlich kritisierte der SPD-Bundestagsabgeordnete Stephan Hilsberg, Dr. Stolpe habe in Brandenburg Fördermittel massiv in den märkischen Sand gesetzt. Hilsberg wörtlich:

„Stolpes Leistungsbilanz als Ministerpräsident lässt nicht erkennen, dass er die Kompetenz für den Aufbau Ost hat. Dass ausgerechnet Stolpe dafür zuständig ist,“

- so Hilsberg weiter

„ist gerade das Problem beim Aufbau Ost.“

Einen Gefallen hat Manfred Stolpe Brandenburg wohl kaum getan, als er forderte, über die Einführung von Niedriglohnsektoren in den neuen Bundesländern nachzudenken. Durch Niedriglohnsektoren mit staatlichen Lohnzuschüssen würde erstens wieder nur ein ungenaues Instrument geschaffen, das allein nach dem Gießkannenprinzip funktioniert, sozusagen Subventionitis auf Steuerzahlerkosten um jeden Preis.

Zweitens drohten mit einem solchen Angebot gefährliche Drehtüreffekte. Viele Arbeitgeber würden sich wohl kaum die Chance entgehen lassen, mittels Lohndumping einen Teil der Kosten auf die öffentliche Hand abzuwälzen.

Drittens: Schließlich dürfte es im Wettlauf um die niedrigsten Löhne im Zuge der Osterweiterung nur Verlierer geben, insbesondere hier in Brandenburg. Mit den niedrigen Lebenshaltungskosten etwa in Polen, Litauen oder Ungarn können die mitteldeutschen Bundesländer natürlich nicht mithalten. Die Firma Steilmann in Cottbus ist nur ein deutliches Negativbeispiel.

Ich kann Ihnen, Herr Kollege Dr. Ehler, nur zustimmen. Sie führten vor kurzem aus, dass niedrige Löhne allein nichts brächten, da Brandenburg immer gegen Osteuropa verlieren würde. Wie wahr!

Unser Appell an Sie, Herr Minister Junghanns, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank und meine Damen und Herren Koalitionsfraktionäre: Wenn Sie etwas für die wirtschaftliche Entwicklung hier in Brandenburg tun wollen, sprechen Sie nicht nur einseitig über zu hohe Löhne, sondern beseitigen Sie andere negative Standortfaktoren wie langwierige Genehmigungsverfahren und zu hohe Abgaben. Dies, meine Damen und Herren, würde das Land für Firmen, für Investoren attraktiver machen. Insbesondere sollten Sie endlich anfangen, eine Mittelstandsförderpolitik zu betreiben, die ihren Namen auch verdient.

Unsere DVU-Fraktion hat mit ihren mittelstandspolitischen Leitlinien „Quo vadis Brandenburg? - Perspektiven für kleine und mittelständische Unternehmen“ bereits vor zwei Jahren gangbare Lösungen insbesondere im Bereich Entbürokratisierung, Vereinfachung der Rechtsprechung, Schul- und Berufsausbildung nach den Erfordernissen des Arbeitslebens, Umgestaltung der sozialen Sicherungssysteme sowie massive Steuersenkungen durch Subventionsabbau aufgezeigt. Sie und Ihre Kollegen in der Bundesregierung bräuchten diese eigentlich nur konsequent umzusetzen und wir hätten den viel versprochenen und beschworenen Aufschwung Ost, meine Damen und Herren. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.