Protocol of the Session on March 4, 2004

Frau Schulz, ist Ihnen bekannt, dass die Gelder für die Weiterbildung auch von der Bundesanstalt für Arbeit seit Jahren kontinuierlich gekürzt werden?

Verehrte Frau Kollegin, es liegt nicht unbedingt an der Menge des Geldes. Dabei möchte ich Ihnen zugute halten, dass Sie in der Tat erst im fünften Jahr im Landtag sind. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel Geld für die Weiterbildung ausgegeben. Wir haben aber im Ergebnis nicht die Erfolge erzielt, die wir erzielen wollten. Von daher bemühen wir uns jetzt, viel zielgerichteter auf die Unternehmen, auf die Arbeitsplätze, auf die Bedingungen zugeschnittene Weiterbildung und Qualifizie

rung anzubieten. Ich glaube, das ist ein sehr vernünftiger Weg. Im Übrigen dürften Sie die Situation des Landeshaushalts sehr gut bewerten können, wenn Sie denn in den letzten fünf Jahren hier im Landtag waren, und das waren Sie ja. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Schulz. - Das Wort erhält jetzt die Landesregierung.

Während Herr Minister Baaske zum Rednerpult geht, begrüße ich junge Besucher im Landtag. Es ist sozusagen die dritte Welle der Schüler aus Doberlug-Kirchhain. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier sind zwei Anträge, einer von links und einer von rechts, aufeinander geprallt. Ich möchte darstellen, wie ich die Situation vor allem in den Grenzregionen wahrnehme und wie das auch politisch zurzeit einzuordnen ist.

Es gibt großen Streit über das Zuwanderungsgesetz. Im Vermittlungsausschuss, der in kleinen Gruppen tagt, wird insbesondere zwischen Rot und Schwarz versucht, das zu organisieren, was an Zuwanderung in diese Republik möglich ist. Zweifelsohne ist inzwischen in weiten politischen Kreisen die Erkenntnis gereift, dass wir in Deutschland, gerade auch in Ostdeutschland, ein enormes Fachkräfteproblem bekommen werden und ein solches Problem in einigen Branchen jetzt schon haben. Ich war in der vorigen Woche in der Lausitz und konnte mich davon überzeugen, dass dieses Problem offensichtlich bereits jetzt grassiert.

Insofern ist inzwischen wohl jedem klar, dass wir einen Kompromiss für eine geordnete Zuwanderung brauchen, nämlich für die Organisation der Zuwanderung von Mitarbeitern und Fachkräften, die wir brauchen, die aus Polen nach Deutschland kommen sollen oder sollten. Inhaltlich hat sich Deutschland insgesamt ebenso wie Brandenburg als Grenzland für eine Übergangsregelung stark gemacht. Wir haben gesagt: Wir brauchen diese zwei Jahre dringend. Insbesondere wenn man sich die Baubranche in Brandenburg oder überhaupt im Osten anschaut, wird deutlich, dass wir hier sehr genau auf die Zuwanderung achten und aufpassen müssen, dass wir nicht eine Konkurrenz mit Dumpinglöhnen schaffen, die dann auch andere Branchen kaputtmacht.

Die Hoffnung auf zusätzliche Investitionen, die Sie und vielleicht auch die Bürgermeister der Grenzstädte haben, kann sich letztlich nur darauf gründen, dass man annimmt, dass polnische Facharbeiter herüberkämen und für weniger Geld arbeiten würden, als wir Deutschen zahlen. Fachkräfte, die gebraucht werden, können auch heute schon kommen. Oftmals sagt man noch, man dürfe niemanden aus Polen herholen. Wenn die Ar

beitsämter sagen, dass die betreffende Fachkraft auf dem Markt hier nicht vorhanden ist, kann der polnische Facharbeiter sehr wohl hierher kommen und hier arbeiten. Das Argument, die Fachkräfteproblematik führe dazu, dass wir das so haben wollen, dass wir das zwei Jahre oder gar sieben Jahre aussetzen wollen, kann schlichtweg nicht verfangen.

Was passiert aber, wenn wir denn doch öffnen? Zum einen werden wir eine Konkurrenz erzeugen für unsere eigenen Unternehmen, die jetzt hier am Markt sind, ganz einfach dadurch, dass sich ein Unternehmen daneben stellt und mit geringeren Lohnkosten dagegenhalten kann, also eine Konkurrenzsituation erzeugt, die unsere Leute hier nicht ertragen können. Ganz davon abgesehen: Wer sagt denn, dass dann unbedingt auf dieser Seite der Oder und nicht auf der anderen Seite der Oder investiert wird? Denn dort hätte man geringere Grundstückspreise und geringere Lohnkosten dazu.

Wir hätten in unseren Unternehmen natürlich auch erheblich mit Verdrängung zu kämpfen. Wir müssen sehen, dass der ostdeutsche Arbeitgeber an dieser Stelle sagt: Wenn ich hier einen polnischen Beschäftigten mit gleicher Qualifikation bekomme, der für die Hälfte des Lohnes, den ich meinem deutschen Arbeitnehmer zahle, arbeitet, dann hole ich mir eben den polnischen Facharbeiter und entlasse den deutschen. Das ist normales kaufmännisches Handeln, welches ich diesem Arbeitgeber unterstellen darf und auch sollte. Also muss ich dem etwas entgegenhalten und aufpassen, dass es keine Verdrängung durch Lohndumping gibt.

Wohin soll das führen? Irgendwann werden die polnischen Arbeiter hier sein und hier für wenig Geld arbeiten. Das kann durchaus sein, es sei denn, man kann sich tatsächlich deutschlandweit auf einen Mindestlohn verständigen, wodurch dieses Problem unterdrückt werden könnte. - Nach Polen würden Arbeiter aus der Ukraine oder Weißrussland kommen und so würde sich eine Spirale in Gang setzen, was wir schlichtweg nicht ertragen könnten.

Was wir in Deutschland brauchen, sind Fachkräfte aus dem eigenen Land und ein eigenes Lohngefüge. Das gilt insbesondere im Osten.

Die jetzige Fachkräfteabwanderung - es sind 5 000 bis 6 000 meist junge Menschen - ist ein deutliches Zeichen dafür, dass das Lohngefälle zwischen West und Ost immer noch viel zu groß ist. Viele Fachkräfte gehen deswegen weg - ich hatte dazu vor zwei Wochen eine Diskussion mit Unternehmern in Kyritz im Kreis Ostprignitz-Ruppin -, weil sie im Westen mehr verdienen als im Osten. Das heißt, wenn wir eine Angleichung brauchen, dann brauchen wir eine Ost-West-Angleichung, aber keine Angleichung des Ostens Deutschlands an die polnischen Löhne; denn das halten wir nicht durch. Diese Spirale sollten wir nicht in Gang setzen; sie kann nur schädlich sein. Wir brauchen eine systematische und überschaubare Angleichung der Löhne in Ost und West.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Sternagel [SPD])

Dass Betriebe an der Grenze zu Polen Probleme damit haben, polnische Fachkräfte einzustellen, wenn bei uns am Markt welche zur Verfügung stehen, kann ich verstehen. Wenn also ein Unternehmer wie unser Bäckermeister in der Lausitz tatsächlich nach Polen expandieren und Lehrlinge hierher holen will,

damit sie mit seinen Maschinen umzugehen lernen und die Betriebsphilosophie verstehen, mitunter ein Problem damit hat, hier eine Fachkraft zu bekommen, kann ich verstehen. Für solche Fälle müssen wir Lösungen finden, die in überschaubarem Rahmen jeweils bedarfsorientierte Hilfen darstellen nach dem Motto: Aha, wir brauchen für diesen oder jenen Sonderfall eine Lösung. Da bin ich gern dabei und kann auch helfen. Aber eine generelle Öffnungsklausel würde ein Lohndumping verursachen, welches wir alle nicht haben wollen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Minister Baaske. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung.

Ich rufe zuerst zur Abstimmung den Antrag der Fraktion der PDS auf, der Ihnen in der Drucksache 3/7093 vorliegt. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion der DVU, der Ihnen in der Drucksache 3/7104 vorliegt, zur Abstimmung auf. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 12 und rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB)

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/7094

Ich gebe der Abgeordneten Tack von der einreichenden Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eingangs will ich noch einmal unmissverständlich sagen, dass die PDS-Fraktion den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg ausdrücklich befürwortet. Das sage ich deshalb, damit es nicht wieder Debatten gibt, die ein alter Hut sind.

Die bisherigen Leistungen des Verbundes sind mittlerweile für die Region unverzichtbar. Wir wollen aber, meine Damen und Herren, dass wir nicht die einzigen Streiter für die Weiterentwicklung des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg sind. Deshalb will ich noch einmal auf die aktuellen Auseinandersetzungen um den Verkehrsverbund, um die Kompetenzstreitigkeiten eingehen. Die Aus- und Umgründungen des Verkehrsverbundes gefährden unseres Erachtens dessen Fortbestand.

Durch verschiedene Interessenlagen und Kompetenzstreitigkeiten der Gesellschafter ist die Weiterentwicklung des Verkehrsverbundes zum Stillstand gekommen. Das relativ hohe

Konfliktpotenzial wirkt sich nachteilig auf den Bestand des Verkehrsverbundes aus.

Die PDS-Fraktion fordert mit ihrem heutigen Antrag, dass sich die Gesellschafter auf gemeinsame Ziele verständigen, die die Kernaufgaben des Verbundes optimieren, die Erfüllung dieser Kernaufgaben konsequent einfordern und eine weitere positive Entwicklung des Verkehrsverbundes sichern.

Zu den Kernaufgaben des Verkehrsverbundes zählten bisher das einheitliche Tarifsystem im Verbund, die Einnahmeaufteilung, die Fahrplankoordinierung sowie die Ausschreibung für den Schienenpersonennahverkehr.

Sie, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen - daran will ich erinnern -, kontrollieren weder Ihre Beschlüsse noch setzen Sie sich für deren Erfüllung ein. Denn im September 2002 haben Sie - möglicherweise wir alle zusammen, denn das ging auf unseren Antrag zurück - einen Entschließungsantrag beschlossen, in dem die Landesregierung unter 1. aufgefordert wird, gemeinsam mit den anderen Gesellschaftern Ziele der Weiterentwicklung des Verkehrsverbundes zu erarbeiten und dabei insbesondere die Konzentration auf Kernaufgaben, die Straffung von Entscheidungsstrukturen, vor allem beim Aufsichtsrat, eine Kostensenkung durch Strukturoptimierung und die Überarbeitung des Verbundes sicherzustellen. Sie werden sich noch daran erinnern. Unter Punkt 2 des Entschließungsantrages, den Sie eingebracht haben, wurde gefordert, dem Verkehrsausschuss bis zum 31.12.2002 über die Verhandlungsergebnisse mit den anderen Gesellschaftern zu berichten.

Das, meine Damen und Herren, hat stattgefunden, diesen Bericht gab es im Verkehrsausschuss. Nur gab es nichts zu berichten, denn es sind keine Entscheidungen getroffen worden. Es wurden auch keine Reformen angepackt und es sind keine Entscheidungen vorbereitet worden. Es ist also alles beim Alten geblieben.

Es gab im Auftrag des Verkehrsverbundes, der Gesellschafterversammlung und des Aufsichtsrates eine Arbeitsgruppe des Aufsichtsrates, die zur Aufgabenwahrnehmung und zu Einsparpotenzialen im Verkehrsverbund einen Bericht vorgelegt hat. Diesen Bericht halten die Gesellschafter und auch Sie, Herr Verkehrsminister, für unbrauchbar, sodass sich niemand darauf bezog. Das halte ich für total falsch. Denn in diesem Bericht sind - möglicherweise ist er konsequent zu überarbeiten - Vorschläge unterbreitet worden, die zum Beispiel besagen, Verkehrserhebungs- und Einnahmeaufteilungsverfahren sind eine Kernaufgabe im Verkehrsverbund. Die Verkehrsunternehmen warten seit Jahren darauf, dass die vertraglich geregelte Einnahmeaufteilung endlich stattfindet. Wenn Sie sagen, dieser Bericht sei nicht hilfreich, dann kann ich nur entgegnen, dass aus unserer Sicht - dieses Fazit können wir nach diesen zwei Jahren ziehen - die Landesregierung weitere notwendige Entscheidungen zum Verkehrsverbund verschleppt.

Ich will Sie an Ihre Fusionsdebatten erinnern. Sie reden über Termine der Fusion. Wenn Sie nicht einmal eine gemeinsame Gesellschaft mit Landesbeteiligung gestalten können - wer will dann überhaupt noch etwas über die Fusion zwischen Berlin und Brandenburg hören? Die Bürgerinnen und Bürger wollen es schon lange nicht mehr hören, weil nicht einmal die normalste Art und Weise einer Zusammenarbeit klappt.

Ein anderes Thema: Die Gesellschaft Verkehrsverbund ist auch eine Gesellschaft mit Landesbeteiligung. Und wieder muss man sagen: Auch hier klemmt die Säge. Was machen Sie falsch, wenn es um Landesgesellschaften oder um Gesellschaften mit Landesbeteiligung geht? Immer kommt es zu einer Fülle von Problemen. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum diese unentschlossene Entscheidung zum Verkehrsverbund zum Tragen kommt. Die Finanzierung ist gesichert. 26 Millionen Euro für dieses Jahr sind doch eine Menge Geld. Dazu kommen noch 3 Millionen Euro Gesellschafteranteile. Manch einer in einem anderen Land wäre froh, wenn er so viel Geld für den öffentlichen Personennahverkehr hätte. Bei uns gehen alle Alarmglocken an, wenn es wieder heißt, eine Tochter aus dem Verkehrsverbund, aus dieser Gesellschaft mit Landesbeteiligung auszugründen.

Ich erinnere an die LEG; die hatte zig Töchter. Niemand beherrschte mehr das Konstrukt. Das Ergebnis liegt jetzt vor.

Ich erinnere auch an die Flughafengesellschaft, an die Holding, die auch mit Töchtern operiert hat und die sie inzwischen Gott sei Dank - alle wieder zurückgeholt hat, weil alles daneben ging, weil alles in die Hose ging. Deshalb sehr genau prüfen, wenn sich der Verkehrsverbund eine Tochter leisten sollte!

Meine Damen und Herren, bis heute hat die Landesregierung ihre Aufgaben nicht erfüllt, was die Reformen beim Verkehrsverbund betrifft. Die alten Probleme sind nach wie vor da. Es gibt mittlerweile einen neuen Geschäftsführer, der sicherlich sehr entschlossen ist, die notwendigen Aufgaben anzufassen. Aber ich will Ihnen an dieser Stelle nur sagen: Entscheidungen über Ziele und Kompetenzen des Verkehrsverbundes müssen die Brandenburger Landesregierung und der Senat von Berlin gemeinsam treffen. Diese Entscheidungen sind überfällig. Ich verweise in dem Zusammenhang auch auf den Prüfbericht des Landesrechnungshofes zur Situation; denn, Herr Schrey, jeder Abgeordnete hat das Recht und meines Erachtens in dieser Konfliktsituation auch die Pflicht, sich sachkundig zu machen, wo „die Säge klemmt“. In dem Bericht sind eindeutig Ursachen benannt worden, die auch schon durch die Presse gegangen sind. Wir haben auch des Öfteren gesagt, wo die Ursachen für die Konflikte im Verkehrsverbund liegen. Ich kann Sie nur ermuntern: Erinnern Sie sich an Ihren Entschließungsantrag und treffen Sie Entscheidungen!

Wir bitten: Folgen Sie unserem Antrag! Die Landesregierung, namentlich der Verkehrsminister, ist dann aufgefordert, im Mai das Brandenburger Parlament zu informieren, welche Entscheidungen zum Verkehrsverbund getroffen würden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Tack. - Ich gebe jetzt das Wort an die Fraktion der SPD, an Herrn Abgeordneten Dellmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Tack, ich habe manchmal den Eindruck, als hätte die Opposition bei diesem Thema überhaupt keine Informatio

nen, als wüsste sie überhaupt nicht, dass zum Verkehrsverbund ja nicht nur der Gesellschafter Brandenburg gehört, sondern dass dort Berlin mit im Boot sitzt, dass dort die Landkreise, die kreisfreien Städte des Landes Brandenburg mit im Boot sitzen, und als glaubten Sie, dass die Optimierung des VBB so ganz eigenständig nur von uns selbst gemacht werden könnte.

(Widerspruch der Abgeordneten Tack [PDS])

Frau Tack, gerade wenn wir die Diskussion über die Optimierung des VBB, über die Evaluierung, über die Neuformulierung von Aufgaben, sprich die Konzentration auf Kernaufgaben, haben, stelle ich fest, dass selbst Berlin im Moment keine einheitliche Auffassung dazu hat, wo Kernaufgaben wahrgenommen werden sollten.