Fakt ist: Eine Beratung der Verbraucher auf hohem Niveau möglichst auch im persönlichen Gespräch - hilft der Wirtschaft; sie sorgt dafür, dass qualitativ gute Produkte ihren Absatz finden, und sichert somit hochwertige Arbeitsplätze auch in Brandenburg. Eines ist nämlich auch klar: Mit billigem Ramsch werden unsere Betriebe auf dem Weltmarkt auf Dauer nicht bestehen können.
Eine finanzielle Unterstützung für eine unabhängige Verbraucherberatung ist deshalb gut angelegtes Geld; sie ist oft auch präventive Schuldnerberatung.
Der politisch proklamierte Schutz des Verbrauchers, den sich alle Parteien auf die Fahnen geschrieben haben, darf nicht nur in Zeiten von Skandalen thematisiert werden. Verbraucherpolitik ist Politik für die Menschen und stärkt die Wirtschaft. Verbraucherpolitik ist demzufolge eine erstrangige politische Aufgabe.
Ein kurzer Blick zurück. So ziemlich genau mit der Konstituierung dieses Landtages im Jahre 2000 hat eine breite Debatte über dieses Thema begonnen. Angesichts einer Reihe von Lebensmittelskandalen und insbesondere der BSE-Krise kam es
zu einem starken Vertrauensverlust bei den Verbrauchern gegenüber den Lebensmittelproduzenten. Der Politik wurde damals Versagen vorgeworfen. Auf diesen damaligen massiven Vertrauensverlust hat die EU, hat die Bundesregierung und hat auch Brandenburg mit strukturellen Veränderungen reagiert und Schwerpunkte der Verbraucherpolitik neu definiert. Neu entstanden sind danach ein europäisches Lebensmittelamt als Antwort auf den grenzenlosen Lebensmittelverkehr, ein neues Bundesinstitut für Verbraucherschutz, ein Bundesinstitut für Risikobewertung, Ministerien des Bundes und der Länder wurden umbenannt und zusammengelegt - auch bei uns -, aber auch zahlreiche Rechtsvorschriften wurden erlassen und durchgesetzt. Dies ist sicherlich noch nicht der notwendige Paradigmenwechsel, aber mit Sicherheit der richtige Weg, nämlich der Weg vom reinen Verbraucherschutz hin zu einer umfassenden Verbraucherpolitik.
Ich möchte jetzt kurz auf die von mir am Anfang genannten aktuellen Probleme eingehen und diese näher beleuchten. Das ist zunächst die Sicherung der unabhängigen Verbraucherberatung. Wie gesagt: Bekanntermaßen wird das bei uns seit der Wende durch die Verbraucherzentrale Brandenburg erfolgreich wahrgenommen. Die Finanzierung des flächendeckenden Beratungssystems konnte bisher immer durch eine gemeinsame Kraftanstrengung gesichert werden. Dabei haben sich der Bund, das Land und die Kommunen die Beiträge zunächst geteilt. Nachdem der Bund seine institutionelle Förderung, die aber auch von Anfang an nur als Anschubfinanzierung gedacht war, beendet hatte, teilen sich heute das Land und die Kommunen die Finanzierung.
Durch die enormen Sparzwänge - insbesondere bei den Kommunen - ist eine Schließung von Beratungsstellen zurzeit aber nicht mehr ausgeschlossen. Dort wird es richtig eng. Daher stellt sich die Frage, wie diese Finanzierungslücke geschlossen werden kann. Eine schon oft vorgeschlagene Finanzierung durch Sponsoring verbietet sich wegen des Erfordernisses der Wahrung der Unabhängigkeit von selbst. Den Berater mit der Aral-Mütze kann ich persönlich mir nicht vorstellen.
Auch eine deutliche Steigerung der Einnahmen aus Beratung ist bei der Einkommenssituation der Beratungsuchenden absolut unrealistisch. So bleibt die von der Verbraucherzentrale vorgeschlagene Abschöpfung von Unrechtsgewinnen, die dann in einem Stiftungsmodell zusammengefasst werden könnten. Dies ist ein interessanter Vorschlag, aber er ist nicht von heute auf morgen umsetzbar. Ich bin auch der Meinung, dass diese Diskussion in der Politik noch gar nicht angekommen ist, dass sie auch noch gar nicht stattgefunden hat; sie hilft uns also momentan nicht weiter.
Was wir als Land tun sollten, ist die Unterstützung der Verbraucherzentralen bei der Finanzierung von Einzelprojekten. Ich will nur drei Themen nennen, bei denen ich Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten sehe. - Aber zuvor vielleicht noch folgender Hinweis: Ein Projekt - das Einzige, was wir noch haben - läuft zurzeit, und zwar die Ernährungsberatung, die Minister Birthler unterstützt. Das ist ein ganz wichtiges Thema und das hilft sehr. In vielen anderen Bereichen, in vielen anderen Ministerien wird diese Problematik jedoch ignoriert und hier gibt es offensichtlich keine Unterstützung mehr.
beratung. Hier liegen Projekte vor. Wenn man wollte, könnte man hier also wirklich unterstützend helfen.
Wir haben ein Problem, das ich - so muss ich sagen - überhaupt nicht verstehe. Die Verbraucherzentrale hat mehrere Vorschläge - und das über einen langen Zeitraum - für grenzüberschreitende Verbraucherarbeit mit Polen gemacht. Es kommt einfach nichts zustande. Ich kann es nicht verstehen. Die Grenzöffnung mit den auf uns zukommenden Problemen steht vor der Tür. Wir dürfen die Verbraucherschützer und auch die Bürger hier nicht allein lassen.
Wie gesagt, die EU hat die Mittel bereitgestellt und wir sollten uns hier zusammenraufen und eine Lösung finden, um dies schnellstmöglich auf den Weg zu bringen.
Es reicht also nicht, der Verbraucherzentrale bei jeder Gelegenheit öffentlich zu danken - wenn ich das an dieser Stelle im Auftrag meiner Fraktion auch gern tue -, sondern wir müssen handeln, wir müssen kreative Finanzierungsmöglichkeiten finden.
Ein weiteres zentrales Problem ist - wie ich noch einmal betone - ein scheinbarer Konflikt zwischen Wirtschaftsinteressen und Verbraucherschutz. Um es deutlich zu sagen: Wir sind nicht nur deshalb gegen überzogene Regulierungen, weil sie in der Regel viel Geld kosten und unnötige Bürokratie hervorbringen, sondern vor allem deshalb, weil Brandenburg und Deutschland dabei im globalen Wettbewerb auf Dauer nur verlieren würden. Hohe Standards sind wichtig, aber sie müssen im internationalen Wettbewerb auch für alle gelten.
Was für die Politik aber heute schon machbar ist, ist die Realisierung der seit langem aus den Reihen der Verbraucherschützer vorgetragene Forderung, bei Gesetzesnovellierungen und bei Verordnungen die Auswirkungen auf den Verbraucherschutz zu ermitteln und zu berücksichtigen. Zum Beispiel bei der kürzlich verabschiedeten Brandenburgischen Bauordnung ist dies in vielen Punkten durch Vereinfachungen und mehr Bürgerfreundlichkeit gelungen.
Aber es wäre auch aktive Verbraucherschutzpolitik, wenn es uns gelänge, durch eine klare Gesetzessprache Verwaltungswillkür einzudämmen.
Hier liegt ein großes Handlungsfeld vor uns. Als Beispiel möchte ich nur die Wasser- und Abwasserpolitik nennen, bei der wir zwar weit vorangekommen sind, aber bei der noch weitere rechtliche Klarstellungen nötig sind, die dafür sorgen, dass sich der Bürger nicht übervorteilt fühlt oder ohnmächtig vor Gericht landet.
Das zuletzt Gesagte macht deutlich, dass die Menschen im Lande auch Verbraucher von Politik sind. Im Umkehrschluss heißt das: Politiker sind durch eine gute Politik automatisch auch gute Verbraucherschützer. Darüber lohnt es sich nachzudenken.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Dass so kurz vor Ende der Legislaturperiode der Verbraucherschutz bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, die höhere Weihe einer Aktuellen Stunde erfährt, ist gut und angesichts des bevorstehenden Weltverbrauchertages durchaus angebracht. Ihr Redebeitrag, Herr Gemmel, hat aber meinen Eindruck verstärkt, dass Sie im Landtagswahljahr mit dem Thema Verbraucherschutz das kleinere Übel gewählt haben. Ihr Bildungsminister und auch Ihr Minister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen werden es Ihnen ob der vielen Probleme im Land danken. Wer setzt auch schon gerne seine eigenen Minister öffentlicher Kritik aus? Stellenweise hatte ich auch den Eindruck, Sie, Herr Gemmel, haben zum Thema „Aus dem Leben eines Abgeordneten“ gesprochen.
Ich meine, dass die Fragen des Verbraucherschutzes durchaus eine öffentliche parlamentarische Präsenz erfahren sollten. Letztlich sind wir alle im Land mit Verbraucherschutzfragen und auch mit Skandalen sowie mit kriminellem Etikettenschwindel konfrontiert.
Ich stelle mich auch gerne Ihrem Anspruch und nehme Ihr Angebot an, zukünftige Ziele und Schwerpunkte der Verbraucherpolitik für Brandenburg hier und heute zu diskutieren. Entscheidend wird aber sein, welche Schlussfolgerungen Sie, verehrte Damen und Herren der Koalition, zu ziehen bereit sind. Immerhin hat es zwei Jahre gedauert, bis Sie nach der Ablehnung unserer Anträge zur Neuausrichtung des vorsorgenden Verbraucherschutzes, zur Tierseuchenbekämpfung in Brandenburg sowie zur Garantie gesunder Lebensmittel und Futtermittel bereit sind, sich diesen Fragen wieder stärker zuzuwenden.
Das erkennen wir an, wenngleich in Ihrer Begründung zu dem Thema für die Aktuelle Stunde schon ein Dilemma deutlich wird. Vielleicht wird dies durch den Redebeitrag von Herrn Woidke revidiert werden. Mit dem ausschließlichen Bezug auf aktuelle Ereignisse im Lebensmittelbereich verstärkt sich der Eindruck, dass der Verbraucherschutz in Brandenburg auch zukünftig nur auf die Lebensmittelsicherheit und damit auf das Ministerium von Herrn Birthler reduziert werden soll.
Das ist eine Kritik, die wir schon im Zusammenhang mit dem Brandenburger Verbraucherschutzbericht 2002 deutlich ausgesprochen haben. Sie erinnern sich: Die Trinkwasserüberwachung fehlte gleich gänzlich im Verbraucherschutzbericht, geschuldet der Tatsache, dass der technische Verbraucherschutz und der Vollzug der Trinkwasserordnung der Zuständigkeit des Ministeriums von Herrn Baaske unterliegen. Im Rahmen der institutionellen Förderung ist die Verbraucherzentrale Brandenburg beim Ministerium für Wirtschaft angebunden. Hinzu kommen Förderungen aus den Ministerien für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr sowie Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung und inhaltliche Anknüpfungspunkte an das Ministerium von Herrn Baaske.
Diese Anbindung des Verbraucherschutzes an die einzelnen Fachpolitiken ohne eine ressortübergreifende Verantwortungsbündelung und -wahrnehmung ist, so meinen wir, nicht die richtige Antwort, um Vertrauen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu entwickeln und zu befördern. Wir erwarten von der Landesregierung eine Positionierung in der Frage, ob eine eigenständige Behörde für Verbraucherschutz mit Kontrollfunktion und Weisungsrecht in Anbetracht oftmals konträrer Interessen zwischen Wirtschaft und Verbrauchern längerfristig nicht die bessere Lösung wäre. Dabei erkennen wir durchaus an, dass mit dem Landesamt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft Ihr Ministerium, Herr Birthler, neue Strukturen geschaffen hat und auch neue Wege gegangen ist, beispielsweise mit dem Controlling und mit zusammengefassten Untersuchungsaufgaben mittels eines zentralen Labormanagements. Das unterstützen wir wie auch Ihre Position, die Labore nicht zu privatisieren. Dafür bedarf es aber einer ausreichenden Finanzierung, wie die Diskussionen zu fehlenden Laborstellen in den letzten Wochen zeigten.
Sie selbst, Herr Birthler, haben vor zwei Jahren die Elle für den vorsorgenden Verbraucherschutz ziemlich hoch gelegt, als Sie ihn als wesentlichen Bestandteil nachhaltiger Politik beschrieben, der mehr sein muss als das Reagieren auf Lebensmittelskandale oder Absatzkrisen. Wie wahr. Lassen Sie mich noch einen Satz hinzufügen: Verbraucherschutz ist als durchgängiges Leitprinzip anzuerkennen und muss bei allen Entscheidungen zur politischen Richtschnur werden.
Ich frage mich schon, wie es um das Leitprinzip bestellt ist, wenn es um den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor wirtschaftlichen und sozialen Nachteilen geht. Wo war dieses Prinzip, als der Diskurs zur grünen Gentechnik wieder eröffnet wurde, sich die Bundesregierung bei der Kennzeichnungspflicht aber bereits im Vorfeld auf einen Schwellenwert von 1 % geeinigt hatte, und wo war es beim Verbraucherinformationsgesetz? Nach diesem besteht Auskunftspflicht nur gegenüber Behörden und nur noch für Lebensmittel. Die Wirtschaft, die mit ihren riesigen Werbeetats die Trends setzt, wird
geschont. Über 30 Milliarden Euro werden hierzulande für Werbung ausgegeben. Wenn man dann noch bedenkt, dass diese Werbekosten von der Steuerschuld abgesetzt werden können, aber für eine unabhängige Verbraucherschutzarbeit gerade einmal 75 Cent je Bürger - das sind 60 Millionen Euro - an öffentlichen Mitteln zur Verfügung stehen, werden eigentliche Handlungsfelder durchaus deutlich, und es wird auch deutlich, wo Geld für notwendige Verbraucherschutzarbeit wirklich liegt.
Zu einem weiteren Problemkreis. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir alle hier im Raum sind uns einig: Gesunde Nahrung darf keine Veranstaltung für Besserverdienende sein. Dazu gehört auch, ehrlich mit dem Berufsstand des Landwirts umzugehen. Seine wirtschaftliche Existenz wäre nicht gefährdet, wenn für alle Erzeuger rechtsverbindlich und EUweit einheitlich durchgesetzte, hohe Standards bestehen würden, die den Verbraucherschutz umfassend garantieren, ganz gleich, ob das Kilo Rindfleisch 7,50 Euro, 9 Euro oder 10 Euro kostet. Durch ungleiche Regelungen, die die Politik zu verantworten hat, werden Möglichkeiten geschaffen, Preisvorteile durch unvertretbare Wirtschaftsweisen zu erzielen.
Von einem gerechten Verhältnis zwischen Aufkaufpreisen, die der Landwirt erhält, und den Verkaufspreisen, die der Verbraucher zu entrichten hat, kann schon lange keine Rede mehr sein. Dazwischen liegen die eigentlichen Verdiener.
Auch die ersten Veröffentlichungen zum Agrarbericht 2004, den wir ja noch im Landtag behandeln werden, verdeutlichen, dass die Nettowertschöpfung in der Landwirtschaft im mehrjährigen Durchschnitt weiterhin auf niedrigem Niveau stagniert. Wollen wir uns ernst nehmen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, so muss auch darüber debattiert werden, dass die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte zum einen von Institutionen der EU, zum anderen von hoch monopolisierten, international verflochtenen Handelsketten bestimmt werden. Das treibt die Landwirte Europas in einen gnadenlosen Konkurrenzkampf mit allen damit verbundenen Nachteilen. So werden Verbraucherpreise für Nahrungsmittel niedrig gehalten, obwohl Verarbeitungs-, Lagerhaltungs-, vor allem aber Handelsmonopole steigende Profite realisieren.
Vorbeugender Verbraucherschutz heißt also auch, einem weiteren Preisverfall für Agrarprodukte Einhalt zu gebieten, und ist zugleich eine Antwort, um Ausgleichszahlungen der EU zu begrenzen bzw. schrittweise abzubauen, ohne damit die Existenz Brandenburger Landwirte aufs Spiel zu setzen. Oder anders gesagt: In der Kombination von marktorientierten, begründeten Erzeugerpreisen, Leistungspreisen für ökologische und landeskulturelle Dienste und direkten Subventionen in ungünstigen, also benachteiligten Gebieten liegt der Schlüssel zum Erfolg.
In Anbetracht immer wieder geführter Diskussionen gegen Strukturen im Osten wie jüngst zur Einführung einer Obergrenze bei der Agrardieselbesteuerung ist ausdrücklich zu betonen, dass eine artgerechte Tierhaltung und die Produktion hochwertiger Lebensmittel keine Frage von Betriebsgrößen ist. Mehr noch: Brandenburg mit seinem durchschnittlichen Viehbesatz von 0,5 Großvieheinheiten je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche liegt damit noch unter der Forderung für den ökologischen Landbau. An dieser Stelle sollte nicht vergessen werden, dass sich Brandenburger Landwirte den höchsten Standards stellen.
Verbraucherschutz in Europa kennt keine nationalen Grenzen mehr. BSE-Krise, Dioxin- und Nitrofenskandal, Verfütterung von Veterinärpharmaka als Leistungsförderer und Etikettenschwindel rufen den Verbraucherschutz auf die Tagesordnung der Politik, und das nicht nur in Deutschland. Auch deshalb muss sich unsere heutige Diskussion an folgenden Prämissen messen lassen.