Protocol of the Session on August 28, 2003

Wir müssen uns nun im Rahmen der Fortführung der Funktionalreform der Frage zuwenden, wie die Aufgabenübertragung auf die unteren Verwaltungseinheiten erfolgen soll.

Zur Weiterführung der Funktionalreform wurde eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, aus denen ein umfangreicher Handlungsbedarf ersichtlich wird. Allerdings stellen die Antworten auf die Abfrage des Ministeriums des Innern noch keinen Maßnahmenkatalog dar; das sollen sie wohl auch nicht. Den roten Faden der Reform soll die Erzielung von Synergieeffekten durch die Bündelung von Aufgaben bilden. Dem ist, so meine ich, uneingeschränkt zuzustimmen.

Im Konzept der Landesregierung wird aber auch die Hochzonung von Aufgaben in Betracht gezogen. Herr Minister Schönbohm begründete sie eben. Ich glaube, es wird niemanden verwundern, dass genau diese Punkte durchaus kritisch gesehen werden. Meines Erachtens wird zu Recht bezweifelt, dass die Möglichkeit der Hochzonung mit dem Ziel einer schlanken Landesverwaltung in Einklang zu bringen ist. Widerstand dagegen und Kritik sind daher vorprogrammiert. Wir werden das sicher heftig diskutieren müssen.

Von herausragender Bedeutung für die Einteilung zwischen Land und Kommunen - und auch einer gebührenden Würdigung an dieser Stelle wert - ist des Weiteren das strikte Konnexitätsprinzip. Demzufolge muss für die Aufgaben, die den Kommunen neu übertragen werden, eine vollständige Kostenerstattung erfolgen. Nur so werden wir die Kommunen in die Lage versetzen, die übertragenen Aufgaben zu erfüllen.

(Beifall der Abgeordneten von Arnim und Petke [CDU])

Dies ist mit Nachdruck zu betonen; denn inzwischen haben sich die finanziellen Rahmenbedingungen - das haben wir heute Vormittag diskutiert - merklich verschlechtert. Im Raum steht nunmehr auch die Differenzierung der Aufgabenübertragung in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl.

Auch nach Abschluss der Gemeindestrukturreform bestehen einige wesentliche Unterschiede zwischen innerem und äußerem Verflechtungsraum, insbesondere hinsichtlich der durchschnittlichen Einwohnerzahl. Dieser Unterschied wird sich bis zum Jahre 2020 mit Sicherheit weiter verschärfen. Zu bedenken ist dabei, dass die effiziente Wahrnehmung von Aufgaben

für den Fall erschwert ist, dass Aufgaben von den Landkreisen auf einige leistungsfähige Gemeinden übertragen werden, ansonsten aber die Zuständigkeit bei den Landkreisen verbleibt; denn unbestreitbar gilt: Eine Übernahme von Aufgaben durch die Gemeindeebene setzt ein bestimmtes Maß an Leistungsfähigkeit voraus, und zwar flächendeckend im gesamten Land Brandenburg.

Die Aufgabe, den Verwaltungsaufbau im Land Brandenburg schlanker und effizienter zu gestalten, ist aktueller denn je. Ich möchte an dieser Stelle mit Nachdruck auf die Leistungsfähigkeit der Verwaltungen unserer Landkreise hinweisen. Deren Leistungsfähigkeit wurde durch eine andere Reform, nämlich die Kreisgebietsreform, nachhaltig gestärkt. Die Landkreise sind zur Übernahme weiterer Aufgaben nicht nur bereit, sondern werden sich ihnen auch gewachsen zeigen. Damit wird ein wichtiger Beitrag zum zweistufigen Verwaltungsaufbau geleistet.

Aber auch die gemeindliche Ebene kann und wird ihren Beitrag zur Verwaltungsmodernisierung leisten. In diesem Zusammenhang wird in besonderem Maße ersichtlich, dass zur Gemeindestrukturreform keine sinnvolle Alternative bestand.

(Beifall der Abgeordneten von Arnim und Petke [CDU])

Die Fortführung der Funktionalreform sollte nicht halbherzig betrieben werden. Ich plädiere daher für eine umfangreiche Überprüfung von Landesbehörden und deren Aufgaben. Neben der Hoffnung auf effizienteres und wirtschaftlicheres Verwaltungshandeln sind mit der Weiterführung der Funktionalreform auch Erwartungen im Hinblick auf eine qualitative Verbesserung der Aufgabenerfüllung verbunden. Vor allem sollte die segmentierte, auf Einzelaufgaben fixierte Aufgabenwahrnehmung durch eine Betrachtungsweise ersetzt werden, welche den Blick für die Gesamtverantwortung wahrt.

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss Ihres Beitrags!

Mit der vorliegenden Konzeption geht der Diskussionsprozess um die Funktionalreform in eine neue Runde. Meine Fraktion wird sich daran konstruktiv beteiligen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Claus.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Das Konzept der Landesregierung zur Fortführung der Funktionalreform legt aus unserer Sicht eindeutig seinen Schwerpunkt auf eine Aufgabenverlagerung in Richtung kommunale Ebene. Dagegen ist vom Grundansatz her nichts einzuwenden. Bürgernähe und Subsidiarität sind immer gut, eine damit verbundene Effi

zienzsteigerung ebenfalls. Ich möchte aber gleich zu Beginn meiner Ausführungen in aller Deutlichkeit sagen, wo hier aus Sicht unserer Fraktion die Grenzen zu ziehen sind.

Aufgabenverlagerung ist stets auch Kostenverlagerung und zu Mehrkosten für die Gemeinden darf das Konzept der Landesregierung nicht führen - auch nicht auf Umwegen. Es muss also das in Ihrem Konzept erörterte strikte Konnexitätsprinzip konsequent Anwendung finden. Ich denke, wir haben angesichts der desolaten Lage des Landeshaushalts und der Erfahrungen der letzten Zeit allen Anlass, darauf deutlich hinzuweisen.

Die DVU-Fraktion kann sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass die Landesregierung ab und an zwei Versuchungen nur schwer widerstehen kann. Erstens kann man die Henne normalerweise nur einmal rupfen, die Landesregierung versucht dies getreu dem Toyota-Motto „Nichts ist unmöglich“ mit den Gemeinden im Wege der Funktionalreform womöglich zum wiederholten Male.

Zweitens droht ein Schwarzer-Peter-Spiel. Die Landesregierung entledigt sich lästiger Aufgaben durch Übertragung an die Kommunen und diese ernten dann den Bürgerprotest gegen notwendige Sparmaßnahmen.

(Petke [CDU]: Das darf nicht passieren!)

- Genau, Herr Petke. - Beides darf natürlich nicht passieren, liegt aber aufgrund der jüngsten Erfahrungen aus Sicht der DVU-Fraktion nicht sehr fern. Bereits durch die Gemeindegebietsreform wurde eine Anzahl von wirtschaftlich gesunden Gemeinden durch zwangsweise Zusammenschlüsse mit ärmeren Gemeinden finanziell gebeutelt, durch die Haushaltssparmaßnahmen der Landesregierung wurden den Gemeinden 140 Millionen Euro gestrichen usw. usf.

Das Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben bringt den Kommunen voraussichtlich keine adäquate Entlastung, sondern allenfalls den Unwillen der Bürger wegen Mehrkosten für Schülertransporte, Kitas usw.

Anlass zur Sorge bereitet insofern folgender Passus auf Seite 6 Ihres Konzepts:

„Die kommunale Ebene muss dabei einen eigenen Beitrag leisten, um auch für übertragene Aufgaben mittelfristig eine Effizienzrendite zu erreichen.“

Ich frage Sie, Herr Minister Schönbohm: Verstehen Sie insoweit unter vollständiger Kostenerstattung nur Erstattung von Kosten unter Abzug einer von Ihnen für möglich gehaltenen hypothetischen Effizienzsteigerung nach Übertragung der Aufgaben? Wir schlagen Ihnen stattdessen - Leistung soll sich ja schließlich lohnen, Herr Minister Schönbohm - Folgendes vor: Die Früchte einer Effizienzsteigerung kommen der Ebene zugute, die sie erzielt. Das, Herr Minister, ist Stärkung des Selbsterhaltungstriebs gegen Gleichmacherei.

Viele Kommunen wollen ja selbst mehr Aufgaben in die Hände bekommen, jedoch - aus unserer Sicht völlig zu Recht - verknüpft mit der Forderung nach einem zweistufigen Verwaltungsaufbau bei vollständiger Kostenerstattung und Personalüberleitung.

Unter diesen Voraussetzungen lässt sich über alle Einzelpunkte Ihres Konzepts reden. Insbesondere sind - abgesehen von den vorgetragenen Bedenken - Ihre Grundsätze nicht zu beanstanden. Ich gehe insofern davon aus, dass damit die Kernaufgaben des Staates - innere Sicherheit, Justiz usw. - nicht aus der öffentlichen Verwaltung ausgegliedert werden sollen.

Eines finde ich bemerkenswert: Die Landesregierung hat sich offenbar meine Ausführungen zu Kommissionen und was die Bürger darüber denken, zu Herzen genommen. Endlich einmal soll für einen wichtigen Reformschritt keine Kommission gebildet werden, Herr Minister. Die Aufgaben sollen unter der Federführung des Innenministeriums angepackt werden. Es handelt sich hierbei um eine politische Aufgabe. Hierfür ist das Innenministerium zuständig, dem der Innenminister vorsteht. Sie, Herr Minister Schönbohm, wollen diese Aufgabe eigenverantwortlich anpacken. Um den inzwischen etwas ausgeleierten Spruch noch einmal zu bemühen, sage ich: Das ist auch gut so! - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Petke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eingangs feststellen, dass wir dieses Konzept heute gar nicht debattieren würden, wären wir der Fraktion der PDS gefolgt und hätten die Finger von der Gemeindereform gelassen.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Die Funktionalreform stand längst an!)

Das ist wieder einmal ein Beispiel für die Art und Weise, in der sich die PDS hier verhält.

Lieber Kollege Domres, Ihr Verhalten ist knapp an der Grenze der Redlichkeit. Sich hier hinzustellen und für die PDS Lorbeeren einstreichen zu wollen, mag ja menschlich nachvollziehbar sein,

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das tut weh, nicht wahr?)

aber all dies, was wir hier diskutieren, wäre ohne unsere Anstrengungen, die Anstrengungen der Koalition und der Landesregierung und vieler Hundert Kommunalpolitiker vor Ort, gar nicht möglich gewesen, weil wir ohne diese Anstrengungen die Gemeindestrukturreform, die so wichtig ist für die kommunale Ebene im Land Brandenburg, am 26.10. eben nicht vollenden würden. Das haben wir zusammen geschafft. Sie haben sich dem - zumindest hier im Landtag - total verweigert. Deswegen sind solche Ausführungen kurz vor der Grenze der Redlichkeit.

(Beifall bei der CDU)

Zum Thema selbst. Zur Aufgabenverlagerung sagt unsere Fraktion ganz klar Ja. Die Aufgabenverlagerung von der Ebene des Landes auf die Ebene der Kommunen findet unsere Zustimmung. Gleiches gilt für die Verlagerung von Aufgaben von der

Ebene der Landkreise auf die Ebene der amtsfreien Gemeinden bzw. Ämter.

Aber der Minister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in unserer Landesverfassung das strikte Konnexitätsprinzip verankert ist. Deswegen sage ich deutlich: Die Aufgabenverlagerung allein ist für uns noch kein Grund zum politischen Handeln. Das muss Prämissen haben. Für den Bürger muss dabei etwas herauskommen. Am Ende des Prozesses muss mehr Bürgernähe stehen. Vor allem ist die Frage zu beantworten, wie es mit den Kosten aussieht. Ich meine, es hätte wenig Sinn und wäre für den Bürger auch nicht verständlich, wenn wir beispielsweise Aufgaben vom Land auf die Kommunen verlagern würden, das Ganze dem Steuerzahler unter dem Strich aber teurer käme, als es jetzt der Fall ist. Man muss also sehr genau hinschauen.

Wenn Sie der Landesregierung vorwerfen, das sei noch kein Konzept, dann fordere ich Sie auf, sich den Bericht anzuschauen. Aus den Vorschlägen, die zum Beispiel von der kommunalen Ebene kommen, wird nicht deutlich, ob ganze Aufgabenblöcke verlagert werden sollen oder ob nur Paragraph X in irgendeinem Leistungsgesetz auf die kommunale Ebene übertragen werden soll. Wir müssen uns zunächst einmal darüber klar werden, wie belastbar unsere kommunale Ebene ist. Wir werden die Strukturveränderungen am 26. Oktober abschließen. Dann werden wir erneut über das diskutieren, was heute Vormittag bereits Gegenstand der Aktuellen Stunde war: Wie belastbar ist unsere kommunale Ebene, was die finanzielle Ausstattung betrifft? Dann müssen wir diesen Prozess aufnehmen.

Lieber Kollege Claus, Sie fordern dazu auf, keine Kommissionen zu bilden. Ich kenne eine Ebene, nämlich den Bund, auf der man ziemlich viele Kommissionen gebildet hat, zum Beispiel zu Fragen der Genforschung und zur Reform der Gemeindefinanzen; die Rürup-Kommission ist dieser Tage besonders im Gespräch. All die Kommissionen haben sicherlich wichtige Aufgaben. Ich meine aber, dass sich die Landesregierung in den vergangenen vier Jahren der Legislaturperiode nicht dadurch ausgezeichnet hat, dass sie Aufgaben an irgendwelche Kommissionen übertragen hätte. Die Entscheidungen, die wir in Brandenburg zu treffen haben, sind von der Landesregierung vorbereitet und im Parlament getroffen worden. So ist es richtig und so wird es auch bleiben.

Wir unterstützen das Anliegen. Gleichzeitig fordern wir die kommunale Ebene auf, an der einen oder anderen Stelle Vorbehalte abzubauen. Wir alle wissen aus dem parlamentarischen Raum, dass der öffentliche Dienst, wenn es ernst wird, gewisse Beharrungstendenzen entfaltet. Diese gilt es auszuräumen. Ich wiederhole zum x-ten Mal meine Aufforderung an die Kollegen der PDS, bei diesem nächsten wichtigen Vorhaben, der Funktionalreform in Brandenburg, doch endlich konstruktiv mitzuarbeiten.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

- Frau Kollegin Enkelmann, ziehen Sie die Vorschläge, von denen Sie behaupten, dass Sie sie haben, aus der Schublade und präsentieren Sie diese! - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Schippel [SPD] - Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das werden wir tun!)

Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache. Damit ist das Konzept der Landesregierung zur Weiterführung der Funktionalreform nach Abschluss der Gemeindestrukturreform, Drucksache 3/6250, zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf: