Die Situation ist tatsächlich vertrackt. Die Arbeitsmarktförderung ist ungeeignet. Selbst als Ersatzangebot trägt sie nicht mehr, weil es zum Teil gar keine entsprechenden Angebote mehr gibt oder weil die betroffenen Personen schon so lange gefördert worden sind, dass sie nicht mehr gefördert werden können. Die Kommunen können das auch nicht ausgleichen, weil sie wenig Geld haben, weil sie durch den Nachtragshaushalt noch weniger Geld bekommen, weil sie durch das kommunale Entlastungsgesetz belastet werden. Schließlich ist da noch die Kommunalaufsicht, die angesichts der Haushaltslage fordert, auf freiwillige Aufgaben zu verzichten. Das Land kann auch nur begrenzt in die Bresche springen, da der Haushalt ausgequetscht ist wie eine Zitrone. Dass die SPD, die lange regiert, und die CDU daran inzwischen eine Mitschuld tragen, ändert an der Tatsache überhaupt nichts, wobei ich nicht sage, dass Sie ausschließlich schuld sind. Es gibt auch noch andere Gründe.
Ausbaden müssen das die Kultureinrichtungen, ihre Mitarbeiter und Nutzer. Das Waschhaus in Potsdam schickt von sechs Mitarbeitern vier zum Arbeitsamt. Die Barnimer Alternative in Strausberg hat keinen einzigen fest angestellten Mitarbeiter mehr. Das Kulturlabor in Brandenburg musste Insolvenz anmelden. In anderen Einrichtungen gilt es inzwischen als normal, ein halbes Jahr Arbeit zu haben und ein halbes Jahr arbeitslos zu sein. Keine einzige Einrichtung kann nach Tarif bezahlen. Die Frage ist: Wie soll das weitergehen?
Ich muss gestehen, ich nehme die Antwort der Landesregierung auch als Zeichen der Ratlosigkeit. Sie wissen nicht richtig, was Sie wollen, Sie haben keinen Überblick über den finanziellen Aufwand, der erforderlich wäre, und Sie haben auch keine Vorstellung über die zeitliche Perspektive zur Lösung dieses Problems. Das alles steht dort drin.
Ich gebe gern zu, dass auch die PDS angesichts dieses Teufelskreislaufs keine Lösung in der Tasche hat. Wir haben, als es noch weitere Spielräume gab, Vorschläge unterbreitet. Ich kann aber heute nichts aus dem Hut zaubern.
Wir unterscheiden uns aber in einem Punkt gewaltig: Die PDS will sowohl auf Bundesebene als auch auf Landes- und kommunaler Ebene wieder mehr Geld in die öffentlichen Kassen fließen lassen. Sie dagegen wollen weiterhin Geld aus den öffentlichen Kassen herausnehmen. Solange Sie sich weigern, hier im Landtag über eine Vermögensteuer oder -abgabe zu reden, sind Sie, nicht wir in der Pflicht, andere Lösungen anzubieten.
Sehr geehrte Frau Prof. Wanka, eines irritiert mich und macht mich sogar wütend: Sie tun nicht einmal das, was Sie tun könnten. Ich meine die Ausreichung der bewilligten Fördermittel. Bis vor wenigen Tagen arbeiteten die meisten Kultureinrichtungen noch ohne Zuwendungsbescheid bzw. ohne Mittel. Diese Unsicherheit für die Mitarbeiter der Einrichtungen wie für die Nutzer ist verantwortungslos. Wer von Ihnen wäre denn bereit, ein halbes Jahr ohne Geld zu arbeiten und seine Arbeit über Kredite zu finanzieren, immer in der Hoffnung, am Ende könnte es doch noch Geld geben?
Durch die gesamte Antwort und die Kulturentwicklungskonzeption zieht sich ein Argumentationsmuster, auf das ich näher eingehen möchte. Es lautet, dass sich das Land auf das herausragende Landesinteresse konzentrieren müsse. So richtig das Argument abstrakt ist, so habe ich doch den Verdacht, dass es als Totschlagargument missbraucht wird. Das herausragende Landesinteresse wird zunehmend nicht nach kulturpolitischen Gesichtspunkten, sondern nach Kassenlage definiert. Dieser Eindruck drängt sich zumindest auf. Der Begriff „herausragendes Landesinteresse“ ist zudem sehr schwammig und schwer zu handhaben.
In der Soziokultur - darüber reden wir jetzt - kann man möglicherweise von jeder einzelnen Einrichtung sagen, sie sei regional bedeutsam, ihre Arbeit liege aber nicht unbedingt im Landesinteresse. Wenn das dazu führt, dass alle Einrichtungen ihr Angebot reduzieren müssen, in eine Krise geraten oder sogar Insolvenz anmelden müssen, dann liegt es sehr wohl im landespolitischen Interesse, gegenzusteuern. Die Kulturhoheit liegt nun einmal beim Land.
Sehr geehrte Frau Ministerin, in Ihrer Antwort legen Sie dar, dass die Landesregierung in den Fällen, in denen sie einen Teil der Förderung übernimmt, selbstverständlich mit den Kommunen und den Einrichtungen zusammenarbeite. Ich gebe zu, dass ich geneigt bin, Ihnen dies abzunehmen. Ich frage mich allerdings, wie sich angesichts dessen die Forderung erklärt, die vor wenigen Tagen von zahlreichen politischen Akteuren an uns herangetragen wurde.
„Hiermit fordern wir von Ihnen, den gewählten Vertretern der Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs - erstens - die Entwicklung einer konkreten Perspektive für die Zukunft Brandenburgs und die Positionierung von Kunst und Kultur innerhalb des Landesinteresses; zweitens die Bestimmung von kulturpolitischen Landesinteressen und die partizipative Fortführung der vom Landtag beschlossenen Kulturentwicklungsplanung; drittens die Aufnahme eines Diskurses zwischen Politik, Verwaltung und Kulturakteuren über zukunftsfähige Strukturen und Perspektiven der Kultur und Kunst im Land Brandenburg.“
Offenbar ist das, was ich Ihnen gern abnehme und was Sie gern betreiben, bei den Akteuren noch nicht angekommen.
Sehr geehrte Frau Ministerin, nachdem Ihre Kulturentwicklungskonzeption wichtige Fragen offen ließ - aus meiner Sicht werden diese Fragen durch die Antwort auf unsere Große Anfrage nicht beantwortet -, will ich meine Hoffnung in den letzten Satz der Antwort legen. Dort heißt es:
„Die Landesregierung beabsichtigt, die Kulturentwicklungskonzeption regelmäßig zu aktualisieren. Diese setzt eine Evaluierung der wesentlichen Parameter voraus.“
Ich bitte Sie, mit der Evaluierung nicht so lange zu warten, bis nichts mehr zu evaluieren ist. - Danke.
Ich danke dem Abgeordneten Dr. Trunschke und gebe das Wort an die Fraktion der SPD, Frau Abgeordnete Konzack.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mit einer Zahl in die Debatte über die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der PDS-Fraktion einsteigen. An dieser Zahl wird deutlich, wo die größten Probleme der brandenburgischen Kulturentwicklung liegen: 0,72 % des gesamten Haushalts investiert die Landesregierung in diesem Jahr in die Kulturförderung. Damit ist sie auf dem Niveau der finanzschwachen Westländer angekommen. Unter den fünf neuen Bundesländern waren wir schon im vergangenen Jahr Letzter.
Ich meine, heute bietet sich eine günstige Gelegenheit - deswegen bin ich für die Große Anfrage auch dankbar; so können wir im Landtag wenigstens einmal über die Kultur diskutieren -, vor den übrigen Abgeordenten auf die gravierenden Folgen dieses geringen Prozentsatzes hinzuweisen; denn Kultur wird immer als freiwillige Leistung hingestellt, bei der man immer noch sparen könne. Ich erinnere mich, dass wir uns noch 1995 über das geringe Volumen des Kulturhaushalts sehr beklagt haben. Damals lag der Anteil noch bei 1 % des Gesamthaushalts! Ich halte diese Entwicklung für bedenklich; denn ihr folgt unweigerlich der Abbau kultureller Standards. Davor hat Bundeskanzler a. D. Helmut Schmidt in seinem Buch „Handeln für Deutschland“ schon 1994 gewarnt. Er sagte: Wenn im Kulturbereich gespart wird, kann eine emotionale Destabilisierung eintreten. Dabei bezog er sich insbesondere auf die Jugendlichen.
Ähnlich prekär ist die Lage bei den Kulturausgaben der Kommunen. In der Antwort ist zu lesen, dass vor allem die kreisfreien Städte nicht mehr in der Lage sind, ihre ohnehin überproportional hohen Ausgaben weiter zu steigern. Herr Dr. Trunschke hat bereits darauf hingewiesen. Mit ihren Theatern und Orchestern befriedigen die kreisfreien Städte aber nicht nur die eigenen, sondern auch die kulturellen Bedürfnisse des Umlandes.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich für die Theaterpauschale werben. Ich weiß, wie schwer das ist. Wo ist der Innenminister? Ich kann ihn nicht sehen. Auch an ihn wollte ich das Wort richten. Ich finde es nicht in Ordnung, dass die Diskussion über die Theaterpauschale auf die Abgeordenten verlagert wird. Der entsprechende Gesetzentwurf liegt im Innenministerium. Die Landesregierung muss den Pflock einrammen.
Wir wissen doch: Wenn in der Landesregierung etwas festgelegt worden ist, können wir kaum noch für Veränderungen sorgen. Herr Schönbohm ist nicht da, aber ich gehe davon aus,
dass ihm das Anliegen übermittelt wird. Auch wenn ein Finanzausgleichsgesetz erarbeitet wird, müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Theater und Orchester in den kreisfreien Städten, die tatsächlich überfordert sind, fördern wollen.
Ich sage es sehr deutlich: Die Theaterpauschale ist vorgeschlagen worden, um zwischen den Kommunen, die diese Einrichtungen vorhalten, und den Kommunen, die zum Nulltarif Mitnutzer sind, einen gerechten Ausgleich zu schaffen. Das muss jedem einleuchten. Ich werbe dafür, auf allen Politikfeldern dafür Sorge zu tragen, dass wir das Vorhaben durchsetzen können.
Dies allein bedeutet nicht die Lösung aller Probleme. Mit der parlamentarischen Beratung über Höhe und Verteilung der kommunalen Kulturfördermittel stellen wir uns der überfälligen Frage, welchen Beitrag Theater, Orchester, Musikschulen, Kulturfeste, soziokulturelle und kulturpädagogische Einrichtungen für die Entwicklung des Landes Brandenburg und die Stärkung seiner Identität leisten können. Ich bin mir dessen bewusst, dass diese Debatte nicht leicht zu führen sein wird; denn Kunst und Kultur haben eher ideellen Wert, was das Wachstum des Landes angeht. Die Bedeutung von Kunst und Kultur lässt sich nicht ohne weiteres in Statistiken darstellen, wie es zur Darstellung von Erfolgen bei der Reduzierung der Arbeitslosenzahl oder bei der Neugründung von Unternehmen möglich ist.
Als Hilfe zum Einstieg in die Debatte möchte ich Ihnen daher einen Ausspruch des spanischen Lyrikers und Dramatikers Garcia Llorca nahe bringen. Er sagte:
„Das Theater ist eines der eindrucksvollsten und nützlichsten Mittel, um ein Land aufzubauen, und das Barometer, das seine Größe und seinen Abstieg zeigt.“
Die konzeptionelle Entwicklung - einen Moment; ich sehe die rote Lampe - der Kultur in Brandenburg ist weit mehr als die künftige Gestaltung der Theater- und Orchesterpauschale. Wir müssen Lösungsvorschläge auf den Tisch legen, wie wir die Kultur im Land Brandenburg gestalten wollen, wie konzeptionell gearbeitet werden soll und welche Einrichtungen von landesweiter Bedeutung sind. Herr Trunschke, ich warte schon darauf, wenn Sie wieder auf der Matte stehen, wenn Entscheidungen im Land getroffen werden, um andere, sehr wichtige Einrichtungen zu stabilisieren. Ich höre schon Ihr Geheule, wenn irgendeine Einrichtung infrage gestellt wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das am 5. September 2002 erörterte Kulturentwicklungskonzept der Landesregierung ist genauso untauglich wie die jetzt vorliegende Antwort auf die Große Anfrage. Vor allem fehlt es dieser Landesregierung an Ehrlichkeit.
Angesichts der völlig desolaten Haushaltslage kann von einer Kulturentwicklungskonzeption nicht mehr die Rede sein. Aber Sie, meine Damen und Herren der Landesregierung, mogeln sich von einem Haushalt zum anderen, machen wieder Abstriche, brechen Versprechungen, verbreiten sogar Unwahrheiten ähnlich der Schröder-Regierung, um die eigene Macht zu sichern.
Sie wissen, dass der eigene Finanzierungsanteil der Kommunen von 54 DM je Einwohner im Jahr 2000 angesichts sinkender Konjunktur und steigender Massenarbeitslosigkeit, mitverschuldet durch die große Koalition, weiter abnimmt, da die Kassen leer sind. Sie wissen, dass Sie das Land durch enorme Verschuldung und durch klaffende Defizitlöcher im Haushalt an den Rand seiner Existenz bringen. Sie glauben, sich damit aus der Affäre ziehen zu können, dass Sie immer wieder die Vereinigung mit dem noch höher verschuldeten Berlin ins Spiel bringen.
Diese Regierung muss erst einmal selbst ihre Hausaufgaben lösen oder sie muss abtreten. Schauen wir uns zum Beispiel die Antwort auf Frage 2 an: Die Regierung weiß nicht, was die Kommunen im Bereich der Kultur investieren. Es fehlen sogar konkrete und vor allem aktuelle Zahlen über die kreisfreien Städte und die Oberzentren. Auch beim Hinweis auf die Zuweisungen des Landes fehlen in Ihrer Antwort die Zahlen. Dann erwähnt die Landesregierung Maßnahmen „im herausragenden kulturpolitischen Landesinteresse“. Um welche Maßnahmen es sich handelt, wird nicht dokumentiert. Dazu hätten wir schon gern etwas mehr gewusst, denn es geht um Steuergelder.
Kommen wir zu den zahlreichen ABM- und SAM-Stellen. Die Personalkosten sind keinesfalls mehr gesichert. Dafür sorgt einerseits die Streichliste der Schröder-Regierung und andererseits diese Landesregierung, die in der Schuldenfalle sitzt. Wie die ABM- und SAM-Löhne bezahlt werden sollen, wenn es fi
nanzpolitisch so weitergeht wie jetzt, weiß ohnehin niemand. Dann eben Stellenstreichung und noch mehr Arbeitslose.
Wenn Sie, meine Damen und Herren der Landesregierung, schon finanziell am Ende sind, sollten Sie zumindestens ideell etwas für die Kultur tun. Hier spreche ich insbesondere die Entrümpelung der Kultur von Brutalität und Gewalt an. Ob Film, Medien oder Theaterbühnen, es ist nicht das Volk, das den Inhalt bestimmt, sondern eine kleine Clique selbst ernannter Kulturpäpste. Das muss sich ändern. Deshalb auch im Bereich der Kultur mehr Demokratie! - Ich danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kollegin Konzack, ich wäre sehr froh, wenn wir bestimmen könnten, wie sich im nächsten Jahr das Barometer entwickelt. Ich schätze, da müssten wir der liebe Gott sein oder wenigstens Petrus. Aber wir sind Menschen, wir haben Entscheidungen zu treffen, wir haben es mit Menschen zu tun. Hier haben Sie eine richtige Feststellung gegenüber der PDS getroffen: Wir müssen uns entscheiden, was wir uns leisten und was wir uns nicht leisten wollen und wo die Prioritäten der Kulturpolitik im Land Brandenburg zu liegen haben. Da kommt es zur Nagelprobe, Herr Trunschke, der Sie sich dann jedes Mal entziehen, weil Sie alles fordern und nichts entscheiden wollen.