Protocol of the Session on June 26, 2003

Diese jungen Menschen, diese neue Generation, wachsen unter verbesserten Bedingungen auf. Ich sage das so ausdrücklich, weil ich es ein bisschen leid bin, an vielen Stellen der Berichterstattung immer nur von verschlechterten Rahmenbedingungen zu hören, die es in manchen Bereichen auch gibt, zum Beispiel die Begleitung und Unterstützung der jungen Menschen durch ihre Eltern, die sozusagen an der Front des Arbeitsmarktes häufig so stark gefordert sind, dass sie ihre Erziehungsauf

gabe nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Form wahrnehmen können, oder Entwicklungen hin zu Adipositas, Entwicklungen, dass gerade in ostdeutschen Kinder- und Jugendzimmern doppelt so viele Fernsehgeräte, doppelt so viele Videogeräte stehen, weil man die vermeintliche Vernachlässigung der eigenen Kinder durch erhebliche zusätzliche materielle Zuwendungen kompensieren will. Ich kritisiere das, weil das ein Ausdruck von nicht erfolgter Zuwendung ist

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

und eine Gefahr für viele, weil man, wenn zu viele Fernsehgeräte da sind, den Medienkonsum nicht in der gebotenen Form begleiten kann.

Junge Menschen stehen im Blickfeld politischen Gestaltungswillens sowohl des Parlaments als auch der Regierung. So hat sich die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in ihren Familien seit Anfang der 90er Jahre deutlich verbessert. Der 3. Kinder- und Jugendbericht macht die Leistungen der vergangenen Jahre deutlich. Als positive Entwicklung der vergangenen Jahre ist vor allem zu nennen, dass das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen kontinuierlich angestiegen ist. Insbesondere ist das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen von Haushalten mit mehreren Kindern stärker gestiegen als das im Durchschnitt aller Haushalte. Es ist weit entfernt von dem Punkt, an dem ich es gern hätte; denn besonders gute Lebenschancen müssen dort sein, wo besonders viele Kinder sind. Aber die Zahlen zeigen: Wir sind auf einem guten Weg, insbesondere auch durch die Anstrengungen der Bundesregierung zur Erhöhung des Familien- bzw. Kindergeldes.

In den Jahren 1993 bis 2000 wurden 937 Baugenehmigungen bei dieser Zahl sind Instandsetzungen und Modernisierungen nicht mitgerechnet - für Gebäude gegeben, die vollständig oder überwiegend von Kindern und Jugendlichen genutzt werden. Es handelt sich also um fast 1 000 Gebäude, die in den letzten Jahren sichtbar verbessert worden sind. Das ist alleine ein Kostenvolumen von über 1,2 Milliarden Euro, wovon etwas über die Hälfte, über 517 Millionen Euro, auf die 303 Schulbauvorhaben entfällt. Wenn Sie sich vor Augen führen, was wir in den nächsten Jahren im Rahmen des Ausbaus der Ganztagsschulen mit den 130 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln bereitstellen, dann sehen Sie: Hier wird wirklich ein Schwerpunkt gesetzt.

Die Wohnfläche je Einwohner im Land Brandenburg ist seit 1994 von knapp 31 Quadratmetern auf rund 36 Quadratmeter im Jahr 2000 angewachsen. Damit beträgt das Wachstum für Familien pro Kopf 5 Quadratmeter. Das ist die Fläche, die vor 50 oder 100 Jahren einem Familienmitglied zur Verfügung gestanden hat. Hier gibt es eine wirklich signifikant gute Entwicklung.

Die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen unter 20 Jahren entwickelte sich positiver als die bei den unter 25-Jährigen, nicht zuletzt als Folge der Berufsausbildung der Landesregierung.

Seit 1991 war - auch das will ich in diesem Zusammenhang nennen - im Jahr 2000 die bisher absolut geringste Zahl von bei Verkehrsunfällen verunglückten Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden zu verzeichnen.

Die Zahl der Straftaten, die von jungen Menschen begangen

wurde, ging, bezogen auf diese Bevölkerungsgruppe, zurück. Auch die Anzahl der registrierten Fälle der Gewaltkriminalität ist im Vergleich von 1998 zu 2001 gesunken. Das heißt, Gewaltbereitschaft und Gewaltakzeptanz bei Schülern sind im Berichtszeitraum gesunken, ein Signal für uns, dass sich das gemeinsame Engagement des Toleranten Brandenburg, des Aktionsbündnisses, vieler gesellschaftlicher Kräfte und auch des Landespräventionsrates gelohnt hat und wir deshalb nicht aufhören dürfen, sondern weitermachen müssen.

Um die Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, ist verstärktes politisches Handeln auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene weiterhin in vielen Bereichen erforderlich. Mir macht deshalb ein bisschen Sorge, dass wir in Deutschland im weltweiten Vergleich, was die Geburtenrate betrifft, auf dem Platz 180 stehen und dass innerhalb Deutschlands das Land Brandenburg auf dem berühmten Platz 16 steht, wir in Brandenburg also die geringste Geburtenquote überhaupt in der Republik haben. Hier müssen wir Anreize setzen. In den letzten Jahren - das zeigen die Berichterstattungen auch in den großen überregionalen Tageszeitungen - gibt es ein wachsendes Interesse an Kindern. Viele junge Leute sehen es wieder als Krönung ihrer eigenen Biographie an, Kinder zu haben. Wir müssen diese Entwicklung durch die Rahmenbedingungen, die wir setzen, bestärken.

Aber wir haben auch schwierige Situationen und Entwicklungen, die ich Ihnen nicht vorenthalten will. Die kundigen Leser dieser etwas über 200 Seiten haben die Zahlen auch längst gelesen. Die zunehmende Zahl der minderjährigen Sozialhilfeempfänger ist im Zeitraum von 1994 bis 2000 um 24,3 %, also fast ein Viertel, gestiegen, nämlich von 17 585 auf 21 852. Das ist ein ganzer Geburtenjahrgang von Brandenburg. In der Altersgruppe der unter 7-Jährigen betrug die Steigerungsrate sogar 35,6 %.

Das Arbeitsmarktrisiko junger Menschen im Alter von 20 bis 25 Jahren ist trotz der erzielten Fortschritte weiterhin sehr hoch. Das spiegeln vor allem die gravierenden Probleme beim Übergang von einer Ausbildung in eine Beschäftigung wider. Im Jahr 2000 wurden nur rund 39 % der Auszubildenden, die ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, anschließend von ihren Ausbildungsbetrieben übernommen. An der Stelle sind wir alle gemeinsam gefordert.

Nach wie vor sind die Kinder im Land Brandenburg im Straßenverkehr am stärksten gefährdet. Je 100 000 Einwohner unter 15 Jahren verunglückten im Jahr 2000 478 Kinder. Dank sei der Verkehrswacht und ihrer Präsidentin gesagt, die in diesem Bereich einiges an Entwicklung mit zum Guten gewendet hat. Jetzt hört sie nicht einmal ihr Lob, weil sie so intensiv in andere Gespräche versunken ist. - Im gesamten Bundesgebiet waren es im Unterschied zu Brandenburg durchschnittlich lediglich 353 Kinder, also je 100 000 Einwohner unter 15 Jahren über 120 weniger.

Die Deliktbelastung junger Menschen ist insgesamt nach wie vor höher als im Bundesdurchschnitt.

Diese Beispiele zeigen, dass Politik und Jugendhilfe gleichermaßen in ihren Bemühungen, die Lebenslage der Kinder und Jugendlichen zu verbessern, nicht nachlassen dürfen.

Die Zukunft liegt bei unseren Kindern. Die Jugend ist die Zu

kunft des Landes. Deshalb müssen wir Schule und Jugendhilfe im Rahmen des Ganztagsangebotes stärker zusammenbringen. Das ist das wichtigste Ziel, welches ich für die nächsten zwei bzw. vier Jahre bis zum Jahre 2007 habe. Weil die Bevölkerungszahl so stark zurückgeht und am ehesten und signifikantesten die Zahl der Jugendlichen gerade in den kleinen Dörfern unter 500, unter 200, unter 100 Einwohnern, werden wir an vielen Stellen im Land Jugendhilfe nicht mehr organisieren können. Frau Faderl fragt zu Recht: Was machen wir? Ich will Ihnen darauf eine Antwort geben. Wir müssen im Rahmen der schulischen Angebote Ganztagsangebote so organisieren, dass für die Jugendlichen zumindest in der Woche bis nachmittags 14 bzw. 16 Uhr an diesen Standorten eben auch die sportlichen Angebote organisiert werden können, denn in einem Dorf mit 500 Einwohnern, wo nur noch ein bis zwei Jugendliche in einer Altersstufe wohnen, können wir keinen Fußballklub mehr halten. Wir können auch keine Sport- und Freizeitangebote in der Woche anbieten. Sie müssen dadurch zusammengebracht werden, dass Schule und Jugendhilfe sich so zusammenfinden, dass aus Schule und Jugendhilfe etwas Neues wird. Schule und Jugendhilfe - beides Einrichtungen des vergangenen Jahrhunderts - müssen sich zu Häusern des Lernens weiterentwickeln, wo den ganzen Tag in Kooperation von Schule und Jugendhilfe ein ganzheitliches Angebot für Jugendliche vorhanden ist, wo Bildung, Erziehung und Betreuung in einem Dreiklang für Jugendliche organisiert werden.

Im Mittelpunkt der Jugendhilfepolitik des Landes Brandenburg standen im Berichtszeitraum deshalb die weitere Stabilisierung der Strukturen der Jugendhilfe und die fachliche Weiterentwicklung und Qualifizierung der Angebote und Leistungen in den einzelnen Handlungsfeldern.

Nicht erst seitdem moderne Managementmethoden Fragen der Qualitätsentwicklung in den Mittelpunkt stellen, ist die Güte der fachlichen Leistungen in der Jugendhilfe zentrale Aufgabe der öffentlichen und freien Träger.

Ein Punkt, an dem wir in besonderer Verantwortung stehen und wo wir in den letzten Jahren, glaube ich, aus diesem Haus nicht so gute Signale gesetzt haben, ist die Kindertagesbetreuung. Ein wesentlicher Bestandteil der Kinder- und Jugendhilfe ist nämlich die Kindertagesbetreuung. Ich habe manchmal den Eindruck, als ob letztlich das Land Sachsen an der Stelle gar nicht so schlecht beraten gewesen ist. Es hat auf einem sehr viel geringeren Niveau als wir begonnen, hat aber dieses Niveau fortgeschrieben. Wir haben auf dem weltweit höchsten Niveau begonnen und sind kontinuierlich zurückgegangen. Das verunsichert die Eltern. Deshalb müssen wir hier das klare Signal setzen, dass wir nicht reduzieren, sondern das, was wir jetzt erreicht haben, erhalten wollen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Das kann sich im bundesweiten Vergleich nach wie vor durchaus sehen lassen. Es geht darum, das nicht zu reduzieren, sondern in gemeinsamer Anstrengung in den künftigen Jahren fortzusetzen. Denn die Lebensbedingungen, die Arbeitsrhythmen von Familien werden zunehmend vielfältiger. Familie ist dort, wo Kinder sind. Aber deshalb muss Familie dort, wo Kinder sind, auch unterstützt werden und braucht die Hilfe des Staates, braucht die Hilfe der Gesellschaft.

Gleichzeitig werden nämlich die Handlungsspielräume auf

grund begrenzter finanzieller Ressourcen auch enger. Diese Entwicklungen finden ihre Entsprechung in der Zielsetzung und der Öffnung des Kindertagesstättengesetzes. Die Kindertagesbetreuung hat die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten und dient dem Wohl und der Entwicklung der Kinder. Der Leistungsverpflichtete hat für ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen, in Tagespflege oder in anderer geeigneter Form zu sorgen. Die Kindertagesbetreuung kann im Verbund oder in Kombination mit anderen Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe sowie des Sozial- und Schulwesens durchgeführt werden. - Die Geräuschkulisse entspricht dem Gegenstand, über den ich hier gerade referiere.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und des Abgeordneten von Arnim [CDU])

In diesem Bereich haben sich in den letzten Jahren durch die demographische Entwicklung große Veränderungen vollzogen. Der langsame Wiederanstieg der Zahl der Geburten seit dem Jahr 1995 hat sich erfreulicherweise fortgesetzt. Er wird aber in einem Höhepunkt, der noch fern von uns liegt, indem wir eine möglichst lange kontinuierliche Entwicklung nach oben haben, vermutlich nie mehr als die Hälfte dessen, was wir in den 80er Jahren an Geburten in Brandenburg hatten, erreichen.

Nach den vorliegenden Zahlen liegt der Altersdurchschnitt der Erzieherinnen derzeit bei wenig über 45 Jahren. Da etwa ab dem Jahr 2004 vermehrt Erzieherinnen und Erzieher in den Ruhestand treten werden, wird erheblicher Ersatzbedarf entstehen. Wir haben dieses Problem bereits jetzt im engeren Verflechtungsraum. Deshalb meine herzliche und dringende Bitte, sich antizyklisch auszubilden, das heißt, jetzt mit einer Erzieherausbildung zu beginnen, jetzt ein Lehrerstudium zu beginnen, damit in den Jahren größerer Ersatznotwendigkeiten auch genügend Jugendliche aus Brandenburg eine gute Ausbildung vorweisen können.

Wir stehen vor wichtigen und großen Herausforderungen. Auch wenn die demographische Entwicklung im Kita-Bereich nicht mehr so gravierend sein wird, werden sich im Berichtszeitraum der künftigen Jahre aufgrund des Rückgangs der Zahl der Jugendlichen deutliche Veränderungen zeigen. Wir müssen uns darauf einstellen und schon jetzt die entsprechenden Konzepte entwickeln, damit das, was wir für Jugendliche im Land Brandenburg für die Zukunft vorhalten, auch verbesserte oder zumindest gleich gute Rahmenbedingungen sichert. Dabei sind wir alle gefordert - bei den Haushaltsberatungen, aber auch, wenn es um die Schaffung von guten Bedingungen vor Ort geht.

Ich bitte Sie, dass wir uns gemeinsam auf der Grundlage der guten Lektüre dieses Berichts - wenn Sie ihn noch nicht gelesen haben, dann nehmen Sie ihn mit in den Urlaub und lesen ihn gründlich - auch im neuen Schuljahr intensiv um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Kinder und Jugendlichen bemühen. Unsere Kinder und Jugendlichen sind die Zukunft für unser Land. Alles Gute für uns und für unsere Kinder! - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Minister Reiche und gebe das Wort an die Fraktion der PDS, Herrn Abgeordneten Hammer.

Ehe Herr Hammer am Rednerpult ist, möchte ich wieder Gäste im Landtag begrüßen. Und zwar sind es Teilnehmer des Angestelltenlehrganges an unserer Landesakademie für öffentliche Verwaltung in Neufahrland. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Bitte schön, Herr Hammer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Reiche, ich staune immer wieder: Wir schauen in das gleiche Zahlenwerk, aber wir kommen zu völlig anderen Ergebnissen. Der 3. Kinder- und Jugendbericht - Aufwachsen im Land Brandenburg - ist komplex - ich fange einmal mit dem Lob an -, informativ, überministeriell kurz, eine bemerkenswerte Fleißarbeit. Es ist positiv, dass der Bericht endlich vorliegt. Er enthält eine Reihe nützlicher Informationen und interessantes Zahlenmaterial. Er widmet sich den wichtigsten Fragen der Kinder- und Jugendarbeit. So beschreibt er unter anderem die Punkte Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Kinder- und Jugendschutz, Hilfen zur Erziehung, Kindertagesbetreuung, Landesjugendplan usw. - das gesamte Spektrum.

Aktuelle Studien wie die Shell-Studie - Herr Minister sagte es sind in das Kompendium eingeflossen. Der einzige Nachteil: Der konkrete Jugendliche, die konkrete Biographie verschwindet in der Tendenz oder hinter Zahlen. Zwei Typen, wie sie die Shell-Studie charakterisiert, sind zum Beispiel der selbstbewusste Macher und der robuste Materialist. Der eine wird die typische Gymnasialbiographie hinter sich bringen, mit der materiellen Unterstützung aus dem Elternhaus ein Studium beginnen oder die Wegzugsprämie in Anspruch nehmen, um die Lehrstelle zu erhalten, die er in Brandenburg nicht bekommen kann. Zwischendurch hat er sich noch bei der Berlin-Brandenburgischen Landjugend die Jugendleitercard erworben, um dann nicht ohne Trauer in den Westorbit zu verschwinden.

Der robuste Materialist wird schon in der Schule durch den Ellenbogeneinsatz aufgefallen sein. Er fällt seiner allein erziehenden Mutter zur Last und ist ein Verkehrsrowdy. Er wird mit Ach und Krach eine überbetriebliche Ausbildung schaffen, um dann an der so genannten zweiten Schwelle zu scheitern. Wenn es gut geht, bleibt er ein stiller Versorgungsfall auf dem zweiten Arbeitsmarkt, wenn es schlecht geht, finden wir ihn in der Kriminalitätsstatistik oder im Verfassungsschutzbericht wieder.

Wer die Jugend hat, hat die Zukunft. Das hat der Minister gesagt. Doch ein komplexes Angebot für junge Menschen in unserem Land fehlt - sowohl für den selbstbewussten Macher als auch für den robusten Materialisten. Um das zu verdeutlichen, zitiere ich aus dem Bericht:

„Im Land Brandenburg waren 25 833 junge Menschen... im Jahr 2000 arbeitslos. Dies ist gegenüber dem Vorjahr eine Zunahme um 2 888 Personen oder um 12,6 %. Die entsprechende Arbeitslosenquote lag im Jahr 2000 bei 16,7 %.“

Heute beträgt die Quote 19,9 % und das bei einer sich immer mehr reduzierenden Anzahl von Jugendlichen. Beide - der Macher und der Materialist - brauchen zu allererst sinnstiftende Arbeit, die nicht nur gutes Geld bringt, sondern mit der man sich auch identifizieren kann.

Auch andere Aussagen sind Besorgnis erregend. In Brandenburg sind immer mehr Kinder und Jugendliche auf Sozialhilfe angewiesen. Zwischen 1994 und 2000 hat sich ihre Zahl um 24,2 % erhöht. Bei Kindern unter sieben Jahren waren es sogar 35,6%. Ein Drittel aller Familien mit Kindern muss mit weniger als 1 500 Euro netto im Monat auskommen.

Machen wir uns mit den Daten zur Familiensituation vertraut, so stellen wir fest: Der Anteil von Familien mit Kindern sinkt stetig und beträgt in der Zwischenzeit weniger als die Hälfte. Menschen mit Kindern gehören nicht mehr zu den Mehrheiten. Der Trend geht immer mehr zur 1-Kind-Familie. Das ist bedenklich, weil ein großer Teil der Kinder ohne Geschwister aufwächst. Daraus resultiert ein Mangel an sozialer Erfahrung. Das erhöht die Bedeutung von Einrichtungen wie Kitas und Ganztagsschulen. Hier bin ich den Bemerkungen von Herrn Minister Reiche mit Freude gefolgt.

Die Entwicklung geht aber in eine andere Richtung. Schlimmer ist, dass sich die Gesellschaft nicht mehr reproduziert. Mit 4,5 % hat sich der Anteil der Minderjährigen an der Bevölkerung, die Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, verdoppelt. Damit gibt es ein signifikantes Armutsproblem unter Kindern und Jugendlichen.

Letzter Punkt, die Gewaltbereitschaft. Fast ein Drittel aller Straftaten entfällt auf Kinder und Jugendliche, bei Gewalttaten war sogar jeder zweite Tatverdächtige jünger als 21 Jahre. Damit lag Brandenburg im Berichtszeitraum deutlich über dem Bundesdurchschnitt und auch hinsichtlich der Brutalität von Gewalt war Brandenburg unrühmliche Spitze. Insofern ist zwar der Rückgang der Kriminalität interessant, aber Brandenburg war trotzdem die Spitze.

Unter dem Gesichtspunkt der Selbstverantwortung müssten sich viele Eltern mehr um ihre Kinder kümmern. Doch wenn sie es aus oben genannten Gründen nicht tun können, weil sie mit sich selbst beschäftigt sind oder ihren Platz in diesem Leben und in dieser Gesellschaft nicht finden können, ist es Aufgabe der Gesellschaft, Perspektiven zu schaffen. Tut sie es nicht, muss sie später umso mehr dafür bezahlen.

Doch was macht die Landesregierung? Sie spart weiter, und zwar in solchen Dimensionen, dass die Vereine und Verbände vor Ort keinerlei Gestaltungs- und Handlungsspielraum mehr für sich sehen. Engagierte junge Leute sind ratlos, frustriert und ohnmächtig. Es werden Strukturen geschädigt, vor allem aber gerade dort, wo sie am nötigsten gebraucht werden, nämlich im ländlichen Raum.

Natürlich wissen wir, dass keine unerschöpflichen Reserven zur Verfügung stehen. Wir bleiben bei unserer Forderung, dass Vorhandenes gerechter, universeller und unter anderer Prioritätensetzung verteilt werden muss. Wir arbeiten an einem komplexen Angebot, das die Ressourcen der Wirtschafts- und Wissenschaftsförderung sinnvoll mit einer flexiblen Jugendförderung verbindet. Das heißt, wir werten den Bericht nach unserem Verständnis aus. Wir sind der Meinung: Komplexe Probleme brauchen komplexe Lösungen. - Danke.

(Beifall bei der PDS)