hilfe begibt und dies mit einer erhöhten Beteiligung finanziert wird - in dem Sinne, dass dem Betroffenen ein konkretes Angebot unterbreitet wird -, dann muss dies doch dagegen aufgewogen werden! In das System fließt wieder Geld, das dafür verwendet werden kann.
Wir sind uns darin einig, dass keine pauschale Absenkung des Arbeitslosengeldes auf die Sozialhilfe erfolgen darf - am 13. März wurde es noch so angekündigt -; vielmehr wird es ein Stufenmodell geben.
- Ja, es wird ein Stufenmodell mit einer Staffelung von zwei Jahren geben. Im ersten Jahr wird es maximal 160 Euro zusätzlich für den Hilfeempfänger, der nicht verheiratet sein muss, geben, das heißt ca. 60 % vom Arbeitslosengeld auf die Sozialhilfe. Pro Kind gibt es noch einmal 60 Euro. Das hat die Arbeitsgruppe aus Vertretern des BMWA und der zuständigen Länderministerien ausgehandelt und es ist im Stufenmodell bereits verankert. Im zweiten Jahr gibt es die Hälfte des Betrages des ersten Jahres; erst im dritten Jahr erfolgt die Absenkung auf das Niveau der Sozialhilfe.
Wenn jemand an der einen oder anderen Stelle mehr Geld einsetzen möchte, weil zum Beispiel das Niveau der Arbeitslosenhilfe auf das der Sozialhilfe heruntergefahren wird, und wenn er andererseits mehr Geld für die Kommunen fordert, dann muss man ihm entgegenhalten: Das sind kommunizierende Röhren. Wenn die Sozialhilfe aufgestockt werden soll, dann bedeutet das, dass Eichel das Geld nicht sparen kann, um es den Kommunen zu überlassen. Die entsprechenden Mittel müssen dann zwangsläufig aus einem anderen Haushalt, der wahrscheinlich von der Bundesanstalt für Arbeit geführt wird, finanziert werden. Das ist aus meiner Sicht wenig sinnvoll. Ich halte das vorgeschlagene Stufenmodell - 160 Euro plus 60 Euro - für einen vertretbaren Kompromiss, der es den Kommunen ermöglicht, wieder zu investieren.
Mir liegt ein weiterer Punkt besonders am Herzen. Ich weise seit Jahren, seit meiner Zeit als Verwaltungsausschussmitglied in Potsdam, darauf hin, dass wir mit der Bundesanstalt in dieser Form nicht klarkommen werden; denn sie ist nicht in der Lage, die Menschen in Arbeit zu vermitteln. Ich erläutere Ihnen das an einem Bild: Der Arbeitsmarkt ist die Straße, die Unternehmen fungieren als Motor. Bislang fehlt das Getriebe, das heißt die Vermittlung zwischen beiden Komponenten. Die Betreuungsquote lag bei 1 : 800; in Brandenburg hatte ein Vermittler der Bundesanstalt zeitweise 900 Arbeitslose zu betreuen. Es ist vollkommen klar, dass dies nicht funktionieren kann. Der Vermittler bei der Bundesanstalt hat nicht gewusst, von wem er eigentlich sprach, wenn er mit dem Unternehmen Kontakt aufgenommen hat; auf der anderen Seite war es genauso, das heißt, der Vermittelte kannte nicht die Unternehmen vor Ort.
Gegenwärtig liegt die Quote bei 1 : 435. Angestrebt wird ein Schlüssel von 1 : 75. So steht es auch in dem Papier. Das halte ich für sehr vernünftig. Dieser geringere Schlüssel kommt auch den Empfängern von Arbeitslosenhilfe bzw. Sozialhilfe zugute; denn sie erhalten eine höhere Vermittlungschance in den ersten Arbeitsmarkt.
Ich erlebe häufig Diskussionen über die bei den Bildungsträgern zu verzeichnende Verbleibsquote von 70 %. Ich bin bran
denburgischer Arbeitsminister und dürfte eigentlich keine Ohren mehr haben. Wohin ich auch komme, seit Wochen fordern die Weiterbildungsträger: Herr Baaske, wir brauchen eine Lex Ost! - Zunächst war ich dafür. Ich habe argumentiert: Wir können die Verbleibsquote von 70 % bei Weiterbildungsmaßnahmen im Osten nicht anwenden; denn diese Quote ist nicht zu erreichen.
Dann habe ich in Prenzlau, Templin und Bernau mit Betroffenen gesprochen. Einige Arbeitslose haben mir gesagt: Herr Baaske, ich habe einen Bildungsgutschein. Wohin soll ich damit gehen? - Ich habe geantwortet: Überlege dir gut, was du machen willst, und dann gehst du zu einem Bildungsträger aus der Region. - Daraufhin höre ich: Dort habe ich schon drei Weiterbildungsmaßnahmen absolviert. Ich muss mir gut überlegen, was ich mit dem einen Weiterbildungsgutschein mache. - Man muss wissen, dass die Zeit, die man in der Weiterbildungsmaßnahme verbringt, auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes hälftig angerechnet wird. Angesichts dessen muss man sich erst recht überlegen, an welcher Weiterbildungsmaßnahme man teilnimmt. Es ist also sehr wichtig, dass der Teilnehmer an einer Weiterbildungsmaßnahme weiß, dass diese zuvor auf ihre Qualität hin geprüft worden ist. Es darf nicht nur mit Hochglanzbroschüren unter dem Titel „Komm zu uns, danach bekommst du Arbeit!“ geworben werden. Es muss sichergestellt sein, dass die Vermittlungsquote nach Absolvierung einer Maßnahme bei mindestens 70 % liegt.
Wir sollten nicht dem ständigen Drängen nach Einführung einer „Lex Ost“ nachgeben, das heißt der Möglichkeit, auch bei einer Vermittlungsquote von nur 50 % die Menschen auszubilden.
Ich bin mir sicher, dass zahlreichen Teilnehmern an Bildungsmaßnahmen besser geholfen worden wäre, wenn wir gesagt hätten: Diese Bildungsmaßnahme kostet einen bestimmten Betrag, den wir auf das Arbeitslosengeld drauflegen. Dafür wird der Arbeitslose irgendwo sinnvoll beschäftigt, sei es in der Kommune, sei es anderswo. Damit hätten wir viel mehr erreicht als mit diesen Maßnahmen.
Ein letztes Wort noch zur Ausbildungsplatzabgabe. Niemand in der SPD, mit Ausnahme vielleicht von einigen wenigen, die seit Jahren nicht zu bekehren waren, will ernsthaft, dass wir unbedingt und unter allen Umständen die Ausbildungsplatzabgabe bekommen. Aber selbst mit den 5 000 Ausbildungsplätzen, die wir zusätzlich schaffen - die kosten uns 50 Millionen Euro -, werden wir trotzdem noch in der Situation sein, dass wir 1 500 Lehrstellensuchende haben, die keine Lehrstelle bekommen. Wir schieben einen Berg von etwa 4 000 bis 5 000 Jugendlichen vor uns her, die in den letzten Jahren keinen Ausbildungsplatz bekommen haben bzw. abgesprungen sind, bei denen es nicht geklappt hat. In dieser Situation sind wir. Wir können es uns als Politiker nicht leisten und wir können es uns in der Wirtschaft nicht leisten, 1 500 jungen Menschen, die wir bis zur 10. oder 12. Klasse gebracht haben, dann zu sagen, dass
wir sie nicht mehr brauchen. Das können wir nicht akzeptieren. In einer solchen Situation, wo der Staat finanziell am Ende ist, ist noch einmal ein starker Druck auf die Wirtschaftsunternehmen notwendig.
Meine Damen und Herren, das „Handelsblatt“ ist bestimmt keine Gazette, die verdächtig wäre, den Sozis an solch einer Stelle unter die Arme zu greifen. Aber wenn Sie sich das gestrige „Handelsblatt“ ansehen, werden Sie feststellen, dass es schon ein deutliches Zeichen war. Es stand nämlich darin, dass man nachgewiesen hat, dass Ausbildung den Ausbildungsunternehmen nützt, dass Azubis in der Regel dafür sorgen, dass Geld in die Unternehmen fließt, dass sie also kein zusätzliches Geld kosten, sondern etwas für die Unternehmen tun und ihnen auch etwas bringen. Den Artikel von gestern kann ich Ihnen gern zur Verfügung stellen, übrigens ist er auch unterschrieben vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Auch das muss man noch einmal deutlich sagen: Selbst die haben das mit unterstützt.
Wenn wir aber jetzt in dieser Situation sind, ist eine Ausbildungsplatzabgabe natürlich nicht das beste aller Mittel; denn dann sind wir immer noch dabei, Geld einzusammeln, was auch sehr aufwendig ist, und können dieses Geld dann auch nur für Ausbildungsverbünde bzw. eine Ausbildung im kooperativen Modell ausgeben, wo also im OSZ die theoretische Ausbildung und dann bei Weiterbildungsträgern die praktische Arbeit stattfindet. Das heißt, die Maurerazubis bauen dann vormittags eine Mauer, die am Nachmittag wieder eingerissen wird. Das macht natürlich auch keinen Spass und es ist längst nicht die Ausbildung, die wir im dualen System erzielen können. Die Zielrichtung ist nach wie vor duale Ausbildung in der Industrie und in den Handwerksberufen und nicht die Ausbildungsplatzabgabe.
Aber wenn das nicht erreicht wird, denke ich, bleibt uns gar keine andere Möglichkeit, als auch zu diesem letzten Mittel zu greifen.
Die PDS hat ihre Aktuelle Stunde unter das Motto einer Frage gestellt. Ich will diese ganz klar beantworten: Nein.
Ich danke Herrn Minister Baaske. - Ich gebe das Wort noch einmal an die Fraktion der PDS, an Herrn Abgeordneten Thiel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aktuelle Stunden beschäftigen sich mit brennenden aktuellen Themen und die Parteien stellen ihre unterschiedlichen Positionen zu den Themen dar. Ich glaube, das ist heute gelungen und die Betroffenen werden beurteilen, wer letztendlich ihre Interessen aufnimmt und Vorschläge unterbreitet, wie man ihre Lage verbessert, und sie werden dann entsprechende Schlussfolgerungen ziehen und - Herr Müller, ich kann nicht umhin, Ihnen das zu sagen - sie werden es natürlich auch beurteilen, wenn von einem Sozialdemokraten Vorschläge der Opposition, die eigentlich die Sicherung sozialstaatlichen Handelns in diesem
Aber, wie gesagt, das werden die Betroffenen beurteilen und nicht wir. Übrigens - ich gebe ja die Hoffnung nicht auf - zeugen davon auch die Turbulenzen in der SPD und ich weiß nicht, ob es dem Bundeskanzler gelungen ist, tatsächlich jene zur Räson zu bringen, die letztendlich unbequeme Wahrheiten sagen. Ich erinnere an Ihren SPD-Kollegen Ottmar Schreiner, der einmal formuliert hat, er wisse im Grunde genommen schon nicht mehr zu beurteilen, ob es noch möglich sei, im Rahmen dieses neoliberalen Mainstreams überhaupt noch Gegenargumente zu bringen; denn letztendlich werden hier Lebenslügen verbreitet, die leider auch geglaubt werden.
Ein Plakat mit dem Slogan „Weniger Sozialstaat bringt mehr Jobs“ sorgte erst kürzlich für Streit zwischen den Koalitionspartnern. Vor ein paar Tagen war das Plakat noch zu sehen, zumindest in Berlin. Inzwischen ist bekannt, dass mehrere Spitzenpolitiker von SPD und Grünen zu einer überparteilichen Initiative gehören, die das Plakat kleben ließ. Jene relativierten natürlich schnell die Plakataussage und ihre persönliche Mitverantwortung. Ich frage mich: Warum eigentlich? Ich finde, so viel Ehrlichkeit war bei den jetzt Regierenden selten. Denn, meine Damen und Herren, dieses Plakat verdeutlicht haargenau die Grundphilosophie der Agenda 2010. Und das ist das, was wir beklagen. Das können Sie, Herr Baaske, als Minister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen auch mit sicherlich richtigen Argumenten nicht zudecken. Es geht im Grunde genommen darum, dass es sich bei der Agenda 2010 nicht um eine Reform des Sozialstaates handelt, sondern um dessen Abbau.
Übrigens, der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, hat in einem Interview für „Die Welt“ am vergangenen Wochenende ganz offen ausgesprochen, wovor sich andere noch scheuen, nämlich, dass mit der Agenda 2010 der Sozialstaat zurückgeschnitten werden soll. Gerster sieht zudem in der Agenda 2010 auch nicht die Reform selbst, sondern nur erste Schritte, und begründet das unter anderem mit der bestehenden Absicht zur Pauschalierung von Sozialhilfeleistungen.
Übrigens ist heute im „Tagesspiegel“ nachzulesen, dass im Gegensatz dazu 1,7 Millionen Beamte mit 2,4 % Lohnerhöhung rechnen können. Der soziale Kahlschlag, liebe Kolleginnen und Kollegen, soll also weitergehen.
Mit der Agenda 2010 will die rot-grüne Regierung die Bundesrepublik bis zum Ende des Jahrzehnts aus der Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise führen, die Blockaden der letzten Jahre sollen überwunden, die Wirtschaft belebt und vor allem Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir bezweifeln mit Recht, dass diese
durchaus begrüßenswerten Ziele mit den in der Agenda genannten Ansätzen tatsächlich erreicht werden können. Denn im Wesentlichen konzentriert sich die Bundesregierung mit den vorgesehenen Maßnahmen fälschlicherweise auf drastische Leistungskürzungen in den sozialen Sicherungssystemen und nicht auf die Schaffung von so dringend benötigten Arbeitsplätzen.
Neben der konservativ-liberalen Opposition gehen den Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden, einigen wissenschaftlichen Beratungsgremien - ich nenne das Stichwort Rürup -, aber auch Teilen der meinungsbildenden Medien diese Einschnitte bekanntlich nicht weit genug. So wollen CDU/CSU in den anstehenden Verhandlungen mit der Bundesregierung zum Beispiel Eingriffe in Tarifvertragsgesetz und Tarifautonomie sowie die Absenkung der Sozialhilfe durchsetzen.
Wir dagegen widersprechen dieser Politik, weil die angekündigten Maßnahmen weder die gravierenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt beseitigen noch die sozialen Systeme zukunftssicherer machen werden. Eine Politik aber, die auf falsche Sanierungsinstrumente setzt und dabei ganz offensichtlich den permanenten Forderungen konservativ-neoliberaler Lobbygruppen nachgibt, ist weder mutig noch reformorientiert. Nein, meine Damen und Herren, die neue Qualität dieser Agenda liegt nach unserer Überzeugung darin, dass nunmehr das bewährte europäische Sozialstaatsmodell zur Disposition steht, anstatt es den neuen Bedingungen - zum Beispiel der negativen demographischen Entwicklung bzw. der strukturellen Arbeitsmarktkrise - anzupassen. An die Stelle des bewährten Lohnersatzleistungsprinzips zum Beispiel, welches die Arbeitslosenhilfe bisher charakterisiert hat, tritt jetzt lediglich das Ziel der nackten Armutsvermeidung.
Wir widersprechen gleichzeitig der These, dass der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar und selbst die Ursache von anhaltender wirtschaftlicher Wachstumsschwäche und steigender Arbeitslosigkeit ist. Und weil immer wieder der Vorwurf zu unseren Forderungen nach der Vermögensteuer kommt, will ich Ihnen ein paar Zahlen nennen: Steuer auf Einkommen und Gewinne im internationalen Vergleich in Prozent Bruttosozialprodukt im Jahr 2000, übrigens Berechnungen von DIW, nicht von uns:
Dänemark ca. 30 %, Schweden 22 %, Deutschland liegt bei 11 %; Steuern auf Vermögen im internationalen Vergleich: England 3,6 %, Frankreich 3,2 %, Deutschland liegt bei 0,8 %.
marktkrise durch noch mehr Druck auf die Arbeitslosen zu lösen, bekämpft die Betroffenen und nicht die Ursachen der Arbeitslosigkeit. Die PDS setzt ihre eigene Agenda Sozial gegen die Agenda 2010. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Abgeordneten Thiel. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe den Tagesordnungspunkt 2.