Protocol of the Session on May 21, 2003

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Er ist als Einstieg zur Bewältigung der Veränderungsnotwendigkeit zu sehen und stellt keinen Schlusspunkt dar.

Ich habe einleitend gesagt: Es geht um das Land Brandenburg. Ich wiederhole es: Entweder wir - Land, Landkreise und Kommunen - schaffen es gemeinsam, oder wir schaffen es nicht. Das Gesetz ist wichtig, um die notwendigen Veränderungen bewältigen zu können. Deswegen bitte ich Sie, dem Gesetz zum Wohle Brandenburgs zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort geht noch einmal an die PDS-Fraktion. Für sie spricht als zweite Rednerin die Abgeordnete Große.

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Während der für Bildung zuständige Minister der großen Koalitionspartei in den letzten Tagen mit der Forderung nach einem elternbeitragsfreien Vorschuljahr in die Schlagzeilen geriet,

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

wofür er von Landräten derselben Partei umgehend als „Hasar

deur“ beschimpft wurde, obwohl diese Forderung der SPD-Beschlusslage entspricht, wird der kleinere Koalitionspartner nicht müde, die Familiengeldlegende im Lande zu verbreiten. Während also beide Koalitionsparteien dem Volke wunderbare Geschenke verheißen, läuft im Landtag ein ganz anderer Film im Schnelldurchlauf!

(Beifall bei der PDS)

Es ist eine perfide Inszenierung, die da abläuft. Sie soll davon ablenken, dass heute ein Gesetz auf den Weg gebracht werden soll, das dem Abbau des Sozialstaates, wie er in der Agenda 2010 bundesweit vorgesehen ist, in nichts nachsteht.

(Beifall bei der PDS)

Sozialabbau Marke Brandenburg also; „strukturelles Umsteuern“ nennt es Herr Minister Schönbohm. Herr Minister Schönbohm, Sie müssen schon selbst klären, wer und was uns in die von Ihnen genannte Schuldenfalle getrieben hat.

(Beifall bei der PDS)

Unbeeindruckt vom Protest der 12 000 Bürgerinnen und Bürger vom Aktionsbündnis „Für unsere Kinder“ im April; unbeeindruckt von den uns vorliegenden zahlreichen Unterschriften von Eltern, Lehrern, Erziehern und Kindern; unbeeindruckt vom vernichtenden Ergebnis der Anhörung wird heute das Bürgerbelastungsgesetz durchgepeitscht.

(Beifall bei der PDS)

Die tragende Säule dieses Artikelgesetzes bilden die Artikel 1, 2 und 3. Betroffen von den Gesetzesänderungen sind Kinder, Jugendliche und lernende Erwachsene, Menschen also, die für Zukunft stehen. Mit Kita, Schule und Weiterbildung müssen zudem drei Bereiche als Steinbruch herhalten, die schon in den letzten Jahren ständig und überdimensional zur Haushaltssanierung genutzt wurden. Ich erinnere an die Kita-Gesetz-Novellierung. Laut Wahlprogramm der SPD sollte es die letzte sein. Ich erinnere an die Streichung von 11 100 VZE-Lehrerstellen seit 1990 und an die Kürzungen bei der Weiterbildung im gerade verabschiedeten Nachtragshaushalt um ein Viertel der Gesamtmittel.

Von den 140 Millionen Euro, die den Kommunen genommen wurden, sollen im Zuge dieses Gesetzes allein 100 Millionen Euro durch Kinder, Schüler und Lernende getragen werden. Das ist in höchstem Maße unverhältnismäßig und kurzsichtig.

(Beifall bei der PDS)

Mit PISA wurden uns ein erhebliches Modernisierungsdefizit im Bereich der frühkindlichen Bildung und Erziehung sowie eine besorgniserregende soziale Indikation bescheinigt. Die Botschaft „Auf den Anfang kommt es an“ meint eben nicht das Sparen in diesem Bereich, schon gar nicht das Sparen bei den durch die Arbeitslosigkeit ihrer Eltern ohnehin benachteiligten Kindern.

Darüber hinaus soll das Gesetz weitere Einsparpotenziale im Bereich der Grundschulkinder erschließen. Noch gibt es in Brandenburg keine Ganztagsgrundschulen. Dies hielten wir

durchaus für eine Option - aber doch nicht über den Rückschritt zu elternbetreuten Spielkreisen! Dies würde zudem für die Kommunen einen Mehraufwand bedeuten.

(Beifall bei der PDS)

Gerade in der Grundschule brauchen wir ein Mehr an Bildung und Erziehung. Dass mit Artikel 1 eine Änderung an dem Gesetz, das vom Landesverfassungsgericht als nicht verfassungskonform eingestuft wurde, vorgenommen werden soll, sei nur am Rande vermerkt. Dass wir gerade an die als nicht leistungsverpflichtet festgestellten Gemeinden und Städte Forderungen erheben, ist schon absurd.

Unter dem Strich wird Folgendes stehen: Die Standards werden sich verschlechtern. Die Elternbeiträge müssen erhöht werden. Die zu erbringenden Einsparungen durch Trägerwechsel und Tagesmütter können nicht erbracht werden, wie eben festgestellt wurde. Die Auseinandersetzungen vor Ort aber müssen die Kommunen führen, und zwar im Kommunalwahljahr.

Ich komme zu § 112 und § 124 Schulgesetz. Das Desaster, das mit der Schulgesetzänderung angerichtet wird, ist in seiner Dimension offensichtlich noch nicht allen klar. Die Kreise arbeiten derzeit fieberhaft an neuen Satzungen, die das Ausmaß der Grausamkeiten deutlich machen werden. Kurz vor der Kommunalwahl im Oktober werden dann die Eltern mit erheblich gestiegenen Fahrtkostenbeteiligungen konfrontiert sein oder dort, wo bisher erstattet wurde, plötzlich erheblich neue Belastungen zu verkraften haben. Hier wird ein Paradigmenwechsel eingeleitet, der in Zeiten der Schließung von Schulstandorten und länger werdender Schulwege im äußeren Entwicklungsraum wiederum Chancenungleichheit manifestieren und soziale Härten zur Folge haben wird.

(Beifall bei der PDS)

Die Kreise sind nunmehr zwar immer noch Träger der Schülerbeförderung - zusätzlich für Schüler von Ersatzschulen, auch wenn das heute verschoben wird -, aber sie haben nicht mehr die Pflicht zur Erstattung, die im geltenden Schulgesetz noch festgeschrieben ist. Die Regelung in Verantwortung der Kreise durch Satzung wird also von der jeweiligen Haushaltslage abhängig sein und eben nicht, Herr Minister Schönbohm, von den örtlichen Gegebenheiten.

(Beifall bei der PDS)

Wo bleibt hier der Gleichheitsgrundsatz? Mit diesem Artikel wird der schleichenden Privatisierung von Schule eine weitere Tür geöffnet. Scharfe Kritik haben wir zudem an der Beschränkung der Anspruchsberechtigten als Option, wozu dann Schüler der Sekundarstufe II nicht mehr gehören. Geöffnet werden nun auch alle Wege dafür, dass die Erstattung in Abhängigkeit von der Wahl des Bildungsganges gewährt wird. Beides manifestiert Bildungsprivilegien. Es wird also auch in Brandenburg künftig vom Geldbeutel der Eltern abhängen, welche Schule ein Kind besuchen kann.

(Beifall bei der PDS)

Dass es Kreise gibt, die im Europäischen Jahr der Behinderten selbst Schülern mit Behinderungen Fahrtkosten auferlegen, die

kaum mehr leistbar sind, gehört zu den ersten Auswüchsen des heute zu beschließenden Gesetzes.

(Skandal! bei der PDS)

Eine Folgenabschätzung für den ÖPNV wurde bisher nicht vorgenommen. Dass dies alles nicht folgenlos bleiben wird, dürfte allen Kommunalpolitikern unter uns klar sein.

Dass auch die Folgen der vorgesehenen Änderung des Weiterbildungsgesetzes katastrophal sind, werden wir alle demnächst in unseren Kreisen zu spüren bekommen. Weiterbildung in öffentlicher Trägerschaft wird in die Bedeutungslosigkeit abgedrängt werden, gewachsene Strukturen werden zerbrechen, Förderungen aus Bundes- und EU-Mitteln können nicht mehr genutzt werden. Die Folgekosten für die Gesellschaft werden die heutigen Einsparsummen um ein Vielfaches übersteigen, Herr Petke.

(Beifall bei der PDS)

Im Übrigen lesen Sie noch einmal nach. In der Verfassung steht wirklich das Recht des Kindes auf einen Platz.

Ich fordere Sie, verehrte Abgeordnete, daher auf, unseren Änderungsanträgen, die auf eine Streichung der genannten drei Artikel abzielen, zuzustimmen. Die SPD könnte sich damit heute selbst noch etwas glücklich machen, denn so ist sie es ja nicht. Ich bitte Sie um Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über eine ganze Reihe von Änderungsanträgen abstimmen und beginne mit dem Änderungsantrag der DVU-Fraktion in Drucksache 3/5896. Es geht um die Streichung des Artikels 1. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der PDS-Fraktion in der Drucksache 3/5908. Dabei geht es um die Streichung der Artikel 1, 2 und 3. Da dazu frist- und formgerecht eine namentliche Abstimmung beantragt worden ist, lasse ich über diesen Änderungsantrag namentlich abstimmen.

Ich bitte die Schriftführer, mit dem Namensaufruf zu beginnen, und Sie bitte ich um ein unmissverständliches Votum, wenn Sie aufgerufen sind, und um Unterstützung durch Ruhe, wenn Sie nicht aufgerufen sind.

(Namentliche Abstimmung)

Gibt es jemanden im Saal, der keine Gelegenheit hatte zu votieren? - Dann schließen wir die Abstimmung. Ich bitte um einen Moment Geduld für die Auszählung.

Ich gebe Ihnen das Ergebnis bekannt: Für den Antrag stimmten 18 Abgeordnete, Gegenstimmen gab es 53. Bei 5 Enthaltungen bedeutet das eine mehrheitliche Ablehnung.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 5153)

Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der DVU-Fraktion in Drucksache 3/5895. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zum Änderungsantrag der DVU-Fraktion in Drucksache 3/5898. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zum Änderungsantrag der PDS-Fraktion in Drucksache 3/5904. Wer diesem Änderungsantrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse abstimmen über den DVU-Antrag in Drucksache 3/5894. Wer dem zustimmt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zum Änderungsantrag der PDS-Fraktion in Drucksache 3/5903. Wer diesem folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit mehrheitlich abgelehnt.