Die Situation ist - das ist verschiedentlich charakterisiert worden - dramatisch. Einnahmen brechen zusammen. Das führt zur Infragestellung von bisher existierenden Strukturen im Sozialsystem, im Bereich der Bildung, im Bereich der Kinderbetreuung und im Bereich der Jugend- und Kultureinrichtungen. Ich fand den Artikel „Der Herr Innenminister vermisst eine Debatte über Prioritäten im Sparhaushalt“ in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ vom 8./9. Februar dieses Jahres bemerkenswert. Das war zu Beginn der Debatte zum Nachtragshaushalt und ich habe gedacht: Jetzt werden wir - weil es jetzt von der CDU als Regierungspartei gewünscht wird - in Brandenburg das erleben, was bisher immer wir eingefordert haben, nämlich eine Debatte über die Prioritäten.
Was haben wir erlebt? - Die Anträge wurden eingebracht, die Anträge wurden begründet und die Anträge wurden abgelehnt. Was sich dabei im Normalfall als zumindest im parlamentarischen Verfahren anständig erwiesen hätte, wäre gewesen, zu
mindest einmal die Begründung dafür zu geben, warum man dieses und jenes nicht machen kann und warum man diese und jene Finanzierungsquelle für nicht geeignet hält. Ich sage das deshalb, weil Sie, meine Damen und Herren, auch immer Ihre Schwierigkeiten haben. Sie und besonders die sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen haben nun seit 12 Jahren immer wieder begründet, warum sie besonders erfolgreich sind. Nun sagt der Ministerpräsident: Wir haben über die Verhältnisse gelebt. - Wer? Er, Sie oder jene, die Ihnen etwas anderes vorgeschlagen haben? Übrigens haben auch die Kollegen der CDU dies getan, solange sie nicht in dieser Regierung waren.
Dass die Schuldfrage geklärt ist, entnehme ich auch diesem Innenministerinterview; denn Schuld an dieser Entwicklung sind die Entscheidungen der SPD-geführten Landesregierungen der 90er Jahre und selbstverständlich die verfehlte Steuer- und Wirtschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung seit 1998. Beides hat uns in diese dramatische Lage gebracht.
Dann wird natürlich von den Journalisten - freundlich und sozialdemokratisch wohlgesonnen, wie sie manchmal sind - darauf hingewiesen, dass die SPD den Haushalt seit Mitte der 90er Jahre konsolidiert. Dazu sagt Herr Schönbohm tatsächlich:
„Das muss uns verborgen geblieben sein. Solche SPDBehauptungen sind die Girlanden ums Fenster. Der Großteil der Schulden stammt aus den 90er Jahren.“
- Die Sprache ist angenehm und in Ordnung. Ich sage nur, meine Damen und Herren, Sie kommen nicht zum Thema, nämlich dem, dass Sie eingestehen müssen, dass Sie mit Ihrem Kurs das Geld ausgeben und hinterher andere dafür verantwortlich machen. Dass Sie es ausgegeben haben, um dann auch noch einsparen oder kürzen zu müssen, und dafür noch woanders und nicht bei sich die Zuständigkeit suchen, ist ein infames Geschäft. Das ist zurückzuweisen.
Ich finde - insofern bin ich dafür voller Dankbarkeit - das Interview der Finanzministerin in der „Lausitzer Rundschau“ schon bemerkenswert, in dem sie eingesteht, dass sie nach den vielen Verkündungen der Haushaltskonsolidierung und des unbeirrbar gegangenen Weges nun doch zu dem Ergebnis kommt, dass das nicht mehr aufrechtzuerhalten zu sein scheine und man sich strecken müsse. Wir stellen als Ergebnis dieser Nachtragshaushaltsdebatte fest: Die Realitätsbezogenheit der sozialdemokratischen Minister hat ganz offensichtlich eine neue Qualitätsstufe erreicht. Das gibt uns Mut.
Wenn wir nun aber über das reden wollen, was Herr Schönbohm angeregt hat, nämlich eine Debatte über Prioritäten, so finde ich, dass er davon ausgeht, dass die klassischerweise von der CDU besetzten Ressorts des Innern und der Justiz wenig sparen können und dass für das Sparprogramm die Fördermittel verbrauchenden Ministerien für Umwelt, für Kultur und für Soziales in besonderer Weise eintreten müssen. Das ist alles nachzulesen.
In dem Zusammenhang muss ich sagen: Sie geben immer wieder selbst ein Beispiel dafür, wie Sie Prioritäten setzen. Schauen
Sie sich das Haushaltsstrukturgesetz an. Schauen Sie sich die Bündelung Ihrer Vorschläge zur Reduzierung der Ausgaben im Haushalt an und Sie werden feststellen: Sie haben keine Scheu. Sie sparen im Bereich der Bildung. Sie sparen im Bereich der sozialen Sicherungssysteme. Sie sparen im Bereich der Kinderbetreuung. Sie sparen im Bereich der Kommunen. Ich sage Ihnen: Sie sparen damit genau dort, wo über die Zukunftsfähigkeit des Landes Brandenburg entschieden wird.
- Ja, habe ich. Das hängt damit zusammen, dass die Kollegen bei den Interviews wahrscheinlich besonders privilegiert sind. Dort steht also zum Lausitzring - wörtliches Zitat:
„Dank der Unterstützung des Landes Brandenburg haben wir bis Jahresende eine ausreichende Finanzierung.“
Das ist die Situation, wie Sie Prioritäten setzen. Dazu sagen wir Ihnen: Über diese Prioritätensetzung hätten wir gern eine Diskussion geführt. Sie werfen jetzt zwei, drei Zwischenrufe ein. Hätten Sie doch bei der dreitägigen Ausschusssitzung, in der wir zusammen gesessen haben, darüber vernünftig die Debatte geführt.
Nach unermüdlichem Kampf im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag, Bundesregierung und Länderkammer hat Herr Müller, der Ministerpräsident des Saarlandes, heute früh verkündet: Es ist gelungen, das Dienstwagenprivileg zu erhalten. Ich finde, das ist doch eine erfolgreiche Bemühung.
Das war die Nachricht nach sieben Stunden Vermittlung. Nicht zu vermitteln bzw. leider nicht Ergebnis der Bemühungen der Christdemokraten dieses Hauses war, auf die Abstriche beim Blinden- und Gehörlosengeld zu verzichten. Das sind die Unterschiede.
Wir können damit umgehen, dass Sie in diesem Zusammenhang natürlich eine andere Auffassung haben. Darüber brauchen wir uns doch nicht zu streiten, Herr Klein, es gibt Unterschiede.
(Klein [SPD]: Es geht nicht allein darum, was Ihnen ge- fällt, Herr Vietze! - Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkel- mann [PDS] sowie weitere Zurufe von der PDS)
Herr Klein, Ihre Fraktion hat nachher noch Gelegenheit zu sprechen. - Herr Vietze, bitte fahren Sie fort.
Herr Klein, ich sage gleichzeitig, dass ich gehört habe, dass möglicherweise 4,4 Milliarden Euro eingespart werden, weil etwas wieder eingeführt wird, nämlich die Besteuerung der Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften. Dazu muss ich Ihnen allerdings sagen: Es gab keine andere Bundesregierung, die diesen Blödsinn vorher beschlossen hat, außer der von SPD und Grünen gestellten.
Selbst Waigel und Kohl haben sich eine solche Privilegierung der Vermögenden in dieser Gesellschaft nicht getraut. Das machen Sie nun rückgängig und wollen dafür noch Lob einheimsen. Wohin wollen wir in dieser Gesellschaft mit den Prämissen für die Finanzierung öffentlicher Aufgaben gelangen? Wer hat denn das Thema soziale Gerechtigkeit im Wahlkampf besetzt? Sie doch, die SPD. Nun setzen Sie sich auch für dieses Maß sozialer Gerechtigkeit ein!
Setzen Sie sich doch dafür auch in den Auseinandersetzungen mit ihrem Koalitionspartner ein! Ich will damit nur sagen: Wir werden auch im Ergebnis der jetzigen neuen Vorschläge - einen Vorgriff gab es bereits in der Aktuellen Stunde - auf das, was die Pläne dieser Bundesregierung ausmacht, im Lande zu reagieren haben. Auch das ist eine Kampfansage.
Tun Sie uns einen Gefallen - dies insbesondere an die Adresse von Herrn Lunacek -: Lassen Sie dieses Gefasel von Neidkampagne und Neiddiskussion.
Wir reden über nichts anderes als über die unterschiedliche Privilegierung in dieser Gesellschaft. Die Umverteilung in dieser Gesellschaft findet insofern statt, als auf Kosten der sozial Schwachen und Benachteiligten eine Zunahme der Vermögenden und Vermögenswerte in dieser Gesellschaft staatlich organisiert wird.
(Beifall bei der PDS - Klein [SPD]: Das ist keine Neid- kampagne, Herr Vietze! - Zuruf des Abgeordneten Ho- meyer [CDU] - Hammer [PDS]: Das ist, weil Sie rheto- risch schlechter sind! - Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkel- mann [PDS])
- Herr Homeyer, was Sie meinen, ist etwas ganz anderes. Ich gehe davon aus, dass wir zum Beispiel darüber reden müssten, was in dieser Gesellschaft los ist, in der die großen Privateigentümer ihre Betriebe nicht mehr finanzieren und Investitionen aus ihrem Gewinn vornehmen, sondern der Staat die Investitionen trägt und finanziert.
Bei den Banken legen die Privaten ihr Vermögen in Fonds an und der Staat finanziert bei diesen Banken die Fonds mit der Kreditaufnahme. Das ist ein ganz normaler Zusammenhang, der mit dem, was an Umverteilung in dieser Gesellschaft stattfindet, zum Höhepunkt getrieben wird.
Der Rede des Herrn Lunacek habe ich außerdem entnommen, die PDS habe kein geschlossenes Haushaltskonzept. Das will ich gern eingestehen. Gleichzeitig will ich festhalten, dass das geschlossene Haushaltskonzept der Koalition - nämlich das Konzept der Haushaltskonsolidierung - gescheitert ist. Diesbezüglich haben wir eines gemeinsam: Sie sind mit Ihrem Konzept gescheitert, wir haben kein alternatives, dann lassen Sie uns doch wenigstens gemeinsam darüber nachdenken, wie wir die Zukunftschancen in diesem Land sichern und wofür wir künftig Geld ausgeben.
Vielleicht gelingt es Ihnen, weil es wirklich nicht so viel Geld ist, über das wir da reden. Deckungsquelle: Etwa 5,9 Millionen Euro aus Grundstückskäufen waren nicht...