„Das 1998 entwickelte Handlungskonzept 'Tolerantes Brandenburg' mit seinem mobilen Beratungsteam und den Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule (RAA) gehört zu den renommierten und konzeptionell reflektiertesten seiner Art.“
Das schreibt Roland Roth in seinem Beitrag „Bürgernetze gegen Rechts, Evaluierung von Aktionsprogrammen...“
Die Landesregierung unterstützt deshalb ausdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung, Aktivitäten vor Ort für Toleranz und Weltoffenheit mit Bundesmitteln zu stabilisieren, und geht davon aus, dass auch in Zukunft eine enge Kooperation bestehen wird. - Vielen Dank.
Vor Aufruf des nächsten Tagesordnungspunktes begrüße ich Gäste aus dem Einstein-Gymnasium in Angermünde. Herzlich willkommen!
Das Wort geht zunächst an die beantragende Fraktion. Herr Abgeordneter Dr. Kallenbach, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder Mensch setzt in seinem Leben Prioritäten. Jeder Mensch hat einen individuellen Lebensentwurf, der auf Einstellungen basiert, die er aufgrund seiner Charaktereigenschaften, durch Erziehung, durch Beobachtung seiner Umwelt und durch die Prägung seines sozialen Umfeldes erworben hat. So verschieden unsere persönlichen Vorstellungen und Ziele sind, haben sie doch alle eine Gemeinsamkeit: Wir werden sie ohne das Vorhandensein von geistigem, körperlichem und sozialem Wohlbefinden nicht verwirklichen können. Dieser Zustand, den die WHO als Gesundheit definiert, ist das höchste Gut, das der Mensch besitzt. Paradoxerweise werden sich die meisten von uns dessen erst bewusst, wenn ihnen dieses Wohlbefinden durch Krankheit genommen wurde. Da jeder Mensch dieser Gefahr potenziell ausgesetzt ist, ist es die Aufgabe einer sozial orientierten und dem Gemeinwohl verpflichteten Regierung, Krankheiten vorzubeugen und zu bekämpfen.
Meine Damen und Herren, die medizinische Versorgung in unserem Lande hat genau diese Aufgabe zu erfüllen. Ihre aktuelle Verfassung hat die SPD-Fraktion zum Thema dieser Aktuellen Stunde gemacht, weil die Qualität unseres Gesundheitssystems von den Bürgern zu Recht mit großer Sensibilität wahrgenommen wird und weil wir es für notwendig erachten, die öffentliche Diskussion zu diesem Thema sachlich zu führen. Beide Aspekte sind eng miteinander verbunden. Das hängt zum Einen damit zusammen, dass Themen, welche die physische und psychische Integrität des Menschen berühren, individuell stärker wahrgenommen werden als andere, und es hat zum anderen damit zu tun, dass in unserer heutigen medial erzeugten Öffentlichkeit Schlagzeilen schockierend auf die Bürger wirken, die von einem Ärztenotstand im schlimmsten Stadium sprechen - So „Tagesspiegel“ vom 8. April 2002 - oder titeln: „Wegen Ärztemangels in Cottbus OP verschoben“. So die „Lausitzer Rundschau“ vom 27. Mai 2002.
Meine Damen und Herren, ich möchte auf die Sachebene zurückkommen und die Debatte mit der Situation in der ambulanten Versorgung eröffnen.
Vor allem in den berlinfernen Regionen sind viele Hausarztpraxen unbesetzt. So fehlen im Landkreis Teltow-Fläming 16,
in der Uckermark 21 und im Spree-Neiße-Kreis sogar 23 Hausärzte. In der weiterführenden medizinischen Versorgung ist die Situation zwar nicht ganz so angespannt, doch auch hier, vor allem in der Psychotherapie, Orthopädie und Anästhäsiologie, könnte es in naher Zukunft ebenfalls problematisch werden.
Über die Ursachen dieser Entwicklung sind sich die in Brandenburg am Gesundheitswesen beteiligten Akteure weitgehend einig. Die große Arbeitsbelastung bei vergleichsweise geringem Verdienst, das mit einer Praxisnachfolge bzw. Praxiseröffnung oftmals verbundene hohe finanzielle Risiko sowie das sinkende Berufs-, aber auch Standort-Image sind die entscheidenden Faktoren. Keines dieser Hemmnisse ist allein für die Nachwuchssorgen der niedergelassenen Ärzteschaft in Brandenburg verantwortlich. Wie auch in den anderen Bereichen unseres Gesundheitswesens kann nur die Umsetzung eines Maßnahmenbündels zum Erfolg führen.
Meine Damen und Herren, wenn man sich die ambulante Versorgungssituation in Brandenburg anschaut, wird man schnell feststellen, dass der Mangel eigentlich ein Verteilungsproblem ist. Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang über Tages- und über Ländergrenzen hinaus denken. Der Großraum Berlin ist überversorgt. Allein in der Bundeshauptstadt sind ca. 1 700 Ärzte arbeitslos gemeldet. Außerdem haben wir einen äußeren Entwicklungsraum, in dem es Regionen wie die Uckermark gibt, die schon fast symptomatisch für Ärztemangel steht und in der es zwischen Angermünde und Gartz auf einer Strecke von 60 Kilometern nur einen Hausarzt gibt. Was ist also zu tun, um solche Regionen, die offensichtlich als unattraktiv empfunden werden, für Mediziner interessanter zu gestalten?
Ich möchte eine Bemerkung vorwegschicken, die teilweise schon Antwort auf diese Frage ist: Es geht nicht darum, arbeitslosen Berliner Ärzten einen roten Teppich auszurollen. Vielmehr sollten die Kommunen unseres Landes begreifen, dass niedergelassene Ärzte sehr wohl zur Attraktivität der Gemeinde beitragen. Im Bedarfsfalle müsste im Rahmen aller Möglichkeiten der Gemeinde ein Werben um potenzielle Interessenten erfolgen.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die in diesem Hause geführten Debatten um die Schulstandorte im ländlichen Raum. Es ist notwendig, dass bei den Kommunen die Einsicht reift, dass nicht nur das Vorhandensein von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen ein wichtiges Ansiedlungskriterium ist, sondern auch das kommunale Angebot an medizinischen Versorgungseinrichtungen. Darüber hinaus sind Ärzte in der Niederlassung Selbstständige, die auch Arbeitsplätze schaffen. Was spricht also dagegen, dass die Gemeinden unseres Landes Ärzte in gewissem Umfange wie Investoren behandeln?
Aber damit ist es natürlich nicht getan. Der Arzt ist zumindest in der Niederlassung ein freier Beruf. Sich mit einer Praxis niederzulassen bzw. die Nachfolge in einer bestehenden Einrichtung anzutreten, ist oft mit hohen finanziellen Risiken verbunden, welche die am Anfang ihres Berufslebens stehenden jungen Mediziner nicht gerne eingehen. Wer weiß schon, ob er in fünf, zehn oder 15 Jahren diese Tätigkeit an diesem Ort noch ausführen möchte? Ich kann diese Einstellung nachvollziehen.
Deshalb begrüße ich auch ganz ausdrücklich die Bereitschaft der Kassenärztlichen Vereinigung in Brandenburg, Praxen im ländlichen Raum aufzukaufen, um sie jungen, niederlassungswilligen Ärzten zu vermieten. Deshalb plädiere ich auch dafür, den Gesundheitszentren, die dank Regine Hildebrandt auf eine jahrelange, auch betriebswirtschaftliche Erfahrung in Brandenburg zurückblicken können, den Betrieb von Praxen als Außenstellen zu erlauben.
Meine Damen und Herren, letztendlich spielt natürlich auch der Verdienst eine entscheidende Rolle. Ein Hausarzt, dessen Wartezimmer schon morgens um halb zehn überfüllt ist, für den 50 oder 60 Wochenstunden keine Ausnahme sind und der pro behandeltem Patienten erheblich weniger Honorar erhält als seine Kollegen in den alten Bundesländern, fühlt sich ungerecht behandelt.
Spätestens an dieser Stelle wird sich, so hoffe ich, der aufmerksame Zuschauer am Fernsehgerät fragen: Und was unternimmt nun die Politik in unserem Land?
Meine Antwort: Wir ziehen uns nicht auf die Position zurück, für Gesundheitspolitik sei der Bund zuständig und da hätten wir leider keine Gesetzgebungskompetenz. Wir ziehen uns auch nicht auf die Position zurück, dass der Sicherstellungsauftrag für die medizinische Versorgung bei der Kassenärztlichen Vereinigung liege. So wahr diese Aussagen sind, lassen sie uns doch Spielraum, unseren politischen Einfluss zu nutzen. Das haben wir getan und das werden wir weiterhin tun.
Ich möchte daran erinnern, dass auf Einladung und Initiative Alwin Ziels zwei Arbeitsgruppen aus Vertretern aller Bereiche des brandenburgischen Gesundheitswesens gegründet wurden. Unter der intensiven Moderation des Gesundheitsministeriums erörtern sie die Situation und Perspektiven der medizinischen Versorgung in Brandenburg und haben für den ambulanten Bereich kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres einen wirklichen Durchbruch erzielt.
Kassenärztliche Vereinigung und AOK haben sich darauf verständigt, die Ärzte bei den Fahrtkosten deutlich stärker zu unterstützen als bisher und die Notfall- und Wochenenddienste patientenorientierter zu gestalten, wobei die AOK die Einrichtung der dazu notwendigen Notfallnummern finanziert. Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung in Brandenburg hat beschlossen, Ärzten in unterversorgten Gebieten Umsatzgarantien zu gewährleisten.
Das Gesundheitsministerium hat diesen Konsensfindungsprozess aktiv gefördert. Ich möchte Herrn Minister Baaske und seinen Mitarbeitern für diese Mediationsleistung herzlich danken.
Zu überlegen wäre noch, wie mit finanziellen Stimuli, die bundesweit zu installieren wären, für junge Mediziner die Tätigkeit als Landarzt - und nicht als Pharmamitarbeiter - attraktiv gemacht werden könnte. Ich denke beispielsweise an zweckgebundene BAföG-Nachlässe oder Ähnliches.
Meine Damen und Herren! Auch wir Abgeordnete haben in diesem Prozess gewisse Handlungsspielräume und Einflussmög
lichkeiten, die wir genutzt haben und auch in Zukunft nutzen werden. So erinnere ich daran, dass es die Koalitionsfraktionen waren, die mit einem Entschließungsantrag die Landesregierung dazu verpflichteten, das Parlament in den Konsensfindungsprozess der Akteure unseres Gesundheitswesens einzubeziehen.
Minister Baaske und die Experten seines Hauses berichten dem Gesundheitsausschuss regelmäßig über die Entwicklung der medizinischen Versorgung im Land und über die Anstrengungen Brandenburgs, auf Bundesebene tätig zu werden. Dieser Berichterstattungspflicht und der Aufgabe, sich den kritischen Fragen der Abgeordneten zu stellen, werden Sie, so denke ich, auch in Zukunft nachkommen.
Meine Damen und Herren! Wie die ambulante so hat auch die stationäre medizinische Versorgung in Brandenburg mit Problemen zu kämpfen. Auch hier fällt es den Einrichtungen in vielen Fällen schwer, Facharztstellen zu besetzen. Das Verhältnis von Arbeitszeit und Lohn, das darüber hinaus mit dem sinkenden Image des Arztberufes korrespondiert, sowie die angenommene mangelnde Attraktivität bestimmter Häuser und ihres Umfeldes scheinen die ausschlaggebenden Gründe dafür zu sein. Nicht zu vergessen ist die enorme Arbeitsbelastung der Krankenhausärzte durch zusätzliche Bereitschaftsdienste. Bei dieser Einschätzung scheint immer noch nicht zum Tragen gekommen zu sein, dass die Kliniken unseres Landes keine Krankenhäuser zweiter Klasse sind.
Mit Milliardeninvestitionen aus dem Krankenhausinvestitionsprogramm sind in den vergangenen Jahren viele Häuser zu modernen, qualitativ hochwertigen stationären Versorgungseinrichtungen ausgebaut worden. Dieser Prozess, der sich in Zukunft vor allem auf die Modernisierung der Bettenhäuser konzentrieren muss, wird mit der Krankenhausplanung fortgeführt, wenn auch wegen der angespannten Haushaltslage unter Streckung der Investitionen.
Viel wichtiger scheint mir jedoch zu sein, den Krankenhäusern neue Betätigungsfelder zu eröffnen. Ich möchte an dieser Stelle nur das Stichwort „integrierte Versorgung“ nennen und darauf abheben, dass besonders zur Erhöhung der Versorgungsqualität die Trennung von ambulantem und stationärem Bereich aufgehoben werden muss. Hier könnte das Krankenhaus der Region ambulante Defizite ausgleichen.
Meine Damen und Herren! Diese und viele der von mir genannten Maßnahmen bedürfen der bundesrechtlichen Umsetzung, seien es die Lockerungen im Zulassungsrecht, um das Betätigungsfeld der Gesundheitszentren zu erweitern, sei es die Angleichung der Verdienstmöglichkeiten ostdeutscher Ärzte an das Westniveau. Brandenburg setzt sich gemeinsam mit den ostdeutschen Ländern im Bundesrat dafür ein.
Ich erinnere Sie daran, dass Sie sich sowohl über die von der Fraktion als auch vom Parlament vereinbarten Zeitvorstellungen hinwegsetzen. Ich befürchte, dass auf diese Weise die Kollegin, die noch auf der Rednerliste steht, nicht zu ihrem Recht kommt. Ich bitte Sie, sich kürzer zu fassen.
Erinnert sei an den Antrag, den Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg hinsichtlich der Aufhebung der Budgetbegrenzung für ostdeutsche Krankenhäuser eingebracht haben. Unseren Einfluss, der darin besteht, die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen unseres Landes permanent und kritisch zu begleiten und die Diskussion mit den bundespolitischen Entscheidungsträgern zu führen, werden wir auch weiterhin konsequent nutzen, um zu verhindern, dass die schon heute titulierten Notstände jemals wirklich eintreten. - Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident, und beende meinen Beitrag. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern hat die so genannte Rürup-Kommission der Bundesregierung ihre Vorschläge übergeben. Möglicherweise war dieses Datum auch der Beweggrund für die SPD, das Thema medizinische Versorgung zum Gegenstand der Aktuellen Stunde zu machen.
Ich stimme Ihnen durchaus zu, wenn Sie von großer Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürgern über die künftige Gesundheitspolitik ausgehen. Allerdings hat die Bundesregierung selbst nebst ihrer Kommission diese Verunsicherung maßgeblich ausgelöst, indem laufend neue Vorschläge in die Öffentlichkeit gebracht wurden,
Offenbar scheint sich nun die Befürchtung zu bewahrheiten, dass die Privatisierung gesundheitlicher Risiken und damit die Aushebelung des Solidarcharakters der gesetzlichen Krankenversicherung zum Markenzeichen der bevorstehenden Gesundheitsreform werden wird.