Protocol of the Session on March 5, 2003

Auch meine Fraktion würde sich diesem Gesetzentwurf nicht verschließen, wenn er in wesentlichen Punkten - dazu hat unsere Fraktion auch Änderungsanträge eingebracht - so ausgereift wäre, dass behinderte Mitbürger tatsächlich einen Schutz vor

Diskriminierung und Benachteiligung erhielten. Das sehen wir jedoch in dem Gesetzentwurf der Landesregierung noch nicht realisiert.

Zum einen fehlt der Ansatz, dass Diskriminierungen nicht nur bei der Stellenvergabe, sondern auch bei der Gestaltung, beim Abschluss, bei der Fortsetzung oder der Beendigung von Dienst- und Arbeitsverhältnissen vorkommen. Ebenso fehlen konkret kodifizierte Ansprüche auf angemessene Entschädigung, wenn Dienst- oder Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst aufgrund einer Diskriminierung nicht oder zu schlechteren Bedingungen als bei nicht behinderten Personen zustande kommen.

Als ebenso lückenhaft erweist sich der Gesetzentwurf der Landesregierung im Hinblick auf alltägliche ehrverletzende und herabwürdigende Verhaltensweisen gegenüber behinderten Menschen unterhalb der Schwelle des Straf- oder Schadensersatzrechts.

Ebenso fehlen konkrete Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Diskriminierungstatbeständen bei der Begründung von Dienstoder Arbeitsverhältnissen und bei der Ermöglichung des beruflichen Aufstiegs. Nichts geregelt werden soll auch zur Beweislast, die angesichts der Schwere der Beweisführung hinsichtlich der genannten Missstände natürlich erleichtert werden muss.

Mit diesen Forderungen befindet sich meine Fraktion im Übrigen auch in Gesellschaft des Behindertenpolitischen Aktionsbündnisses, dem immerhin neun große, landesweit tätige Behindertenverbände angehören. Auch diese Interessenvertretung hat regelmäßig im Zuge der Gleichstellungsdebatte die Schaffung echter Sanktionsmöglichkeiten angemahnt. Leider fand der von unserer Fraktion im Ausschuss eingereichte Änderungsantrag keine Mehrheit.

Ebenso lückenhaft ist der Gesetzentwurf der Landesregierung hinsichtlich des eingeführten Verbandsklagerechts. Nach der von der Landesregierung vorgeschlagenen Lösung verbleibt hierbei den Behindertenverbänden kaum Spielraum für Rechtsbehelfe, da zunächst der einzelne Behinderte auf einen umständlichen, unter Umständen langwierigen und kostenintensiven Klageweg verwiesen wird.

Meine Damen und Herren, wenn wir eine echte Chancengleichheit für unsere behinderten Mitbürger wollen, dürfen wir das nicht halbherzig, sondern müssen es schlüssig und mit voller Überzeugung tun.

Aus all den Gründen lehnt die Fraktion der Deutschen Volksunion den Gesetzentwurf der Landesregierung ab.

Ich komme nun zum Gesetzentwurf der PDS. Nicht nur angesichts der angespannten Haushaltslage des Landes finde ich den Gesetzentwurf der PDS fragwürdig, sondern auch deshalb - da schließen wir uns als DVU-Fraktion dem Landkreistag Brandenburg an -, weil der Gesetzentwurf an vielen Stellen über bundesrechtliche Regelungen hinausschießt. Diese sehen bereits einschlägige Leistungen und notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Situation Behinderter, insbesondere im Bereich des ÖPNV sowie im Bereich der Bauordnung, vor.

Sollte den Verkehrsunternehmen die Pflicht auferlegt werden,

so wie es in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen ist, auf allen Linien mit barrierefreien Anlagen und behindertengerechten Fahrzeugen zu fahren, und das ohne Ausnahme, müsste ein erheblicher Teil der zurzeit verwendeten Busse und Bahnen ersetzt werden. Das Land müsste den Verkehrsunternehmen die Mittel für die Neuanschaffung oder den Umbau aller Anlagen und Fahrzeuge zur Verfügung stellen. Das wäre wohl kaum zu finanzieren.

Deshalb fehlt unseres Erachtens im Gesetzentwurf der PDSFraktion die erforderliche und sachgerechte Abwägung zwischen Finanzierbarkeit und Umsetzung. Aus all diesen Gründen lehnt die Fraktion der Deutschen Volksunion den Gesetzentwurf der PDS-Fraktion ab. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Fechner, und erteile das Wort der Fraktion der CDU, der Abgeordneten Marquardt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, im Wesentlichen sind alle Dinge besprochen. Meine Koalitionskollegin Konzack hat auch über den Werdegang referiert und dargelegt, wie schwer es war, dieses Gesetz auf den Weg zu bringen, vor allem auch vor dem Hintergrund unseres aufgrund der Haushaltslage begrenzten Handlungsspielraums.

Ich meine, dass dieses Gesetz zur Gleichstellung nur eine Integrationshilfe ist - ich habe dies hier bereits mehrmals betont -, dass es ein Zeichen nach draußen setzt, dass wir uns im Sozialausschuss und als Abgeordnete dieses Landtages durchaus mit den Problemen von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen auseinander setzen und dass wir bemüht waren, uns auch im Zuge dieses Verfahrens die Probleme Behinderter sehr genau anzuhören, um feststellen zu können, was dazu im Gesetz festgeschrieben werden muss und was uns aus den bereits genannten Gründen nicht möglich ist.

Mehrere Landtagsausschüsse waren mitberatend eingebunden. Trotz der Bedenken der Finanz- und Innenpolitiker hinsichtlich der Finanzier- und Umsetzbarkeit des Gesetzes wurde es in der vergangenen Woche im zuständigen Fachausschuss abschließend behandelt. Die Sozialpolitiker gehen davon aus, dass es sich um eine für das Land leistbare Summe handelt, die wir auch unter den gegenwärtig schwierigen Bedingungen erbringen können und müssen, um für die behinderten Menschen im Lande glaubwürdig zu werden.

Außerdem muss man anmerken, dass bei dem Abstimmungsmarathon mit dem Städte- und Gemeindebund, dem Landkreistag und den Betroffenenverbänden, der der Einbringung des Gesetzes vorausging, verschiedene Hinweise und Änderungsvorschläge sehr wohl berücksichtigt wurden.

Obwohl das heute zur Verabschiedung vorliegende Gesetz für die einen zu weitreichend ist und den anderen nicht weit genug geht, halte ich seine Verabschiedung nach wie vor für mehr als nur ein positives Signal nach draußen. Das Gesetz wird dazu

beitragen, einen weiteren Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen durchzusetzen, gleichgültig, ob es zum Beispiel um die Gestaltung von Bescheiden oder Vordrucken geht. Ich möchte das nicht erweitern, Frau Konzack hat es bereits genannt. Das Gesetz - damit wiederhole ich mich zum dritten Mal - kann nur ein Beitrag sein. Gleichberechtigung, Gleichstellung ermöglicht jeder Bürger dem anderen, egal, ob er behindert oder nicht behindert ist. Nur, die Behinderten brauchen unsere Wachsamkeit in einem größeren Maße. Das, denke ich, wird das Gesetz mit durchsetzen helfen.

Es bleiben noch alle anderen Aufgaben der mühevollen Kleinarbeit, etwa die, jedem klarzumachen, dass auch er morgen zu der Gruppe der Behinderten gehören könnte, und ihm klarzumachen, was das dann bedeuten könnte. Vielleicht hilft uns das, dem Prinzip der Chancengleichheit stärker zur Durchsetzung zu verhelfen, an unseren Schulen, bei unserer jungen Generation, von der Vertreter auf der Besucherbank Platz genommen haben. Vielleicht hilft es uns auch, dafür Sorge zu tragen, mit Menschen mit Behinderung sorgsamer umzugehen.

In Bezug auf die Wirksamkeit des Gesetzes werden wir im zuständigen Fachausschuss nach einem angemessenen Zeitraum mit Sicherheit Bilanz ziehen. Wir werden immer wieder aktuell prüfen, wo man das Gesetz eventuell erweitern oder ergänzen müsste. Das kann aber erst, wie gesagt, nach einer angemessenen Zeit geschehen. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Marquardt. - Das Wort geht jetzt an die Landesregierung. Herr Minister Baaske, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In meinem im Büro stapeln sich in der Tat zwei Packen: auf der einen Seite die Schreiben der Verbände und Behinderten, in denen steht: Dieses Gesetz taugt nichts. - Dies nicht etwa deswegen, weil das, was im Gesetz steht, falsch wäre, sondern weil es zu wenig ist, womit wir die Behinderten im Lande unterstützen. Auf der anderen Seite gibt es die Briefe derjenigen Verbände und Behinderten, die schreiben: Bringt wenigstens dieses Gesetz - und zwar jetzt, sodass wir schon bald damit arbeiten und leben können. - Zwischen diesen beiden Positionen bewegen wir uns.

Angesichts der angespannten Haushaltslage, in der wir uns befinden, ist es sehr schwierig, zum Beispiel ein Leistungsgesetz für Behinderte auf die Beine zu stellen. Das ist kaum möglich; das wissen wir alle. Insofern müssen wir verstärkt mit ideellen und demokratischen Werten arbeiten, die wir in dieses Gesetz eingefügt haben. Ich glaube, die kontroverse Diskussion, wie wir sie auch hier wieder erlebt haben, spiegelt die Diskrepanz zwischen den Erwartungen an das Gleichstellungsgesetz und dem wider, was wir uns tatsächlich leisten können.

Wie schwierig es war, allein das gegenüber den Verbänden und den Betroffenen zu vermitteln, was wir im Zusammenhang mit

der Konnexität in Brandenburg diskutiert haben, das heißt, dass all das, was wir beschließen, eben keine Auswirkung auf Kommunen oder Landkreise haben darf, ist unvorstellbar. Wir haben heute auch wieder erlebt, dass es ebenfalls sehr schwierig ist, das Landtagsabgeordneten, die in der Opposition sind, zu vermitteln. Wir können, auch wenn wir es wollten, den Kommunen nicht vorschreiben, ihre Bordsteine abzusenken. Angesichts des Standes der Konnexität, den wir in Brandenburg erreicht haben, könnten sie die Bordsteine der Länge nach absenken, und wir müssten es bezahlen. So ist die Situation.

Wir sollten, wenn wir dieses Gesetz haben werden, den Gedanken dieses Gesetzes in die kommunale Ebene tragen, und sollten dort, in den Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen, fragen: Wie könnt ihr das, was in diesem Landesgesetz steht, auf kommunaler Ebene realisieren? Sie müssten es also bei sich übertragen; wir können es von hier aus nicht.

Darum halte ich das Gesetz trotz der Kompromisse, die wir eingehen mussten, für unabdingbar; denn Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, ob sie nun subtil oder direkt erfolgt, muss aus dem Alltag und vor allen Dingen - darum muss es letztlich gehen - aus den Köpfen verschwinden. Wenn es nur im Gesetz steht, nutzt das alles wenig. Wir müssen dafür sorgen, dass die Diskriminierung von Behinderten aus den Köpfen verschwindet und dass die Idee der Gleichstellung in den Köpfen Platz greift. Damit würden wir auch den Forderungen der Betroffenenverbände entsprechen und längst überfällige Bürgerrechte auch für Behinderte - ich denke hier auch an die Wahlschablonen für Blinde - einlösen. Inzwischen gibt es in allen Bundesländern Aktivitäten, die solche Gesetze zum Ziel haben. Brandenburg wird eines der ersten Länder sein, das ein solches Gesetz hat. Wir haben auf der einen Seite wahrlich nicht das schlechteste und auf der anderen Seite mit Sicherheit auch nicht das teuerste. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Minister Baaske. - Wir sind damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommen. Wir kommen zur Abstimmung.

Ich rufe zuerst die Beschlussempfehlung, Drucksache 3/5481, auf. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen und der Gesetzentwurf der einreichenden Fraktion der PDS zur Herstellung von Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen im Land Brandenburg in 2. Lesung abgelehnt.

Ich rufe zum Zweiten die Beschlussempfehlung, Drucksache 3/5482 einschließlich Korrekturblatt, auf. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen und das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze des Landes Brandenburg in 2. Lesung verabschiedet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

1. Lesung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2002/2003 (Nachtragshaushalts- gesetz 2003)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/5519

in Verbindung damit:

1. Lesung des Gesetzes zur Sicherung des Landeshaushalts und zur Modernisierung der Landesverwaltung (Haushaltssicherungsgesetz 2003 - HSichG 2003)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/5522

1. Lesung des Gesetzes zur Beseitigung des strukturellen Ungleichgewichts im Haushalt (Haushaltsstruktur- gesetz 2003 - HStrG 2003)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und gebe der Landesregierung das Wort. Frau Minister Ziegler, bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit den Kabinettsbeschlüssen vom 11. Februar hat die Landesregierung einen umfassenden Maßnahmenkatalog zur künftigen Entlastung des Landeshaushalts aufgestellt. Wir beginnen heute die Beratungen über den Regierungsentwurf des Nachtragshaushalts und des Haushaltsplanes 2003 sowie die Beratungen zum Haushaltsstrukturgesetz 2003 und zum Haushaltssicherungsgesetz 2003. Damit liegen Ihnen drei Gesetzespakete vor, die dokumentieren, dass die Landesregierung ihre Politik der Haushaltskonsolidierung und Modernisierung der Landesverwaltung konsequent fortsetzt.

Seit dem In-Kraft-Treten des Doppelhaushalts 2002/2003 haben sich die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Sowohl auf der Einnahme- als auch auf der Ausgabenseite haben sich strukturelle Veränderungen ergeben, die in diesem Ausmaß zum Zeitpunkt der Haushaltsverabschiedung nicht vorhersehbar waren. Schon die Entwicklung im Jahre 2002 zwang uns, wie Sie wissen, zu einer Erhöhung der Kreditermächtigung um 600 Millionen Euro. Erstmals in der kurzen Geschichte des Landes Brandenburg wird ein Haushaltsjahr mit einem Fehlbetrag von rund 330 Millionen Euro enden. Gleichzeitig werden alle Reserven der Kreditermächtigung aufgebraucht sein. Das ist kein alleiniges Brandenburger Problem. Alle anderen Länder und Gebietskörperschaften in Deutschland sind von dieser dramatischen Entwicklung ebenso betroffen

gewesen. Die Landesregierung hat sich nach intensiven Diskussionen darauf verständigt, im Haushalt 2003 zusätzlich 280 Millionen Euro einzusparen. Dies entspricht knapp 3 % des Haushaltsvolumens. Mit der Anpassung des Gemeindefinanzierungsgesetzes in Höhe von 140 Millionen Euro an die Steuermindereinnahmen und der Umsetzung der globalen Minderausgabe in Höhe von 144 Millionen Euro, wie sie im Haushalt bereits enthalten sind, ergibt sich eine noch nie dagewesene Einsparung von 424 Millionen Euro; das sind rund 4 % des gesamten Etats.

Mit dem Gesetzespaket ist der Einstieg in ein dauerhaftes Umsteuern eingeleitet worden. Gut ein Drittel der Einsparungen sind dabei struktureller Art. Dies konnte nur deshalb gelingen, weil alle Politikfelder ohne Tabus beleuchtet worden sind. Entsprechend spürbar sind natürlich die Einschnitte, die in diesem Jahr erfolgen werden. Auch ich habe in den letzten Tagen viele Protestbriefe erhalten und an Diskussionsrunden zu den Sparbeschlüssen teilgenommen. Ich habe Verständnis für die Proteste, wie sie auch vor unserem Hause stattfinden, aber ich sage ganz deutlich: Wenn wir heute nicht den Mut und die Kraft aufbringen, harte Entscheidungen zu treffen, werden wir es morgen bereuen.