Protocol of the Session on March 5, 2003

Drucksache 3/5481

in Verbindung damit:

2. Lesung des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze des Landes Brandenburg

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/5023

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen

Drucksache 3/5482 einschließlich Korrekturblatt

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der Fraktion der PDS. Frau Abgeordnete Bednarsky, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für meine Fraktion möchte ich feststellen, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung ein klarer Beweis für das klägliche Scheitern der bisherigen Aktivitäten der Landesregierung auf diesem zentralen Feld der Behindertenpolitik ist. Brandenburg hat mit diesem Gesetzentwurf die Chance verspielt, wieder den Anschluss an die behindertenpolitische Debatte in der Bundesrepublik bzw. in den Bundesländern zu finden. Brandenburg bleibt hinter dem Bundesgleichstellungsgesetz, den Gesetzen von Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, ja selbst hinter dem von der damaligen CDU/SPD-Koalition in Berlin verabschiedeten ersten Landesgleichstellungsgesetz um Längen zurück. Das gilt übrigens auch und gerade im Hinblick auf den Geltungsbereich des Gesetzes. Die genannten Länder nehmen nämlich die Kreise und Gemeinden nicht vom Benachteiligungsverbot aus.

Die bundesweite Behindertenbewegung und viele Sozialpolitiker von der SPD, den Grünen und der PDS aus ganz Deutschland werden über den in Paragraphen gefassten Papiertiger, den uns die Landesregierung vorgelegt hat, nur voller Bedauern den Kopf schütteln.

Wir werden diese an der Lebenssituation behinderter Menschen vorbei formulierten tönernen Absichtserklärungen ebenso ablehnen, wie das die große Mehrheit der brandenburgischen Behinderten- und Wohlfahrtsverbände tut, und sagen: Lieber kein Gesetz als dieses!

Es ist durchaus bezeichnend, dass für das heutige Durchwinken zweier Gesetzentwürfe nur eine Redezeit von fünf Minuten man richte den Blick darauf - vereinbart wurde. Deshalb kann ich auf Einzelheiten oder - besser gesagt - auf Defizite und fehlende Regelungen gar nicht eingehen.

Noch bezeichnender - um nicht zu sagen: makabrer - ist es allerdings, dass am gleichen Tag, an dem das Gesetz verabschiedet werden soll, Leistungskürzungen für Blinde, Gehörlose und Schwerbehinderte auf den Weg gebracht werden. Da soll die Hilfe für psychisch Kranke entfallen sowie sollen Fördermittel

für Betreuungsvereine, die sich um die Aus- und Weiterbildung ehrenamtlicher, gerichtlich bestellter Betreuer von geistig und seelisch Behinderten kümmern, gestrichen werden.

Während Sie nach jahrelanger Diskussion im Hinblick auf die Gleichstellung Behinderter noch immer auf der Stelle treten, wollen Sie diese Kürzungen in vier Wochen über die Bühne bringen.

Bezeichnend für den fehlenden politischen Gestaltungswillen war im Übrigen auch das gesamte Beratungsverfahren. Zum Gesetzentwurf der PDS-Fraktion, der im Mai 2001 eingebracht worden war und damit wohl einer der am längsten beratenen Gesetzentwürfe ist, hat eine parlamentarische Diskussion eigentlich gar nicht stattgefunden. Aus den Reihen der Koalition kam keine Frage, kein Argument, keine Meinungsäußerung, kein Kompromissvorschlag, kein Änderungsantrag.

(Vietze [PDS]: So etwas gibt es?!)

Es ist weniger die Ablehnung, mit der wir rechnen konnten, als vielmehr die völlige Ignoranz und die Blockade einer Diskussion, die mich betroffen und wütend machen. Sie haben damit auch Hoffnungen vieler Menschen mit Behinderungen, die sich sehr aktiv in die Diskussion eingebracht haben und keine Wertung nach dem Parteibuch, sondern nach Inhalten vornahmen, zunichte gemacht, verehrte Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Eigentlich wäre die Verabschiedung eines Gleichstellungsgesetzes für Menschen mit Behinderungen im Land Brandenburg ein wichtiges und notwendiges Signal im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen. Diesem Anspruch und dem Versprechen, ein Artikelgesetz vorzulegen, werden weder die Regierung selbst noch die Koalition in irgendeiner Weise gerecht.

Ich möchte noch einmal zum Ausdruck bringen, dass ich es wirklich sehr schade finde, dass diese beiden so wichtigen Gesetze so einfach vom Tisch gefegt wurden. Ich hoffe, dass dieses Vorgehen in Zukunft nicht Ihre weitere politische Tätigkeit im Bereich der Behindertenpolitik kennzeichnen wird. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Bednarsky, und gebe das Wort an die Fraktion der SPD, Frau Abgeordnete Konzack.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der 1. Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfes zur Gleichstellung behinderter Menschen drängte auch die SPD-Fraktion darauf, über das Gesetz spätestens in der Märzsitzung 2003 abzustimmen. Die Betroffenen und ihre Verbände warten auf das Landesgesetz,

(Frau Bednarsky [PDS]: Nicht auf dieses!)

nachdem das Bundesgesetz bereits vor einem Jahr verabschiedet

wurde. Da finde ich es schon komisch, wenn Sie jetzt sagen, wir hätten dieses Gesetz vom Tisch gefegt.

(Zuruf der Abgeordneten Bednarsky [PDS])

Frau Bednarsky, Sie haben selbst immer angemahnt, dass wir mit diesem Gesetz zu Stuhle kommen müssen. Wir haben eine ordentliche Anhörung durchgeführt. Wir haben uns Zeit gelassen. Ich weiß nicht, warum Sie das als „vom Tisch gefegt“ bezeichnen.

Übrigens haben wir als Ausschussmitglieder ein Schreiben der Landesarbeitsgemeinschaft „Hilfe für Behinderte“ mit der Bitte erhalten, das Gesetz ohne weitere lange Diskussionen um Formulierungen schnellstens zu verabschieden.

Der Regierungsentwurf überträgt nach meinem Dafürhalten den durch das Bundesgleichstellungsgesetz vorgegebenen Rahmen in einer der Haushaltssituation Brandenburgs angemessenen Form auf die Landesebene. Zusätzliche Kosten und höherer Verwaltungsaufwand entstehen in nur geringem Umfang und sind im Hinblick auf die Sache nicht der Rede wert. Darin liegt zwangsläufig auch der Konflikt mit der Opposition.

Zu den Kürzungen, die Sie, Frau Bednarsky, aufgeführt haben, stehen wir. Gleichstellung von Behinderten bedeutet - das ist schmerzlich, aber Sie sagen immer „Gleichstellung“ -, dass man diese dann auch in gleichem Maße an Kürzungen, die im Landeshaushalt vorgenommen werden, beteiligt.

Wir hatten sogar eine Diskussion darüber, das Landespflegegeld womöglich ganz wegfallen zu lassen. Das war aber mit niemandem zu machen; mit der SPD-Fraktion nicht und auch nicht mit den Sozialpolitikern in der Koalition.

Frau Bednarsky, jetzt ist dort eine Kürzung von 20 % vorgesehen. Das ist dann auch eine Gleichbehandlung.

(Zuruf der Abgeordneten Bednarsky [PDS])

- Dazu muss man stehen. Da können Sie hier verlangen, was Sie wollen: Das Geld in unserem Haushalt wird nicht mehr.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Sie als PDS-Fraktion haben zahlreiche Änderungsanträge, die Sie vorher in Ihrem Gesetzentwurf bereits verankert hatten, eingebracht. Diese haben Sie jetzt noch einmal als Änderungsanträge zum Gesetzentwurf der Landesregierung eingereicht. Alle diese Vorschläge waren mit einem nicht abzuschätzenden Finanzbedarf verbunden. Als Mitglieder der SPD-Fraktion mussten wir im Einvernehmen mit dem Koalitionspartner „mussten“ unterstreiche ich jetzt - diese Anträge im Sozialausschuss aus der Verantwortung für das finanziell Machbare heraus ablehnen. Dieses Vorgehen verteidige ich auch heute und nenne dafür drei Gründe.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Erstens: Die PDS wollte gesetzliche Regelungen für die Kommunen. Aber, meine Damen und Herren, bei der Formulierung aller Bestimmungen war auf die Einhaltung des Konnexitätsprinzips zu achten. Dass wir keine zusätzlichen Aufgaben auf die kommunalen Gebietskörperschaften übertragen haben, wur

de von deren Spitzenverbänden in der Anhörung ausdrücklich begrüßt.

Zweitens: Spezielle gesetzliche Vorschriften sollen dort geregelt werden, wo sie hingehören. Deshalb verweise ich ausdrücklich auf § 45 des Bauordnungsentwurfs, der die Verpflichtung zum barrierefreien Bauen enthält.

Drittens: Längere Betreuungszeiten für behinderte Kinder, die Ausdehnung der integrativen Beschulung, ein vollständig barrierefreier ÖPNV usw. - alles was Sie beantragt haben - wären finanzträchtig, also in der derzeitigen Haushaltssituation unmöglich zu realisieren.

Meine Damen und Herren, als Sozialpolitikerin begrüße ich im Gesetzentwurf der Landesregierung ausdrücklich die Anerkennung der Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen, das Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt, die behindertengerechte Gestaltung von Bescheiden, Vordrucken und Internet-Auftritten, die Einführung eines abgestuften Verbandsklagerechts, die gesetzliche Verankerung des Landesbehindertenbeauftragten und des Landesbehindertenbeirats sowie die Änderung der Vorschriften über Wahlen und Abstimmungen, die behinderten Menschen die Teilnahme an der politischen Willensbildung - gleich Wahlen - erleichtern.

Auch wegen dieser Punkte haben zum Beispiel Herr Haar vom Blinden- und Sehbehindertenverband und Herr Gräfe vom Gehörlosenverband diesen Gesetzentwurf begrüßt.

Der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Änderungsantrag zum Artikel 1 § 10 Abs. 3 des Entwurfs soll gewährleisten, dass in die im Zusammenhang mit dem Verbandsklagerecht erforderliche Anerkennung von Verbänden eine Instanz eingebunden ist, die den Belangen behinderter Menschen nahe steht.

Meine Damen und Herren, um den Entwurf der Landesregierung schnellstmöglich Wirklichkeit werden zu lassen, bitte ich Sie um Ihre Zustimmung dazu und gleichzeitig um die Ablehnung des Gesetzentwurfs der PDS. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Konzack. - Ich erteile das Wort der Fraktion der DVU. Frau Abgeordnete Fechner, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Schaffung eines Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen geht seinem Ansatz nach in die richtige Richtung. Dies ist auch der Grund für die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, diesen Gesetzentwurf anzunehmen.

Auch meine Fraktion würde sich diesem Gesetzentwurf nicht verschließen, wenn er in wesentlichen Punkten - dazu hat unsere Fraktion auch Änderungsanträge eingebracht - so ausgereift wäre, dass behinderte Mitbürger tatsächlich einen Schutz vor