Protocol of the Session on November 13, 2002

Jetzt kommt es darauf an, die für die Region derzeit bedeutendsten Vorhaben, den Flughafen Berlin Brandenburg International sowie den Bau der Chipfabrik in Frankfurt (Oder), der durch die jüngste positive Entscheidung der Europäischen Kommission an Fahrt gewinnt, zu realisieren. Und, meine Damen und Herren, ich sage es hier im Rückblick auf die letzten Tage zweifelsfrei: Die Landesregierung hält an dem Projekt zur Errichtung der Fabrik in Frankfurt (Oder) durch die Firma Communicant fest und wird ihren Teil zum Gelingen beitragen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, wo Industrie wächst, da siedeln und wachsen auch mittelständische Betriebe, ohne die eine gesunde Wirtschaftsstruktur nicht denkbar ist. Kleine und mittlere Unternehmen aus Brandenburg nahmen in den letzten Jahren erfolgreich die Hürde des Eintritts in ausländische Märkte. Heute sind schätzungsweise 24 000 Beschäftigte vom Export der Unternehmen abhängig.

Noch immer allerdings müssen mittelständische Betriebe mehr

interkulturelle Kompetenz entwickeln. Wovon lebt Wirtschaft? Wirtschaft lebt von neuen Ideen und Wirtschaft lebt von unternehmerischer Kreativität. Diese Voraussetzungen entstehen am besten in einer engen Zusammenarbeit von Forschung und Entwicklung mit Unternehmen. An Beispielen für diesen strategischen Zusammenhang besteht schon heute kein Mangel. Die im IHP Frankfurt (Oder) entwickelte Halbleitertechnologie etwa hat ja erst die Voraussetzungen für Wertschöpfungsmöglichkeiten in der Region geschaffen. Aus der Kooperation zwischen kleinen und mittleren Unternehmen und leistungsfähigen Forschungsinstituten ist die Biotechnologieregion Berlin-Brandenburg, die heute einen Spitzenplatz in Deutschland einnimmt, ja erst entstanden. Und allen diesen Berufsfeldern ist eines gemeinsam: Sie sind aus- und weiterbildungsintensiv. Sie gedeihen allein in einem allgemeinen Klima der Wissenschaftsfreundlichkeit, sie gedeihen in einem Klima der Weltoffenheit, der Aufgeschlossenheit für Ideen und Kreativität.

Meine Damen und Herren, die so genannten einfachen Arbeitsplätze wird es in Zukunft immer weniger geben. Das ist im Übrigen auch der Grund dafür, dass für uns auf dem Gebiet der aktiven Beschäftigungsförderung der Aspekt der gezielten Weiterbildung zukünftig eine immer größere Rolle spielen wird. Nicht Arbeitslosigkeit zu finanzieren, sondern, wo immer möglich, Arbeit und Wertschöpfung, das ist unser Ziel. Wir werden es umso besser erreichen, je mehr es gelingt, Beschäftigungssuchende auf die Anforderungen der modernen Wissensgesellschaft vorzubereiten.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung verbessert daneben die Rahmenbedingungen für die Unternehmen; denn nur die Wirtschaft - das wissen wir alle - kann neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen. Erforderlich ist aber auch eine Reform des Arbeitsmarktes und der Arbeitsvermittlung. Hier müssen die Vorschläge der Hartz-Kommission verwirklicht werden, wenn auch zu beachten bleibt, dass wir im Osten vor allem eines brauchen: neue Arbeitsplätze.

(Beifall bei SPD und CDU)

Investitionen in die kommunale Infrastruktur schaffen unmittelbar zusätzliche Arbeitsplätze und fördern die Ansiedlung von Investoren. Im Rahmen der Initiative „Jugend 2005" fördern wir eine Reihe von Vorhaben, die Qualifizierung, Vermittlung und Selbstständigkeit unterstützen. Dazu gehören Nachwuchskräftepools, vermittlungsorientierte Arbeitnehmerüberlassungen und Existenzgründungen. Wir wissen, wie schwierig diese Aufgaben sind. Genau deshalb aber wird unser Land im 21. Jahrhundert ein Land von Bildung und Weiterbildung sein müssen. Ob es gelingt, die höchstmögliche Zahl von Brandenburgerinnen und Brandenburgern so zu qualifizieren, dass sie sich unter den Bedingungen der Wissensgesellschaft behaupten können, genau das ist die Schlüsselfrage unserer Zukunft schlechthin. Von den Erfolgen, die wir auf diesem Sektor erzielen, hängen buchstäblich alle anderen Erfolge ab. Ich möchte an alle Schüler, Auszubildenden und Arbeitnehmer appellieren: Helft mit, nehmt alle Angebote wahr und verbessert damit eure Chancen auf dem Arbeitsmarkt!

(Beifall bei SPD und CDU)

Es muss gelingen, dass jede junge Brandenburgerin, dass jeder junge Brandenburger die beste nur mögliche Ausbildung erhält. Es muss gelingen, dass alle Menschen in unserem Land ihre individuellen Bildungspotenziale ausschöpfen können. Das ist nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, es ist auch nicht nur die Voraussetzung für ein erfülltes Leben; es ist angesichts der vorhin besprochenen unabwendbaren demographischen Krise auch ökono

misch vollkommen alternativlos. Nur wo gut ausgebildete, kreative Menschen leben, werden zukünftig in einer Kultur der Selbstständigkeit neue Arbeitsplätze entstehen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Und nur wo moderne Arbeitsplätze entstehen, werden gut ausgebildete Menschen leben wollen. Nur dort werden sie Familien gründen und als Bürger die zivile Gesellschaft unseres Landes mit aufbauen helfen. Bildung ist der kostbare Rohstoff, von dem im 21. Jahrhundert fast alles andere abhängen wird.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Die Zukunft des modernen Brandenburg steht und fällt mit unserer Fähigkeit, dieser fundamentalen Einsicht politische Taten folgen zu lassen. Klar sollte sein, dass eine moderne Wissensgesellschaft ohne eine sie ermöglichende Bildungsinfrastruktur nicht funktioniert. Nur wo Eltern die Bildungszukunft ihrer Kinder in guten Händen wissen, werden sie sich gern niederlassen, und nur wo sich Beruf und Familie vereinbaren lassen, können sich Männer und Frauen mit allen ihren Kompetenzen am Erwerbsleben beteiligen. Beides wird mitentscheiden über die Zukunft Brandenburgs.

(Beifall bei SPD und CDU)

Zeitgemäße Bildungspolitik beginnt deshalb bei den Kleinen. Unser System der Kindertagesstätte ist vorbildlich für ganz Deutschland. Dieses bewährte System werden wir aufrechterhalten.

(Beifall bei der SPD)

Wir streben ein bedarfsgerechtes Netz von Ganztagsangeboten an.

Wir werden die Qualität der Ausbildung an unseren Schulen systematisch erhöhen. Auf dem Weg des Aufbaus der akademischen Wissenschaftslandschaft in Brandenburg sind wir bereits gut vorangekommen. Schon heute sind die neuen Hochschulen und mehr als 20 Forschungseinrichtungen unseres Landes weithin sichtbare Leuchttürme. Sie ziehen begabte junge Menschen aus ganz Deutschland und dem Ausland an, und das mit steigender Tendenz. Der Zuzug von Studierenden nach Brandenburg gibt uns die Chance, junge Leistungsträger dauerhaft für unser Land Brandenburg zu gewinnen. Das wird uns in dem Maße gelingen, wie wir es schaffen, die strategische Kooperation zwischen Hochschulen und Unternehmen zu organisieren. Modern ausgebildete Hochschulabsolventen einerseits, an den praktischen Bedürfnissen der modernen Wissensgesellschaft orientierte Forschungsarbeit andererseits - erst zusammen ergeben diese Faktoren jenes Wertschöpfungspotenzial, das zu marktfähigen Produkten und Dienstleistungen führt und damit zu zeitgemäßen Arbeitsplätzen.

Unterschätzt wird vielfach noch, wie sehr es die so genannten weichen Faktoren sind, die über die Zukunftsträchtigkeit von Städten und Regionen in der modernen Wissensgesellschaft entscheiden. Talentierte und gut ausgebildete Arbeitskräfte werden in Europa, sogar weltweit zunehmend die freie Wahl haben zwischen Berufsangeboten an unterschiedlichen Orten. Auch das ist eine Folge der demographischen Entwicklung. Im Wettbewerb um die besten Köpfe wird Brandenburg vor allem dann mithalten können, wenn sich seine Modernität auf Kultur erstreckt, auf Lebenswelt, auf Umwelt insgesamt.

Zu einer der dabei immer wichtiger werdenden Fragen gehört auch die Frage nach der Frauenfreundlichkeit einer Wirtschaftsregion. Die Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben zu

zulassen ist nicht nur von vornherein falsch, sondern zunehmend auch ökonomisch kontraproduktiv.

(Beifall bei SPD und PDS)

Aus beiden Gründen werden wir deshalb darauf achten, das hohe Niveau der Frauenerwerbstätigkeit zu erhalten.

Meine Damen und Herren, nachhaltiges Wirtschaften, der schonende Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen, das alles ist einerseits eine moralische Verpflichtung gegenüber nachfolgenden Generationen und andererseits im Übrigen ein Gebot der Selbsterhaltung menschlicher Gesellschaften. Nicht nur, aber auch das verheerende Hochwasser im Sommer hat uns alle erneut sehr drastisch daran erinnert, dass menschliche Zivilisation nur im Einklang mit den Erfordernissen der natürlichen Umwelt möglich ist. Das allein bereits zwingt uns dazu, politische Entscheidungen immer auch unter dem Gesichtspunkt ihrer ökologischen Verträglichkeit zu treffen. Zugleich aber sind gesunde Natur und saubere Umwelt längst zu wichtigen Faktoren der Lebensqualität geworden, die über die Attraktivität der Region mitentscheiden. Zur Modernität Brandenburgs wird also auch seine umweltpolitische Leistungsbilanz zählen und wir werden gemeinsam dafür sorgen, dass unser Land auch in dieser Disziplin keinen Wettbewerb zu scheuen braucht.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Frau Dr. Enkel- mann [PDS])

Meine Damen und Herren, unser Land Brandenburg hat alle Chancen, im 21. Jahrhundert zu einer der modernsten und lebenswertesten Regionen unseres wiedervereinigten Kontinents zu werden. Doch unser Weg in die Zukunft wird kein Spaziergang, sondern ein sehr harter Gang. Wir werden unsere Potenziale entschlossen nutzen müssen. Unser Land liegt in der Mitte Europas und in der Mitte von Brandenburg liegt die deutsche Hauptstadt. Unsere Nachbarländer und Handelspartner im Osten werden auf Jahrzehnte hinaus zu den dynamischen Wachstumsregionen in Europa gehören.

Unsere Heimat Brandenburg verbindet auf einzigartige Weise die Vorzüge von Bodenständigkeit und Weltoffenheit, von unverdorbener Natur und moderner Urbanität. Die altbewährten märkischen Tugenden der Nüchternheit und Verlässlichkeit, der Sparsamkeit und Beharrlichkeit werden auch in der modernen Ära von Globalisierung und Wissensgesellschaft nicht ihren Wert verlieren. Ich glaube, das genaue Gegenteil trifft zu. Richtig verstandene Modernität begreift die Ressourcen von Tradition und Identität als Bedingungen des Erfolges. Genau hier liegt unsere große Chance, liegt die große Chance Brandenburgs.

Meine Damen und Herren, die Modernisierung mit märkischer Prägung beginnt bei uns selbst. Besinnen wir uns auf unsere eigene Kraft und arbeiten wir gemeinsam am Aufbau unseres modernen Brandenburg! - Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei SPD und CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Aussprache eintreten, darf ich neben den Gästen, die wir öfter sehen, herzlich die junge Generation, die vom Ministerpräsidenten auch gerade angesprochen worden ist, begrüßen, hier als Vertreter des Friedrich-Gymnasiums aus Luckenwalde. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Herr Prof. Dr. Bisky, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn ich mir die größte Mühe gebe, die von Ihnen, Herr Ministerpräsident, entwickelten Umrisse einer Utopie einer Wissensgesellschaft mit Freundlichkeit aufzunehmen, gerate ich bei der Überschrift „Modernisierung mit märkischer Prägung” doch ins Grübeln. Der Sinn ähnlicher und anderer Formulierungen, wie etwa die Formulierungen „Laptop und Lederhosen”, „Chips und Gurken” oder „Der Sozialismus in den Farben der DDR”, blieb mir in meinem Leben immer verschlossen. Wäre es nicht besser umgekehrt zu sagen, die Modernisierung prägt die Mark - oder: prägt die erhaltene märkische Prägung zurück, im Sinne einer Wechselwirkung?

Ich gebe es aber lieber gleich auf, wenn mich bedeutungsschwangere philosophische Sätze wie der drittletzte Ihrer Rede überfallen:

„Richtig verstandene Modernität begreift die Ressourcen von Tradition und Identität als Bedingungen des Erfolges.”

Das mag ja alles sein oder auch nicht, ein wenig zu philosophisch für eine Regierungserklärung erscheint es mir schon. Ihr Ziel allerdings erkenne ich wohl, auch wenn es nur verschwommen durch die philosophischen Kategorien schimmert. Sie wollen Brandenburg auf die Bedingungen des 21. Jahrhunderts vorbereiten. Das ist gut so, das kann aber auch verständlicher umschrieben werden.

Aber warum das Ganze erst heute? Die „strategische” Rotweinrunde - so geht die Legende - vom 2. Dezember 2001, in der drei Politiker verabredet haben sollen, dass Matthias Platzeck Mitte des Jahres 2002 zum neuen Regierungschef gekürt wird, liegt fast zwölf Monate zurück. Gemessen an dieser außerordentlich langen Vorbereitungszeit, Herr Ministerpräsident, war Ihre Rede inhaltlich dürftig und enttäuschend.

(Beifall bei der PDS)

Sehr viel Psychologie, sehr viel Literatur und zu wenig konkrete Politik.

(Beifall bei der PDS)

Obwohl sich das Kabinett seit Ihrem Amtsantritt mit schwerwiegenden Problemen der künftigen Landespolitik beschäftigt hat, obwohl Sie in zahlreichen Medienauftritten den Eindruck vermittelten, einen Neuanfang für Brandenburg mit ganz konkreten politischen Inhalten verbinden zu wollen, blieben Sie in Ihrer Rede heute konkrete Antworten schuldig.

Sie schwiegen erst wegen der Unwägbarkeiten der Bundestagswahl, dann angesichts des 1-Milliarden-Haushaltslochs - und Sie schweigen weiter. Aber allein mit dem Verbreiten guter Stimmung - so wichtig sie ist, Herr Ministerpräsident - ist dieses Land nicht voranzubringen, sind die großen Probleme, vor denen Brandenburg nach zwölf Jahren SPD-geführter Landespolitik steht, nicht zu lösen.

(Beifall bei der PDS)

Schon in Ihrer Potsdamer Oberbürgermeisterzeit hatte dieser Ansatz Grenzen. Das gilt erst recht jetzt für Ihre neue Verantwortung.

Was die Brandenburgerinnen und Brandenburger erwarten, sind Taten, Lösungen für die mit den Händen zu greifenden Probleme. Verheißungen für ein „modernes Brandenburg” oder „In Rich

tung Zukunft -... Politik für Ostdeutschland” hat Ihre SPD und haben Sie persönlich vor dem 22. September zur Genüge verbreitet. Was Brandenburg braucht, ist ein entschlossener Ministerpräsident, der - wie es die Verfassung will - die Richtlinien der Landespolitik bestimmt - und dies in engem Zusammenwirken mit dem Landesparlament.

Wir übersehen nicht, dass Sie Probleme teilweise gekonnt interpretieren. Es kommt aber darauf an, sie zu lösen, Herr Ministerpräsident.