Protocol of the Session on September 5, 2002

Unverständlich ist mir, warum die Zusage des Bundeskanzlers, nach der Flut werde es keinem schlechter gehen als vor der Flut, inzwischen faktisch zurückgenommen wurde. Nur so ist die Erklärung zu interpretieren, diese Zusage gelte nur für Unternehmen und nicht für Privatpersonen. Wir fordern die Landesregierung auf, sich für alle mittelbar und unmittelbar Betroffenen einzusetzen.

(Beifall bei der PDS)

Wir gehen davon aus, dass die Regierungen die Vorschläge der PDS im Elbe-Hilfsprogramm ernsthaft prüfen werden.

In Gesprächen mit kleinen und mittelständischen Unternehmen wird deutlich, dass für sie gerade die Umsatz- und Einnahmeausfälle eine wichtige Rolle spielen. Es müssen schnellstens Lösungen gefunden werden, um die Betriebe zu unterstützen, die aufgrund des Hochwassers Einbußen zu verzeichnen haben. Das betrifft nicht nur die Beherbergungsbetriebe und andere

touristische Leistungsanbieter - allein in der Brandenburger Elbtalaue sind 1 250 Vollzeit- oder Saisonarbeitsplätze akut bedroht -; vielmehr sind alle Betriebe gleichzustellen.

Die Soforthilfe in Höhe von 15 000 Euro kann nur ein erster Schritt sein. Wir fordern die Landesregierung auf, sich für Entschuldungsmöglichkeiten einzusetzen, statt durch Bürgschaften für neue Kredite in erster Linie das Geschäft der Banken anzukurbeln.

(Beifall bei der PDS)

Unsere Finanzierungsvorschläge lauten, erstens eine einmalige Vermögensabgabe auf Vermögen von mehr als 500 000 Euro zu erheben, wobei selbst genutztes Wohneigentum von der Abgabe befreit bleiben soll, zweitens Rüstungsprojekte wie die Entwicklung eines neuen Schützenpanzers, für die 2 Milliarden Euro veranschlagt sind, und die Anschaffung des Transportflugzeuges A400M, wofür 9,6 Milliarden Euro vorgesehen sind, zu streichen. Die Regierungen Tschechiens und Österreichs haben bereits Rüstungsprojekte zurückgestellt.

(Beifall bei der PDS)

Unser dritter Finanzierungsvorschlag lautet, Veräußerungsgewinne aller Unternehmen zu besteuern. Viertens soll die Körperschaftsteuer für Unternehmen differenziert nach Gewinn erhöht werden: Gewinne bis 100 000 Euro werden mit 25 %, die nächsten 100 000 Euro mit 28 % und alle weiteren Gewinne mit 30 % besteuert. Die Finanzierung der Schadensbeseitigung muss eine nationale Aufgabe sein, die nicht zuallererst auf Kosten der Einkommensschwachen erbracht wird, sondern alle Teile der Gesellschaft angeht. Wer viel hat, soll viel geben; wer wenig hat, gibt weniger.

(Schippel [SPD]: Sie erzählen nichts Neues!)

Die Hauptlast können nicht schon wieder die kleinen Leute tragen. Das ist ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, Herr Schippel. Dies berücksichtigen weder die Vorschläge der CDU/CSU noch die der SPD.

Die an der Infrastruktur entstandenen Schäden sind noch nicht absehbar. Zu begrüßen ist die Öffnungsklausel bei der GA-Förderung für Infrastrukturmaßnahmen. Es wäre zu überlegen, wie das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zur Finanzierung von Hochwasserschäden herangezogen werden kann. Gleiches gilt für die Instandsetzung der Wirtschafts- und Radwege sowie der Kreis- und Gemeindestraßen. Die betroffenen Landkreise brauchen ebenfalls einen Kostenausgleich für die Katastrophenschutzmaßnahmen. Aus Sicht der PDS muss eine vollständige Schadensregulierung und eine vollständige Erstattung aller Aufwendungen für den Katastrophenschutz gewährleistet werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, großer Schaden ist in der Landwirtschaft eingetreten. So mussten in der Prignitz 18 000 Rinder, 1 000 Schweine, 3 000 Schafe und Ziegen und 48 000 Masthähnchen evakuiert werden. Für Nachfolgeschäden sorgt jetzt das so genannte Qualmwasser, also Wasser, das auf Acker- und Weideflächen steht und nicht abläuft bzw. nicht versickert. Der Mais verfault von der Wurzel her, die Ackerflächen sind lange Zeit nicht befahrbar, Nachfolgearbeiten wie Ackerbestellung können nicht durchgeführt werden. Die PDS

unterstützt die Hilfe und den vollen Schadensausgleich für die Landwirte im gefluteten Havelland. Gleiches muss für die landwirtschaftlichen Betriebe gelten, die mit Folgeschäden zu kämpfen haben, die aus dem Hochwasser resultieren.

Parallel zur Schadensbeseitigung müssen wir uns über die längerfristigen Konsequenzen verständigen. Die PDS fordert ein sofortiges Moratorium des Ausbaus der Elbe und ihrer Zuflüsse.

(Beifall bei der PDS)

Anrainer entlang des Stroms und Wissenschaftler müssen zu Rate gezogen werden, um Zusammenhänge zwischen Überschwemmungen, der Vertiefung der Flüsse und der Erhöhung der Fließgeschwindigkeit zu erkennen. Es ist notwendig, dass alle Staaten an der Elbe gemeinsam Verantwortung übernehmen. Es bedarf konkreter Projekte zur Renaturierung der Flussauen, zur Rückverlegung von Deichen und zur Verbesserung der Regenrückhaltung in den Einzugsgebieten. Ich lege Ihnen schon jetzt den Antrag zur Prüfung der Flussausbauprojekte ans Herz, der heute Abend beraten wird und zu dem ich um Ihre Zustimmung bitte.

Wir brauchen eine andere Klimaschutzpolitik, die auch eine andere Energiepolitik beinhaltet. Hier kann Brandenburg seinen Anteil leisten und endlich das bereits Anfang dieses Jahres beantragte Klimaschutzprogramm erarbeiten.

Wir brauchen eine Überarbeitung des Landesbrand- und -katastrophenschutzgesetzes. Wertvolle Anregungen sind dem Strategiepapier des Landesfeuerwehrverbandes „Feuerwehr 2000“ zu entnehmen. Die Landesregierung wäre gut beraten, diese endlich aufzunehmen. In Zukunft ist ein über Ländergrenzen hinweg einheitliches Katastrophenschutzsystem unabdingbar. Das setzt voraus, dass das Katastrophenschutzkonzept des Landes angepasst und überarbeitet wird. Unsere Fraktion hat schon einmal die Personalausstattung im dafür zuständigen Referat Brand- und Katastrophenschutz des Innenministeriums kritisiert.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen Soforthilfe für die betroffenen Menschen und Unternehmen. Wir brauchen aber auch einen Moment des Innehaltens und des Nachdenkens, damit beim Wiederaufbau der vom Hochwasser geschädigten Regionen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Man wird Kompromisse finden müssen. Eine Verteufelung von Umwelt- und Naturschutz ist dabei am wenigsten hilfreich. Die Menschen müssen in den Regionen mit dem und vom Naturschutz leben können. Nachhaltigkeit sollte nicht nur in politischen Sonntagsreden eine Rolle spielen; sie muss endlich Programm werden. - Danke sehr.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Domres und gebe das Wort an die Fraktion der CDU. Bitte, Frau Abgeordnete Blechinger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bilder werden uns allen noch lange im Gedächtnis bleiben: aufgerissene Straßen, zerstörte Häuser, hinweggespülte Innenstädte, ganze Landstriche versunken - in Glashütte die

Uhrenindustrie, in Meißen die weltberühmte Porzellanmanufaktur, in Dresden der Hauptbahnhof, weltberühmte Kulturgüter wie die Dresdner Semperoper und der Zwinger im Wasser.

Die Jahrtausendflut hat vor allem in den neuen Bundesländern unglaubliche Schäden angerichtet und in vielen Regionen die Ergebnisse aus einem Dutzend von Jahren der Aufbauarbeit Ost zunichte gemacht. Die Behebung der Flutschäden ist eine große Herausforderung für Deutschland.

Unsere Anteilnahme und unser Mitgefühl gelten den Menschen, die Angehörige verloren haben. Wir fühlen mit den Menschen, die verletzt wurden, deren Hab und Gut vernichtet wurde und die sich nun in großer seelischer und materieller Not befinden. Ihnen möchte ich im Namen der CDU-Fraktion sagen, dass sie nicht allein gelassen werden. Unser Land steht zu ihnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, das Hochwasser verursachte schwere Schäden an Gebäuden, Straßen, Brücken und Schienenwegen. Zahlreiche Landwirte haben ihre Ernte und ihr Vieh verloren. Viele ostdeutsche Unternehmer aus Handwerk und Industrie sowie aus der Landwirtschaft, die nach der Wende als Existenzgründer gestartet sind, bangen um ihre Existenz. Die aktuellen Schätzungen gehen bundesweit von Schäden in Höhe von über 25 Milliarden Euro aus. Der Freistaat Sachsen schätzt seine Schäden bereits auf rund 17 Milliarden Euro. Mit jedem Tag, mit dem das Wasser abfließt, steigen die Beträge. In Brandenburg sind Schäden von mindestens 260 Millionen Euro zu beklagen. Allein die Landwirte befürchten Schäden in Höhe von rund 30 Millionen Euro.

Meine Damen und Herren, in den vergangenen Tagen und Wochen konnten wir feststellen, dass mit der Flutwelle auch eine Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität der Menschen untereinander durch das Land ging. Hier hat sich das wiederholt, was wir schon 1997 erlebt haben: In der Not stehen die Menschen in Deutschland zusammen. Der Dank meiner Fraktion gebührt daher den vielen freiwilligen Helfern vor Ort. Wir danken auch den Kräften von Feuerwehren, Technischem Hilfswerk, Rotem Kreuz und den vielen Hilfsorganisationen sowie den Vereinen und Verbänden.

Ich danke auch den Unternehmen, die bereitwillig ihre Mitarbeiter freistellten für den Einsatz in Krisengebieten, obwohl sie auch an ihrem Arbeitsplatz dringend gebraucht wurden. Auf diese Bereitschaft sind wir auch in Zukunft und nicht nur bei Katastrophen dieser Größenordnung angewiesen.

Ganz besonderer Dank gilt unseren Soldaten der Bundeswehr für ihren Einsatz in den Katastrophengebieten. Ihr Einsatz, der bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit eines jeden einzelnen Helfers reichte, verhinderte weitere Zerstörungen. Man kann sagen: Die Bundeswehr ist zwar nicht alles, aber ohne die Bundeswehr ist alles nichts!

(Beifall bei CDU und SPD)

Bei Katastrophen dieser Größenordnung geht das, glaube ich, nicht ohne, Herr Schippel.

Besonders beeindruckt waren wir jedoch von den Tausenden junger Menschen, die an die Deiche geeilt sind und ihre Freizeit

geopfert haben, um mitzuhelfen. Wir sind stolz auf diese Jugend, die da ist, wenn sie gebraucht wird. Unsere jungen Menschen haben sich zurückgemeldet. Ich bin sicher: Mit ihnen haben wir eine gute Zukunft.

Unser Dank gebührt auch in besonderer Weise der Landesregierung und ihrem Krisenstab. Sie alle haben mit ihrem außerordentlichen Engagement geholfen, das Schlimmste für Brandenburg zu verhindern. Mühlberg und die Prignitz konnten sicher auch dadurch vor den Fluten gerettet werden. Allerdings half uns auch das Glück der Tüchtigen. Insbesondere hatten wir mehr Zeit, um die Deiche rechtzeitig zu sichern.

Außerordentlich berührt bin ich von der übergroßen Spendenbereitschaft. Mehr als 200 Millionen Euro sind bislang auf die Spendenkonten überwiesen worden. Täglich werden es mehr. Das ist die höchste Summe, die bislang in Deutschland für einen Katastrophenfall gespendet wurde. Allein beim Roten Kreuz gingen bisher fast 90 Millionen Euro ein. Bereitwillig wollen viele Menschen mit kleinen und größeren Beiträgen ihren eigenen persönlichen Beitrag leisten. Ich weiß auch von einer Vielzahl von Abgeordneten und Mitarbeitern, die sich an den Spendenaktionen beteiligt haben, um die Not der Betroffenen zu mildern.

Jetzt gilt es, gemeinsam die Folgen der Flutkatastrophe zu bewältigen. Die Fluten haben überall große Verwüstungen angerichtet und viel Aufbauleistung hinweggespült. Für uns steht fest: Die Opfer der Flut brauchen unsere schnelle und unbürokratische Hilfe. Ich betone, dass diese Erkenntnis zu keinem Zeitpunkt zwischen den Volksparteien in Deutschland streitig war; es ging nur um die Art der Finanzierung. Dies ist jedoch nicht die zentrale Frage, über die wir heute debattieren sollten. Zunächst gilt es, den betroffenen Menschen schnell und umfassend zu helfen.

Hilfe benötigen auch die betroffenen Betriebe und die Landwirtschaft. Hier müssen Insolvenzen vermieden und Arbeitsplätze gesichert werden. Einem Betrieb, dem die Flut alles weggespült hat - bis auf die Schulden -, helfen keine neuen Kredite.

(Beifall bei der CDU)

Hier ist Unterstützung bei den Verhandlungen mit den Banken zu geben, um Stundung und gegebenenfalls Entschuldung zu erreichen. Vielen Landwirten wurde gerade jetzt ihre Ernte zunichte gemacht. Es mussten Polder geflutet werden, um Gefahren für die bewohnten Gebiete in der Prignitz und die Regionen elbabwärts zu verhindern. Dies hat zur Folge, dass die betroffenen Flächen auf Monate hinaus nicht genutzt werden können. Insbesondere die Herbstbestellung ist ausgeschlossen.

Die CDU-Fraktion begrüßt und unterstützt daher ausdrücklich die Bereitschaft der Landesregierung, hier Soforthilfen bereitzustellen. Es ist ferner zu sichern, dass die durch das Hochwasser ausgelöste Überschuldung von Privatpersonen und Unternehmen nicht zu Insolvenzen und Betriebsschließungen und damit zu noch mehr Arbeitslosigkeit führt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, die Flutkatastrophe mahnt uns, über diese Soforthilfe hinaus zu denken. Die Flut wirft neue Fragen auf: Wie steht es um den Zustand unserer Deiche und Überflutungsflächen? Allerdings wissen wir, dass Brandenburg nicht

allein die Überflutungsflächen für halb Europa darstellen kann. Hier ist also die Zusammenarbeit und die Abstimmung mit unseren Nachbarländern geradezu überlebenswichtig.

Auch die Frage, ob der Katastrophenschutz in Brandenburg hinreichend gut organisiert ist, um unsere Menschen künftig umfassend zu schützen, muss nachgearbeitet werden. In Mühlberg haben die Deiche glücklicherweise gehalten. In der Prignitz konnte nur durch die Flutung der Polderflächen im Westhavelland das Schlimmste verhindert werden. Für Brandenburg lässt sich sagen: Im Großen und Ganzen verfügen wir über ein ausreichendes System von Deichen und Überflutungsflächen. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor kritische Stellen bestehen. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Wehre, Schleusen und Stauanlagen regelmäßig auf ihren technischen Zustand hin untersucht und - wo nötig - saniert werden. Am Oberlauf der Elbe, außerhalb Brandenburgs also, wird man hingegen über zusätzliche Überflutungsflächen und andere Hochwasserschutzmaßnahmen nachdenken müssen. Das ist heute Morgen in der Fragestunde schon angeklungen. Gleiches gilt für einige der Elbzuflüsse.

Mit den Erfahrungen aus dieser Flutkatastrophe sollte die Landesregierung dazu schnellstmöglich mit allen Betroffenen bestehende Planungen noch einmal durchdenken. Wir begrüßen ausdrücklich, dass nunmehr vor weiteren Maßnahmen zum Elbausbau deren Folgen für den Hochwasserschutz gründlich untersucht werden. Allerdings möchte ich davor warnen, vor dem Hintergrund dieser Jahrtausendflut jetzt jegliches Flussausbauprojekt generell infrage zu stellen. Nicht jedes Binnengewässer ist gleichermaßen vom Hochwasser bedroht und der Güterverkehr per Schiff stellt noch immer eine der umweltverträglichsten Transportformen dar.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Neu überdacht werden sollte auch die Organisation des Katastrophenschutzes und die Zusammenarbeit mit den örtlichen Krisenstäben. Herr Fritsch hat das schon angesprochen. In Brandenburg hat sich die straffe und kompetente Führung des Katastrophenschutzes bei dieser extremen Einsatzlage bewährt. In anderen Bundesländern verlief die Einsatzkoordination weit weniger reibungslos.