Protocol of the Session on June 27, 2002

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/4500

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Frau Birkholz, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren? Mit dem Einigungsvertrag von 1990 und mit dem Rentenüberleitungsgesetz von 1991 verband sich die Annahme oder wenigstens die Hoffnung, in einem Zeitraum bis 1995 eine Angleichung der Ostrenten an das Niveau der Westrenten erreichen zu können.

Bekanntermaßen sind wir heute, im Jahre 2002, noch nicht an diesem Punkt angelan gt. Das Rentenniveau Ost liegt bei 87 %. Wird die Entwicklung so fortgeführt, wie sie sich zurzeit darstellt. dann wird es noch mindestens 15 Jahre dauern, bis eine Angleichung erreicht sein wird, und zwar unter der Voraussetzung, dass wir his dahin eine Angleichung der Durchschnittseinkommen erreicht haben.

Seit Ende der 90er Jahre hat sich der Prozess der Angleichung der Renten deutlich verlangsamt. Im letzten Jahr ist der Abstand sogar- wieder ein Stück größer geworden. In diesem Jahr werden wir von 87.2 auf 87,78 % des Westniveaus klettern. Bei einem Rückstand von 13 % kann man sich ungefähr ausrechnen, wie lange die Rentenanpassung noch dauern wird. Da mutet es schon ein wenig merkwürdig an, wenn die Bundesregierung jubelt, die Rentenanpassung schreite schneller voran als bisher angenommen. Herr Staatsminister Schwanitz verkündet sogar hocherfreut, er sei davon ausgegangen, dass dieser Stand erst 2005 erreicht werde. Herr Schwanitz ist, wie Sie wissen, für den Aufschwung Ost zuständig.

Wie dem auch sei. Meine Damen und Herren. im Kern muss es uns darum gehen, den jetzigen Rentnerinnen und Rentnern und den rentennahen Jahrgängen im Osten eine Perspektive zu eröffnen, die eine Gleichstellung wenigstens für den größten Teil von ihnen noch erlebbar macht. Eine solche Perspektive wäre ein Signal für soziale Gerechtigkeit.

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Bei Debatten uni die Situation von Rentnerinnen und Rentnern wird sehr häufig auf die Rentenzahlbeträge verwiesen. Auf den ersten Blick sind diese im Osten erstaunlicherweise im Durchschnitt höher als im Westen. Nur hat dies etwas mit längeren Erwerbsbiografien der Ostdeutschen zu tun und ist kein Beleg für eine Gleichstellung oder gar Besserstellung im Rentenrecht. Uni diese Gleichstellung zu erreichen, muss der aktuelle Rentenwert gleich sein. Wir sollten dabei auch mitbedenken, dass zwölf Jahre nach der Vereini gung viele Menschen, die jetzt in Rente gehen. die ununterbrochenen Erwerbsbiografien leider nicht mehr aufweisen werden.

Die Entwicklung der Renten folgt der Entwicklung der durchschnittlichen Löhne und Gehälter. Wer niedrige Löhne im Osten als vermeintliche Standortvorteile zementieren möchte, der muss deshalb wissen. dass er damit auch die Rentnerinnen und Rentner betrügt. Nur kommt merkwürdigerweise von den Niedriglohnstrategen kein Vorschlag, die Rentenentwicklung Ost von der Lohn- und Gehaltsentwicklung abzukoppeln.

Für die PDS ist die Niedriglohnstrategie keine vernünftige Alternative. Aber auch unter der Voraussetzung, dass der Osten nicht zum Experimentierfeld für solche Strategien wird. brauchen wir Rentenanpassungsschritte, die über die Durchschnittseinkommensentwicklung hinausgehen.

Meine Damen und Herren, sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat gab es Aktivitäten zur.Rentenangleichung. Es hat mich verwundert, dass die brandenburgische Landesregierung dieses Anliegen im Bundesrat abgelehnt hat. Neben dem Einreicher Mecklenburg-Vorpommern stimmte Berlin zu, während sich die Vertreter der Länder Thüringen, Sachsen und SachsenAnhalt immerhin der Stimme enthielten und Thürin gen einen eigenen Antrag ankündigte.

Meine Damen sind Herren, wenn es daran liegen sollte, dass Sie mit dem Bundesrat so Ihre Probleme haben, dann gibt Ihnen der vorliegende Antrag die Gelegenheit, Ihre Position zu finden bzw. zu überdenken. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der Vorsitzende des Ost-Forums der SPD nicht ein besonderes Augenmerk für die berechtigten Belange der älteren Bürgerinnen und Bürger im Osten hat. Leider ist der Abgeordnete Dr. Stolpe nicht mehr anwesend.

Ich bitte Sie uni Zustimmung zu unserem Antrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall hei der MS)

Präsident Dr, Knoblich:

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Konzack.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwölf Jahre nach der deutschen Einheit wird es wahrlich immer schwerer, bei den Bürgern in den neuen Bundesländern Akzeptanz. dafür 7.11 finden. dass zu leistende bzw. geleistete Arbeit immer noch nicht die gleiche finanzielle Anerkennung

erfährt wie im Westen unserer Republik, obwohl - auch das muss ich sehr deutlich sagen - die Umrechnung der Renten zu den Problemen der deutschen Vereinigung gehörte, die am gerechtesten gelöst worden sind. Dennoch fühlen sich die Menschen diskriminiert. Sie sehen oft nicht, dass auf vielen anderen Gebieten eine Angleichung der Verhältnisse erfolgt ist bzw. dass die alten Bundesländer zum Teil sogar überholt worden sind. Das haben auch Sie gerade so gesagt, Frau Birkholz. Es ist ein schwaches Argument, wenn Sie darauf verweisen, dass die Menschen in den neuen Bundesländern 45 Jahre gearbeitet haben: denn in der DDR hatte eben jeder eine Arbeit. Die Menschen in Westdeutschland mussten aber schon immer mit dem Problem der Arbeitslosigkeit leben. Wenn die Verhältnisse, die in den beiden Teilen Deutschlands sehr unterschiedlich waren, in dieser Weise gegeneinander aufgewogen werden, dann kommt man nicht weiter. Einer wird sich immer benachteiligt fühlen.

Ich erinnere noch einmal an die Punkte, bei denen die An gleichung schon erfolgt ist. Dabei denke ich vor allem an die moderne Ausstattung unserer Krankenhäuser und unserer Altenund Pflegeheime. an den immer weiter voranschreitenden Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Ländern und an das Aufblühen unserer Innenstädte. Ich wünschte mir, dass Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der PDS, einmal so fair wären, diese Tatsachen zu akzeptieren.

(Beifall bei SPD und CDU - Zurate von der PDS)

Für heute würde cs schon reichen, wenn Sie sie nur im Hinterkopf behielten.

Die PDS-Fraktion fordert die Landesregierung auf. sich auf Bundesebene für eine zügige An gleichung des aktuellen Rentenwertes Ost an das Westniveau einzusetzen - wohl in der Annahme, auf diesem Weg auch die Rentenangleichung zu erreichen.

Frau Birkholz, ich wundere mich wirklich, dass Sie nicht das Antwortschreiben des Vorsitzenden der PDS-Bundestagsfraktion. Roland Claus, kennen, in dem er merkwürdigerweise schreibt - er ist doch auch in der PDS -:

„Wenn nun eine politische Entscheidung gefällt würde. wonach die Renten Ost den Renten West angeglichen werden, dann würde das eine Heraufsetzung der Renten Ost auf 80 c7f, des Ostlohnniveaus bedeuten. Das hieße: im Osten stehen die Renten günstiger zu den Nettolöhnen als im Westen. Somit wäre zwar eines der größten Gerechtigkeitsprobleme gelöst, aber ein anderes würde aufgemacht. Zu bezahlen wäre diese Rentenstei gerung von den Steuern, und auch damit entstünde ein neues Problem."

Ich finde es merkwürdig, dass die PDS auf Bundesebene solch eine Meinung vertritt. die PDS-Landtagsfraktionen aber etwas anderes verkünden.

Meine Damen und Herren. in jedem der fünf neuen Länder unabhängig davon, von welchen Parteien sie regiert werden steht die Angleichung der Lebensverhältnisse ganz oben auf fielpolitischen Agenda. Heute kann noch niemand seriös vorhersagen, wie lange dieser Prozess noch dauern wird.

Wir wissen jedoch mit Bestimmtheit. dass die Vereini gung zweier Volkswirtschaften. die auf so gegensätzlichen wirtschaftlichen Grundsätzen fußten, mehr Zeit braucht und größere Anstrengungen erfordert, als die meisten bisher dachten. Sie ist nicht im Handstreich und mit populistischen Reden zu erreichen.

Wir müssen im Ausschuss noch sehr intensiv über dieses Thema reden. Dort können wir auch die entsprechenden Zahlen austauschen. Ich habe mir einige aufgeschrieben, lasse sie jetzt aber aus Zeitgründen weg.

Ich meine, ich habe genug dazu gesagt. Ich bin gespannt und freue mich :auf die Diskussion im Ausschuss.

Im Namen der SPD-Fraktion plädiere ich für die Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Frau Blechin- ger [CDU])

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Fechner,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Forderung nach Angleichung des aktuellen Rentenwertes Ost an das Westniveau ist verständlich, zumal seit der Wiedervereinigung zwölf Jahre vergangen sind. Deswegen soll der Landtag die Landesregierung auffordern, sich dafür einzusetzen, dass die Ostrenten wesentlich schneller an die Westrenten angeglichen werden als die Ostlöhne an die Westlöhne. Die bewährte Kopplung des Lohnniveaus an das Rentenniveau soll dafür aufgehoben werden. Das lehnt die Fraktion der Deutschen Volksunion ab.

Meine Damen und Herren, es ist doch immer wieder erstaunlich, wie wandlungsfähig die Genossen der PDS sind. Nicht nur mir. sondern auch etlichen der hier Anwesenden wird im Gedächtnis haften geblieben sein, mit welch niedrigen Renten die DDR-Rentner damals zurechtkommen mussten. Nur für ihre Parteifunktionäre hatten sie Vorsorge getroffen.

Woher jetzt also dieser Sinneswandel? Bekanntlich ist die PDS eine Rentnerpartei. Langsam, aber sicher sterben ihr die Anhänger und Mitglieder weg.

(Zurufe von der PDS)

Fast könnte man denken, dass sich die SED-Nachfolgerin bei diesen alten Kommunisten noch rechtzeitig vor ihrem Ableben für ihre jahrzehntelange Treue erkenntlich zeigen will.

(Zurufe von der PDS)

Wie wichtig den SED-PDS-Genossen das Wohl der Rentner wirklich ist, haben sie mit ihrer jahrzehntelangen menschenverachtenden Altenpolitik in der damaligen DDR gezeigt.

(Sarrach [PDS]: Weil der Kaffee so teuer war?!)

Schon aus dein Grunde lehnen wir Ihren Antrag ah. - Ich danke.

(Beifall bei der DVU Zuruf von der PDS: Dafür ist nichts :zu blöd?)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Helm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sicherung der Altersversorgung. der Renten, hei Wahrung der Generationsgerechtigkeit ist die größte sozialpolitische Aufgabe der kommenden Jahre. Die Vermittlung der Gewissheit bzw. die Verlässlichkeit, dass die Altersversorgung auch unter veränderten wirtschaftlichen und demographischen Gegebenheiten langfristig gesichert ist. ist ein viel größeres Problem als das in Ihrem Antrag angesprochene.

Diese Bemühungen stehen im Mittelpunkt der Parteienprogrammatik besonders zur Bundestagswahl. Es ist auch notwendig darauf einzugehen. denn die Finanzierbarkeit der Renten und auch der Altersquotient zwingen uns dazu. Die Wege sind unterschiedlich, Ich möchte diese hier nicht diskutieren. Sie sind auch nicht Gegenstand des Antrages. Ich möchte hier noch einmal darauf hinweisen, dass sich der Altersquotient von 24,7 % im Jahre 1995 auf 53.9 % im Jahre 2040 erhöht. Das heißt, dass pro Erwerbstätigen dann im Endeffekt ein Rentner zu versorgen ist.

ihnen geht es um die Angleichung der gegenwärtigen Renten Ost und West. In mehreren Veranstaltungen während der Seniorenwoche war festzustellen, dass sich ganz besonders die Vertreter der PDS zu Fürsprechern aller angeblich Entrechteten und Benachteiligten der deutschen Einheit - vom Rentner über den Arbeitslosen bis zum Kriegsrückkehrer - aufschwingen und die Lösung aller Probleme in Aussicht stellen.

(Zuruf des Abgeordneten Sarrach !PDS])

Sie schüren ganz bewusst Sozialneid und Sozialangst. Ich habe es erlebt. Sie wecken Hoffnungen, dass nur die PDS der Heilbringer ist. in der Gewissheit, dass Ihre Partei. Frau Birkholz, nie in die Pflicht genommen wird. diese durchaus vorhandenen Probleme auch lösen zu müssen.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Birkholz [PDS])

Dieses Werben um Stimmen im Wahlkampf ist für mich unverständlich. Mit Menschenschicksalen geht man so nicht um. Das muss ich hier klar und deutlich sagen.